Als Journalist habe ich zugegebenermaßen eine Schwäche für Storys, in denen etablierte Erzählstränge neu verknüpft werden (“Mann beißt Hund”). Und dass in den Horden der ach so rauhen, gewalttätigen Wikingerkrieger auch Frauen mitgerauft haben könnten, ist definitiv so ein “Dreh”. Obwohl es ja genug Beispiele, von der Antike bis zur Gegenwart, in der Mythologie wie in der Popkultur dafür gibt, dass Frauen genau so kriegerisch aktiv sein können wie Männer – so lange ihnen keine institutionellen Steine in den Weg gelegt werden…
Aber das von mir im Titel erwähnte Lehrstück über Genderrollen besteht nicht darin, sich Wikingerfrauen als Kriegerinnen vorzustellen. Ich bin beim Lesen des Artikels A Female Viking Warrior? Tomb Study Yields Clues an der Stelle hängen geblieben, wo mal wieder Sexismus ins Spiel kommt: Obwohl das Skelett in der schwedischen Bestattungsstelle Bj 581 zweifelsfrei weiblich ist, und obwohl dieses Grab wegen seiner spezifischen Beigaben schon kurz nach seiner Entdeckung im 19. Jahrhundert eindeutig als Krieger-Grab identifiziert wurde, werfen Kritiker den Autorinnen und Autoren vor, dass sie voreilig daraus geschlossen hätten, dass es sich bei der bestatteten Wikingerin um eine Kriegerin gehandelt haben muss. Es könnte ja auch andere Gründe geben, warum diese Beigaben (ein Schwert, ein Pferdegespann, ein Brettspiel etc.) ins Grab dieser Frau gelegt wurden. Was sicher richtig ist – aber dann auch für alle anderen “Krieger”-Gräber in Betracht gezogen werden müsste. Doch das ist, wie die VerfasserInnen betonen, bisher nicht geschehen – wenn Männer mit solchen Insignien bestattet wurden, gab es nie einen Zweifel an ihrer Kriegerschaft, obwohl die Indizienlage nicht besser ist als bei diesem Frauengrab.
Die Erkenntnis, dass wir in die Zeugnisse der Frühgeschichte oftmals eher das hineinlesen, was unserem Weltbild entspricht, ist sicher nicht neu. Aber es ist hilfreich, sich immer wieder mal daran zu erinnern, vor allem wenn es Tendenzen gibt, unser “historisches Erbe” als Messlatte für aktuelle Gesellschaftspolitik zu missbrauchen…
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