Schon komisch: Wir alle wollen alt werden – aber niemand will älter werden. Und ja, ich kann es nicht anders sagen: Älterwerden ist Sch…! (Ich weiß, leider, aus eigener Anschauung, wovon ich hier rede: Mein nächster Geburtstag steht vor Tür, und ich habe inzwischen genug Lebensjahre angesammelt, dass ich über den Kerzen auf der Geburtstagstorte die Steaks grillen könnte…) Wenn jemand etwas erfände, das den Alterungsprozess stoppt oder sogar umkehrt, dann wäre das doch sicher ein Nutzen für die ganze Menschheit. Warum ist mir also unwohl, wenn ich lese, dass der Silicon-Valley-Investor Peter Thiel in ein neues “Forschungsprojekt” (die Anführungszeichen erkläre ich später) investiert, das den Altersprozess stoppen oder umkehren kann? Der Mann hat doch auch in der Vergangenheit ein gutes Gespür bewiesen, was ihm ein paar Milliarden auf dem Konto und uns allen unter anderem Facebook beschert hat…
Mal abgesehen davon, dass ich seinem Urteilsvermögen weitaus weniger traue, seitdem er sich als prominenter Wahlkämpfer für Donald Trump auf dessen Parteitag outete (und ja, das Wort ist, angesichts der Aktion gegen die nunmehr bankrotte Website Gawker, sehr bewusst gewählt). Es ist das Projekt selbst, das mich sehr skeptisch macht: Eine Startup-Firma namens Ambrosia LLC in Monterey (Kalifornien) will es mit Parabiose versuchen – genauer gesagt, sie will in einem offiziell registrierten klinischen Versuch erforschen, ob sich durch die Übertragung von Blutplasma jüngerer Personen auf ältere eine Verbesserung der Biomarker fürs Altern bei letzteren erreichen lässt.
Okay, das klingt erst mal nach irgendwelchen mittelalterlich anmutenden Zaubervorstellungen von der rejuvenierenden Wirkung des Bluts von Jungfrauen, oder nach Vampiren oder wasweisichnichtnochalles – ist aber durchaus noch im Rahmen dessen, was wir “wissenschaftlich” nennen können: Eine im Jahr 2014 in Science publizierte Studie fand, dass sich einige dieser Biomarker (speziell: Muskelfunktion und Ausdauer) in alten Mäusen nach Infusionen mit dem Blutplasma junger Mäuse durchaus verbessert haben; der Fokus dieser Studie lag dabei auf dem Protein GDF11 (Growth Differentiation Factor 11); eine jüngere Studie, ebenfalls in Science publiziert, schien dies zu bestätigen.
Doch es ist nicht der mögliche Nutzen (der durchaus real sein mag), der die Zweifel an der speziellen Ambrosia-Studie weckt – und zwar nicht nur bei mir: Es ist vielmehr die Tatsache, dass die TeilnehmerInnen – Mindestalter: 35 Jahre – 8000 Dollar für das Privileg bezahlen müssen, an diesem Versuch teilnehmen zu dürfen, der im Prinzip aus der auf insgesamt zwei Tage verteilten Infusion von 1,5 Liter Blutplasma von SpenderInnen besteht, die jünger als 25 Jahre sind. Und da kommen dann doch Zweifel an der Seriosität auf – denn das riecht weniger nach einem klinischen Versuch (zu dem ja die Teilnehmer nicht nach Geldbeutel, sondern nach klinisch-physiologischen Aspekten ausgesucht und in einem Doppelblindversuch dann getestet werden sollten), als vielmehr nach einem als medizinisch getarnten Konsumprojekt: junges Blut für alternde Millionärinnen und Millionäre (und das erklärt die Anführungszeichen um das “Forschungsprojekt” im ersten Absatz). Machen wir doch mal schnell eine Rechnung: 600 TeilnehmerInnen werden gesucht, jede/r zahlt 8000 Dollar – macht schon mal 4,8 Millionen Dollar Umsatz. Bei vermutlich eher bescheidenen Kosten: BlutspenderInnen erhalten für ein Pint (473 mL) oft nicht mehr als 30 Dollar; selbst in kommerziellen Kanälen wird Blut für irgendwas zwischen 200 und 600 Dollar pro Pint (gemeint ist volles Blut – Plasma ist oft für einen Bruchteil dieser Beträge zu bekommen) gehandelt. Drei Pints werden pro Versuchsperson benötigt…
Und all das, um Resultate zu erzielen, die sowieso keinen klinischen Wert haben, da sie eben nicht unter klinisch relevanten Studienbedingungen erhoben wurden. Erinnert mich irgendwie an die vor einigen Jahren mal extrem populäre Frischzellenterapie…
Aber zugegeben: Als Investor fände ich das natürlich auch spannend. Wenn schon der “klinische Test” ein Millionenbusiness sein kann, wieviel Geld könnte man dann erst scheffeln, wenn man sich die Methode patentieren lässt? Botox ist ja auch ein Milliardengeschäft geworden. Und wenn Botox etwas beweist, dann dass Jungsein im Kopf anfängt und Angst vorm Altwerden eher schon eine Form Alt-Seins ist (man schaue sich die Botozx-Gesichter der Prominenz einfach mal an, die sprechen für sich). Ich werde also ganz gelassen die Kerzen auf meiner nächsten Geburtstagstorte zählen, den Feuerlöscher bereithalten und mich ansonsten darauf freuen, dass das kommende Jahr immer nur besser werden kann als das, was hinter mir liegt…
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