Jetzt sollten wir eigentlich glücklich sein, dass sich die US-Regierung nicht länger einer verbindlichen Vorgabe zur Halbierung der Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2050 widersetzt. Aber irgendwie fühlt sich das ganze doch eher wie ein langer, zäh verhandelter Gebrauchtwagenkauf an, bei dem man am Ende “erfolgreich” ein Stück fahrbaren Schrott erworben hat.

Vielleicht habe ich heute ja nur einen massiven Anfall von Pessimismus, aber ich erinnere mich an meinen etwas zurück liegenden Blogeintrag, der sich darauf bezog, dass selbst bei einem totalen und sofortigen Verzicht auf weitere CO2-Emissionen noch ein halbes Jahrtausend vergehen müsste, bis sich die bereits eingeleitete Erderwärmung umkehren würde.

Hmmm. Schlecht. Aber vielleicht hat der US-Umweltforscher Ken Caldeira vom Department for Global Ecology der amerikanischen Carnegie Institution, Co-Autor dieser Klimasimulationen ja einfach nur keine Ahnung davon, was das CO2 in unserer Atmosphäre bewirkt. Wird ja gerne unterstellt, wenn uns jemand etwas sagt, was wir nicht gerne hören. Ein Klimahysteriker eben …

Den Gefallen, sich so komplex wie die Atmosphäre zu verhalten, dass man sich trefflich über die korrekte Modellierung streiten kann, tut uns das Meerwasser – zumindest im Hinblick auf CO2 – offenbar nicht: Mehr Kohlendioxid in der Luft führt letztlich zu mehr Kohlensäure im Wasser und macht uns die Riffe kaputt, wie auch schon hier zu lesen war. Im Lauf der vergangenen zwei Jahrhunderte sei der pH-Wert der Ozeane durchschnittlich um 0,1 gesunken, schreiben Caldeira und seine Kollegen Richard E. Zeebe, James Zachos und Toby Tyrell in einem aktuellen Beitrag für das US-Magazin Science. Selbst eine Halbierung der CO2-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte würde diesen Prozess nicht ausreichend bremsen; und wenn der pH-Wert um mehr als 0,2 fällt (was unausweichlich scheint), bekommen Korallen, ebenso wie Muscheln und Schnecken, Probleme beim Aufbau ihrer Kalkskelette und -Schalen. Die Ungewissheit liegt nicht mehr darin, ob die Meeresfauna dadurch zu Schaden kommt, sondern welches Ausmaß der Schaden haben wird.

Mit anderen Worten: So begrüßenswert die gerade vereinbarten Emissionsziele als Ausdruck eines politischen Lernprozesses sein mögen, ãndern sie doch nichts daran, dass wir im Hinblick auf die Umwelt unser Konto schon längst überzogen haben. Und wie man glauben kann, bei steigenden Kosten auf Einsparungen ohne Verzicht zu kommen, ist mir – ganz ohne wissenschaftliche Verbrämung – einfach ein Rätsel. Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass ich gerade einen Blick auf meine eigenen Kontoauszüge geworfen habe (%&@$*!!!!)

Natürlich, die Kernenergie! Wie konnte ich das nur vergessen?!? Es klingt ja im ersten Moment so schön: Stromerzeugung ohne Kohlendioxid-Ausstoß, da muss man doch einfach dafür sein, nicht wahr? Prompt hat sich Amerikas konservativer Präsidentschaftskandidat John McCain den Bau von 45 neuen Kernkraftwerken auf seine Wahlkampffahnen geschrieben – wobei es den Konservativen vermutlich ein besonderes Vergnügen ist, dass sie damit indirekt der Umweltbewegung und ihrem massiven Widerstand gegen Kernkraft die Schuld am Klimawandel in die Schuhe schieben können.

