Ich bin zwar Geograph und kein Gender-Forscher, aber das Thema Gleichstellung und Genderdisparitäten finde ich – auch aus beruflichen Gründen, wie ich schon mehrfach betont habe – zu wichtig, als dass ich mich dafür nicht jederzeit aus dem Fenster lehnen würde. Selbst wenn mir dann ein scharfer Wind entgegen bläst. Und ich versuche diese Haltung nicht nur explizit in Blogbeiträgen zu thematisieren, sondern auch in meinem Sprachgebrauch zu reflektieren: Wer hier relativ regelmäßig mitliest, wird feststellen, dass ich sehr häufig Formulierungen wie “Leserinnen und Leser” oder “LeserInnen” oder “der/die Leser(in)” benutze. Warum tue ich das?
Ganz einfach: Weil es Männer und Frauen gibt (und an all jene, die jetzt gleich aufspringen und rufen, “Das sexistische Schwein hat die Transgender-Personen vergessen”: auch Transgender-Personen identifizieren sich, soweit ich das mitbekommen habe, als Mann oder Frau, doch diese Identifikation ist nicht notwendig kongruent mit dem, was ihre Chromosomen anzeigen würden). Und weil diese gleichberechtigt angesprochen werden sollen. Macht manchmal ein bisschen Mühe, und ist vielleicht nicht immer die eleganteste Form – aber das sind Futur II und indirekte Rede auch nicht immer, gehören aber trotzdem zur korrekten deutschen Sprache. Wer beide Geschlechter meint, sollte auch beide Geschlechter benennen – und das sage nicht nur ich, sondern auch die Freiburger Professorin Evelyn Ferstl, die in diesem lesenswerten Beitrag Nur wer von Frauen spricht, meint sie auch in der Stuttgarter Zeitung zu Wort kommt. Mit anderen Worten: Die Einführung eines (scheinbar) geschlechtsneutralen Begriffs – selbst wenn es ein “generisches Femininum” wäre, das beispielsweise an der Uni Leipzig versuchsweise praktiziert wird – ist keine Lösung für das sprachliche-gesellschaftliche Genderproblem, da damit letztlich dann doch nur – wie hier ausgeführt wurde – die bereits bestehenden Gender-Stereotype gefestigt werden. Und das heißt halt: lieber “Raumfahrttechnik-Studentinnen und -Studenten” sagen, weil dann wirklich unmissverständlich klar ist, dass sowohl Frauen als auch Männer dieses Fach studieren, statt “Studierende der Raumfahrttechnik”, die sich dann in all zu vielen Köpfen doch nur wieder als Männer manifestieren.
Aber eine beckmessernde Anmerkung habe ich dann doch noch. Ich zitiere mal direkt aus dem Artikel:
Das ergab auch eine noch nicht veröffentlichte Studie von Ferstl selbst, bei der sie 18 Testpersonen Sätze vorlegte wie „Jack saw the mechanic, because she looked out of the window“ und deren Hirnaktivitäten mittels Magnetresonanztomografie (MRT) beobachtete. Dieses Beispiel von einem Mechaniker oder einer Mechanikerin, der/die aus dem Fenster schaut und dabei von Jack gesehen wird, lässt sich schwierig ins Deutsche übersetzen, da „the mechanic“ im Englischen vom Geschlecht her unbestimmt ist. Obwohl der Satz also grammatikalisch korrekt ist, sah Ferstl im MRT ähnliche Aktivierungen des Gehirns wie bei objektiv falschen Sätzen wie: „Die Frau war beliebt, weil er attraktiv war.“ Ein Zeichen, dass Frauen nicht mitgemeint sind, sagt Ferstl: „Eine Verletzung der stereotypen Geschlechtszuordnung löst ähnliche Aktivierungen aus wie Sätze mit Pronomenfehler.“ Offenbar ist in unserem Unterbewusstsein „the mechanic“ ein Mann. Zu verstehen, dass es sich hier um eine Frau handelt, irritiert das Gehirn.
Es ist leicht einzusehen, dass die Hirne der Testpersonen über den Satz stolpern werden “Jack saw the mechanic, because she looked out the window”. Aber dass sie das tun, wie in dem Artikel erklärt wird, weil sie den “mechanic” als Mann interpretieren und daher durch die Diskordanz mit dem weiblichen Pronomen “she” irritiert werden, wäre eine voreilige Folgerung. Der Satz ist einfach schlecht formuliert – es ist nicht klar, wer aus dem Fenster schaut. Die Interpretation, dass der (weibliche?) Mechaniker aus dem Fenster schauen muss, um für Jack sichtbar zu werden, ist nicht die zwingendste: Vom Satzbau und der Grammatik ist es viel naheliegender, dass Jack aus dem Fenster schaute und dabei einen Mechaniker sah. Dann würde sich das weibliche Pronomen der zweiten Satzhälfte auf Jack beziehen – und das verwirrt, egal ob da nun eine Mechanikerin oder ein Mechaniker im Hof steht.
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