Die Antwort ist für die meisten – alle? – Wissenschaftler eigentlich klar: Übersinnliche Kräfte Fähigkeiten (Extra-Sensory Powers Perception, kurz ESP) sind mit Wissenschaft unvereinbar. Und doch wird oder soll noch in diesem Jahr ein Paper in einem angesehenen wissenschaftlichen Journal – dem Journal of Personality and Social Psychology – und von einem angesehenen Wissenschaftler, namentlich Daryl J. Bem, emeritierter Professor der Cornell University (der es auf immerhin 1930 Einträge in Google Scholar bringt), veröffentlicht werden, das angeblich gleich neun Labortests schildern wird, mit denen just solche außersinnlichen Phänomene beobachtet wurden. Eine Story über diesen Aufreger in Wissenschaftskreisen kann man hier in der New York Times nachlesen.
Welcher Teufel den redaktionell verantwortlichen Charles Judd geritten hat, das Paper anzunehmen (das manche offenbar sowieso eher für ein Schelmenstück Bems halten), ist nicht erkennbar – schon gar nicht, so lange man über den Inhalt des Artikels nur spekulieren kann. Angeblich geht es darin unter anderem um eine “Zeitumkehr” beim verstärkten Lernen von Begriffen; die Times beschreibt den Test in Bems Worten so:
In his version, Dr. Bem gave 100 college students a memory test before they did the categorizing — and found they were significantly more likely to remember words that they practiced later. “The results show that practicing a set of words after the recall test does, in fact, reach back in time to facilitate the recall of those words,” the paper concludes.
Lernen nach dem Test soll also irgendwie rückwirkend die Resultate des Tests verbessert haben? Sehr kryptisch. Ein weiterer Test betraf die “hellseherische” Vorauswahl erotischer Fotos – klingt ebenfalls so, als ob man da sehr genau die Versuchanordnung, die Daten und die Auswertung studieren müsste. Der Haken ist, dass offenbar keiner der vier reviewenden Peers – alles Spzialpsychologen, also Kollegen des Autors (dessen Stil sie wahrscheinlich erkannten, was sowieso schon gegen die Regeln der Anonymität in der Peer-Review verstoßen würde) – in Statistik besonders bewandert war.
Ich bin kein publizierender Wissenschaftler, sondern bestenfalls ein Wissenschaftspublizist – aber ich weiß, dass ich keine Story verkaufen könnte, ohne wenigstens einen Andeutung zu machen, wie man das Phänomen erklären könnte, das ich beschreibe (in der Wissenschaft nennt man das wohl eine Hypothese). Doch auf die wird man in dem Paper offenbar vergeblich hoffen, wie Judd schon gegenüber der New York Times einräumen musste: Es gebe “keinen Mechanismus, der uns die Resultate verständlich macht”. Da hat jemand vielleicht “übersinnlich” mit “ohne Sinn” verwechselt …
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