Erst gestern hatte ich ein “väterliches” Gespräch mit meinem 17-jährigen Sohn über den Gebrauch von “unanständigen” Kraftausdrücken, das dadurch ausgelöst wurde, dass wir in einem Laden mit einer verstümmelten Version eines Rapsongs beschallt wurden: offenbar hatte ein Bot alle Wörter herausgeschnitten (ohne jegliche Rücksicht auf Takt und Rhythmus), die in einer amerikanischen Rundfunksendung als nicht akzeptabel gelten. Das Bemerkenswerte an unserem Gespräch war für mich, dass ich mich in der Situation fand, meinem Sohn erklären zu müssen, dass solche Sprache zwar als unfein und unhöflich gilt – aber manchmal unvermeidlich ist. Zum Beispiel, weil sie in der jeweiligen “discourse community” (finde gerade keinen deutschen Begriff dafür) als normal oder kraftvoll gilt. Es ist ja kein Zufall, dass wir diese Wörter im Deutschen als “Kraftausdrücke” bezeichnen. Und wenn mir ein Autofahrer beinahe auf dem Zebrastreifen über die Füße fährt, wird er wenig beeindruckt sein, wenn ich ihn nachrufend bezichtige, ein “Rüpel” zu sein. Ein “verdammtes Arschloch” ist da einfach angemessener…
Aber wie ich aus dem Beitrag The Case for Cursing in der New York Times lernen kann, hat der Gebrauch solcher saftiger Tabuwörter nicht nur einen psychischen Effekt – die Wirkungen auf den Sprecher sind auch physisch messbar. Zum Beispiel, wie diese Studie belegt, die 2009 im Journal NeuroReport publiziert wurde, in einem gesenkten Schmerzempfinden. Was erklärt, warum wir gerne in die unterste Schublade unseres Vokabulars greifen, wenn wir uns die Zehe anstoßen oder mit dem Hammer auf den Daumen hauen. Die Wirkung der Schimpfwörter ist dabei umso größer, je mehr sie als tabu oder unangebracht empfunden werden.
Und das erklärt vermutlich auch, warum Anthony Scaramucci, der neue Kommunikationschef des Weißen Hauses, ein ganzes Sortiment solcher saftiger Vokabeln bemühte, als er mit einem Reporter des Magazins New Yorker telefonierte – es muss ziemlich schmerzhaft sein, für jemanden wie Trump zu arbeiten…
Kommentare (14)