Man mag ja von Ranglisten generell und von internationalen Vergleichen akademischer Einrichtungen insgesamt halten was man will, da die Kriterien oft nicht wirklich transparent (und anscheinend irgendwie stark zu Gunsten amerikanischer Hochschulen ausgewählt) erscheinen. Eine kleine Auswahl von bereits länger gepflegten Ranglisten folgt am Ende dieses Beitrag, und auch die Nachrichtenagentur Reuters hat sich nun berufen gefühlt, die Hochschulen der Welt zu sortieren, diesmal nach ihrer Innovationskraft.

Doch egal, wo und vom wem diese Listen erstellt werden – man muss immer sehr weit nach unten durchscrollen, um die erste deutsche Uni zu finden. Mal “nur” bis Rang 29, aber gelegentlich auch schon mal bis in die 70-er Ränge. Und das ist, egal wie man misst, nicht sehr schmeichelhaft.

Darüber würde ich gerne ein bisschen diskutieren, nicht zuletzt, weil ja bei kontroversen Themen immer wieder gerne mal die “Gefährdung des Forschungsstandorts Deutschland” in die Waagschale geworfen wird.

Das Thema “Qualität deutscher Unis” hatte ich in den vergangenen Monaten gleich in zwei Interviews für das Magazin BILANZ angesprochen – einmal im Gespräch mit dem Boehringer-Ingelheim-Chef Andreas Barner (in seiner Rolle als Präsident des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft), und erst vor ein paar Wochen bei meiner Begegnung mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller. Hier die zwei Zitate, die mir dabei im Gedächtnis blieben, und die gewissermaßen als Gegenpole hier stehen sollen:

Ich denke, dass wir angesichts unseres universitären Niveaus in Deutschland überhaupt nicht besorgt sein müssen. Wenn man mal von den Spitzenuniversitäten wie Harvard, MIT, Stanford oder Berkeley absieht, dann glaube ich nicht, dass sich irgendeine deutsche Universität hinter irgendeiner amerikanischen verstecken muss – wenn, wie gesagt, die Grundfinanzierung stimmt. (Andreas Barner)

… wenn Hochschulen und Colleges vom Staat bezahlt werden, wird doch nur das geistige Niveau weit heruntergedrückt, damit es allen gerecht wird.(…) Glauben Sie mir, auch die deutsche Hochschulbildung war besser vor der Einführung des Wohlfahrtsstaates. Im 19. Jahrhundert hatte Deutschland die besten Universitäten der Welt. Nehmen Sie die Universität Göttingen zum Beispiel. Redet von der noch jemand? Das war mal die Universität mit den besten Mathematikern und Physikern der Welt. Was ist passiert? (Robert Shiller)

Ja, was ist passiert? Oder ist eigentlich alles in Ordnung, wie Barner meint?

Hier nun die versprochene Liste einiger aktueller Rankings, mit der jeweils höchstplatzierten deutschen Uni und deren Platzierung in Klammern:

https://www.reuters.com/article/2015/09/15/idUSL1N11K16Q20150915 (TUM 50)
https://www.usnews.com/education/best-global-universities/rankings (LMU 48)
https://www.timeshighereducation.co.uk/world-university-rankings/2015/world-ranking (LMU 29)
https://www.shanghairanking.com/ARWU2015.html (Heidelberg 46)
https://www.topuniversities.com/university-rankings/world-university-rankings/2015#sorting=rank+region=+country=+faculty=+stars=false+search= (TUM 60)
https://cwur.org/2015/ (Heidelberg 76)

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Kommentare (6)

  1. #1 Thilo
    17. September 2015

    Ein Punkt, der die geringe Prasenz deutscher Unis in den Spitzengruppen der Rankings erklart, ist die grossere Ausgewogenheit des deutschen Hochschulsystems. Andere Lander haben einige wenige Elite-Unis, die dann in allen Fachern Spitze sind, und an den restlichen Unis sind die Anspruche (an die Studenten) weit unter dem deutschen Durchschnittsniveau. In Deutschland gibt es kaum eine Uni, die in allen Fachern gut ist, aber auch an den durchschnittlichen und unterdurchschnittlichen Unis ist das Niveau der Vorlesungen und Klausuren noch deutlich hoher an als an der Masse der weniger bekannten Unis in anderen Landern.

    Amerikanische Gaststudenten, die nicht aus Harvard, sondern von unbekannten XY-Unis kommen, sind mit den Vorlesungen in Deutschland regelmassig uberfordert. (Meine Erfahrung aus der Mathematik.)

