Am 25. Mai tritt, nach zweijähriger Vorlaufzeit, die Datenschutzgrundverordnung der EU (und gleichzeitig auch die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes) in Kraft. Das ist erst mal nur eine Feststellung – was das formal und juristisch für die ScienceBlogs.de bedeutet, darüber machen sich die Rechtsexperten und Juristen des Konradin-Verlags die entsprechenden und sicher kompetenten Gedanken. In meiner Rolle als redaktionell Verantwortlicher für die ScienceBlogs.de mache ich mir darum nur wenige Sorgen – mich interessieren eher die praktischen Auswirkungen. Und die machen mich extrem dankbar dafür, dass ich sowieso schon so viele graue Haare habe, dass ich mir wenigstens hinsichtlich der zu erwartenden Grau-Zuwächse keine großen Sorgen machen muss.
Denn ansonsten sehe ich schon genug Anlass zur Sorge, wenn ich an unsere Kommentarfunktion denke (und die ist, wie bei Blogs ja üblich, eine der zentralen Funktionen und Konzepte dessen, was wir hier tun.) Vor allem, weil die Begriffe, um die es dabei geht, so schwammig sind. Was beispielsweise versteht man unter “personenbezogen”? Eigentlich sollte das ja bei uns kein Problem sein, da Kommentare ano- und pseudonym abgegeben werden. Aber andererseits haben manche unserer Besucherinnen und Besucher mit ihren “Nicknamen” eine “zweite Existenz” im Web aufgebaut – viele kommentieren mit gleichem Namen auch in anderen Blogs und Foren, und manche haben sogar ihr eigenes Blog um diese virtuelle Persönlichkeit herum aufgebaut (ich setze hier bewusst keine Links; Ihr findet sicher selbst das eine oder andere passende Beispiel). Sind diese virtuellen Persönlichkeiten schutzwürdig? (Das Konzept der “natürlichen Person“, das im Datenschutzrecht dabei eine zentrale Rolle spielt, hilft uns hier nicht weiter, denn selbstverständlich ist auch ein anonymer Kommentator/eine anonyme Kommentatorin eine natürliche Person.) Diese Frage hat sich mir in der Tat schon mehrfach gestellt, wenn der eine oder die andere Kommentierende mich um Löschung eines seiner/ihrer Kommentare bat. Manche haben tatsächlich diese Bitte damit begründet, dass sie a) den Kommentar bedauern bzw. so nicht mehr abgeben würden, und b) ihre virtuelle Persönlichkeit (= ihren Nicknamen) nicht mit dieser “Jugendsünde” belasten wollen.
Da wäre generell nichts einzuwenden – auch anonyme Persönlichkeiten sind Persönlichkeiten, mit sehr konkreten Emotionen und Problemen. Und manchmal (vor allem, wenn niemand auf diese Kommentare reagiert hatte) ist es auch sehr einfach, den Kommentar zu entfernen. Aber manchmal hatten sie mit ihrem Kommentar die Diskussion, sagen wir mal: angeheizt (der Fachbegriff ist, glaube ich, “einen Shitstorm ausgelöst”). Oder – auch das kam nicht unbedingt selten vor – zumindest die Diskussion in eine bis dahin nicht absehbare Richtung abgelenkt (man nennt das wohl “Derailing”). Und wenn ich dann den Kommentar einfach entferne, ergibt diese restliche Diskussion keinen Sinn mehr. In solchen Fällen habe ich zwar den Kommentar stehen lassen, aber den Namen anonymisiert. Was aber nur begrenzt klappt, wenn nachfolgende Kommentare den Namen dann explizit in ihrer Antwort wieder identifizierbar machen…
Ein anderes Problem ist die Definition von “speichern”: In der Vergangenheit schien sich das darauf zu beziehen, dass Information nach Abschluss einer Transaktion für spätere Verwendung aufgehoben wurden. Also wenn man, beispielsweise, einen Sack Reis online gekauft hat und der Versender die Lieferadresse speichert, auch nachdem die Ware beim Empfänger angekommen ist. Und vor allem, wenn der Versender dann die auf diese Weise angesammelten – und sehr persönlichen – Kundeninformationen an Dritte weiterverkauft hat (solche Listen waren oft lukrativer als die Umsätze mit den Waren selbst), schien eine Grenze erkennbar überschritten zu sein.
Unsere “Transaktionen” sind, dass wir Kommentarmöglichkeiten anbieten. AUch wenn wir keine Listen erstellen oder eMail-Adressen einsammeln – die Kommentare an sich sind gespeichert. Und mit ihnen die Informationen, die diese UrheberInnen der Kommentare dabei preisgeben mussten. Ist das “Speichern von personenbezogenen Daten”? Ich könnte mir vorstellen, dass diese Frage selbst noch dem Verfassungsgericht Kopfzerbrechen bereiten könnte. Gelten personenbezogene Informationen als gespeichert, wenn wir die (Nick)Namen von “Trollen” auf einer Sperrliste eintragen, damit die nicht mehr jede Diskussion (zer)stören können?
Wie so oft, sind dies zwar Fragen uns Szenarien, um die man sich in den meisten Fällen gar keine Sorgen machen müsste. Aber es sind ja die Grenzfälle, an denen solche Richtlinien ihre Gültigkeit abtasten – und solche Grenzszenarien fallen mir reichlich ein. Zum Beispiel solche, die uns zwingen würden, alle Kommentare nach einer definierten Zeit zu löschen, was ich als katastrophal ansehen würde. Oder solche, in denen der “Anspruch auf Vergessenwerden” dazu missbraucht wird, Diskussionen zum Entgleisen zu bringen, ohne dass man dem “Saboteur” oder der “Saboteurin” dabei einen Riegel vorschieben kann. Ich habe im Laufe der Jahre genug unerfreuliche eMail-Konversationen mit solchen Diskussionsverhinderen führen müssen, um zu wissen, dass diese Sorgen nicht nur theoretisch begründbar sind.
Ehe es zu spät ist (Achtung: IRONIE!) wollte ich also hier mal eine Diskussion darüber anzetteln, wie Ihr, die ScienceBlogs-Leserinnen und -Leser und -Kommentierenden, zu diesen Fragen steht. Wie würdet Ihr mit den Möglichkeiten der DSGVO umgehen, wie würdet Ihr wollen, dass wir – im Hinblick auf Kommentare, versteht sich; alles andere sollen die Rechtsabteilungen klären – mit diesen Vorschriften umgehen?
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