Ein spannendes Lesestück aus der heutigen “New York Times“, das die Diskussion “Blogger vs. Journalisten” ein bisschen anheizen könnte (hoffe ich doch, da ich als bloggender Journalist mein Brot hier auf beiden Seiten gebuttert habe). Es geht darin um den angeblichen McCain-Berater Martin Eisenstadt, der als die Quelle für den Spruch, Sarah Palin habe gedacht, Afrika sei ein Land, zitiert wurde. Vor allem Blogger hatten sich auf diesen “Berater” verlassen, der als Senior Fellow des fingierten und nur als Website existierenden Harding Institute for Freedom and Democracy (man muss nur ein paar Minuten auf dieser Seite lesen, um den Jux zu erkennen) identifiziert wurde.
In Wahrheit heißt Eisenstadt, der sein eigenes Blog hat und auch in mehreren YouTube-Videos zu sehen ist, Eitan Gorlin (zumindest dessen ist sich die New York Times sicher, da einer ihrer Reporter den Herrn persönlich kannte); sein Partner in dieser Polit-Posse ist Dan Mirvish; da beide – echte? – Einträge in der Internet Movie Database haben, darf man vermuten, dass sie sich primär als Filmemacher bezeichnen würden. Und das würde ja auch schon ihre Motivation ausreichend erklären.
Wenn man die Story durchliest, dann wird man feststellen, dass erst die Blogs auf den falschen Propheten reingefallen waren und – da an den Blogs heute kein Medium mehr vorbeisehen kann – dann aber auch die Berufs-Journalisten (wie etwa beim Fox News Channel und MSNBC) auf die Story reinfielen. Dabei hatte bereits im Juni ein Blogger namens William K. Wolfrum vor dem falschen Eisenstadt gewarnt. Und schließlich hatte auch ein bloggender Journalist (!), Jonathan Stein vom Magazin Mother Jones (eines der wenigen überlebenden Qualitäts-Magazine, neben Harper’s, Atlantic, The New Republic und natürlich dem New Yorker) im Juli dieses Jahres Lunte gerochen und in einem Blogpost gewarnt – natürlich erst, nachdem er selbst einmal auf “Eisenstadt” herein gefallen war.
Dabei wäre es gar nicht schwer gewesen, die Fälschung zu entlarven: Auf der Website sourcewatch.org gibt es einen Eintrag zu Eisenstadt und sein Pseudo-Harding-Institut.
Da ich mir ziemlich sicher bin, dass man mich – mit einer Mischung aus Zeitdruck, der Not, möglichst viele diverse Stimmen einzusammeln und der unwiderstehlichen Versuchung, jemanden zu Wort kommen zu lassen, der “gegen den Strich gebürstet” scheint – genauso hätte herein legen können wie so viele andere Blogger und Reporter, will ich mir hier eine Beurteilung verkneifen (vielleicht ist ja auch Herr Wolfrum nicht wirklich Herr Wolfrum …). Aber schön wär’s schon, wenn wieder ein wenig mehr Bedachtsamkeit in den Nachrichtenzyklus kommen würde. Als Blogger genieße ich natürlich, dass ich hier schreiben kann, was ich will, wie ich will, wann ich will und wie lange ich will. Aber der Journalist in mir denkt manchmal, dass es so einfach doch nicht sein sollte. Schreiben, so sagte mir ein früherer Chef mal, sei halt ein quälender Prozess – wenn nicht für den Schreiber, dann unvermeidlich für den Leser. Und es muss nicht immer die Qual sein, die ihn gleich beim Konsum befällt, sondern sie kann auch vom “Kater” kommen, den er kriegt, wenn er merkt, dass er sich an zu viel Unausgegorenem berauscht hatte.
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