Ich glaube also, daß es da gute Fortschritte und ich halte es für nicht unwahrscheinlich, daß das vielleicht eine der ersten Anwendungen sein wird. Die anderen sind vielleicht ebenso wichtig, aber ich glaube, da sind noch die Barrieren der Differenzierung zu überwinden.

CC: Wie schätzen Sie die Einsatzmöglichkeiten und die Bedeutung von Next Generation Sequencing und Adaptionen wie der Sequenzierung des gesamten Epigenoms für Ihr Feld ein?

RJ: Sequenzieren und der genomische Ansatz sind wahnsinnig wichtig und erzeugen sehr viele Informationen. Ich denke, das nächste dicke Problem ist, das auf Einzelzellen anzuwenden. Es gibt jetzt relativ robuste Einzelzellen, sodaß man deren Expressionsmuster erhalten kann. Das sind ganz neue Erkenntnisse, die dabei herauskommen. Aber für Epigenetik muß man natürlich eher 100.000 Zellen haben, wenn man da nach dem Chromatin schauen will; vielleicht auch 10.000 – aber das wird schon knapp. Ich denke, das müsste man lösen. Wenn man das mit einer Einzelzelle machen könnte, dann würde ich viele Fragen angehen können, die man jetzt noch nicht gut angehen kann.

CC: Das bringt mich zu der Frage, was derzeit die größten technischen Probleme sind, vor denen Sie stehen.

RJ: (überlegt) Es gibt viele Erkenntnisse diesbezüglich, z.B. die Frage, wie Reprogrammieren funktioniert. Darüber kann man ewig sprechen und das war von großem Interesse für uns. Wenn man jetzt aber bei der Anwendung der Technologie bleibt, um eine Krankheit zu verstehen, dann ist das Wichtigste, einen Phänotypen in der Kulturschale zu bekommen, der robust und relevant ist. Das Problem, welches viele Leute nicht beachten, ist, daß zwei IPS-Zellen verschieden sind, auch wenn sie vom gleichen Patienten kommen. Sie haben verschiedenes Potential bezüglich ihrer Differenzierung und der Richtung der Differenzierung. Auch ES-Zellen sind verschieden voneinander; da ist viel Variation drin. Wenn man jetzt eine Krankheit wie Parkinson untersuchen will, nimmt man als Kontrolle eine Parkinson-Zelle die man findet und differenziert. Dann nimmt man eine IPS-Zelle eines gesunden Patienten. Die hat natürlich einen völlig verschiedenen genetischen Hintergrund und ist anders entstanden. Durch die Variation taucht ein Problem auf, wenn man einen phänotypischen Unterschied findet: ist dieser dann die systemimmanente Variabilität oder ist er krankheitsrelevant? Das wird oft nicht ernst genommen oder nicht bedacht. Viele Leute publizieren das einfach, ich aber glaube, daß man da vorsichtig sein muß: sind die Phänotypen wirklich krankheitsrelevant, weil so viele Unterschiede bestehen? Wir haben vor ein paar Jahren beschlossen, daß wir das nicht so machen wollen. Wir möchten das genetisch definiert machen und haben daraufhin isogene Zellen (Zellen, die von der selben Vorläuferzelle abstammen; Anm. CC) hergestellt, die nur am krankheitsrelevanten Nukleotid eine Mutation tragen.

CC: Wenn wir uns einmal generell das Stammzell-Gebiet anschauen: vor kurzem wurde ja der Rückzug (= retraction) eines wahrscheinlich zum Teil gefälschten Stammzell-Papers in den Medien diskutiert. Auch generell gab es bei den präklinischen Studien eine gewisse Glaubwürdigkeitskrise angesichts vieler Arbeiten, die nicht reproduziert werden können. Wie stellen Sie die Reproduzierbarkeit Ihrer eigenen Arbeiten sicher? Welchen Standard verlangen Sie?

RJ: Sehr hohe Standards. Ich glaube, das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Das Einzige, was man als Wissenschaftler hat, ist sein Ruf. Und den dann durch so eine Arbeit in Frage zu stellen… (schüttelt den Kopf)

Eine Reihe von Leuten haben keine große Kredibilität in dem Gebiet, aber drei haben sie: das ist der Niwa, der Saito und der Wakajama. Letzteren schätze ich besonders. Der hat die ganzen Mausexperimente gemacht, die ja wirklich gut sind! Für mich war es immer so, daß man eine Arbeit wirklich ernst nehmen muß, wenn diese Leute ihren Namen dahinter gesetzt hatten. Und jetzt kommt heraus, daß sie diese Versuche nie gemacht haben. Sie haben alles der Erstautorin anvertraut, die ja nun in ein Betrugsverfahren verwickelt ist – schon während ihrer Doktorarbeit.

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Kommentare (7)

  1. #1 May
    07/04/2014

    Ein Lichtblick. Vielen Dank.

  2. #2 Fips der Affe
    Salzburg
    10/04/2014

    Es macht mich immer wieder traurig zu hören, welche Chancen wir wegwerfen, weil aufgrund irgendwelcher irrationalen Befindlichkeiten Gesetzesgrundlagen geschaffen werden. Nur weil einige Menschen ihr Wunderdenken mit hart erarbeiteten Erkenntnissen auf eine Stufe stellen wollen.

    Danke für den Beitrag!

  3. #7 mulemasters training
    hyderabad
    06/10/2023

    thanks for valuble information
    nice article
    servicenow training