Schon das Wort “Herrchen” – auch wenn’s kein schöner und schon gar kein wissenschaftlicher Begriff ist – drückt aus, wie man sich das Verhältnis zwischen Hundehalter und Haustier generell vorstellt: als eine Beziehung, die durch Dominanz-Submission definiert ist. Wobei diese Dominanz permanent verteidigt werden muss, wenn man Leuten wie dem “Hundeflüsterer” Cesar Millan, dem Star der Hundeerzieher, glauben darf. Der Haken ist nur – wenn man einer Studie der britischen Bristol University glauben darf – dass dies nicht stimmt und, bei konsequenter Anwendung sogar das Gegenteil bewirken kann.
Die Studie, die von der Animal Welfare & Behaviour Group innerhalb des veterinärmedizinischen Institus durchgeführt wurde, ist zwar im Journal of Veterinary Behaviour: Clinical Applications and Research veröffentlicht, online aber nur als Abstract verfügbar. Aber soweit ich die Arbeit aus der Uni-Pressemitteilung und dem Abstract verstehe, haben die Forscher sich nicht auf die einschlägigen Studien mit Wolfsrudeln verlassen (in denen es tatsächlich regelmäßige Dominanzkämpfe zu geben scheint), sondern über sechs Monate hinweg die (unmoderierten) tierischen Interaktionen in einem “Hunde-Rehabilitationszentrum” beobachtet und ausgewertet. Und dabei festgestellt, dass Hunde – im Gegensatz zu ihren wölfischen Vettern – ihre Beziehungen untereinander nicht durch Dominanz definieren, sondern lieber Freundschaften schließen. Mit anderen Worten: Es gibt in diesen Hundegruppen keinen Boss. Dr. Rachel Casey, Dozentin des Instituts und Co-Autorin der Studie, sagt dazu: Die generelle Annahme, dass jeder Hund von einem angeborenen Bedürfnis, andere Personen und Hunde zu kontrollieren, angetrieben wird, ist offen gesagt lächerlich.” Aggression sei in Haushunden oft nur ein Zeichen von Angst – Angst vor Strafen, beispielsweise.
Die logische Folgerung der Bristoler Hundeforscher daraus ist, dass auch die Erziehungs- und Beeinflussungsmethoden, die wir (ich hatte mal ‘nen Hund, darum das “wir”) als nahezu selbstverständlich akzeptieren und mit denen wir dem Wauwau zeigen, wer der Herr ist, völlig daneben gehen. Gemeint sind Regeln wie: nie den Hund als erstes füttern, ihn nie voraus laufen lassen, ihn an der kurzen Leine halten oder auch, wenn er sich daneben benommen hat, ihn zu Boden drücken oder ihm ins Maul fassen.
Jetzt bleibt nur die Frage: Warum sind dann solche Leute wie der Hundeflüsterer so erfolgreich? Warum haben sich diese altbewährten Methoden nie von selbst entlarvt? Aber andererseits leben wir in einer Kultur, die sich bis heute nicht ganz von dem Glauben lösen kann, dass man auch Kinder am besten mit Strenge und Strafen erzieht. Obwohl jeder aus eigener Erfahrung weiß, dass dies die falsche Methode ist …
Kommentare (20)