In dieser Ausgabe der „basics” versuche ich zu erklären, wie die Informationen aus der DNA umgesetzt werden und wie die vielen verschiedenen Zellen des Körpers es schaffen, immer genau die richtigen Genprodukte herzustellen und sich die Synthese von nicht benötigten Genprodukten zu „sparen”. Der Fachbegriff für dieses Phänomen ist: differentielle Genexpression.

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Aufbau unseres Genoms:

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Im Moment interessieren uns nur die “genischen” Bereiche. Man darf ernüchtert feststellen, daß die gesamte Information, die für den Aufbau von Proteinen und anderen Genprodukten nur läppische 1,5 % der 3,2 Milliarden Basen (Buchstaben), die unser Genom enthält, ausmacht (roter Kasten). Dennoch verfügt der Mensch immerhin über 20.000 bis 22.000 Gene und kann daher mindestens (es sind in Wirklichkeit deutlich mehr) ebensoviele verschiedene Genprodukte herstellen.

Die DNA ist ein sehr großes, „unhandliches” Riesenmolekül. Jede Zelle des Körpers, mit Ausnahme der Erythrozyten (rote Blutzellen), die keinen Kern haben, trägt in ihrem Zellkern eine Kopie des gleichen DNA-Moleküls, und die DNA kann den Zellkern nicht verlassen. In jeder Zelle befindet sich also die gleiche, komplette genetische Information eines Menschen. Die Herstellung der eigentlich biologisch wirksamen Moleküle, z.B. Enzyme, Membranproteine etc., geschieht aber außerhalb des Kerns im Zytoplasma in/an den sogenannten „Ribosomen”. Diesen Prozess der Proteinherstellung nennt man „Translation” und der wäre einen eigenen Beitrag wert und soll uns hier jetzt nicht kümmern.
Wenn nun die DNA im Zellkern gelagert wird und diesen auch nicht verlassen kann, die Herstellung der Proteine aber außerhalb des Kerns stattfindet, muß die Information, anhand derer die Proteine zusammengebaut werden, ja irgendwie aus dem Kern zu den Ribosomen gelangen. Diesen Job übernimmt die RNA. RNA ist eine andere Art von Nukleinsäure, die sich von DNA darin unterscheidet, daß sie meistens einzelsträngig vorliegt, statt des Zuckers Desoxyribose den Zucker Ribose enthält und statt des „Buchstabens” T(hymin) den Buchstaben U(racil) verwendet.

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RNA ist das „Material” mit dem von den Informationen aus der DNA „Abschriften” (Transkripte) angefertigt werden. Wenn z.B. eine Zelle der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren soll, dann macht ein bestimmtes Enzym, die DNA-abhängige RNA-Polymerase, im Zellkern eine RNA-Kopie des Insulingens aus der DNA. Diese Roh-Abschrift, die neben den eigentlichen Informationen für die Insulinsynthese (Exons) noch Sequenzen enthält, die für dessen Herstellung unwichtig sind (Introns), wird noch innerhalb des Zellkerns editiert und versandfertig gemacht; den Vorgang des Editierens, bei dem u.a. die Introns aus der RNA herausgeschnitten werden, nennt man „Splicing” und auch dieser Vorgang ist hochkomplex und einen eigenen Beitrag wert. Nach dem Splicing liegt eine reife RNA vor, die als messenger-RNA, Boten-RNA oder mRNA bezeichnet wird. Diese ist verhältnismäßig klein und handlich und kann von bestimmten Proteinen durch die Poren des Zellkerns hindurch ins Zytoplasma exportiert werden und dann, beim Ribosom angelangt, als Vorlage für die Herstellung von Insulin dienen. Damit sind also alle Schritte vom Ausgangspunkt der genetischen Information im Zellkern bis zur Ausprägung (Expression) des Gens für Insulin in Gestalt des fertigen Proteins durchgeführt.
In der Zelle sieht das ganze dann so aus:

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[die roten Pfeile deuten an, an welchen Stellen die Zelle steuernd „eingreifen” kann. In diesem Post geht es nur um die Steuerung der Transkription (oberer Pfeil), aber auch auf der Ebene des Splicing (mittlerer Pfeil) und der Translation (unterer Pfeil) besteht die Möglichkeit, die Genexpression zu regulieren]

Zur Verdeutlichung und zur Überleitung zur differentiellen Genexpression möchte ich eine kleine Analogie anbieten, die ich mal die „Restaurant-Analogie” nenne:
Es gibt da also diesen riesigen Gastronomie-Konzern (Körper), der viele verschiedene Restaurantketten (Zelltypen) unterhält. Die Restaurants einer Kette, die Filialen (Zellen eines Typs) bieten immer das gleiche Angebot an. Allen Restaurants ist gemeinsam, daß in ihnen eine große Bibliothek (Zellkern oder Nucleus) steht, die in vielen dicken Büchern alle Rezepte, Zubereitungsanleitungen, Zutatenlisten etc. (Genom) bereithält. Das ist schön einfach für den Konzern, denn der Grundbauplan für alle Restaurantfilialen aller Ketten ist ähnlich und so muß man sich bei der Einrichtung neuer Filialen nicht die Mühe machen, eigens die Bücher rauszusuchen, die die Rezepte für eine bestimmte Kette enthalten, sondern jede Filiale erhält den gleichen Bestand, auch wenn nur ein Bruchteil davon je gebraucht wird.

Die Bücher sind aus dickem Pergament (DNA), schwer und unhandlich und können nur in der Bibliothek, die noch dazu abgeschlossen ist, gelesen werden. Damit in der Küche (Zytoplasma) gekocht werden kann, wo die Rezepte als Anleitung für die Zubereitung von Speisen (Genprodukte wie Enzyme, Strukturproteine, Hormone etc.) benötigt werden, müssen also irgendwie die Informationen aus den dicken Kochbüchern aus der Bibliothek in die Küche kommen. Da die Bücher nicht transportiert werden können und auch nicht unter der Tür durch passen, müssen Abschriften (Transkripte) der Rezepte in Büchern angefertigt werden. Diese werden auf einem anderen Papier (RNA) als dem, aus dem die Buchseiten bestehen, niedergeschrieben (Transkription). Die Mitarbeiterin, die das macht (DNA-abhängige RNA-Polymerase), bekommt alles, was sie dafür braucht, in die Bibliothek geliefert. Da sie sich mit dem Kochen nicht so auskennt, schreibt sie einfach alles ab, was in einer Anleitung steht, also neben den wichtigen Infos (Exons) auch überflüssiges Zeug (Introns), z.B. eine Kurzbiographie des Kochs oder Nährwertangaben bestimmter Zutaten. Bevor die Abschriften in die Küche gebracht werden, werden sie daher noch von einem Lektorat (Spliceosom) redigiert, welches überflüssiges streicht (Splicing), manchmal leichte Modifikationen in das Rezept einbaut, wie z.B. Pilze weglassen (alternatives Splicing), und am Ende noch einen Erkennungsstempel (Capping) auf das fertige Rezept (reife mRNA) drückt.

Dieses ist handlich und klein und kann unter der Tür (Kernpore) durchgeschoben und in der Küche endlich vom Koch (Ribosom) als Anleitung zum Kochen (Translation) benutzt werden.
Da die Filialen wissen, zu welcher Kette sie gehören, bestellen sie in der Bibliothek natürlich nur die Rezepte für Gerichte, die in der Filiale auch vorgesehen sind. Eine Burger King Filiale würde also Whopper-Rezepte aber keine für BigMacs bestellen und eine Filiale einer Kette die französischer Haute Cuisine anbietet ordert Rezepte für Froschschenkel und nicht für Pommes Schranke(differentielle Genexpression).
Oder, ohne Analogie ausgedrückt: Zellen exprimieren zelltypspezifische Gene, z.B. werden bestimmte Leberenzyme nur in Leberzellen hergestellt und bestimmte Hormone werden nur in Zellen der Nebennierenrinde produziert.

