Solche Storys faszinieren mich: Ein Astrophysiker schaut sich das amerikanische Stromnetz an – und findet dabei etwas über Molekularbiologie und Gentechnik heraus. Dazu muss ich verraten, dass sich zu meiner Studienzeit Geographen der naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Ausrichtung kaum auf der Straße begegnen konnten, ohne sich anzuspucken, weil keiner dem Anderen zugestehen wollte, etwas Nützliches zur Förderung der Wissenschaft beizutragen. Aber zurück zur Story. Worum geht es?

Adilson E. Motter, Professor am Department of Physics & Astronomy der Northwestern University in Chigaco, ein Experte für komplexe Netzwerke (naja, also nicht wirklich ein “Astro”-Physiker, zugegeben), hatte den großen Stromausfall analysiert, der im Sommer 2003 den Nordosten der USA tagelang ohne den notwendigen “Saft” für Klimaanlagen, Tankstellen und Fahrstühle schmoren ließ. Dabei stellte er fest, dass der Schaden weitaus geringer gewesen wäre, wenn man gezielt kleinere Teile des Netzes abgeschaltet und damit die immer wieder zu Rückschlägen führenden Domino-Effekte im System vermieden hätte.

Die gleiche Sichtweise wendete Motter, unterstützt von drei Kolleginnen und Kollegen vom Los Alamos National Laboratory, dem Lawrence Livermore National Laboratory und der University of Notre Dame, auf die komplexen Funktionen innerhalb einer Zelle an, in der auch ein einzelner Defekt eine ganze Kaskade von nachfolgenden Problemen auslösen kann.

Nicht, dass ich den Artikel, der hier im Online-Fachmagazin “Molecular Systems Biology” erschienen ist, in all seinen Details kapiert hätte. Aber so viel scheint klar: In Computersimulationen hatten Motter und sein Team mit Gendefekten an Einzellern – dem Fäkalbakterium Escherichia coli und der Backhefe Saccharomyces cerevisiae – herum manipuliert. Und dabei festgestellt, dass es nicht unbnedingt nötig ist, ein defektes Gen (in diesem Fall für das Zellwachstum) zu reparieren. Durch gezielte Ausschaltung anderer, nachgeordneter Gene kann die Zelle zumindest im Computerexperiment gezwungen werden, auf ganz andere Bahnen umzuschalten und so die Fähigkeit zum Wachstum wieder zu erlangen.

Wie weit sich solche Computerexperimente – in silico, wie das nun wohl heißt – praktisch umsetzen ließen, kann ich natürlich schon gar nicht beurteilen. Aber darum geht es mir hier auch gar nicht. Mir gefiel vor allem, dass diese Geschichte belegt, wie man auch von einem Fachfremden manchmal etwas Nützliches übers eigene Metier erfahren kann.

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