Aber so einfach ist das mit dem Bau neuer Kraftwerke nicht, selbst wenn der politische Widerstand plötzlich wegfallen würde. Ich mache es mir hier mal leicht und zitiere einfach nur das Wall Street Journal aus einer Energie-Sonderbeilage vom 30. Juni 2008:

About 21 new 1,000-megawatt plants would have to be built each year for the next 50 years, including those needed to replace existing reactors, all of which are expected to be retired by 2050. That’s considerably more than the most ambitious industry growth projections. (…) While no one knows what a new reactor will cost until one gets built, estimates for new construction continue to rise. Building a new plant could cost as much as $6,000 a kilowatt of generating capacity, up from estimates of about $4,000 a kilowatt just a year ago. FPL Group, of Juno Beach, Fla., estimates that two new reactors planned for southeast Florida would cost between $6 billion and $9 billion each.

Aber vielleicht ist ja doch nicht alle Hoffung verloren. Die United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) meldete am Dienstag, dass sie das erste emissionsfreie Kleinkraftwerk im Dörfchen Kibai in Kenia, 150 Kilometer nordöstlich von Nairobi, errichtet habe, das ausschließlich mit Sonnenenergie und Wasserkraft funktioniert. Diese Anlage versorge die Dorfbewohner nicht nur mit Strom, sondern kläre sie auch gleichzeitig über den Nutzen von LED-Leuchtkörpern gegenüber den alten Kerosinlampen auf, die vor allem bei Frauen und Kindern zu Lungen- und Atembeschwerden führen könnten. Mehr noch, schreibt die UNIDO: Dank der Stromversorgung haben die Menschen in Kibai nun auch die Möglichkeit, ins Internet zu gehen.

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Kommentare (3)

  1. #1 Sebastian Hahn
    9. Juli 2008

    Also einerseits stimm ich dir zu! Es ist wirklich an der Zeit, das die USA auch begreifen wie es weiter gehen muss. Nur ich finde, dass die jetzt gesteckten Ziele nicht weitgreifend genug sind!
    Man steckt sich Ziele die in 50 Jahren erricht werden müssen, schafft es jedoch nicht heute Veränderungen herbei zu führen.
    Da find ich deinen Beitrat zu den Entwicklungen in Kenia echt gelungen! Müssen wir nun Stiftungen ins Leben rufen die uns in unserem eigenen Land unterstützen??? Anders ist es für mich nicht zu erklären warum so etwas nicht in Industrieländern gebaut wird!

  2. #2 Soziobloge
    9. Juli 2008

    Das Problem der Industrieländer, zumindest in Mittel- und Nordeuropa ist die mangelnde Sonneneinstrahlung. In Afrika dagegen geht das wunderbar. Eigentlich müsste man die Sahara mit Themosolaren Kraftwerken zupflastern. Leider ist Afrika immernoch zu großen Teilen politisch zu instabil. Man sollte übrigens auch nicht vergessen, dass die Produktion von Solaranlagen auch CO2 freisetzt. Hab mal gelesen, dass ein Solarmodul ca. 20-30 Jahre benötigt, bis es eine ausgeglichene Energiebilanz hat…

    Der derzeitige Atomhype finde ich auch recht seltsam. Vor allem, da die Frage der Endlagerung nicht geklärt ist. Zudem würde bei einem massiven Ausbau der Uranpreis sicher auch steigen. Die Hochrechnungen zur Verfügbarkeit von Uran sahen auch nicht rosig aus. Meiner Meinung nach hat die Politik einen vermeintlich billigen Weg gefunden ihre Bilanzen schön zu rechnen.

  3. #3 Fischer
    13. Juli 2008

    @Soziobloge:
    Diese Nachteile betreffen die derzeit kommerziell erhältlichen Solarzellen: Sie produzieren nur oberhalb eines Schwellenwertes hinreichend Strom und kosten wahnsinnig viel Energie in der Produktion. Es gibt aber noch andere Konstruktionsprinzipien, die diese Nachteile eben nicht haben, zum Beispiel Farbstoffsolarzellen. Mit denen sieht die Bilanz schon wieder ganz anders aus.

    Ein zusätzlicher Aspekt bei der Atomdebatte: Derzeit gibt es überhaupt keine Kapazitäten, um neue Kraftwerke zu bauen, insofern ist das eh eine Scheindebatte, was die zukünftige Energieversorgung betrifft.