Aber wie funktioniert das, ohne daß ein intelligenter Filialleiter den Angestellten auf die Finger guckt? Ich will ehrlich sein: Genexpressionsregulation ist ein unglaublich komplexes, längst nicht zu Ende erforschtes Thema, über das jedes Jahr tausende Seiten geschrieben werden und über das man monatelang referieren könnte. Zudem gibt es, wie oben angedeutet, im gesamten Prozess ja mehrere Stellen, an denen die Zelle steuernd eingreifen kann.
Ich muß mich hier also mit der Verdeutlichung eines Grundprinzips und dem „Beweis”, daß es wirklich ohne planende Hand funktioniert, begnügen. Ich versuche diese Darstellung anhand des sog. „lac-Operons” aus dem bekannten Bakterium Escherichia Coli (E. Coli).

Coli-Bakterien ernähren sich von den Kohlehydraten in ihrer Umgebung. Am liebsten haben sie die einfach zu verwertende Glucose (Traubenzucker). Nun kann es vorkommen, daß es keine Glucose, sondern nur Laktose (Milchzucker) in der Umgebung gibt. Coli-Bakterien, die Laktose nicht verwerten können, „verhungern” und in der Tat verfügen die Bakterien über Gene für den Lactoseabbau. Es wäre nun aber verschwenderisch und unökonomisch (und hätte sich in der Evolution daher nicht durchgesetzt) für E.Coli, stets die nötigen Genprodukte für die Lactose-Verwertung bereitzuhalten, falls es mal dazu kommen sollte, daß nur Lactose als Nahrung zur Verfügung steht (denn wenn es auch Glucose gibt, läßt E.Coli die Lactose zugunsten der Glucose links liegen). Ideal wäre es, die Genprodukte für die Lactose-Verwertung dann und nur dann zu produzieren, wenn nur Lactose als Nahrung verfügbar ist – und genau das kann E. Coli. Wie es das macht? Mit Hilfe des lac-Operons.

Das lac-Operon ist eine Funktionseinheit der DNA, die aus mehreren Teilen besteht:

  • Promotor: dies ist die Stelle, an der die RNA-Polymerase, die eine RNA-Kopie der Lactoseabbaugene herstellt, ansetzen muß
  • Operator: dies ist eine Stelle, die keine Information für ein Genprodukt enthält, sondern der Steuerung dient; sie ist so aufgebaut, daß an ihr ein bestimmtes Protein binden kann.
  • Strukturgene (lacZ, lacY, lacA): dies sind die Gene für den Lactoseabbau. Das LacZ-Genprodukt ist ?-Galactosidase, ein Enzym, das Lactose in Galactose und Glucose aufspaltet. Das lacY-Genprodukt ist ein Transportprotein namens &#946-Galactosid-Permease (LacY), welches die Aufnahme von Lactose in die Zelle ermöglicht und das lacA-Genprodukt ist das Enzym ?-Galactosid-Transacetylase, das eigentlich nicht für den Laktoseabbau gebraucht wird (man weiß immer noch nicht genau weiß, welchen Nutzen dieses Protein dem Bakterium bringt).
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Vor dem lac-Operon befindet sich noch ein Gen für ein Repressor-Protein (lacI).
Das lac-Operon kann zwei verschiedene Zustände einnehmen, es kann ein- und ausgeschaltet sein. Nur im eingeschalteten Zustand ist die Transkription der Laktoseabbau-Gene und damit die Herstellung der entsprechenden Genprodukte möglich.
Der Clou ist, daß das Operon nur dann eingeschaltet wird, wenn es nötig ist, wenn also Lactose vorhanden ist und die Genprodukte für ihre Verwertung benötigt werden.

Das folgende Bild zeigt zunächst aber den Zustand des lac-Operons, wenn keine Lactose-Verwertung benötigt wird:

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Das Repressor-Protein (grün), das vom Bakterium ständig hergestellt wird und daher immer verfügbar ist, bindet in seinem natürlichen Zustand fest an den Operator (s.o.) und versperrt damit der RNA-Polymerase, die vom Promoter aus Transkripte von den Lactose-Abbau-Genen herstellen würde, den Weg. Es entstehen also keine Transkripte und daher werden auch keine Proteine daraus hergestellt.

Wenn nun aber Lactose vorliegt, dann gelangt immer ein klein wenig davon doch in die Zelle (weil immer irgendwo noch ein paar verstreute &#914-Galactosid-Permease-Moleküle in der Zelle existieren, die Lactose in die Zelle transportieren können). Ein Lactose-Molekül bindet dann an eine andere Bindestelle am Repressor-Protein, das daraufhin seine Form verändert und in dieser Form nicht mehr an den Operator binden kann. Die vorher auf den Operatoren sitzenden Repressor-Proteine fallen also herunter, wenn Lactose an sie bindet und somit ist der Weg für die Polymerase (orange) nicht mehr versprerrt und sie kann, startend am Promoter, Transkripte für die Herstellung von Lactose-Abbau-Enzymen herstellen.

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Solange ausreichend Lactose vorhanden ist, bleiben auch alle Repressor-Moleküle mit Lactose besetzt und so bleibt das Operon frei und werden weiterhin Lactose abbauende Enzyme hergestellt. Wenn irgendwann die Lactose aufgebraucht ist, kann auch keine Lactose mehr an das Repressor-Protein binden. Dieses nimmt wieder seine natürliche Form an, passt und setzt sich sofort wieder auf den Operator und deaktiviert dadurch das Operon. Diese Art der Regulation nennt man negative Regulation.

In Wirklichkeit ist die Lactose-Abbau-Regulation in E.Coli sogar noch ein wenig komplizierter, z.B. kann das Bakterium, wie schon angedeutet, bevorzugt Glucose abbauen. Es wird also erst dann Lactose verwertet, wenn wirklich keine Glucose mehr da ist und auch diese Zustandsunterscheidung muß ja durch molekulare Steuermechanismen realisiert werden.

Es geht mir aber um das Grundprinzip: selbst in vergleichsweise einfachen Organismen, wie Bakterien, die nur aus einer Zelle bestehen, gibt es Mechanismen, die ohne intelligente Steuerung eine auf den momentanen Bedarf angepasste Regulation der Genexpression ermöglichen.
In hochkomplexen Organismen wie dem Menschen sind diese Mechanismen noch viel aufwendiger, umfassen häufig wesentlich mehr Komponenten und es wird zusätzlich nicht nur der Bedarf der einzelnen Zellen „beachtet” und in die Regulation der Genexpression integriert, sondern auch der des Gesamtorganismus, wofür ein kompliziertes Kommunikationssystem zwischen Zellen und Zellverbänden existiert, über das mitgeteilt werden kann, ob und wo bestimmte Genprodukte gerade benötigt werden.
In der Forensik machen wir uns das z.B. bei der Spurenkunde zunutze, wenn wir aufgrund der unterschiedlichen Genexpressionszustände in den verschiedenen Zelltypen, Spurenarten voneinander unterscheiden können. Aber auch in der biomedizinischen Forschung, insbesondere der Krebsforschung, stellt die Analyse der differentiellen Genexpression und ihrer Regulation in Krebszellen eine äußert wichtige aber auch herausfordernde Aufgabe dar.

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Kommentare (30)

  1. #1 walim
    15/04/2011

    Danke. So eine Zusammenfassung habe ich schon lange gesucht.

  2. #2 Claudia
    15/04/2011

    Sehr schön. Vor allem die Gastronomie-Analogie rockt (bis auf die latente Pilzfeindlichkeit) absolut die Bude! 🙂 Und auch der Rest; gut und verständlich erklärt. I like.

