Na, wie das wohl geht, dachte ich, als ich diese Betreffzeile in meiner Inbox las: “Sauberes Wasser ohne Chemie”. Geht es da etwa um Wasser ohne chemische Elemente, also ohne Wasserstoff und ohne Sauerstoff – und natürlich auch ohne die chemischen Prozesse, die dafür sorgen, dass sich zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoff zu einem dipolaren Molekül vereinigen?

Wer jetzt Luft holt, um auf die dämlichen Esos zu schimpfen  denn nur die können überhaupt hinter so einer Pressemitteilung stecken (wer sonst) und ganz offensichtlich raffen die mal wieder nix und für die verkörpert Chemie sowieso immer nur alles Böse und die sind eh zu ignorant zu kapieren dass alles was unsere Welt ausmacht immer eine Form von Chemie ist (***lufthol***): Diese Pressemitteilung wurde von einer der angesehensten deutschen Wissenschaftseinrichtungen verschickt. Und im Text wird natürlich klar gestellt, dass es dabei um die Desinfektion von Wasser “ohne chemische Zusatzstoffe” (Hervorhebung von mir) geht – und ja, ich fand diese Mitteilung absolut verständlich und die Betreffzeile auch völlig natürlich.

Unter uns ScienceBloggerInnen kommt es ja immer wieder mal vor, dass wir über diese sprachliche Schlamperei spotten und all die naiven Chemie- und Gentechnikgegner dafür belächeln, dass sie eine Welt “ohne Chemie” oder “ohne Gene” fordern. Und das ist ja auch ein wohlfeiles Argument für deren Ignoraz und ergo gegen die Gültigkeit der mit diesem Fehler vorgebrachten Argumente. Aber das ist selbst ein Trugschluss, den man als “Argument from Fallacy” (sozusagen der Trugschluss mit dem Trugschluss) bezeichnen könnte. Denn wenn wir ehrlich sind, wissen wir selbstverständlich ganz genau, was gemeint ist. Kommunikation ist nicht nur die Fähigkeit, sich richtig auszudrücken – es ist auch die Fähigkeit, sorgfältig  hinzuhören.

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Kommentare (7)

  1. #1 werner
    27. April 2016

    Klar, Kommunikation hat immer zwei Seiten: Sender und Empfänger. Es ist nur frustrierend, wenn die Sender-Seite aufgrund ignoranter (sorry) Empfänger ihren Sprachgebrauch ändern und semantischen Blödsinn akzeptieren muss. Nichts gegen eine Weiterentwicklung von Sprache, aber sprachliche Faulheit (auch bei Journalisten) muss gerade im Zeitalter der Autokorrektur nicht zwingend hingenommen werden. Suche: Chemie, ersetze: schädliche (gefährliche, lästige, etc.) Chemikalien.

  2. #2 MartinB
    27. April 2016

    Ich sehe es anders – denn es wird suggeriert, dass z.B. Gene per se etwas künstliches sind (und ja, ich habe es wirklich auf einem Info-Stand erlebt, dass mir erklärt wurde, die präsentierten Bio-Tomaten würden keine Gene enthalten, die waren absolut genfrei). Es weiß eben *nicht* jedeR, was gemeint ist.

  3. #3 Hobbes
    27. April 2016

    Leider glauben wirklich nicht wenige Chemie wäre unnatürlich. Brot und Bier und sogar Maggi sind dann natürlich während Aluminium böse Chemie ist.
    Achja und das die Natur “natürlich” gut ist und sich komplett auf den Menschen Abgestimmt hat versteht sich von selbst. Aflatoxine entstehen ja nur durch die Industrie und so nette Sachen wie Infantizid gibt es im Naturreich auch nicht.
    Wer in einer Diskussion die Deutungshoheit über Begriffe aufgibt hat schon verloren. Weil die Gegenseite den Begriff dann immer so verwendet wie er gerade passt und es unmöglich ist ihn Argumentativ zu widerlegen. Sehr gut kann man das an dem Begriff “Neoliberal” sehen. Von Banken retten über Banken pleite gehen lassen bis zu Banken verstaatlichen war alles “neoliberal”.

  4. #4 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/04/23/belebtes-wasser-2/
    27. April 2016

    Mich würde ja interessieren, wieso das Gas explodiert, und wieso nicht gleich. Muss die ausgegelühte Katalysatorperle das Gasgemisch erst informieren, dass es explodieren soll?

  5. #5 Christian
    28. April 2016

    @Hobbes Ich seh es ähnlich mit der korrekten Verwendung von Rechtschreibung und Grammatik…

  6. #6 Spritkopf
    28. April 2016

    @user unknown
    Hier gibts die Erklärung.

  7. #7 Struppi
    28. April 2016

    Um Wasser zu entkeimen braucht man ja wirklich keine chemische Zusätze. Üblicherweise wird in Wasserwerken dafür UV Licht benutzt.

    @hobbes: Beim Aluminium muss man aber auch Verständnis für Chemie aufbringen. Alumiunium in seiner metallischen Form oder als Oxid sind gesundheitlich unbedenklich. Bei löslichen Salzen (die z.b. in Deo verwendet wurden oder die bei Säure + Alutopf entstehen) scheint es Hinweise zu geben, dass sie gesundheitsschädlich sein können. Das trifft aber auch auf anderen Metallen zu. z.b. ist Quecksilber als Metall relativ ungiftig, die Ionen dagegen stark toxisch.