Vor ziemlich genau zwei Jahren hatte ich mir in meinem Blog aus Anlass eines umstrittenen Vergewaltingungs-Urteils in Stanford (Kalifornien) Gedanken über die Mitschuld der Väter gemacht. Wer mehr Details bracht, sollte dem Link folgen – ich warte so lange…

Der Richter, der sich wegen des – nach Ansicht auch vieler FrauenrechtlerInnen – zu milden Urteils für den Vergewaltiger zum Ziel breiter Kritik gemacht hatte, wurde nun per Referendum aus dem Amt gejagt: Voters oust California judge in Brock Turner sexual assault case. Und das mag einigen, die den Fall damals verfolgt haben, als angemessen oder gerechtfertigt erscheinen. Und ich habe mich zwar damals auch über den Prozessausgang empört, aber damals wie heute ist es weniger das vergleichsweise milde Strafmaß (sechs Monate Haft, von denen der Vergewaltiger dann nur drei Monate absitzen musste), das ich so abstoßend fand, sondern eher die Begründung, die sich primär darauf berief, langfristigen Schaden vom Täter abwenden zu wollen. Und von dem Verhalten des Vaters, der die Sache in einer Art und Weise herunterspielte, die sehr deutlich machte, woher der Sohn sein mangelhaftes Schuldbewusstsein in diesem Fall bezogen hatte.

Nicht, dass ich zu großes Mitleid mit Richter Aron Persky hatte: Die Möglichkeit, per Referendum abberufen zu werden, gehört zu den Berufsrisiken seines Standes in Kalifornien; unfair im Sinn von regelwidrig ist die Amtsenthebung – die ja demokratisch korrekt ablief – also nicht. Und mit der Einhaltung von Regeln sollte sich jeder Berufsjurist qua Funktion identifizieren (oder von vornherein eine andere Laufbahn wählen).

Aber wem ist damit nun geholfen? Als Reflexreaktion auf das Urteil hatte die kalifornische Legislative schon beschlossen, Haftstrafen bei Vergewaltigungsurteilen zwingend vorzuschreiben. Und sicher, in vielen Fällen mag es ja tatsächlich besser sein, wenn Sexualverbrecher für möglichst lange Zeit aus dem Verkehr gezogen werden. Aber selbst in den USA ist es kein Geheimnis, dass Menschen generell hartgesottener (und damit gefährlicher) aus den überfüllten Gefängnissen herauskommen, als sie hineingeschickt wurden. Zu einem guten Richterspruch gehört auch, dass er angemessen und mit einer gewissen “Weisheit” des Amtsinhabes gefällt wird. Doch genau das werden sich kalifornische Richter in Zukunft wohl verkneifen und lieber möglichst harte Urteile mit hohen Haftstrafen fällen. Denn wer setzt schon gerne seinen Job aufs Spiel…

flattr this!

Kommentare (11)

  1. #1 RPGNo1
    7. Juni 2018

    Und mit der Einhaltung von Regeln sollte sich jeder Berufsjurist qua Funktion identifizieren

    Theoretisch schon. In der Wirklichkeit sieht es dann auch anders aus, wie in Deutschland das Beispiel des AfD-Abgeordneten Jens Maier (ehemals Richter am Landgericht Dresden) zeigt.

  2. #2 gedankenknick
    7. Juni 2018

    @RPGNo1
    Da musst Du nicht in der AfD suchen. Frag doch mal Herrn Josef Hecken, CDU, derzeitiger Vorsitzender des G-BA, zu seiner Rolle als Gesundheits- und Justizministers des Saarlands zur Genehmigung einer (nach deutschen Recht illegalen) Filialapotheke eines ausländisches Kapitalkonzerns. Er wurde dafür nie zur Rechenschaft gezogen, da, soweit ich mich erinnern kann, der damalige Staatsanwalt die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens wegen Amtsmissbrauchs gegen den Gesundheitsminister ablehnte, da er gegen den Justizminster – also seinen obersten Dienstherren – einfach nicht ermitteln könnte und dürfte. Hinzu kommt, dass damals die fragliche ausländische Firma dem Celesio-Konzern gehörte, welchem auch der Metro-Konzern angeschlossen war, welcher wiederum Herrn Hecken viele Jahre als Justiziar ausgerechnet zum – TATARAA! – grenzenübergrefeinden europäischen Recht in Bezug auf internationale Konzerne beschäftigt hatte. Zufälle gibt’s, glaubt man gar nicht.

  3. #3 RPGNo1
    7. Juni 2018

    @gedankenknick
    Danke für den Hinweis. Der Fall Josef Hecken war mir nicht geläufig.

  4. #4 user unknown
    8. Juni 2018

    Zum zweifelhaften Stanfordfall, bei dem es um sexuellen Missbrauch ging, nicht um Vergewaltigung, empfehle ich dieses Video.

  5. #5 Laie
    9. Juni 2018

    Die USA sind eine gesunde Demokratie, in der auch schlechte Beamte hin- und wieder, wie im gegenständlichen Fall aus dem Amt gejagt werden.

    In Kuscheleuropa geht es anders rum, da kann noch so viel Unfähigkeit in Amtsstuben ausgeführt werden, ohne dass es eine korrigierende Änderung gibt. (Siehe laufende und abgelaufene Medienberichterstattung zu aktuellen Fällen)

  6. #6 RPGNo1
    10. Juni 2018

    Die USA sind eine gesunde Demokratie

    Ach so, das erklärt auch, warum ein egomanischer Soziopath mit autokratischen Tendenzen wie Trump zum POTUS gewählt wurde, der per irrationaler Bauchentscheidung beschlossen hat, dass 70 Jahre Freundschaft zwischen zwischen den westlichen Staaten keinen Wert haben.
    *Sarkasmus off*

  7. #7 Bullet
    15. Juni 2018

    Mich würde in diesem speziellen Fall ebenfalls interessieren, was “gesund” in diesem Zusammenhang deiner Meinung nach bedeutet, und wie du deine durchaus gewagte Diagnose vor jenem Hintergrund herleitest, Laie.

  8. #8 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2018/05/23/2-stock-damenmieder/
    16. Juni 2018

    Lt. einem neuen Video von Frau Fiamengo war dies der erste derartige Fall in 80 Jahren, wenn ich das richtig verstanden habe.

  9. #9 Laie
    18. Juni 2018

    @Bullet
    Im relativen Vergleich USA-Europa ist die Sachlage eindeutig. Die USA sind ein sehr demokratischer Staat in vielerlei Hinsicht, ebenso in der Grundeinstellung der dort lebenden Bürger. Natürlich könnte man in den USA die Demokratie auch noch etwas verbessern in einigen wenigen Punkten, wie das System mit den Wahlmännern.

  10. #10 Basilios
    Starship Operators
    19. Juni 2018

    @Laie
    Also ich sehe das im relativen Vergleich USA-Europa ganz überhaupt gar nicht eindeutig.
    Wie kommst Du auf diese Behauptung? An was konkret machst Du das fest?

  11. #11 Bullet
    19. Juni 2018

    +1