  3. #3 Theres
    15/04/2011

    Ein gelungener Artikel, und gleich einige Fragen:
    Funktioniert der Mechanismus bei laktosetoleranten Menschen eigentlich ähnlich, nur komplizierter wird er sein?
    Und wo gibt es ein Buch, das diese Vorgänge so gut beschreibt wie du es kannst?
    (Mein Wissen stammt aus einem Bioleistungskurs von vor zwanzig Jahren und aus einigen Artikeln, weil das Interesse blieb, aber irgendwann kam ich nicht mehr nach und die Bücher in der Unibibliothek erfordern eher ein neues Studium …)
    Und

    In der Forensik machen wir uns das z.B. bei der Spurenkunde zunutze, wenn wir aufgrund der unterschiedlichen Genexpressionszustände in den verschiedenen Zelltypen, Spurenarten voneinander unterscheiden können.

    Wann gibt es da mehr dazu, wie funktioniert das (gier)?
    P.S.: Solltest du jemals ein Buch schreiben wollen, ich will auf die Bestellliste 🙂

  4. #4 rolak
    15/04/2011

    Das war nicht pilzfeindlich, Claudia, sondern eine Spezialbestellung eines etepetete-Gastes.

    Bei dem wohl versehentlichen Esel-Heuhaufen-Dilemma

    die Lactose zugunsten der Lactose

    ist doch hinten ein Gluc statt eines Lact gemeint, oder?

  5. #5 Fabian
    15/04/2011

    Wahrscheinlich eine blöde Frage aber weshalb hat es sich so entwickelt das die Kopie der DNA mit RNA gemacht wird?
    Wäre es nicht einfacher (Proteine zum kopieren müssen nur einmal vorhanden sein etc.) die Kopie als Einsträngige RNA zu machen?

  6. #6 Cornelius Courts
    15/04/2011

    @Theres:

    “Funktioniert der Mechanismus bei laktosetoleranten Menschen eigentlich ähnlich, nur komplizierter wird er sein?”

    Ja, auch beim Menschen ist die Produktion der Laktase reguliert und Laktase wird daher nur in den Darmschleimhautzellen gebildet. Wenn Du aber den genauen Mechanismus wissen willst, muß ich passen. Ist ein Gastroenterologe anwesend? 😉

    “Und wo gibt es ein Buch, das diese Vorgänge so gut beschreibt wie du es kannst?”

    Oh, 🙂 , ich kenne noch keines, das genau für das Publikum, an das ich mich hier richte, geschrieben wurde…

    “Wann gibt es da mehr dazu, wie funktioniert das (gier)?”

    Sorry, ich hatte vergessen, zu verlinken. Schau mal hier: https://www.scienceblogs.de/bloodnacid/2011/03/forensische-genetik-spurenkunde.php

    “P.S.: Solltest du jemals ein Buch schreiben wollen, ich will auf die Bestellliste 🙂 ”

    Ich habe ein Kapitel für ein populärwissenschaftliches Buch über Forensische Wissenschaft und Rechtsmedizin geschrieben. Wenn Dich das interessiert oder Du so etwas meinst, sag bescheid 😉

    @rolak: “ist doch hinten ein Gluc statt eines Lact gemeint, oder?”
    Klar, danke! Check!

    @Fabian: ich antworte Dir noch, aber die Antwort ist aufwendig und spekulativ und ich muß weg 😉 Also bis später!

  7. #7 Theres
    15/04/2011

    @Cornelius
    Bescheid!
    Also, ja, ich bin interessiert.

  8. #8 MisterX
    15/04/2011

    Yeahhh operon modell vom e. coli !
    haben wir grad in der schule gemacht. Sehr wichtig sowas, eine der nach meiner Meinung grundlegendsten prinzipien wie dna biologie funktioniert. Wenn man das gerafft hat ist einem biologie auf jedenfall verständlicher 🙂 find ich

  9. #9 MisterX
    15/04/2011

    Sehr wertvoller Artikel ! 🙂

  10. #10 definition
    16/04/2011

    Sehr toller Artikel. Besonders die Restaurant-Analogie ist ja toll.
    Auch die Artikel die nicht über Biologie sind, sprechen mir ja immer wie aus der Seele.
    Ich muss schon, ich bin beeindruckt. Den Blog blooDNAcid gibts ja nocht nicht lange. Und doch hat er sich schon zu einem meiner Lieblingsblogs gemausert.

    Ich finde es übrigens besonders gut, wenn es solche Blogeinträge wie “fundamentales” oder “basics” gibt, die etwas zeitlos sind und man später noch lesen kann und auf die man in späteren Blogeinträgen dann verweisen kann. Weiter so.

  11. #11 ursuppe
    17/04/2011

    Schöner Artikel und gute Analogie, über das Thema Genexpression bin ich vor kurzem zum ersten Mal bei diesem Artikel gestossen mit grösseren Verständnisschwierigkeiten

    https://www.physorg.com/news/2011-04-allen-brain-science-comprehensive-gene.html

    Bisher dachte ich die genetische Information in der DNA steuert vollständig den Phänotyp von bestimmten Merkmalen. Nach Lesen ihres Artikels scheint es aber ja eher so, dass Genprodukte verschieden verstärkt oder sogar umgekehrt werden können. Bsp. Haarfarbe, ist die Haarfarbe eindeutig durch ein Gen bestimmt oder ist es der Prozess der Genregulation der letztendlich die Haarfarbe bestimmt. Da die Genregulation ein biochemischer Prozess ist würde ich vermuten dass bei zu starker schwankung der inneren Körpertemperatur dies auch starke Auswirkungen auf die biochem. Reaktionen hat und deswegen Organismen nur unter sehr spez. Aussenbedingungen lebensfähig sind für längere Zeit?

    Desweiteren würde mich interessieren, wie dann Selektion in der Evolutiontheori eigentlich zu verstehen ist, denn Genregulation scheint ja selbst selektiv für bestimmte Gene zu sein. Was wird eigentlich selektiert über Jahrhunderte, Gene, versch. Prozesse der Genregulation oder dient die Genregulation nur der Schaffung einer Variabilität der biochem. Prozesse im Organismus um ihn resistenter gegenüber Aussenbedinungen zu machen. Ist die Genregulation also selbst ein Produkt der Evolution oder gibt es auch primitive Lebewesen, die ohne starke Genregulation auskommen und lebensfähig sind.

    Mir ist klar dass die Biochemie des Körpers unheimlich komplex ist und wahrscheinlich ist es sogar eher verwirrend bestimmte biomchem. Prozesse auf einen “Zweck” hin zu betrachten und verstehen zu wollen, gleichsam einen Uhrwerk. Dennoch würde mich interessieren, ob man sagen kann wieviel Info über den Organismus wirklich in den Genen festgeschrieben ist, ein Teil des Phänotyp scheint ja auch in der Genregulation/Expressions-Prozessen zu stecken. Auf simple Modelle wie in der Physik wird sich dass leider wohl nie runterbrechen lassen können, auch weil man für viele versch. Lebewesen ein anderes Modell bräuchte.

