Vor ein paar Tagen hatte ich ja schon angekündigt, dass ich mir heute mal anhören werde, was Professor Lorenzo Cohen vom M.D. Anderson Cancer Center zum Thema “Integration östlicher und komplementärer Medizin in die konventionelle medizinische Krebsbehandlung” zu sagen hat. Und ohne große Umschweife verrate ich hier gleich, dass ich das meiste, was mir dazu hinterher einfiel, doch lieber für mich behalten will – Skeptisches ebenso wie Zustimmendes.

Denn an der Frage, ob sich eine wissenschaftliche Einrichtung – und eine solche ist das M.D. Anderson Center, als Teil der University of Texas in Houston – überhaupt mit traditionellen chinesischen und indischen Heilmethoden, aber auch mit Akupunktur – auf die ich weiter unten jedoch trotzdem noch einmal eingehen will – Homöopathie, Qigong, Reiki und all solchen Praktiken aus dem Esoterik-Sortiment befassen darf oder soll, erhitzen sich vor allem auf ScienceBlogs nur all zu schnell die Gemüter. Und wenn man auf Cohens Web-Profil runterrollt, stößt man auf Projekte wie “Effects of Tibetan yoga on fatigue and sleep in cancer” oder “Biobehavioral effects of Qigong during treatment for rectal in cancer”, und er selbst beschreibt sein Spezialgebiet als “Mind-Body Medicine” – und das klingt wirklich schon sehr nach Hokuspokus.

Aber egal, ob sie solche Methoden medizinisch begründbar sind oder nicht – vier von fünf Patienten, die zum MD Anderson Cancer Institute (und vermutlich auch zu jeder anderen Krebsklinik) kommen, nutzen sowieso schon irgend welche Formen dieser “alternativen” Methoden. Rein pragmatisch bleibt den Leuten dort also gar nichts anderes übrig, als sich damit auseinander zu setzen. Und zwar auch wissenschaftlich – und sei es auch nur, um die Risiken besser zu erkennen.

Aber es ist natürlich mehr als das: Kliniken wie das MD Anderson Center, aber auch Sloan Kettering in New York oder das Dana-Farber-Institut in Boston setzten sich ja nicht nur wissenschaftlich mit solchen Alternativ-Methoden (die zumindest laut Cohen von ihnen nicht gerne als “alternativ” bezeichnet werden, weil dies den Eindruck erwecke, als ob sie Alternativen – im Sinn von entweder-oder – zur Medizin seien), sondern bieten sie ihren Patienten als Leistungen an. Wird da nicht eine Grenze überschritten? Darf man als medizinische Einrichtung etwas verkaufen (umsonst gibt es hier ja nichts), was medizinisch nicht wirksam ist? Zum Beispiel Akupunktur, die tatsächlich zum routinemäßigen Sortiment des Anderson-Centers gehört?

Wirksame Akupunktur?

Laut Cohen – der übrigens selbst kein Mediziner, sondern Verhaltensforscher ist, was ihm natürlich viel mehr Spielraum in der Auswahl seiner Forschungsfelder gibt – ist Akupunktur keineswegs in allen Fällen als unwirksam nachgewiesen. Er verwies mich auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe des National Institutes of Health, die 1998 zu dem Schluss kam:

Acupuncture as a therapeutic intervention is widely practiced in the United States. Although there have been many studies of its potential usefulness, many of these studies provide equivocal results because of design, sample size, and other factors. The issue is further complicated by inherent difficulties in the use of appropriate controls, such as placebos and sham acupuncture groups. However, promising results have emerged, for example, showing efficacy of acupuncture in adult postoperative and chemotherapy nausea and vomiting and in postoperative dental pain. There are other situations, such as addiction, stroke rehabilitation, headache, menstrual cramps, tennis elbow, fibromyalgia, myofascial pain, osteoarthritis, low back pain, carpal tunnel syndrome, and asthma, in which acupuncture may be useful as an adjunct treatment or an acceptable alternative or be included in a comprehensive management program. Further research is likely to uncover additional areas where acupuncture interventions will be useful.

