In meinem ersten Posting darüber, wie der Stern des ehemaligen Stars unter den akademischen Lehrern des Massachusetts Institute of Technology, Walter Lewin, in dramatischer Weise unterging, schien ja noch ein bisschen die Hintertür offen zu bleiben, dass es sich nur um ein großes Missverständnis gehandelt habe könne – vielleicht sogar nur um ein rein linguistisches Kommunkationsproblem zwischen Generationen und unterschiedlichen Muttersprachen. Doch einen Tag nach meinem Posting (kein ursächlicher Zusammenhang hier) veröffentlichte Inside Higher Ed mehr Details – Details, die das MIT, wie ich nun vermute, aus vermeintlichem Takt und Respekt gegenüber dem einstmals so angesehenen Professor, nicht verbreiten wollte, und die Inside Higher Ed direkt von der Frau erhielt, die mit ihrer Beschwerde diesen Stein ins Rollen gebracht hatte. Auch die MIT-Studentenzeitung The Tech hat dies inzwischen aufgegriffen.
Und nein, von einem “Missverständnis” oder einer “überzogenen Reaktion” des MIT kann danach wohl nicht mehr die Rede sein:
Lewin quickly moved their friendship into uncomfortable territory, and she was pushed to participate in online sexual role-playing and send naked pictures and videos of herself. After about 10 months, Harbi said, she resumed self-mutilating after seven years of not doing so
beschreibt Inside Higher Ed die Interaktion zwischen Lewin und der 32-jährigen MITx-Studentin. Die “Freundschaft” war via Facebook zustande gekommen, wo die Frau eine Seite für den Physikkurs Lewins eingerichtet hatte, und auf der sie den Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen suchte – und wo sich, zu ihrer Überraschung auch, der “echte” Walter Lewin meldete (er bewies seine Authentizität mit Kursdokumenten, auf die nur er als Kursleiter Zugriff haben konnte).
Und spätestens ab da ist Lewin nicht mehr zu entlasten: Selbst wenn, wie einige KommentatorInnen im Diskusssionsstrang zu meinem ersten Beitrag darüber spekulieren, die Studentin die Anzüglichkeiten des Professors initiiert oder zumindest aus Eigeninteresse erst mal mitgemacht haben sollte (ACHTUNG: Dafür gibt es nicht die geringsten Hinweise – es geht hier nur um den hypothehtischen Fall, wenn es so gewesen wäre) – selbst dann fällt die volle Verantwortung auf den Lehrer zurück. Das ist so simpel und grundsätzlich, dass es vermutlich über alle Sprach- und Kulturdifferenzen hinweg uneingeschränkt verständlich ist.
Und ich schreibe ganz bewusst “die volle Verantwortung” – denn in solchen Fällen ist Verantwortung etwas, was nicht dadurch kleiner wird, weil sie auf mehrere Personen “verteilt” wird. (Erneut ACHTUNG: Auch dafür gibt es im Fall Lewin nicht die geringsten Hinweise). Das ist, um mal ein Parallelbeispiel zu suchen, ähnlich wie bei der Bestechung (und sexuelle Gratifikation kann ja in solchen Fällen wie eine “Belohnung” aufgefasst werden) – nur weil mir ein Bestechungsgeld angeboten wurde, bedeutet das nicht, dass damit meine Schuld im Fall der Annahme in irgend einer Weise gemildert wird.
Die Entscheidung des MIT mag also nicht sehr transparent gewesen sein – aber im Licht dieser Erkenntnis (die Frau hatte dem MIT ihre Kommunikation mit Levin, inklusive der Bilder, verfügbar gemacht) war sie, meine Ansicht nach, absolut nicht überzogen.
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