Ich hatte ja gehofft, das Thema “männliche Beschneidung” für längere Zeit nicht mehr aufs Tapet bringen zu müssen – aber wie ich aktuellen Berichten in den USA entnehmen kann, plant die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention), eine Empfehlung zur Entfernung der Vorhaut als Vorbeugung gegen Aids auszusprechen. Die Nachrichtenlage dazu ist im Moment noch dünn (der Entwurf zirkuliert offenbar derzeit noch in den zuständigen Gremien); auf der CDC-Seite selbst finde ich nur diese bereits ein paar Jahre alte (und hier im Kern schon ausgiebig diskutierte) Stellungnahme. Aber aus den Medienberichten (mehr hier) entnehme ich, dass die Argumentation immer noch die gleiche ist; allerdings richtet sich diese Empfehlung nun nicht mehr an die Eltern von Neugeborenen, sondern von Teenagern. Das ist, um es ganz klar zu sagen, schon mal eine ganz andere Empfehlung als die zur Beschneidung von Neugeborenen – und nur letztere war es, um die hier heiß diskutiert wurde.
Die Basis der Empfehlung ist aber, soweit ich das verstehe, sowieso immer noch die gleiche: Ein im März 2009 im New England Journal of Medicine veröffentlichter Artikel, der sich vor allem auf Studien stützt, an denen ein paar tausend Jugendliche (ab 15) und Männer in Uganda teilnahmen. Und die Kritik, die an der Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf Neugeborene und Kinder bestand, gilt wohl auch weiterhin:
Sie beobachtet sexuell aktive, weitgehend erwachsene Männer – und dass deren sexuelles Verhalten durch eine so drastische operative Veränderung ihres für sexuelle Aktivitäten zentralen Organs im Lauf von zwei Jahren nicht beeinträchtigt gewesen sein soll, ist nicht glaubhaft. Verringerte sexuelle Aktivität ist aber für sich alleine schon ein ausreichender Mechanismus, um auch die verringerte Wahrscheinlichkeit von sexuell übertragenen Krankheiten zu erklären; die Studie beruft sich hinsichtlich der Veränderung oder Nichtveränderung sexueller Aktivität auf die Angaben der Probanden selbst, testet deren Glaubwürdigkeit aber offenbar nicht (und nein, der Gedanke, dass Männer über ihre sexuelle Aktivität eventuell nicht wahrheitsgemäß Auskunft geben könnten, ist selbstverständlich total absurd – NICHT). Außerdem war der Beobachtungszeitraum mit 24 Monaten relativ kurz – was die Vermutung, dass die Veränderung eher verhaltensbedingt ist, zumindest schon mal nicht entkräften kann.
Aber mehr noch: Die Reduzierung trat nur mit einiger Signifikanz für die HIV-Übertragung von Frauen auf Männer auf; hinsichtlich des umgekehrten Übertragungsweges (Männer auf Frauen) ließ sich kein nützlicher Effekt finden. Und was die Ansteckung bei homosexuellem Geschlechtsverkehr angeht, lässt sich aus dem Material schon gar keine Aussage ableiten. Das heisst, auf deutsche Verhältnisse übertragen: Für fast 80 Prozent aller HIV-Infizierten wäre diese “Schutzmaßnahme” möglicher Weise vollkommen irrelevant, da sie sich nicht durch heterosexuellen Geschlechtsverehr infiziert haben.
Also nochmal: Die Gründe, warum die CDC auf Grund der begrenzten Aussagekraft dieser Studien glaubt, eine Empfehlung zur Beschneidung aussprechen zu müssen (vor allem, wie sie die Risiken gegen den Nutzen aufwägt – diese Aufrechnung allein wäre ja erst mal wichtig zu wissen), sind eine Sache. Aber daraus eine medizinische Rechtfertigung der Beschneidung von Säuglingen – und darum ging die “heiße” Diskussion, wie ich noch einmal betonen muss – abzuleiten, bleibt auch weiterhin ein Fehlschluss.
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