Laut Cohen seien die Effekte dieser wissenschaftlich getesten Akupunktur sogar auf Magnetresonanztomographien nachweisbar …

Ich weiß, dass die Aufforderung, ‘über den Tellerrand zu schauen”, ein typisches polemisches Eso-Argument ist, mit dem eigentlich das Beharren auf allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Grundsätzen als Borniertheit abqualifiziert werden soll. Aber das heißt ja nicht, dass man nie weiter als bis zum Tellerrand blicken darf – wenn es darüber hinaus etwas zu sehen gibt. Und manchmal lohnen die traditionellen und Natur-Heilmethoden halt doch einen zweiten Blick. Wie etwa das Krötengift, das in der traditionellen chinesischen Heilkunde verwendet wird und das, als pharmakologisch weiter entwickeltes Präparat namens “Huachansu”, in chinesischen Kliniken (und unter Partizipation des MD Anderson Center) Erfolg versprechend gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber auch Lungen- und Leberkrebs gestestet wird.

“Wer heilt, hat Recht” ist ebenso ein beliebtes Eso-Argument, das vor allem von Homöpathieanhängern schnell ins Feld geführt wird. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Vor allem in der Krebstherapie – wo es halt nur all zu oft nicht um ein Prinzip, sondern um Leben und Tod geht – sollte grundsätzlich alles recht sein, was heilt.

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Kommentare (51)

  1. #1 Ronny
    3. April 2009

    @Autor
    Sie bringen es auf den Punkt ! Aber, warum stoppen sie auf halbem Weg ? Da gibt es eine mystische Heilmethode namens Akupunktur die vielleicht eine Wirkung haben könnte und anstatt sich dies jetzt genau anzusehen wie das funktioniert sagt man:’ Ah ja, das haben schon alte Chinesen erforscht und es funktioniert ja irgendwie manchmal’.

    Das Beipiel mit der Kröte ist auch gut. Zuerst gab man Krötengift, vermutlich mit entsprechenden Nebenwirkungen. Danach wurde das Mittel erforscht und Stoffe die Nebenwirkungen erzeugen ausgeschlossen. Fazit: Natürliches Heilmittel optimiert.

    Wieso passiert das nicht bei Akupunktur ? Wieso wird nicht geforscht warum das manchmal funktioniert und verwirft dann all den esoterischen Müll der da dran haftet. Das Ergebnis wäre eine anerkannte und vor allem verstandene Methode. Dadurch könnte man die Behandlung optimieren und Betrug eindämmen. Auch diese ganzen Diskussionen wer das bezahlt, wer das anwenden darf usw. wären auch viel einfacher zu lösen, wenn man die Wirkungsweise verstanden hat.

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass Akupunktur durch die Verletzung Heilhormone freisetzt. Das wäre aber doch auch mit Medikamenten machbar anstatt mit Nadeln.

    Hätten Techniker nach Entdeckung des Rads so gehandelt, (frei nach dem Motto: Haha, es rollt), dann gäbs jetzt keine Autos, weil keiner nach einem Motor geforscht hätte.

    Fazit: Wissen statt Glauben: Nach der Ursache suchen, optimieren und erklären anstatt medizinisch nicht existierenen Meridianen und Lebenskräften nachlaufen.

    Oder wie GeMa in einem anderen Blog immer sagt: Man soll sich nicht hinknien und krampfhaft versuchen über den Tellerrand des Tellers am Tisch zu schauen sondern aufstehen und den ganzen Tisch betrachten 🙂

  2. #2 Ronny
    3. April 2009

    Noch ein Punkt @Autor:
    Vor allem in der Krebstherapie – wo es halt nur all zu oft nicht um ein Prinzip, sondern um Leben und Tod geht – sollte grundsätzlich alles recht sein, was heilt.

    Korrekt, jedoch muss der besten Methode der Vorzug gegeben werden. Die Gefahr besteht, dass man aus Glaubensgründen einer ineffektiven Methode den Vorzug gibt, die sich besser darstellen kann, weil ja die Wirkungsweise nicht geklärt ist.

  3. #3 fatmike182
    3. April 2009

    Vielen dank für Ihre Ehrlichkeit bei dem Bericht, allerdings habe auch ich einiges auszusetzen:

    Wie wissenschaftlich wird da wirklich gearbeitet? Der Bericht klingt jedenfalls so, als wenn das “Wer heilt hat recht” Argument geschwungen wird anstatt (wie Ronny schon erwähnt hat) die Wirkmechanismen zu erklären. Gibt es zu den Komplementärmethoden Doppelblindversuche? Nur das wäre Wissenschaft, der Rest ist reine naive Anwendung von Göttern in Weiß die sich bei jedem Patienten stolz auf die schulter klopfen ohne der wissenschaftlichen Essenz, der Frage warum etwas funktioniert.

