Dass sich unter einem Präsidenten Donald J. Trump vermutlich nicht viel ändern würde, hatte ich hier geschrieben. Diese “Prognose” beruhte auf zwei Dingen: Erstens darauf, dass die Macht des US-Präsidenten, zumindest in der Innenpolitik (bei der Außenpolitik liegt die Sache etwas anders) trotz aller Worte vom “mächtigsten Mann der Welt” – und ja, leider wird es auch in den kommenden vier Jahren bei der männlichen Form bleiben – ziemlich begrenzt ist. Das sehen wir ja beim aktuellen Amtsträger, dem trotz hoher Popularität die Hände gebunden sind, wenn ihn der Senat und das Abgeordnetenhaus blockieren. Die anhaltende Vakanz im Supreme Court ist da ja nur ein Beispiel von vielen. Und zweitens darauf, dass Trump gar nicht viel ändern müsste, denn so schlecht, wie er sie im Wahlkampf gemacht hat, stehen die USA ja nun wirklich nicht da – die Arbeitslosigkeit ist eh’ schon länger rückläufig, auch das ach so umstrittene Krankenversicherungsgesetz mit dem populären Namen “Obamacare”, das nicht unerheblich zum Stellenwachstum, beigetragen hat, ist ja im Kern eine republikanische Erfindung, die dann halt – wie so viele Trump-Immobilien – ein bisschen an der Fassade renoviert werden könnte und dann fürderhin als “Trump Care” bezeichnet werden.
Doch eine der wesentlichen Prämissen meiner vier Monate alten Diagnose war, dass Trump zwar der Kandidat der Republikaner wurde, aber auf dem Weg dorthin sein Verhältnis zum republikanischen Establishment im Senat und Abgeordnetenhaus scheinbar unkittbar beschädigt hatte (siehe meinen Hinweis oben auf die Machtverteilung zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress). Wer nun wie nachtragend sein wird (beide Seiten neigen dazu), oder wie groß der gegenseitige Opportunismus der nun in ihrer Machtrolle bestätigten Republikaner sein wird – das ist nicht vorhersagbar, wird aber für die Effizienz des künftigen Präsidenten ganz entscheidend sein. Ich gehe zwar weiterhin davon aus, dass ein Mensch mit dem Charakter eines Donald Trump gar nicht in der Lage ist, sein Ego zum Nutzen eines Gesetzes, eines Programms mal zumindest kurze Zeit im Leerlauf zu halten. Aber drauf verlassen kann man sich nicht – diese Lektion habe ich in den vergangenen zwölf Wochen gelernt.
Eigentlich hatte ich gehofft, mir den ganzen Wahlabend ersparen zu können, um dann wenigstens ausgeruht mit dem Ausgang umgehen zu können. Doch die trügerische Ruhe in meiner sehr klar demokratisch orientierten Nachbarschaft in Cambridge verriet das Ergebnis auch ohne ein einziges Wort… Und ein schwieriger Umgang mit dem Wahlergebnis wäre es so oder so geworden – selbst mit einem anderen Ergebnis. Denn hier wurde ja nicht über eine politische Richtung abgestimmt (über die man sich streiten muss, das liegt in ihrer Natur), und auch nicht – nur – über Persönlichkeiten und persönliche Präferenzen. Die Abstimmung selbst, die dabei zum Ausdruck gebrachten Positionen waren teilweise erschreckend erschütternd, selbst wenn sie die Wahl nicht entschieden hätten. Diese Wahl letztlich auch auch ein unvermeidliches Referendum zum zivilen Umgang miteinander geworden, also darüber, wie Menschen ihre Nachbarn sehen und behandeln. Und dder Ausgang ieses Referendums ist ein moralischer Brexit. Damit künftig umgehen zu müssen, dass die Frau neben mir in der U-Bahn, der Mann an der Kasse im Supermarkt oder die Familie vor mir in der Kinoschlange mit ihrer Ja-Stimme auch ganz klar Rassismus, Bigotterie, Hass auf Minderheiten und Diskriminierung gut geheißen und als für sie akzeptabel, wenn nicht gar erstrebenswert haben könnten und wohl auch weiterhin begrüßen würden – das dreht mir wirklich und im wörtlichen Sinn den Magen um.
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