Und da ist was dran: Es kommt nicht mehr darauf an, was man weiß, sondern dass man weiß, wie und wo man die richtigen Informationen findet. Zeiten, in denen ein einzelner Mensch alles relevante Fachwissen einer Disziplin im Kopf speichern konnte, sind doch seit langem (wir reden hier von Jahrzehnten und Jahrhunderten) absolut vorbei. Und es wäre auch nicht wünschenswert, denn das ist statisches Wissen – doch die Wissenschaft und das, was wir von ihr lernen können, verändert sich laufen. Und nur allzu oft müssen wir feststellen, dass das, was wir zu wissen glaubten, nicht oder nicht mehr akkurat ist.
Okay, manche Tests tun ja nun so, als ob sie nicht das Wissen selbst abfragen, sondern dessen Anwendung – aber halt unter Zeitdruck. Doch wann erleben wir wirklich diesen Zeitdruck in der “echten Welt”? Und vor allem: Wann müssen wir, wenn wir unter diesem Zeitdruck eine Lösung brauchen, dieselbe ganz alleine finden? Oder, um da noch gleich nachzulegen: Ist es wünschenswert, Menschen dazu zu erziehen, dass sie glauben, die beste Antwort sei die, die sie ohne Zusammenarbeit mit anderen finden können? In der akademischen Welt, in der ich arbeite, kann ich aus unmittelbarer Nähe beobachten, dass diese Antwort in keinem Fall ein uneingeschränktes “Ja” sein kann.
Aber, höre ich manchmal, irgend einen Filter brauchen wir doch, irgendwie muss doch gemessen werden, was der Schüler/die Schülerin/der Student/die Studentin weiß, kann und in irgend einer Form “wert” ist. Stimmt, ich rede ja auch nicht unbedingt dem Abschaffen der Noten das Wort (obwohl mir ab morgen wieder rund 60 Seminararbeiten ins Haus flattern werten, die ich dann lesen, kommentieren und am Ende auch benoten muss – was ich etwa so gerne tue wie Steuerformulare ausfüllen). Aber sind die Fähigkeiten, die jemand mit einer beobachtbaren Kontinuität demonstriert, nicht maßgeblicher für den akademischen oder beruflichen Erfolg? Wenn jemand immer nur unter Druck Leistung zeigt, ist das wirklich effizient?
Letztlich komme ich nur auf einen wirklich plausiblen Grund, warum diese Tests weiterhin bestehen: Weil sie den Testenden das Leben leichter machen. Und das ist ja ein legitimer Grund; wenn ich in den kommenden Tagen und Nächten stundenlang (nach grober Schätzung aus praktischer Erfahrung etwa zwei Stunden pro Arbeit, alles inklusive, also runde 100 Studen bis Ende der kommenden Woche) über manchmal kryptisch, manchmal unvollständig, in fast jedem Fall aber meine volle Aufmerksamkeit fordernd geschriebenen Studenten-Papern sitze, werde ich mein Schicksal auch mehrfach beklagen und mir wünschen, dass es einen leichteren Weg geben müsse. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn ich nur ein paar Haken am Rand machen und diese dann addieren müsste (oder besser noch: gleich einen Algorithmus die ganze Arbeit machen lasse), um auf die Note zu kommen?
Aber sollten wir wirklich unsere Zukunft davon abhängig machen, dass Menschen nach Nummern sortiert werden können?
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