Die Einsicht, dass der Zwang für Wissenschaftler, ihre Reputation (und damit letztlich ihre Existenz) durch quantitativ eindrucksvolles Publizieren in einschlägig anerkannten Journalen (“Publish or Perish”) aufbauen und bewahren zu müssen, der Qualität von Wissenschaft nicht förderlich ist, hat sich hier bei den ScienceBlogs ja schon vielfältig manifestiert. Gerade hat Marcus Anhäuser bei Plazeboalarm einen trotz satirischer Töne absolut ernst zu nehmenden Beitrag aus John Olivers “Last Week Tonight” geteilt, der dieses Problem aufspießt und filetiert. Aber diese Kritik kommt, dankenswerter Weise, auch aus den Reihen der WissenschaftlerInnen selbst – aktuell beispielsweise in diesem Meinungsbeitrag für die neue Ausgabe des Journals nature: The pressure to publish pushes down quality, von Daniel Sarewitz. Nicht nur, so seine These, scheint die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen exponentiell zu wachsen, mit rund zwei Millionen neuer Paper pro Jahr; sie werden auch, dank leicht verfügbarer online-Recherche, trotz dieser explodierenden Anzahl ausgiebig zitiert – ein durchschnittliches bimomedizinisches Paper werde im Lauf von fünf Jahren zwischen 10 und 20 Mal zitiert. Und das, obwohl die Qualität oft zweifelhaft sei: Allein in der Krebsforschung beruhten, laut Sarewitz, etwa 10.000 Paper, die alljährlich veröffentlicht werden, auf kontaminierten oder misidentifizierten (also unbrauchbaren) Zell-Linien – “Metastase hat sich in der Krebsliteratur ausgebreitet”, warnt er.
Eine Nebenwirkung dieses Publikationswahns ist ja, dass sich niemand mehr Zeit nimmt, publizierte Forschung zu replizieren. Dieser – vorgebliche – Kontrollmechanismus soll ja gerade verhindern, dass Junk Science zum wissenschaftlichen Kanon erhoben wird. Doch im Nacharbeiten der Arbeit anderer Forscher liegt kein Ruhm – und nur eine kleine Chance, ein publikationsfähiges Paper zu generieren (eigentlich nur, wenn die Erkenntnisse des Originalpapers fundamental und spektakulär widerlegt werden können). Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob es nicht ein paar Alternativen zum etablierten Publikationszirkus geben könnte – ich habe eine Idee, die aber noch zu unausgereift ist, um sie hier zu präsentieren. Statt dessen zitiere ich mich (aus diesem Kommentar) einfach mal selbst:
WissenschaftlerInnen haben dieses System selbst geschaffen und halten es am Leben. Wer hat denn gefordert, dass WissenschaftlerInnen nicht nach der Qualität, sondern nach der Quantität ihrer Publikationen beurteilt werden sollen? Gremien vielleicht – aber immer Gremien, in denen WissenschaflerInnen sitzen und (an den Hochschulen, beispielsweise) den Ton angeben.
Mir ist schon klar, dass es hier einen internen Konflikt gibt, der quasi aus einer “Währungsreform” entstehen wurde: Diejenigen, die es “geschafft” haben, die also eine eindrucksvolle Liste ihrer Publikationen aufgebaut haben, werden nur wenig Interesse daran haben, dieses Reputationskapital abzuwerten oder gar abzuschaffen. Doch mit dem gleichen Argument lassen sich auch allerlei widerwärtige Aufnahmerituale begründen, die alljährlich zigtausende junger Studentinnen und Studenten an US-Hochschulen immer noch über sich ergehen lassen – in der verzweifelten Hoffnung, endlich “dazu” zu gehören.
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