    Zu all den oben genannten Methoden gibt es genug Studien & Metastudien die die wissenschaftlichste Herangehensweise erklären. Bei keiner seriösen Studie konnte der Wirkeffekt auf die Methode projeziert werden!
    das prominente Bsp Akupunktur (Ulrich Berger @ https://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht hat dieses Bsp schon öfters beschrieben): Akupuktur wird von der deutschen Krankenkasse bei gewissen Erkrankungen deswegen bezahlt, da der Placeboeffekt (sic! steht so im Statement drinnen) größer ist als der wirkliche Effekt von herkömmlich verwendeten Methoden. Getestet hat man das in dem man 3 Gruppen testen ließ:
    – Vergleichsgruppe (herkömmliche Methoden (Massagen, Medikamente, …)
    – TCM-Akupunktur (also das ganze Meridianblabla)
    – willkürlich gesetzte Akupunktur (nicht nach TCM & absichtlich an den Punkten vorbei)

    Zu so einer Studie gehört viel disziplin, da ein eingeschworener TCM-Heiler sicher nicht neben den Punken stechen würde. Der Ausgang der Studie war so, dass nur die 1. Gruppe eine 1/4-Heilungsquote (ok, Linderung) hatten, die anderen beiden – egal ob Meridian-orientiert oder irgendwie – eine Linderungsquote von 50%.
    Diese Studien werden dtz mit ca geichen Ergebnissen wiederholt wobei eine 4. Gruppe dazukommt in der Haftnadeln verwendet werden um das ganze wirklich doppelzuverblinden.
    Ziel ist um festzustellen ob es wirklich reiner Placeboeffekt ist oder ob das Stechen einen geringen Effekt hat. Dieses Beispiel verdeutlicht wie sinnvoll das ganze Mysterium der TCM ist, nämlich garnicht.

    @ Krötengiftbsp
    das ist nichts neues, die herkömmliche Medizin hat viele Medikamente aus der Alternativmedizin übernommen. Ein großer Teil der heute verwendeten Medikamente kommen aus dem Sektor. Und?
    Nur muss man unterscheiden: Medikamente die in der herkömmlichen Med (in weiterer Folge nur Medizin genannt, es gibt deafcto nichts anderes das definitionsgemäß als Medizin bezeichnet werden kann) werden erforscht und müssen Studien unterlaufen. Jedes noch so exotische Mittel das diesen Studien stand hält wird in der Medizin verwendet – Pharmafirmen wären schön blöd, wenn sie das nicht so machen würden, es gibt sogar Scouts dafür die im Alternativbereich nach solchen Mitteln suchen. Dass nur eine geringe Quote als Ausbeute hervorschaut spricht für sich.
    Also hat man mal die Studien die schon mal leicht 10 Jahre dauern und Milliarden € verschlingen, da tausende Menschen involviert sind. Obwohl solche Medikamente schon vor der Veröffentlichung Milliarden verschlingen kosten sie dem Endanwender weniger als Homöopatiker & anderes ungetestete Alternativzeug. — warum? Ist die Herstellung von Alternativzeug so umständlich? In vielen Fällen (besonders wenn es um Tigerhoden un Affeninnereien und Haifischflossen geht) entstehen hohe Preise, der Rest ist allein für die Gewinnspanne.

    Weiters müssen herkömmliche Medikamente – und es ist sehr zu begrüßen, dass alles was wirkt in dem Sektor verwendet wird – später noch nach Norm hergestellt werden und unterlaufen Qualitätskontrollen! Ich möchte die Nebenwirkungen des Krötengifts derzeit garnicht erst wissen, wenn das aber Testreihen absolviert hat, schließlich zugelassen ist und mit Chargenkontrollen am Markt ist wird man einen Gutteil dieser Nebenwirklungen nichtmehr/geringer haben!

  4. #4 Karl Mistelberger
    3. April 2009

    Wer stets nur gegen den Strom schwimmt, kommt keineswegs immer zur Quelle, sondern er kann auch mal in einem Abwasserkanal stecken bleiben”. Dieses Zitat auf der Titelseite hat mich bewogen, hier weiter zu lesen und zu folgern:

    Wer über den Tellerrand guckt soll nicht verschweigen, was schon alles auf dem Teller liegt. Das zu verschweigen ist gängige Praxis, denn es ermöglicht es zu jeder beliebigen Schlussfolgerung zu kommen, egal auf welchem Gebiet. Gavin A. Schmidt hat hier wieder einmal ein besonders schönes Beispiel hervorgezogen: Advocacy vs. Science.