  12. #12 Cornelius
    17/04/2011

    @Fabian: “Wahrscheinlich eine blöde Frage aber weshalb hat es sich so entwickelt das die Kopie der DNA mit RNA gemacht wird?
    Wäre es nicht einfacher (Proteine zum kopieren müssen nur einmal vorhanden sein etc.) die Kopie als Einsträngige RNA zu machen? ”

    Ich nehme an, im letzten Satz meintest Du DNA, nicht RNA? Du fragst also, warum nicht DNA-Kopien von der DNA gemacht werden?
    Deine Frage berührt jedenfalls ein sehr schwieriges Gebiet, da sie die Evolution der Nukleinsäuren betrifft und die Frage impliziert, was zuerst da war. Es spricht in der Tat viel dafür, daß RNA die erste Nukleinsäure war, nicht DNA, aber es würde wirklich zu weit führen, diese Hypothesen hier darzulegen. Grundsätzlich muß man im Auge behalten, daß es keine intelligente, optimierende Kraft gab, sondern daß das Verhältnis der Nukleinsäuren in der Evolution entstanden ist. D.h., ob etwas “einfacher” oder “eleganter” ist, kann von niemandem bewertet werden (z.B. ist unser Auge, obwohl es leidlich funktioniert, ziemlich bescheuert und unpraktisch aufgebaut – eine Qualitätskontrolle gab es nicht ;-)) Bakterien z.B. haben keinen Zellkern und dennoch gehen sie bei der Genexpression den “Umweg” über RNA-Transkripte. Es scheint sich also bei diesem Prozess um ein absolut fundamentales Phänomen zu handeln. Sehr wahrscheinlich ist die regulative Vielfalt, die sich durch die Möglichkeit, die Zwischenstufen der Genexpression, nämlich die mRNAs, zu kontrollieren, ein starker selektiver Vorteil. In höheren Lebensformen ist das RNA-Editing, das Splicing also, für einen großen Teil der Vielfalt der Genprodukte, die über die feste Anzahl von Genen, über die z.B. der Mensch verfügt, hinausgehen, verantwortlich. Vermutlich hat sich ein evolutiver “Kompromiss” zwischen der Anzahl der Gene und deren Kodierungsbedarf und den Möglichkeiten der Regulation der Genexpression und der Transkripteneditierung ergeben, der das heutige Bild ergibt.
    Daß es sich bei den Transkripten um RNA handelt, hat den Vorteil, daß RNA-Moleküle nicht mit DNA-Molekülen “verwechselt” werden können. Die Enzyme, die mit Nukleinsäuren interagieren, haben ja keine Augen o.ä., sondern müssen quasi “tasten” und da RNA und DNA sich chemisch unterscheiden, können sie den Unterschied “erfühlen”.

  13. #13 Cornelius Courts
    17/04/2011

    @Theres: “Bescheid! Also, ja, ich bin interessiert.”

    Ich habe für dieses Buch das Kapitel über “DNS in der Forensischen Wissenschaft” geschrieben: https://www.amazon.de/Von-Maden-M%C3%B6rder-Ermittlungsmethoden-Rechtsmedizin/dp/3861898330/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1303054532&sr=8-1

  14. #14 Theres
    17/04/2011

    @Cornelius
    Klingt spannend und steht auf der Wunschliste … thx.

  15. #15 Cornelius
    18/04/2011

    @ursuppe:
    Whoah…komplizierte Fragen… ich versuch’s mal:

    “Bisher dachte ich die genetische Information in der DNA steuert vollständig den Phänotyp von bestimmten Merkmalen. Nach Lesen ihres Artikels scheint es aber ja eher so, dass Genprodukte verschieden verstärkt oder sogar umgekehrt werden können.”

    Nein, es ist tatsächlich komplexer. Die DNA enthält sehr wohl Informationen, die für eine differentielle Genexpression notwendig sind, z.B. Bindestellen für Transkriptionsfaktoren, Enhancer etc., die abhängig von der zellulären Umgebung, eine Steuerung der Genexpression ermöglichen. Hinzu kommen “epigenetische” Modifikationen, also Modifikationen an der DNA oder an DNA-bindenden Proteinen (z.B. und v.a. Methylierungen), die NICHT die Abfolge der Nukleotide betreffen, aber dennoch großen Einfluss auf Möglichkeit und Aktivität der Transkription haben.
    Zu alledem kommen dann noch wesentliche Weichenstellungen während der Entwicklung dazu und natürlich Splicing und, darüber werde ich noch berichten, ein miRNA-vermitteltes, posttranslationales Feintuning der Genexpression.
    Genexpression wird damit zu etwas ungeheuer plastischem und ist bei weitem nicht so statisch, wie es der Fall wäre, wenn alle Infos bereits in der DNA enthalten wären.

    “Bsp. Haarfarbe, ist die Haarfarbe eindeutig durch ein Gen bestimmt oder ist es der Prozess der Genregulation der letztendlich die Haarfarbe bestimmt.”

    Es ist nicht endgültig geklärt, welche Rolle die Expressionsregulation (v.a. durch epigenetische Modifikationen) spielt, fest steht aber, daß Haarfarbe, Augenfarbe (und generell die meisten komplexen Merkmale) polygenisch, d.h. durch mehrere Gene, vererbt werden.

    “Da die Genregulation ein biochemischer Prozess ist würde ich vermuten dass bei zu starker schwankung der inneren Körpertemperatur dies auch starke Auswirkungen auf die biochem. Reaktionen hat und deswegen Organismen nur unter sehr spez. Aussenbedingungen lebensfähig sind für längere Zeit?”

    Das ist der Grund, warum es im Körperinneren bei Warmblütern nur zu minimalen Temperaturschwankungen kommt und warum 42°C+ bereits eine kritische Temperatur darstellt. In Kaltblütern sind die Systeme flexibler, wenn es kalt ist, wird auch deren Metabolismusrate heruntergefahren und umgekehrt.
    Es ist aber richtig, daß diese komplex wechselwirkenden Systeme sehr empfindlich gegen Temperatur- (und auch pH-Wert)-Schwankungen sind.

    “Desweiteren würde mich interessieren, wie dann Selektion in der Evolutiontheori eigentlich zu verstehen ist, denn Genregulation scheint ja selbst selektiv für bestimmte Gene zu sein. Was wird eigentlich selektiert über Jahrhunderte, Gene, versch. Prozesse der Genregulation”

    Selektiert wird IMMER NUR gegen irgendwie mit der Umwelt positiv oder negativ wechselwirkende Merkmale. Also z.B. nicht gegen stumme Mutationen, die keine Änderung eines Proteins oder neutrale Mutationen, die eine irrelevante Änderung eines Proteins zur Folge haben, aber auch nicht gegen Mutationen, die eine Eigenschaft des Organismus auf neutrale Weise beeinflussen.
    Wenn, s. unser Beispiel, eine Mutation im Operatorbereich in einem Colibakterium dazu führen würde, daß das Repressor-Protein nicht mehr am Operator binden kann, so würde dem Bakterium kein direkter Schaden entstehen, es könnte ja nach wie vor Lactose abbauen, nur würde es ständig die Abbauenzyme herstellen und Energie veschwenden. Und auf lange Sicht, nicht am Einzelorganismus betrachtet, würde eine solche Mutation aus der Population verschwinden, weil Bakterien, die davon betroffen sind, im Nachteil gegenüber normalen Bakterien sind, die ihr lac-Operon abschalten können (et voila: Selektion). D.h., sofern Genregulationsmechanismen auf DNA-Abschnitte zurückzuführen sind, sind sie auch Teil des Evolutionsprozesses.

    “oder dient die Genregulation nur der Schaffung einer Variabilität der biochem. Prozesse im Organismus um ihn resistenter gegenüber Aussenbedinungen zu machen.”

    Anders herum (s. biol. Disclaimer): Organismen, die zufällig erste Mechanismen der Genregulation (und damit schnell umsetzbarer Plastizität und Variabilität der Reaktionen auf Umweltreize) entwickelten, waren resistenter (weil flexibler) gegenüber möglicherweise schnell sich ändernden Außenbedingungen und hatten einen Selektionsvorteil, weshalb sich diese Mechanismen durchsetzen.

    “Ist die Genregulation also selbst ein Produkt der Evolution oder gibt es auch primitive Lebewesen, die ohne starke Genregulation auskommen und lebensfähig sind.”

