Ironie, so sagte mein alter Chef Lutz Böhme immer, funktioniere beim Schreiben nur, wenn man ein Blaulicht draufschraubt und eine Sirene ranhängt. Und darum, zur Sicherheit nun mit Blaulicht und Sirene: Die Überschrift ist ironisch gemeint – zumindest das “muss”. Denn natürlich brauchen Heldinnen, ob erkannt oder unerkannt, keinen Mann zu ihrer Validierung. Im Fall der unerkannten Heldinnen, um die es hier geht – namentlich Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson – war es umgekehrt: Ohne diese Mathematikerinnen, die für die US-Raumfahrtprogramme einschließlich Apollo Flugbahnen berechneten und Testdaten auswerteten, hätten Männer wie John Glenn keine Helden sein können. Dass diese Frauen dabei nicht nur die Diskriminierungsbarriere ihres Geschlechts, sondern auch noch ihrer Hautfarbe überwinden mussten – in einer Zeit, in der die Bürgerrechtsbewegung noch mit physischer Gewalt niedergeknüppelt wurde und Frauen drastisch weniger Rechte besaßen als Männer – ist dabei nochmal eine bitter-ironische Wendung für sich.
Der Film, auf den ich oben in einem Link schon hingewiesen habe, trägt im Original den Titel “Hidden Figures” und soll am 25. Dezember in die amerikanischen Kinos kommen (Filmstart in Deutschland wird wohl irgendwann Anfang 2017 sein). Das “unerkannt” im Deutschen Titel könnte man ja noch begreifen: während die Männer des Raumfahrtprogramms zu Helden deklariert wurden und ihre Namen selbst heute noch vielen Menschen geläufig sind, blieb die Anerkennung für diese Frauen – sofern sie überhaupt anerkannt wurden – eine interne Angelegenheit. Lange Zeit, jedenfalls: Katherine Johnson wurde, als einzige Überlebende des Trios, im vergangenen November von US-Präsident Barack Obama mit der Presidential Medal of Freedom ausgezeichnet, der höchsten zivilen Auszeichnung, die in den USA vergeben wird. Und im Mai 2016 wurde sogar ein Gebäude des Langley Research Center der Nasa nach ihr benannt. Das ist zwar spät, und für Dorothy Vaughan und Mary Jackson viel zu spät – aber “unbekannt”, wie die deutsche Kinowerbung behauptet, sind die Heldinnen nicht mehr. Waren sie vermutlich auch nie…
Doch nun muss ich erklären, was es mit der im Titel ironisierten Männerrolle auf sich hat. Wer sich den Trailer anschaut, merkt zwar schon, dass Männer im Film immer noch das Sagen haben – aber das wäre angesichts der Epoche auch nicht anders denkbar:
Soweit, so gut. Doch welche Meta-Ironie war wohl im Spiel, als mich diese Einladung zu einer Pressevorschau nebst INterview-Gelegenheiten erreichte:
anlässlich des im Januar 2017 erscheinenden Films HIDDEN FIGURES – Unerkannte Heldinnen (Kinostart 19. Januar 2017) von Regisseur Ted Melfi können wir für Interviews mit dem Hauptdarsteller Kevin Costner und dem Co-Produzenten und Grammy-Preisträger Pharrell Williams am 01. November 2016 in Los Angeles nominieren.. (Hervorhebungen von mir)
Der Mann trägt also die Hauptrolle. Mag ja sein, dass Kevin Costner ein prominenter Filmstar ist, der zwei Oscars vorweisen kann (obwohl seine Karriere mit Waterworld ziemlich Schlagseite bekommen hatte, von der sie sich bis heute nicht völlig erholt hat) und damit als gutes Aushängeschild gelten könnte – aber darin steht ihm Octavia Spencer, die im Film die Rolle von Dorothy Vaughan spielt, mit ihrem eigenen Oscar nicht nach. Auch das Produktionsteam sollt durch einen Mann vertreten werden, obwohl Dorothy Gigliotti als Produzentin ebenfalls einen Oscar im Regal stehen hat (für “Shakespeare in Love”).
Und natürlich kann es sein, dass diese Frauen halt schon längst für andere Medien verbucht sind und die deutschen Medien mit den (nachrangigen?) Männern Vorlieb nehmen müssen. Doch so viel Ironie würde ich dem ansonsten ja ziemlich unironischen Schicksal nicht zutrauen…
Kommentare (10)