Von Ende Juli bis Mitte August die Zeit der Perseiden. So wie jedes Jahr zu dieser Zeit wird es am Nachthimmel wieder mehr Sternschnuppen zu sehen geben als sonst. So etwas nennt sich offiziell “Meteorstrom” und ich habe hier, hier und hier jede Menge dazu erzählt.
Sternschnuppenschauer sind vor allem deswegen so schön, weil man keinerlei Hilfsmittel braucht, um sie zu beobachten. Gutes Wetter, eine dunkle Nacht und der Blick zum Himmel: Mehr ist nicht notwendig. Aber mit ein bisschen astronomischen Hintergrundwissen kann man das Beobachtungserlebnis noch steigern. Dazu muss man sich zuerst einmal klar machen, warum es überhaupt jährlich wiederkehrende Sternschnuppenschauer gibt. Beziehungsweise: Was eine Sternschnuppe eigentlich ist.
Das, was wir “Sternschnuppe” oder “Meteor” nennen, ist nichts anderes als ein kleines Stück Gestein; ein bisschen Staub der sich überall zwischen den Planeten unseres Sonnensystems befindet. Wenn diese winzigen Objekte mit mehreren Dutzend Kilometer pro Sekunde auf die Lufthülle der Erde treffen, dann werden die Moleküle der Luft durch die Kollision kurzfristig zum Leuchten angeregt. Und genau das nennen wir “Sternschnuppe”. Man kann sie eigentlich in jeder klaren Nacht beobachten – denn der Staub ist, wie schon gesagt, überall.
Es gibt aber Regionen im Sonnensystem wo mehr Staub herum liegt. Nämlich (vereinfacht gesagt) entlang der Umlaufbahnen von Kometen. Wenn die in die Nähe der Sonne kommen und sich aufwärmen, wird das Eis, das in ihnen steckt, gasförmig, entkommt ins All und reißt Staub mit sich. Sie ziehen also eine Staubspur hinter sich her. Die Erde bewegt sich ebenfalls und zwar einmal im Jahr um die Sonne herum. Wenn die Erdbahn die Dreckspur eines Kometen kreuzt, dann kommt sie also zwangsläufig auch einmal Jahr dort vorbei und es gibt mehr Sternschnuppen als sonst. Wir sehen deswegen jährliche Meteorströme, weil die Erde sich nicht irgendwie durchs All bewegt, sondern immer wieder um die Sonne herum und immer wieder durch die gleichen Gegenden. Natürlich bewegt sich auch der Staub. Und die Sonne selbst. Aber einerseits bewegt sich ja alles mit der Sonne der mit, relativ gesehen bleiben Erdbahn und Dreckspur also in Bezug aufeinander unverändert. Andererseits bewegen sich auch die Kometen um die Sonne und liefern immer wieder neuen Staub nach.
Wenn man wirklich erfolgreich Sternschnuppen beobachten will, dann muss man aber nicht nur wissen, wann die Erde auf ihrer Bahn wieder durch solche Ansammlungen von Staub kommt. Sondern auch wissen, dass die Erde eine Kugel ist die sich um ihre Achse dreht. Im Prinzip hat man während eines Sternschnuppenschauers immer Chance auf eine Sichtung. Am Abend genau so wie mitten in der Nacht oder kurz vor der Dämmerung. Aber die Erde dreht sich um ihre Achse von Westen nach Osten. Und außerdem dreht sie sich in die gleiche Richtung um ihre Achse in der sie sich auch um die Sonne bewegt. Wenn wir uns jetzt vorstellen, das wir auf der Erdoberfläche sitzen und in den Himmel schauen, dann blicken wir in der ersten Hälfte der Nacht quasi nach “hinten”. Also genau entgegen der Richtung in der sich die Erde bewegt; wir schauen dorthin, wo die Erde schon war. In der zweiten Hälfte der Nacht dagegen schauen wir nach “vorne”. Und wenn wir uns die Erde wie ein Auto vorstellen und den Staub im All wie Mücken die durch die Gegend fliegen, dann wird klar, worauf ich hinaus will. So wie es viel wahrscheinlicher ist, dass eine Mücke auf die in Fahrtrichtung des Autos gelegene Frontscheibe klatscht, so ist es wahrscheinlicher, dass ein Staubteilchen in “Fahrtrichtung” der Erde auf die Atmosphäre trifft. Gegen Morgen, wenn wir uns mit der Erde dem Dreck im All entgegen drehen, hat man also bessere Chancen eine Sternschnuppe zu sehen als am Abend.
Es ist durchaus nett, einen lauen Sommerabend irgendwo im Freien zu Verbringen. Mit ein wenig Musik, ein bisschen was zu trinken und vielleicht einem Grill oder so. Und dann lehnt man sich gemütlich zurück, sieht dem Sonnenuntergang zu und wartet auf die Sternschnuppen. Aber ich will jetzt ein Plädoyer fürs frühe Aufstehen halten! Es ist nämlich ebenfalls schön, wenn man ab und zu noch vor Sonnenaufgang aufsteht. Wenn draußen die ganze Welt noch schläft, und die Nacht zwar dunkel ist aber trotzdem voller Potential auf einen schönen Sommertag. Wenn alles noch ruhig ist und selbst die Vögel noch nicht aufgewacht sind. Wenn man dann dabei zusehen kann, wie es im Osten langsam hell wird, wie sich die Sonne über den Horizont schiebt und der spezielle Geruch der Sommernacht dem ebenso speziellen Geruch eines Sommermorgens weicht. Wie es hell und warm wird und man dieses ganz besondere Gefühl spürt, das man nur spüren kann, wenn man einem Tag bei seinem Anfang zugesehen hat.
Das alles ist mindestens so schön wie ein Sonnenuntergang und eine Sommernacht. Und man kriegt noch eine Extradosis Sternschnuppen oben drauf!
Alle Artikel aus der Serie “Erdkugelgeschichten”
Einleitung: Die Erde ist nicht flach und das ist gut so
Sternengeschichten Folge 293: Al-Biruni und die Größe der Erdkugel (erscheint am 06.07.2018)
Erdkugelgeschichten 01: Das Kreuz des Südens und der Himmel auf der anderen Hälfte der Erde (erscheint am 09.07.2018)
Erdkugelgeschichten 02: Der Sonnenuntergang kommt später als man denkt (erscheint am 10.07.2018)
Erdkugelgeschichten 03: Zu groß um flach zu sein: Der Future Circular Collider und die Zukunft der Teilchenphysik (erscheint am 11.07.2018)
Erdkugelgeschichten 04: Perseiden, Sternschnuppen und Plädoyer für das frühe Aufstehen (erscheint am 12.07.2018)
Sternengeschichten Folge 294: Warum sind Planeten rund? (erscheint am 13.07.2018)
Erdkugelgeschichten 05: Terraforming Mars: Wie kriegt ein Planet ein Magnetfeld? (erscheint am 16.07.2018)
Erdkugelgeschichten 06: Mach es wie die Sonnenuhr: Zeitmessung für alle! (erscheint am 17.07.2018)
Erdkugelgeschichten 07: Der blaue Himmel, die rote Sonne und die runde Erde (erscheint am 18.07.2018)
Erdkugelgeschichten 08: Flache Erde oder Erdkugel – Wer profitiert von der Verschwörung? (erscheint am 19.07.2018)
Sternengeschichten Folge 295: Mondfinsternisse und der “Blutmond” (erscheint am 20.07.2018)
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