    Ja, das ist sie. Und wie gezeigt verfügen selbst Bakterien darüber. (Übrigens auch selbst Viren, die noch einfacher als Bakterien sind)

    “Dennoch würde mich interessieren, ob man sagen kann wieviel Info über den Organismus wirklich in den Genen festgeschrieben ist, ein Teil des Phänotyp scheint ja auch in der Genregulation/Expressions-Prozessen zu stecken.”

    Völlig richtig. Welches “Schicksal” z.B. eine Zelle eines Embryos im 16-Zellstadium hat, ist nicht aus ihrer DNA abzulesen, die ist bei allen Zellen gleich. Es spielen sehr komplizierte Entwicklungsprozesse, bei denen die Außenbedingungen (z.B. Konzentrationsgefälle von Proteinen und anderen Molekülen im Embryo) eine wesentliche Funktion haben, eine enorme Rolle. Hinzukommen, wie erwähnt, epigenetische Informationen, die nicht die Sequenz der DNA betreffen. Ein Organismus ist also nie ein reines, “deterministisches” Produkt seiner DNA, es ist VIEL komplizierter (ohne daß jedoch, um die IDler zu enttäuschen, irgendwo Bedarf nach einer übernatürlichen Steuerung bestünde).

  16. #16 Skrazor
    18/04/2011

    Nach (leider) etwas längerer Abstinenz aus deinen Kommentarzeilen, bin ich nun endlich wieder in der Lage, mich hier zu Wort zu melden (auch wenns niemanden interessiert, aber der Drang ist einfach zu groß ^^)

    Ein riesengroßes Lob und ein noch viel größeres Dankeschön für diesen echt tollen Artikel. Du verstehst es wirklich, auch komplizierte Dinge so zu erklären, dass es einem nicht schwer fällt, sie zu verstehen 🙂

    Bitte nie mehr aufhören! xD

    Mir tut jetzt schon das Herz weh, wenn ich dran denke, dass auch dieser Blog leider nicht ewig leben wird 🙁

    PS: Das Buch ist soeben in den (digitalen) Warenkorb gewandert ^^
    Kanns kaum erwarten es zu lesen, klingt total faszinierend.

  17. #17 Cornelius
    18/04/2011

    @Skrazor: “Nach (leider) etwas längerer Abstinenz ”
    Ich hatte Dich schon vermisst 😉

    “Du verstehst es wirklich, auch komplizierte Dinge so zu erklären, dass es einem nicht schwer fällt, sie zu verstehen :-)”

    Danke. Wichtiges Feedback.

  18. #18 Fabian
    18/04/2011

    @Cornelius

    Danke. Deine ausführliche Antwort hat einige meiner Fragen geklärt.

  19. #19 ursuppe
    19/04/2011

    @cornelius

    Danke erstmal für ihre ausführliche Antwort, ich hoffe zu dem Thema kommen noch weit mehr Posts ihrerseits, da es sich für mich als Bio-Laien als ein absolutes Schlüsselphänomen und -prozess zum Verständis der Evolution und der Morphogenese herauszukristallisieren scheint nach meiner derzeitigen Faktenkenntnis. Ich erhoffe mir nicht auf alle assozierten Fragen hier direkte Antworten, aber vielleicht in Form von weiteren Blog Einträgen in naher Zukunft 🙂 Mich langweilen die publikumswirksamen K(r)ämpfe gegen Astrologen und Kreationisten auf scienceblogs etwas (wer glaubt das die Welt in 6000 Jahren “geschaffen” wurde und von Planetenkonstellationen bestimmt wird, liest a) hier selten und b) ist mit Vernunft und Fakten eh kaum zu überzeugen, da wird hier seitens der Autoren schon genug Energie verschwendet), solche Blog Posts die das Wunder und die Präzision des Lebens veranschaulichen bringen da viel eher die Glühbirne über dem Kopf zum aufblitzen und flattren/twittern (geht hier leider nicht)

    Was ich mich noch gefragt habe. Sie haben die Transkription anhand des e.coli erklärt. Inwieweit lässt sich dieser verstandene Prozess nun z.B. auf andere Organismen übertragen, hat er Modellcharakter nur für Bakterien oder bis zu Vielzellern, Säugetieren etc.? Vor kurzem sah ich diesen höchstinteressanten TED Talk. Eins der besten Überzeugungsmittel gegen Kreationismus imho, weil Bilder wie wir wissen “besser” überzeugen. Darin werden genetisch veränderte fluoreszierende Lebewesen gezeigt, von Maus bis Affe, Mensch wohl auch möglich. Scheinbar ist es schon kein grosses Problem mehr bestimmte Eigenschaften/Funktionen zu überschreiben auf andere Organismen. Nach ihrem Post scheint mir doch die Genexpression ein unheimlich komplexer und vom jew. Organismus abhängiger Prozess. Weiter oben hatte ich den Human Brain Atlas verlinkt, der feststellt, dass über 82% der mensch Gene im Hirn epxressed werden. Gleichwohl gibt es primitive Lebewesen, die ein grösseres Genom als der Mensch haben. Hier scheint teilweise unter den versch. Lebewesen ein sehr starke unterschiedliche Redundanz der gen. Information zu herrschen oder wie wäre das zu verstehen? Je komplexer ein Organismus, desto komplexer würde ich vermuten die Genexpression, d.h. Korrelation zw. Genom Grösse und Organismus Komplexität eher gering, scheint doch fast mehr Information über die Genexpression Prozesse dechiffriert zu werden. Bei synthetic bio-engineering gewinnt man aber eher den Eindruck, dass mehr oder minder DNA überschrieben wird, oder findet hier eine Anpassung der DNA nicht 1:1 einzelner Gene auf die Genexpression anderer Organismen statt bzw. ist die “Kompatibilität”/passende Chiffre zwischen Gen und Expression der Grund, dass es einfacher oder unmöglich ist bei versch. Organismen Eigenschaften wie eine fluoreszierende Haut “einzubauen”? Genom und Gen-Expression erinnert mich stark an das Henne-Ei Problem 🙂 Jedenfalls wenn ich ihren Artikel verstehe sind beide sich gegenseitig bedingend, beide notwendig und nicht hinreichend füreinander.

    Auch würde mich interessieren, inwieweit Genexpression von Medikamenten beeinflusst wird, falls. Kommen wir vielleicht eines Tages soweit, das Auswirkungen bestimmter Gene bei Babys(Diabetes etc.) durch gezielten Eingriff in Genexpression verhindert/veringert werden können durch Medikament- oder Gen-Therapien? Eine natürliche Auslese krankheitsstiftender Gene würde dann ausfallen, da behandelbar, Krankheiten sich genetisch stark in der Gesellschaft diversifizieren, ein genetischer Gau sich über Generationen anbahnen, der nur durch Eugenik wieder eingedämmt werden könnte? Das Thema war ja vor kurzem erst hier im Bundestag auf der Agenda bei der PID Diagnostik, da steckt wohl für die nächsten Jahrzehnte einiger gesellschafts-politischer Zündstoff dahinter von dem man momentan nur die Eisbergspitze sieht.

