In Europa, speziell an den Stränden der Côte d’Azur, aber auch in deutschen Schwimmbädern, erregt mal wieder eine Bademode die Gemüter – 70 Jahre nach dem ersten Auftauchen des Bikini. Doch es geht nicht, wie in all den Jahrzehnten seither, um das Problem, dass Badende zu viel unbedeckte Haut zeigen, sondern zu wenig.
Hier muss ich erst mal zwei Hinweise einschieben: Zum Einen, dass ich keineswegs überrascht bin, dass Badetraditionen mal wieder einen Anlass zu Verboten liefern sollen: Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dann habe ich das Wort “verboten” zum ersten Mal überhaupt in einem Schwimmbad gesehen; die Schwimmbad-Erlebnisse meiner Jugendzeit sind fest mit Verboten aller Art verbunden: Reinspringen, Laufen, das Mitbringen von Schwimmhilfen oder Wasserspielzeug, Ballspiele, Radios, Schwimmbrillen – und was ansonsten nicht ausdrücklich erlaubt war, wurde dann an Ort und Stelle von den Badeaufsehern untersagt. Wo kämen wir den hin, wenn wir an Orten, wo sich Leute offenbar zum Spaß aufhalten, plötzlich nichts mehr verbieten dürften, um diesem Spaß seine Grenzen zu geben? Der zweite Punkt ist, dass ich als Bewohner der USA ganz vergessen habe, wie wenig Textilien man in Deutschland (Europa?) zum Baden braucht: Diese eher sportlich konzipierten – wenn auch nicht immer an sportlich anmutenden Körpern applizierten – Schwimmschlüpfer (links im Bild ein antikes Exemplar aus meiner Sammlung), die in deutschen Badeanstalten normal sind, brächten mir hier wenn schon keine Anzeige, dann aber mindestens unübersehbare Missbilligung meiner Mitmenschen ein.
Und selbst so ein Teil wie rechts im Bild zu sehen (ein eher aktuelles Exemplar aus meinen Beständen) ist eigentlich erst mit einem dazu passenden Oberteil, “rash guard” genannt, salon- beziehungsweise strandfähig.
Zurück zu den Burkinis (denn dass es um die ging, war wohl inzwischen klar): Während man in Frankreich ganz unumwunden die Ablehnung dieser den (weiblichen) Körper verhüllenden Badenkleidung mit der Trennung von Kirche und Staat und einem daraus gefolgerten Verbot der öffentlichen Zurschaustellung religiöser Zugehörigkeit* begründet, sind wir Deutschen vorgeblich viel toleranter – wir lehnen diese Badekleidung nicht aus religiösen Gründen ab, sondern weil sie die Hygiene im Schwimmbad gefährden. Das ist, zumindest auf den ersten Blick, ein absolut sachliches Argument, mit dem vor nicht allzu langer Zeit auch das Tragen solcher Badehosen-Ungetüme, wie sie in Amerikas Pools und an Amerikas Stränden absolut normal sind, in deutschen Schwimmbädern untersagt werden sollte.
* Was konsequenter Weise bedeuten muss, dass Nonnen und Priester ihre Ordenskleidung nicht in öffentlichen Räumen tragen dürften, und auch das Jarmulke der jüdischen Männer sowie alle Schmuckstücke, die irgendwelche religiösen Motive zeigen (sogar die Christophorus-Plakette fürs Auto) verboten werden müsste.
Hygiene ist ja ein Thema, das wissenschaftlich untersucht wird – also müsste dieser Zusammenhang zwischen verwendeter Stoffmenge und der bakteriologischen Unbedenklichkeit der Wasserqualität belegbar und belegt sein. Doch wer suchet, der findet … erst mal nichts. Es gibt zwar einige Studien, die sich zumindest marginal mit den gesundheitlichen Folgen von Badekleidung im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Infektionen befassen, aber da geht es zumeist um das Risiko für die TrägerInnen dieser Badekleidung selbst (unsere Haut verträgt es anscheinend nicht so gut, wenn sie zu lange Zeit von nassen Textilien umschlossen wird). Doch dafür, dass die Art der Badekleidung selbst einen Beitrag zur Verschlechterung des Badewassers beiträgt, finde ich bisher keinen wissenschaftlichen Hinweis.
Dem Argument fehlt auch, soweit ich das beurteilen kann, die Plausibilität: Da es sich bei den Burkinis um speziell fürs Schwimmen produzierte Textilien aus dem gleichen Material wie “normale” Badekleidung handelt, ist allein aus dem Schnitt und der Art der Textilien erst mal nicht viel abzuleiten. Wenn überhaupt, dann ist könnte die aufwändigere Verhüllung unter bestimmten Umständen sogar die Wasserqualität steigern. Die leidet nämlich, wie diese Studie fand, vor allem unter den Substanzen, die Menschen während des Badens ausscheiden. Durch die Haut, beispielsweise, wenn sie durch rigorose Aktivität im Wasser ins Schwitzen geraten (ja, das passiert, auch wenn wir’s gar nicht bemerken) – der trainierende Schwimmathlet, oder die engagiert strampelnden TeilnehmerInnen des Aquafitness-Kurses sind da vermutlich viel größere “Dreckschleudern”. Darauf, dass offenbar fast ein Drittel der Verunreinigungen im Pool daher kommt, dass Badende (vor allem so scheint es, die Männer: “Male gender was significantly associated with urinating in the swimming pool” stellt diese Studie lapidar in ihrem Abstract fest) es nicht für nötig halten, das Becken zu verlassen und zur Toilette zu gehen, wenn die Blase drückt…
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