  2. #2 Thilo
    17. September 2015

    Und zum Zitat von Shiller: warum Goettingen in Mathematik und Physik seine Spitzenstellung vor 80 Jahren verloren hat, dazu gibt es viele wissenschaftliche und auch belletristische Arbeiten. Gerade letzte Woche hatte ich was dazu geschrieben: https://scienceblogs.de/mathlog/2015/09/07/hilberts-radioansprache-von-1930/

  3. #3 jmichael89
    17. September 2015

    Ich hatte tatsächlich mal eine Diskussion mit einem Professor darüber, bei dem ich auch meine Masterarbeit geschrieben habe. Hintergrund: Ich habe BWL studiert, an einer der wenigen deutschen Universitäten, die in dem Bereich auch international sichtbar ist. Bei BWL sind da insbesondere die Rankings der Financial Times und des WSJ wichtig, national schauen die Leute eher auf das Handelsblatt. Insbesondere wichtig ist in dem Bereich die Forschungsleistung der Professoren (wobei sich die FT eher an den Durchschnittsgehältern der Absolventen orientiert). Die Universität hatte sich aber schon der Forschungsleistung verschrieben.

    Der besagte Professor hatte vorher in Rotterdam gelehrt und war dann nach Deutschland zurückgekehrt. Seine Analyse war folgende: Deutschland kann aufgrund der standardisierten Professorengehälter keine Spitzenforscher werben, die würden eher in die USA oder in Länder gehen, wo Professorengehälter individueller verhandelt werden können (natürlich ist das eine ziemlich marktorientierte Perspektive, aber ich behaupte einfach mal, dass sich auch der durchschnittliche Professor in den Naturwissenschaften für das bessere Gehalt entscheidet, wenn es keine gravierenden anderen Faktoren gibt). Dass die Universitäten als Einrichtungen der Länder keinen Spielraum bei den Gehältern haben hat natürlich auch Vorteile, kann in der Spitzenforschung aber ein Problem sein. Er meinte, dass die deutschen Universitäten im Grunde nur bei Leuten aus Deutschland und Returnees wie ihm eine Chance haben.

    Zu diesem Punkt kommen dann natürlich noch Netzwerkeffekte hinzu…sobald sich Spitzenforscher an einer Universität angesiedelt haben (nicht in Deutschland), wollen natürlich andere Forscher auch dorthin, um mit den Koryphäen ihres Faches zusammenzuarbeiten. Ob man deswegen die Position von Shiller teilen muss ist natürlich eine andere Frage…aber eventuell wäre etwas mehr Flexibilität dort schon hilfreich. Am Ende ist es doch irgendwie eine Frage des Geldes.

  4. #4 BreitSide
    Beim Deich
    17. September 2015

    Tja, was ist nun besser: Hohe Spitzen und miese Breite oder umgekehrt? Ich stimme da für umgekehrt.

    Wollte D mit der Excellenz-Initiative Beides kombinieren?

    Wenn es am Geld liegt (was ich auch für zutreffend halte), könnte das Johanna Wanka richten?

  5. #5 dgbrt
    18. September 2015

    “Uni-Ranking” ist für mich das Unwort des Jahres seit über zwanzig Jahren. Da werden immer wieder Äpfel mit Birnen verglichen, und es wird sehr viel auf eine Uni reduziert, ohne dass in der Presse einige hervorragende Fachbereiche noch eine Chance hätten.

    Aber Jürgen Schönstein hat natürlich Recht. Die guten Akademiker laufen den deutschen Unis davon. Und da geht es aber nicht nur ums Geld.

    Ich habe Professoren und andere Dozenten erlebt, die a la Harald Lesch in ihrer Funktion als Wissensvermittler richtig klasse waren. Die einzige Belohnung war, dass die Studenten diese Vorlesungen wirklich mochten, die Hörsäle waren voll.

    Ein Professor, der eigentlich nur forschen möchte, hat da in Deutschland fast keine Chance.

    Ein Beispiel ist Albert Einstein: Der ging 1914 nach Deutschland zum Kaiser Wilhelm Institut für Physik und als Professor an die Humboldt Universität Berlin unter der Voraussetzung keine größeren Aufgaben in der Lehre übernehmen zu müssen. Zwei Jahre später war die Allgemeine Relativitätstheorie fertig. Das geht so heute nicht mehr!

  6. #6 NGast
    20. September 2015

    Auch wenn folgendes nicht repräsentativ ist: ich durfte an der Uni Karlsruhe (wenn überhaupt in den Top 100 zu finden) und an der Columbia University (regelmäßig in den Top 10 zu finden) studieren. Ich empfand im Schnitt die Vorlesungen und Prüfungen an der Columbia tendenziell etwas leichter / weniger anspruchsvoll als in Karlsruhe. Nur der Umfang / Aufwand (gerade während des Semesters) war größer.
    => Aus meiner beschränkten Sicht erscheinen mir diese Rankings deswegen zumindest fragwürdig, auch wenn diese natürlich nicht nur diesen Aspekt einer Uni bewerten…