    Desweiteren kam mir in den Sinn, dass die Lebenserwartung gestiegen ist und weiter steigt, die Zahl der Zivilisationskrankheiten (insbesondere Krebs) nimmt aber zu, wir werden älter aber kränker 😉 Gibt es hier einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Umweltgifte und ihrer Beeinflussung der biochem. Prozesse bei der Genexpression. Ich würde vermuten, die Genome sind weitestgehend immun/geschützt, Metabolismus aber durch fremde Stoffe/Nanopartikel aber vielleicht viel grösseren Einwirkungen ausgesetzt und die Genexpression als “offener” Prozess vor diesen Fremdpartikeln nicht gefeit. Wenn ich les wie komplex dies alles ist und abläuft, bin ich erschrocken, dass fluoreszierende Fische schon gekauft werden können in best. Staaten und demnächst sich dann auch in der freien Wildbahn kreuzen, seh ich nach dem aktuellen GAU Disaster dann den nächsten Bereich, wo keiner verantwortlich gewesen sein will, wenn es um Folgenbekämpfung geht. Als Naturwiss. kann ich verstehen was in Japan schiefgelaufen ist, als Nicht-Biologe fehlt mir schon wieder der Sachverstand und Nicht-Wissen wird zu Angst, dass Technologie (sei es Gen, Nano, Bio, Kern) wieder mal vorschnell nur auf die Vorteile hin evaluiert wurden. Darin sehe ich auch die ureigene Aufgabe von unabh. wiss. Bloggern im 21 Jhdt., wirklich den wahlberechtigten Laien klarzumachen, ob best. Technologien schon oder jemals “händelbar” sein werden, davon geht offensichtlich mehr Gefahr aus als von ein paar verirrten Astrologen/Kreationisten. Und mit solchen Themen, wie man an Comment Anzahl beim TED Talk sieht, lässt sich auch ein Publikum erreichen. Biologie der breiten Gesellschaft zu vermitteln ist weit schwerer als bei bspw. Physik, wo es recht anschauliche Modelle/Experimente gibt und leider auch die neg. Auwirkungen meist sehr direkt sicht und spürbar sind wenn Physik missbraucht und unterschätzt wird. Bei Genetik scheint mir das Gefahrenpotenzial noch grösser und schleichender, ich hoffe Blogs wie ihrer tragen dazu bei die Sinne zu schärfen inwieweit die Gesellschaft von dieser Technologie abhängig werden will. Das hat nix mit Technikfeindlichkeit zu tun, aber wie Kapitalismus muss eben auch Technologie richtig reglementiert werden. Aber Debatten über mögliche Auswirkunen von Nanopartikeln/Genetik hab ich seit Fukushima hier leider kaum gelesen. Da scheint mir die Wahrnehmung leider sehr selektiv und jetzt wäre Zeit bevor die gesell. Aufmerksamkeit für Aufklärung und mehr direkte Demokratie verebbt in den Sommer.

    Wie gesagt eher ein Brain-Storming, evtl. die ein oder andere Idee für kommende Blog-Themen stiftend die meine Fragen/Ängste beantwortet 🙂

  20. #20 Balanus
    20/04/2011

    @ Cornelius

    Sie erwähnen die epigenetische “Information”. Ist das Ihrer Meinung nach etwas Analoges zur genetischen Information? Unter letzterer kann ich mir ja noch etwas vorstellen. Da wird die Basensequenz abgelesen, verarbeitet, und am Ende haben wir dann ein “Genprodukt”. Diem Richtung des Informationsflusses ist also eindeutig. Doch wie verhält es sich mit der Information des Epigenoms?

    In Ihrer hübschen Restaurant-Analogie wären die epigenetischen Modifikationen wohl so etwas wie Klammern, die bestimmte Seiten der Kochbücher zusammenheften, so dass sie nicht gelesen werden können.

    Das “Wissen”, also die Information darüber, wo und wann solche Klammern in Reaktion auf die nähere und weitere Umgebung (der Zelle) gesetzt werden müssen, stammt aber doch auch aus den “Kochbüchern”, oder irre ich mich da?

  21. #21 Theres
    20/04/2011

    @Basilius
    Soweit ich informiert bin, sind es Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel auch, was die Eltern gegessen haben, so seltsam das jetzt auch klingt (es gibt eine Untersuchung über Kinder aus dem Hungerwinter nach dem 2. Weltkrieg (LInk wird nachgeliefert, wenn ich ihn finden kann). Na besser: erworbene Eigenschaften können weitervererbt werden. Das klingt etwas nach Lamarck, der aber die Vererbungsmechanismen nicht kannte und seine Theorie nicht entsprechend belegen konnte. War auch bei Darwins Evolutionstheorie anfangs nicht so einfach. Im Moment finde ich meine Unterlagen (Zettel- und Buchform) mal wieder nicht, deshalb bleibt es dabei ;-( und ich räume jetzt auf. Eine (für mich) gut verständliche Broschüre gibt es vom Umweltbundesamt https://www.umweltbundesamt.de/gesundheit/publikationen/epigenetik.pdf
    Ich hoffe, der minimale Erklärungsversuch störte nicht …

  22. #22 Theres
    20/04/2011

    @ me: immer die Vorschau verwenden … grumpf
    @Basilius
    Nachtrag; Epigenetische Informationen werden vererbt, also beeinflusst die Umwelt das Epigenom (ein Teil dessen ist die DNA, ein anderer die Moleküle, die die DNA umgeben) über diverse Mechanismen, die dem von CC beschriebenen ähnlich sind.
    Das sollte der erste Satz sein, nun ja. Überlasse ich das dem Berufeneren.

  23. #23 Cornelius
    21/04/2011

    @Balanus: Theres hat ja auch schon einige wichtige Informationen geliefert.
    “Diem Richtung des Informationsflusses ist also eindeutig. Doch wie verhält es sich mit der Information des Epigenoms?”
    Komplexer, denn die epigenetischen Modifikationen (meist Methylierungen der DNA oder der DNA-bindenden Histone) sind wesentlich flexibler und plastischer als die Nukleinsäuresequenz der DNA. Sie sind auch leichter anzubringen und zu entfernen und dennoch kann durch Methylierung ein Gen leicht stillgelegt werden. Richtig ist zudem, daß unter bestimmten Umständen Methylierungsmuster in der DNA “vererbt” werden können, man nennt das “Imprinting”. Diese werden jedoch in den Keimzellen eines “neuen” Organismus auch wieder gelöscht.
    Epigenetische Modifikationen und Mutationen in Genen für die Etablierung von Methylierungen spielen auch eine große Rolle bei verschiedenen Krankheiten, wie z.B. Krebs

    “In Ihrer hübschen Restaurant-Analogie wären die epigenetischen Modifikationen wohl so etwas wie Klammern, die bestimmte Seiten der Kochbücher zusammenheften, so dass sie nicht gelesen werden können.”
    Ganz genau, so könnte man es beschreiben, denn dieses Bild enthält auch die Möglichkeit, die Klammern einfach wieder abzunehmen.

    “Das “Wissen”, also die Information darüber, wo und wann solche Klammern in Reaktion auf die nähere und weitere Umgebung (der Zelle) gesetzt werden müssen, stammt aber doch auch aus den “Kochbüchern”, oder irre ich mich da? ”
    Jein. In der DNA sind ja keine Vorgänge oder “Handlungsanweisungen” kodiert, sondern “nur” Proteine. Und wie ich schon in einem meiner obigen Kommentare ausführte, ist ein Organismus nie nur die Summe seiner Gene, sondern auch seiner Entwicklung, die zu bedeutenden Teilen von außen gesteuert wird. In der DNA gibt es aber durchaus Stellen, die für Methylierung prädestiniert sind (CpG-Inseln) und auch die “Agenten” der Methylierung, z.B. Methyltransferasen und Methylasen, werden ja in der DNA kodiert und ihre Expression reguliert.
    Epigenetische Modifikationen sind also rasch veränderbare, reversible Steuermöglichkeiten für die Zelle.

  24. #24 Cornelius
    21/04/2011

    @ursuppe: “Inwieweit lässt sich dieser verstandene Prozess nun z.B. auf andere Organismen übertragen, hat er Modellcharakter nur für Bakterien oder bis zu Vielzellern, Säugetieren etc.?”

