Wie konnte ich in meinem Beitrag über sexuelle Gewalt mit Herkunftsnachweis nur so naiv sein darüber zu sinnieren, was an dem angeblich fehlenden medialen Hinweis auf Aussehen und geographische Herkunft der silvesternächtlichen Grabscher und Sexualverbrecher von Köln und andernorts nachrichtlich so relevant sein könnte. Dabei hätte ich doch sofort erkennen müssen, dass just dieser Hinweis auf die “arabische und nordafrikanische Herkunft” die eigentliche Nachricht ist. (Dieses “hätte wissen müssen” ist übrigens weitaus weniger ironisch, als mir lieb wäre, wenn ich mir das Titelbild der aktuellen Ausgabe des FOCUS anschaue – wenn ich dort noch Korrespondent wäre, wäre ich in dieser Lesart zwangsläufig impliziert worden. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass ich es nicht mehr bedauere, meinen Job dort nicht mehr zu haben, aber nun bin ich wirklich erleichtert, dort nicht mehr arbeiten zu müssen).
Das ist, vermute ich, das Gleiche wie bei dem alten Journalistenmeme vom Mann, der den Hund beißt: Auch dort ist nicht die Aktion des Beißens, sondern die Identität des Beißenden die Nachricht. Und ebenso, wie das Beißen des Mannes durch den Hund an sich eben keine berichtenswerte, sondern eine völlig natürliche und normale Erscheinung wäre, sind auch nicht die Übergriffe an sich die Nachricht – dass so etwas passiert, wissen wir doch längst (man lese mal in dieser Rezension eines Buches über die Erlanger Bergkirchweih: “Ob man/frau auf der »Bergmeile« im Menschenstrom mitschwimmt, ausschert und stehenbleibt: Selten ist es ein Schlendern, meist ein Schieben und Geschobenwerden, oft auf Tuchfühlung, wo dann die Taschendiebe und Po- und Busengrabscher ungestört ihr Unwesen treiben können” – Hervorhebung von mir); es ist doch alles nur Spaß, wie solche Scherzartikel und “Partyspiele” belegen…
***Ironie aus*** Ob Oktoberfest oder Karneval: Die Behauptung, dass dies keine Zusammenrottungen auch (nochmals: auch!) von – zumeist – Männern in Erwartung sexueller Gratifikation sind, wäre im besten Fall naiv und im schlimmsten Fall eine Lüge. Schon mal einen Betriebsausflug zum Oktoberfest mitgemacht? Gerüchteweise (da ich selbst wegen der großen räumlichen Distanz und den damit verbundenen Reisekosten nie dazu eingeladen war) soll es übrigens auch bei den traditionellen FOCUS-Ausflügen zm septemberlichen Trinkfest auf der Münchner Theresienwiese gelegentlich “handfest und herzhaft” (um’s mal euphemistisch beschönigend zu bezeichnen) zugegangen sein; und dass solche Annäherungen immer freiwillig ge- und erdulded wurden, kann man in einem Umfeld, wo es Hierarchien und existenzielle Abhängigkeiten gibt, so ganz uneingeschränkt nicht voraussetzen. (Die eine oder andere – ehemalige – FOCUS-Redakteurin liest hier ja sicher mit und könnte mein von üblen Gerüchten böswillig verzerrtes Unwissen sicher korrigieren…)
Auch im Karneval, jener vor allem in Köln sehr populären Vergnügungssaison, werden die Hände des einen oder anderen Jecken die Anatomie kölscher Mädcher selbst ohne deren Zustimmung begrabschen. Doch so lange deutsche – oder jedenfalls ihnen physiognomisch sehr ähnliche – Männer so etwas tun, wird es selbst in Polizeiberichten als “spaßig” eingestuft (wie der Kommentator roel hier dankenswerter Weise recherchiert hat, verbirgt sich hinter dem Hinweis auf die “redaktionelle Veränderung” in diesem Polizeibericht die später abgeänderte Original-Formulierung “ein spaßig gemeinter Griff unter den Rock” durch einen “kecken Burschen”. Bestraft wurde dabei übrigens nicht dieser Grabscher, sondern die Frau, die sich gegen ihn gewehrt hatte…) Und wie hier dokumentiert wurde, sind solche sexuellen Übergriffe in Deutschland generell erst mal gar nicht strafbar.
Und wer’s jetzt immer noch nicht kapiert hat: Es geht nicht darum, sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigungen zu relativieren, im Gegenteil – die bisher praktizierte Relativierung, die sexuelle Übergriffe immer nur dann zur Kenntnis nehmen will, wenn es sich bei den Tätern um “Fremde” handelt, muss endlich aufhören.
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