Am Ende des zweiten Teils spricht Vaas noch ein wichtiges Thema an. Wenn man sich ansieht, was für fantastische Möglichkeiten die theoretischen Physiker heutzutage erforschen und wie wild sie spekulieren, dann könnte man auf die Idee kommen, dass das alles nicht mehr viel mit Wissenschaft zu tun hat. Besonders der Stringtheorie, die vielen dieser Spekulationen zu grunde liegt, wird oft vorgeworfen, nicht mehr wissenschaftlich zu sein weil es ja momentan keine Möglichkeit gibt, ihre Gültigkeit zu überprüfen. Abgesehen davon, dass das nicht ganz richtig ist, erklärt Vaas sehr gut was eigentlich der Unterschied zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft ist und weißt nach, dass die Stringtheorie auf jeden Fall Wissenschaft ist.
Werden wir jemals mit einer echten Zeitmaschine “zurück in die Zukunft” reisen können?
Der dritte Teil des Buches handelt von Zeitreisen. Das Zeitreisen in die Zukunft möglich sind, wissen wir ja seit der speziellen Relativitätstheorie. Dank der Zeitdilatation müssen wir uns “nur” in Bezug auf die Erde sehr schnell bewegen um beliebig weit in die Zukunft reisen zu können. Aber wie sieht es mit Zeitreisen in die Vergangenheit aus? Ich habe schon bei meiner Rezension von “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” über dieses Thema geschrieben – Vaas erläutert all das noch viel detaillierter. Von der Frage der natürlichen Zeitmaschinen – ist vielleicht unser Universum selbst eine Zeitmaschine wie Kurt Gödel es berechnet hat? – bis hin zu möglichen Techniken, aus Wurmlöchern eine Zeitmaschine zu bauen wird jede Möglichkeit ausführlich erklärt. Besonders schön finde ich, das Vaas hier nicht nur alle wissenschaftlichen Arbeiten anführt und darstellt, die sich mit dem Thema beschäftigt sondern auch immer wieder auf Science-Fiction-Werke verweist, die die angesprochenen Effekte und Theorien verwendet oder oft sogar vorweg genommen haben. Und wenn Rüdiger Vaas all diese Bücher über Zeitreisen wirklich selbst besitzt, dann bin ich auf diese Sammlung äußerst neidisch! 😉
Natürlich wird auch ausführlich über die diversen Paradoxien spekuliert, die bei den Zeitreisen auftreten – und wie man sie lösen kann. Oder wird eine zukünftige Theorie der Quantengravitation vielleicht doch zeigen, dass “geschlossene zeitartige Kurven” in der Raumzeit nicht erlaubt sind? Dann müssten wir uns von der Idee der Zeitreise in die Vergangenheit verabschieden – und viele Physiker wären damit wohl nicht wirklich unglücklich. Schade wäre es aber um ein orginelles kosmologisches Modell das John Richard Gott und Li-Xin Li 1997 entwickelt haben. In ihrer Arbeit Can the universe create itself? zeigen sie, wie aus einer geschlossenen zeitartigen Kurve plötzlich ein Universum entstehen kann. In diesem Modell hat das Universum zwar einen Anfang – aber keinen ersten Moment. Das Universum hat sich quasi selbst geschaffen. Das klingt wild und verwirrend (aber das ist in der modernen Kosmologie erstmal immer so 😉 ) – aber könnte vielleicht wirklich stimmen. Übrigens – solche Thesen aufzustellen ist nicht wirklich Spielerei. Bei all den Spekulationen über Wurmlöcher, Zeitreisen und Warp-Antrieben ist heftige und komplizierte Mathematik involviert; das ist nichts, was man sich so eben mal ausdenkt. Hier ist zum Beispiel ein Auschnitt aus der Arbeit von Gott und Li:
Aber wie auch bei allen anderen Themen gilt: solange wir keine vernünftige Theorie der Quantengravitation haben, ist es fast unmöglich herauszufinden, was davon nun in der Realität tatsächlich passieren kann und was nicht. Es bleibt also spannend.
Ich kann “Tunnel durch Raum und Zeit” prinzipiell empfehlen. Wer sich für die exotischeren Themen der modernen Physik interessiert, der findet hier einen umfassenden und aktuellen (die 3. Auflage des Buches erschien 2010 und wurde stark erweitert und aktualisiert) Überblick über alle relevanten wissenchaftlichen Arbeiten. Das Buch ist aber vielleicht nicht wirklich etwas für “Anfänger”. Wer noch nie vorher ein Buch über schwarze Löcher, Kosmologie, usw gelesen hat, der wird manche Stelle wohl etwas verwirrend finden. Und auch die erfahrenen Leser werden das Buch in seiner Dichte und mit der Fülle von Informationen vielleicht ab und zu ein wenig schwierig finden. Trotzdem ist eine enorm spannende und vor allem anregende Lektüre. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen!
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