    Das Prinzip der Genregulation (nicht unbedingt mit exakt diesem, aber doch vergleichbaren Mechanismen) ist universell. Wie gesagt: selbst Viren arbeiten damit.

    “Gleichwohl gibt es primitive Lebewesen, die ein grösseres Genom als der Mensch haben. Hier scheint teilweise unter den versch. Lebewesen ein sehr starke unterschiedliche Redundanz der gen. Information zu herrschen oder wie wäre das zu verstehen?”

    Richtig. Redundanz ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Auch im menschlichen Genom finden sich ja große, redundante Teile, deren Funktion (sofern vorhanden) noch unverstanden ist. Andere Teile (Transposone) sind vermutlich uralte und inaktivierte Reste von urzeitlichen Viren, die in unser Genom integriert wurden und dann so mutiert, daß sie stillgelegt wurden. Der Mensch hat ja z.B. zwei Varianten (Allele) von jedem Gen, weil er einen doppelten Chromosomensatz hat. Auch das ist eine Form von Redundanz. Und wir sehen noch arm aus gegen Weizen mit sechs und der Erdbeere mit 10 Chromosomensätzen. Fazit: es gibt keine 100%ige Korrelation zwischen Genomgröße und Komplexität des Organismus

    ” Bei synthetic bio-engineering gewinnt man aber eher den Eindruck, dass mehr oder minder DNA überschrieben wird, oder findet hier eine Anpassung der DNA nicht 1:1 einzelner Gene auf die Genexpression anderer Organismen statt bzw. ist die “Kompatibilität”/passende Chiffre zwischen Gen und Expression der Grund, dass es einfacher oder unmöglich ist bei versch. Organismen Eigenschaften wie eine fluoreszierende Haut “einzubauen”?”

    Überschrieben wird eigentlich nicht. Transgene Tiere entstehen , indem man bestimmte Genabschnitte, die meist ihre eigenen Regulationsapparat (Promotor) mitbringen, in das Genom einer Zygote einbringt (z.B. durch Rekombination) und diese dann zur Austragung einem Muttertier einsetzt. Man kann die Expression dieser Gene auch konditional machen, indem man den Regulationsapparat so konstruiert, daß nur, wenn das Tier eine bestimmte Substanz zu sich nimmt, die Genexpression ausgelöst wird (z.B. wurde das lac-Operon genau so bereits eingesetzt).
    Man kann aber auch am adulten Tier durch Gentransfervektoren (z.B. “trainierte” Viren) Gene in bestimmte Zellen einbringen und dort exprimieren lassen. Das ganze funktioniert nur, weil die Sprache der DNA universell ist. Eine Zelle kann nicht unterscheiden, welche DNA körpereigen und welche fremd ist.

    “Genom und Gen-Expression erinnert mich stark an das Henne-Ei Problem 🙂 Jedenfalls wenn ich ihren Artikel verstehe sind beide sich gegenseitig bedingend, beide notwendig und nicht hinreichend füreinander.”
    Das überzeichnet es vielleicht etwas: ein Gen, also ein informationstragender DNA (oder RNA)-Abschnitt mußte ja, als das erste Leben entstand, irgendwie seine eigene Vervielfältigung betreiben, um sich zu verbreiten. Das kann dadurch geschehen, daß die Nukleinsäure ein entspr. Portein kodiert, aber wesentlich ursprünglicher sind Prozesse, in denen die Nukleinsäure selbst eine katalytische Funktion (durch Sekundärstrukturbildung) übernimmt (Ribozym). Bei extrem primitiven Mechanismen dieser Art gab es auch noch keine interdependente Genexpressionsregulation. Diese ist vermutlich erst im Laufe der Evolution entstanden, um, wie erwähnt, den immer größer werdenen Kodierungsbedarf durch expressorische Versatilität zu kompensieren.

    “Auch würde mich interessieren, inwieweit Genexpression von Medikamenten beeinflusst wird, falls.”

    Ja, das geht. Z.B. in dem Transkriptionsfaktoren (oder gleich zentral wichtige Enzyme) lahmgelegt werden. Manche Antibiotika machen das.

    “Kommen wir vielleicht eines Tages soweit, das Auswirkungen bestimmter Gene bei Babys(Diabetes etc.) durch gezielten Eingriff in Genexpression verhindert/veringert werden können durch Medikament- oder Gen-Therapien?”

    Medikamentöse Therapien, die sich gezielte EIngriffe in die Genregulation zunutze machen, sind für viele Erkrankungen denkbar und werden in einigen Fällen auch schon verwirklicht, ja.

    “Eine natürliche Auslese krankheitsstiftender Gene würde dann ausfallen, da behandelbar, Krankheiten sich genetisch stark in der Gesellschaft diversifizieren, ein genetischer Gau sich über Generationen anbahnen, der nur durch Eugenik wieder eingedämmt werden könnte?”

    Wow..nein, das geht zu weit. Bzw. für einen die reine “natürliche Selektion” überwindenden Einfluss auf den Genpool der Menschheit bedarf es keiner Genregulationstherapien. Da z.B. Sehbehinderte, wie ich (die es in der Steinzeit echt schwer gehabt hätten), nicht mehr sicher durch “natürliche Selektion” ausgemerzt werden, weil ihre Sichteinschränkung, eingebettet in ein kultiviertes Umfeld, erstens korrigiert werden kann und daher zweitens nicht notwendig einen Selektionsnachteil darstellt, haben sich entspr. genetische Dispositionen längst überall verbreitet und es gibt haufenweise Brillenträger.
    Wenn man andere Krankheiten mit genetischer Ursache heilen kann, ohne das Genom zu verändern, werden sich auch diese Gene verbreiten, egal, welche Methode man zur Heilung verwendet. Ein “Gau” bleibt aus, weil die Krankheit behandelbar ist. Früh tödliche, unbehandelbare Erbkrankheiten, z.B. MOrbus Krabbe, bleiben daher selten.

    “Das Thema war ja vor kurzem erst hier im Bundestag auf der Agenda bei der PID Diagnostik, da steckt wohl für die nächsten Jahrzehnte einiger gesellschafts-politischer Zündstoff dahinter von dem man momentan nur die Eisbergspitze sieht.”

    Vermutlich. Das liegt dann aber ironischerweise eher daran, daß sich die Kleriker eines Bronzezeit-Todeskults anmaßen, menschliches Leben definieren zu wollen und zuviele Leute ihr evidenzloses Gerede anhören.

    “Biologie der breiten Gesellschaft zu vermitteln ist weit schwerer als bei bspw. Physik, wo es recht anschauliche Modelle/Experimente gibt und leider auch die neg. Auwirkungen meist sehr direkt sicht und spürbar sind wenn Physik missbraucht und unterschätzt wird.”

    Ja, da gebe ich Ihnen recht. Biologie ist wild und abgefahren und “schmuddelig” 🙂

    “Das hat nix mit Technikfeindlichkeit zu tun, aber wie Kapitalismus muss eben auch Technologie richtig reglementiert werden”

    Da stimme ich zu. Nur muß man sich ganz genau fragen, auf welcher Grundlage. Sobald da religiöse Ideologien mit hineinspielen, wird es sehr, sehr heikel, da “religiöse” Ethik ja eine dogmatische und von technischen Veränderungen unbeeindruckte ist (was u.a. dazu führte, daß seinerzeit die Kleriker lautstark gegen die Pockenimpfung krakeelten, deren unglaublicher Erfolg, Segen und Nutzen heute von keinem Menschen ernsthaft bezweifelt wird).
    Die PID, die ich eine hervorragende Sache finde, ist z.B. in anderen Ländern längst (in Belgien seit Mitte der 90er) etablierte Praxis. Ein Großteil der dort Behandelten sind Deutsche. Und auch der Nobelpreis für Robert Edwards und die in-vitro-Befruchtung ist, dem Gekreische der Kleriker zum Trotz, völlig verdient und IVF ist heute vielgeübte Praxis.

