Nicht früh wie in “früh am Morgen”, sondern wie “früh im Leben”. Dies ist die These, die Dr. Hernan Delgado vom Children’s Hospital Boston auf der aktuellen Jahresversammlung der Pediatric American Societies in Baltimore vortrug. Sie stützt sich auf eine Langzeitstudie mit 754 Teilnehmern, die zuerst im Kindesalter und dann, etwa fünf Jahre später, als Teenager (12 bis 18 Jahre) befragt wurden. Für die 365 Jungen und 389 Mädchen wurde dabei registriert, welche TV-Sendungen und Filme sie an insgesamt zwei Stichtagen gesehen und wie viel Zeit sie damit verbracht hatten. Anhand der Titeln kategorisierten die Forscher dann die Sendungen danach, ob sie primär für Kinder oder primär für Erwachsene gedacht waren. Fazit: Mit jeder Stunde mehr, die Sechs- bis Achtjährige einem nicht jugendgemäßen Programm ausgesetzt waren, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sie im frühen Teeneageralter sexuell aktiv werden, um 33 Prozent. Läutet die Alarmglocken!
Aber vielleicht ist der Griff nach dem Glockenseil doch ein wenig verfrüht: Denn umgekehrt ließ sich der Zusammenhang nicht nachweisen – sexuell aktive Teenager hatten nicht automatisch als Kinder mehr Erwachsenenprograme im Fernsehen angeschaut. (Leider finde ich online nur diese Pressemitteilung, nicht aber den Text oder wenigstens den Abstract der Präsentation.)
Ich bin mir sicher – und eine erste Google-Suche scheint dies zu bestätigen – dass dieser Konnex von TV und Jugendverfall eine breite Resonanz finden wird. Klar, werden viele sagen, das Fernsehen verdirbt unsere Kinder. Und zugegeben, wenn ich mich durch die Kanäle klicke – und da spielt es keine Rolle, ob ich dies daheim in New York tue oder auf Besuch in Deutschland – verbrauche ich meist meinen gesamten Synonymen-Wortschatz für “Mist”; da kriegt man als Erwachsener manchmal ‘ne weiche Birne und kann sich ausmalen, dass es für einen kindlichen Zuschauer noch schlimmer sein muss.
Aber halt: Hier liegt der Hund begraben! Warum würde ein Kind das überhaupt anschauen? Vielleicht, weil es den Eltern wurscht ist, was sich ihr Nachwuchs vor der Glotze reinzieht? Elterliche Indifferenz wiederum (ich schlag’ jetzt mal gleich den Bogen zum Extrem) wäre aber gewiss ein wichtiger Faktor bei der Erklärung jugendlichen Verhaltens – sag’ ich mal so.
“Kinder lernen von den Medien, und wenn sie auf den Medien sexuelle Referenzen und Andeutungen sehen, dann sind sie unserer Forschung zu Folge auch eher geneigt, sich früher im Leben sexuell zu engagieren”, erklärt Dr. David Bickham vom Center on Media and Child Health am Children’s Hospital Boston. Na gut, er ist der WIssenschaftler und müsste also wissen, wovon er redet – aber ich war selbst auch mal in der Pubertät. Und falls sich in den Jahrzehnten seither nicht irgend etwas Fundamentales in der Bio- und Physiologie von Heranwachsenden verändert hat, brauchen Pubertierende keine wie auch immer geartete mediale Motivation, um Interesse an Sex zu entwickeln – das kommt ganz von alleine. Aber es ist die Rolle der Eltern (zumeist), diese Triebe in Schach zu halten.
Und so rum wird auch ein Schuh draus: Eltern, denen es egal ist, was ihre Kinder vorm Fernseher machen, ist vermutlich auch etwas egaler, was später auf ihrem Zimmer, hinter verschlossenenTüren passiert. Und gegen diese Indifferenz hilft auch kein V-Chip.
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