    Die zu Grunde liegenden Mechanismen sind uralt und werden überall angetroffen, hier ein banales Beispiel aus meiner näheren Umgebung von knapp drei Jahrhunderten: Heilsbronn, “Brunnen des Heils”.

  5. #5 Jürgen Schönstein
    3. April 2009

    @Ronny
    “Fazit: Wissen statt Glauben: Nach der Ursache suchen, optimieren und erklären anstatt medizinisch nicht existierenen Meridianen und Lebenskräften nachlaufen.”
    Genau diesem Anspruch soll ja die Arbeit des MD Anderson Centers (und auch der anderen US-Krebszentren, die ähnliche Programme haben) entsprechen. Die arbeiten ja nicht daran, die mystisch-theoretischen Konstrukte zu bestätigen, die sich chinesischen Akupunkteure zur Erklärung der “Wirksamkeit” ersonnen haben. Und sie imitieren auch nicht den Budenzauber, den die mit ihren Patienten als “Anamnese” veranstalten – ganz offenbar ist die Arbeit mit Akupunktur, die sich auf einen bestimmten Punkt (bitte nicht fragen welcher – das hatte ich mir so schnell nicht notieren können) konzentriert und die Anwendung auf die Bekämpfung der Übelkeit nach Chemotherapie beschränkt, innerhalb dessen, was man “evidenzbasiert” nennen kann.
    Ich könnte mir gut vorstellen, dass Akupunktur durch die Verletzung Heilhormone freisetzt. Das wäre aber doch auch mit Medikamenten machbar anstatt mit Nadeln.”
    Ja, und? Das spricht nicht gegen das eine oder das andere. Man kann ja auch Tumore operieren oder zerstrahlen oder chemisch niederkeulen – und manchmal muss man alle Methoden kombinieren. Hormone schlucken oder mit ‘ner Nadel pieksen – wenn die Resultate äquivalent sind (ich sage nicht, dass sie es sind, sondern greife nur mal diesen Denkansatz hier auf), dann sehe ich keinen wissenschaftlichen, evidenzbasierten Grund, warum nur das eine erlaubt sein soll. Solche Alternativ-Abwägungen (Tropfen, Tabletten, Spritzen? Um nur mal ein Beispiel zu nennen …) sind im medizinischen Alltag doch wohl normal.
    “Korrekt, jedoch muss der besten Methode der Vorzug gegeben werden. Die Gefahr besteht, dass man aus Glaubensgründen einer ineffektiven Methode den Vorzug gibt, die sich besser darstellen kann, weil ja die Wirkungsweise nicht geklärt ist.”
    Dieses “Entweder-oder” ist, ehrlich gesagt, ein echter Strohmann. Sorry! Dvon war nämlich nie die Rede. Denn wenn irgendwo die wissenschaftlich besten Methoden zum Einsatz kommen, dann an den Krebszentren Anderson, Sloan-Kettering und Dana-Farber. All diese “integrierten” Methoden kommen nach der besten medizinischen Versorgung. Müssen wir hier wirklich darüber diskutieren, ob Krebsbehandlung mit der chirurgisch-radiologisch-chemotherapeutischen Tumorektomie aufhört, oder ob da nicht auch der Komplex der Lebensqualität, des Therapiewillens, der Schmerzkontrolle und der Managements von Nebenwirkungen der Primärtherapien mit berücksichtigt werden müssen? Jeder, der einen Krebsfall in der Familie hatte, weiß die Antwort …