    Man kann den Fortschritt nicht aufhalten, indem man einfach “Nein” sagt, man kann nur seinen Bahn beeinflussen.

  25. #25 Balanus
    24/04/2011

    @Theres

    Also, die Sache mit der Vererbung erworbener Eigenschaften überzeugt mich nicht. Das klingt nicht nur nach Lamarck, das ist m.E. Lamarck. Es sei denn, man versteht unter “erworbenen Eigenschaften” irgendetwas anderes (also nicht das, was Lamarck damit gemeint haben dürfte).

    @Cornelius

    Jein. In der DNA sind ja keine Vorgänge oder “Handlungsanweisungen” kodiert, sondern “nur” Proteine. Und wie ich schon in einem meiner obigen Kommentare ausführte, ist ein Organismus nie nur die Summe seiner Gene, sondern auch seiner Entwicklung, die zu bedeutenden Teilen von außen gesteuert wird.

    Ich würde die Rolle der Umwelt bei der Entwicklung eines Organismus nicht als “Steuerung” bezeichnen. Erstens, weil das die zentrale Bedeutung des Genoms zu sehr relativiert, und zweitens, weil die Außenwelt—im Gegensatz zum Organismus selbst—über keinerlei Informationen für eine zielgerichtete Steuerung verfügt.

    Es müssen ja auch keine Vorgänge oder Abläufe in der DNA codiert sein, es genügt, wenn die Produkte der Genexpression so auf die DNA regulierend rückwirken, dass das Ganze—in Reaktion auf die Umwelt—zeitlich geordnet abläuft.

    Um noch einmal bei der Restaurant-Analogie zu bleiben: Meines Erachtens steuert die Umwelt ebenso wenig oder viel die Entwicklung eines Organismus wie die Kundschaft das Wachstum eines Konzerns.

    Ich wünsche allen ein frohes Osterfest! 🙂

  26. #26 Cornelius
    26/04/2011

    @Balanus: “Ich würde die Rolle der Umwelt bei der Entwicklung eines Organismus nicht als “Steuerung” bezeichnen. Erstens, weil das die zentrale Bedeutung des Genoms zu sehr relativiert, und zweitens, weil die Außenwelt—im Gegensatz zum Organismus selbst—über keinerlei Informationen für eine zielgerichtete Steuerung verfügt. ”

    Ich denke, Du unterschätzt die Bedeutung, die der Interaktion zwischen Genen und Umwelt zukommt und die – ohne die Bedeutung des Genoms zu “relativieren” – auch immer stärker anerkannt wird. Mal abgesehen von der Tatsache, daß das genetische Inventar immer von der Umwelt, der es, via des es tragenden Vehikels, ausgesetzt ist, angepasst wird, steht aktuell natürlich die Epigenetik im Vordergrund, aber auch andere Arten von Wechselwirkungen haben sich als sehr bedeutend herausgestellt.

    Nimm nur, als einfaches aber dramatisches Beispiel, die Reproduktion von Krokodilen: diese haben keine Geschlechtschromosomen, es ist also genetisch völlig undefiniert, ob ein Krokodilei ein Männchen oder Weibchen – und wir sind uns wohl einig, daß das keine unerhebliche Kleinigkeit ist – hervorbringt. Einzig die Bruttemperatur, ein zweifellos umweltbedingter Faktor, entscheidet das Geschlecht (unter 30°C werden es Weibchen, bei ca. 34°C werden es Männchen).
    Aber auch der Uterus eines Säugetiers, die Nahrung, die es während einer Schwangerschaft zu sich nimmt etc.pp. gehört zur Umwelt, die die Entwicklung eines Lebewesens beeinflusst.

    Wenn es Dir um den Begriff “Steuerung” geht, so meinte ich natürlich nicht (s. mein biol. Disclaimer) eine gerichtete, im Sinne von “beabsichtigte” Kursvorgabe, sondern eine innerhalb bestimmter (und ebenfalls beeinflussbarer) Grenzen erfolgende Einflussnahme.

  27. #27 Theres
    26/04/2011

    @Balanus
    Man versteht unter erworben in diesem Zusammenhang heutzutage etwas anderes als Lamarck, logischerweise, schließlich weiß man erheblich mehr – und Epigenetik widerspricht der Genetik nicht, damals waren es Konkurrenztheorien. Ich las mal, dass seine Idee gut war, nur wählte er falsche Beispiele und ahnte nicht, wie komplex alles abliefe, finde aber keinen Link dazu. Wie Cornelius schrieb, auch die Nahrung beeinflusst, Schadstoffe … und zwar teils noch die Enkelgeneration.

  28. #28 Balanus
    26/04/2011

    @ Cornelius

    Ich denke, Du unterschätzt die Bedeutung, die der Interaktion zwischen Genen und Umwelt zukommt und die – ohne die Bedeutung des Genoms zu “relativieren” – auch immer stärker anerkannt wird.

    Ich denke nicht, dass ich das tue. Ich denke nur, dass es der Organismus ist, der alles bereitstellt, um auf eine gegebene Umwelt angemessen reagieren zu können. Siehe Dein schönes Beispiel von der Temperaturabhängigkeit der Geschlechtsentwicklung beim Krokodil (war mir neu, danke :-)).

    Ein nicht weniger dramatisches Beispiel wäre die Weiterentwicklung des Säugerembryos in der Uterus-Schleimhaut. Ohne die Symbiose mit dem Mutterorganismus würde sich die Blastozyste nicht weiterentwickeln (ein Faktum, das von PID-Gegnern gern übersehen wird).

    Wir reden halt gerne von der Gen-Umwelt-“Interaktion” oder von dem “Einfluss” der oder der “Steuerung” durch die Umwelt. Solange wir dabei nicht vergessen, dass es immer von den organismischen Strukturen, also dem Genom, abhängt, welche Reize oder Signale aus der Umwelt adäquat verarbeitet werden können, ist ja auch nichts dagegen einzuwenden.

    Aber ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass dieser fundamentale Zusammenhang immer mehr aus dem Blick gerät (besonders in den Medien).

    @Theres

    Man versteht unter erworben in diesem Zusammenhang heutzutage etwas anderes als Lamarck, …

    Was versteht man denn heute unter “erworbenen Eigenschaften”?

    Genmutationen sind ja auch irgendwie “erworben”. Klar, dass diese vererbt werden können, wenn sie in der Keimbahn auftreten. Gleiches dürfte für epigenetische Mutationen (bzw. Modifikationen) gelten, sofern diese Bestand haben.

    Lamarcks großes Verdienst lag wohl eher darin, dass er als erster versucht hat, die Evolution rein wissenschaftlich zu erklären. Dabei wählte er nicht “falsche Beispiele”, sondern das falsche Konzept oder Erklärungsmodell.

    Wie Cornelius schrieb, auch die Nahrung beeinflusst, Schadstoffe … und zwar teils noch die Enkelgeneration.

    Die Enkelgeneration kann auch direkt durch chemische Einflüsse betroffen sein, denn schließlich beherbergt ein trächtiges Muttertier _zwei_ Folgegenerationen im Uterus.

  29. #29 Theres
    26/04/2011

    @Balanus
    Also, ich verstehe darunter ziemlich genau das, was Sie auch niedergeschrieben haben. Ich drückte mich unklar aus, tut mir Leid, und unter Schadstoffen sind chemische Einflüsse zu verstehen, und eben, die Folgegenerationen im Uterus…

  30. #30 Franz Jürgen Heinrich Josef Specht
    Fürstentum Rotterkirch
    06/05/2014

    Ich möchte mich im Namen meiner Ahnen für diese fabulöse Informationsquelle bedanken! Hört, hört.