Dass die beiden Themenkomplexe Schusswaffen und sexuelle Gewalt an Hochschulen, die mir ja nicht nur inhaltlich, sondern auch geographisch sehr nahe liegen, irgendwann konvergieren würden, habe ich schon länger befürchtet – weil die Knarre in den USA ja leider nur allzu gerne als die Lösung aller Gewaltprobleme gesehen wird. Dass dies nicht etwa Gewalt beseitigt, sondern eher noch verstärkt, wird dabei mit großem Eifer ausgeblendet.
Nun ist also ein neuer Trend zu beklagen: Vorgeblich, um der sexuellen Gewalt an amerikanischen Colleges und Universitäten zu begegnen, wollen einige Politikerinnen und Politiker durchdrücken, dass Studentinnen und Studenten (ebenso wie das Lehrpersonal, versteht sich) künftig Schusswaffen tragen dürfen (mehr Informationen dazu gibt es hier und hier). Ich schreibe “vorgeblich”, weil das gleiche Argument – Waffen sollen Gewalt verhindern – ja auch nach jeder Schießerei an einer Schule oder einem College vorgebracht wird; nun muss also die sexuelle Gewalt als Ausrede herhalten, damit die Waffenfanatiker ihre Ballermänner auch noch in Wohnheimen und Klassenzimmern paradieren dürfen (ja, ich bin da ganz polemisch – ich finde, als Lehrer an einem amerikanischen College, diesen Gedanken absolut unerträglich).
Die Absurdität ist kaum zu beschreiben: Da wird einerseits immer so getan, als ob es das Problem der sexuellen Gewalt doch eigentlich gar nicht gäbe, als ob es sich immer nur um Missverständnisse handele und die Studentinnen sowieso immer selbst schuld seien, wenn die jungen Männer zu weit gehen – aber dann sollen solche “Missverständnisse” mit dem Tod bestraft werden dürfen? Und ab wann ist der Gebrauch der Schusswaffe zu rechtfertigen? Bei zu plumper Anmache, oder einem voreiligen Körperkontakt – oder muss die junge Frau mit dem Schießen warten, bis sie mit Alkohol (und gelegentlich auch ein paar Pillen) widerstandslos gemacht wurde? Und was ist, wenn – an den Nebeneffekt haben die Waffenfreundinnen und -Freunde vielleicht gar nicht gedacht – der Vergewaltiger ebenfalls bewaffnet ist?
Gewalt mit Gewalt zu begegnen, ist – das ist simple Arithmetik – nur ein Weg zu mehr Gewalt. Es ist übrigens schon sehr entlarvend, dass diese Idee keineswegs von den betroffenen Studentinnen propagiert wird, auch wenn dieser Artikel in der heutigen New York Times ein paar junge Frauen als Befürworterinnen nennt: Der gleiche Artikel (der sich sehr kritisch mit der Idee befasst) verrät aber auch, dass 86 Prozent aller Studentinnen – im Gegensatz zu “nur” 67 Prozent aller Studenten – entschieden dagegen sind, Waffen an Unis zuzulassen.
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