    @fatmike182
    “Wie wissenschaftlich wird da wirklich gearbeitet? “
    Hmm, wie wissenschaftlich arbeitet eines der führenden wissenschaftlichen Institute auf seinem Gebiet, Teil einer anerkannten medizinischen Fakultät einer ordentlichen Universität, gefördert mit Forschungsgeldern der staatlichen National Institutes of Health (die ja mit strengen Vorgaben für den wissenschaftlichen Aufbau der Studien beantragt werden müssen)? Hmmm … ich weiß jetzt wirklich nicht, warum es einen Grund gibt, an der wissenschaftlichen Ethik und Sorgfalt des M.D. Anderson Center oder seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter zu zweifeln. Kann man tun, klar – aber dann muss man schon eine sehr tiefe Skepsis gegenüber dem Wissenschaftsapparat an sich mitbringen und eine Art anti-medizinischer Verschwörung im medizinischen Establishment unterstellen. Da greife ich lieber zu Occams Rasiermesser …
    “Gibt es zu den Komplementärmethoden Doppelblindversuche? Nur das wäre Wissenschaft, der Rest ist reine naive Anwendung von Göttern in Weiß die sich bei jedem Patienten stolz auf die schulter klopfen ohne der wissenschaftlichen Essenz, der Frage warum etwas funktioniert.”
    Gegenfrage: Gibt es zur chirurgischen Tumorektomie doppelt verblindete Placebostudien? Zur Blinddarmoperation? Zur Versorgung von Knochenbrüchen? Durch welche Doppelblindstuden wurde die Psychotherapie vorangebracht, welche sind die Basis in der Quantenphysik? Ich will nicht unnötig provozieren, aber diese doppelt verblindeten Plazebostudien sind doch wirklich nur in der pharmakologischen Forschung der Goldstandard, und keineswegs für alle medizinische Forschung – und schon gar nicht für die Wissenschaft generell. So lange keine pharmakologischen Wirkungen behauptet werden (und das tut Cohen nicht, und das tut auch das NIH-Papier nicht) sehe ich nicht, warum diese Forderung gestellt werden muss. Aber wie dem auch sei: das NIH-Statement, auf das ich oben verlinkt habe und das im Journal of the American Medical Association (JAMA) publiziert wurde, stellt eine Wirkung – in einem eng umschriebenen Bereich – fest. Es ist kein Papier zur TCM, salbadert nicht von Meridianen, war dem Peer-Review unterworfen etc. – Akupunkturfans werden sich da keine sehr großen Keulen draus schnitzen können. Den Fortbestand der Wissenschaft sehe ich auch nicht gefährdet, wenn man diese eine Aussage akzeptiert.

    Vielleicht ist ein anderes Beispiel hilfreicher: Lorenzo Cohen untersucht in einer NIH-finanzierten Studie, welche Wirkungen Qigong bei der Genesung von Darmkrebspatienten hat (erste Resultate: gut). Aber das tut er nicht, weil er damity das esoterisch-mystische Gebäude von Qigong beweisen will, sondern weil er aus früheren Studien weiß, dass körperliche Bewegung die postoperativen Überlebens- und Heilungschancen von Darmkrebs verbessert. Aber Bewegung ist ja nicht gleich Bewegung (Gewichtheben wäre sicher eher schädlich); man muss also ein Bewegungsprogramm finden, das genau angemessen ist. Gut, man könnte nun ein ganzes Forschungsfeld in der Physiotherapie und Sportmedizin auftun und ein spezielles Darmkrebs-Fitnessprogram entwickeln, dies dann so standardisieren, dass es überall angeboten werden kann, damit es dem Patienten auch postoperativ und nach seiner Entlassung aus der Klinik zur Verfügung steht, die Trainer zertifizieren (um sicher zu gehen, dass da kein Pfusch gemacht wird) etc. Oder man schaut sich an, was bereits auf breiter Basis angeboten wird: Aerobics, Yoga, Pilates etc. … und wie’s der Zufall will, Qigong passt am besten. Warum also nicht dem Patienten raten, Qigong-Klassen zu besuchen, wenn’s ihm hilft? Man kann ihm als Arzt sicher leicht erklären, warum es gut für ihn ist und dass es nichts mit dem Eso-Brimborium zu tun hat, das da mit verkauft wird. Vor allem, wenn die Alternative wäre, dass der Patient entweder ein unangemessenes Bewegungsprogramm macht oder, mangels strukturierter Angebote, gar keins …
    Aber, höre ich schon das Gegenargument, man darf den Esos doch nicht zugestehen, dass auch nur irgend etwas von dem, das sie tun, wirksam ist – weil ja sonst unser gesamten Wissenschaftsgebäude einstürzt. Wollen wir den Esos wirklich so viel Macht über die Wissenschaft einräumen, dass wir uns nicht trauen, etwas Nützliches zu verwenden, nur weil sie es auch tun? Ein bisschen mehr Vertrauen in die Wissenschaft darf man ruhig haben.

  6. #6 GeMa
    3. April 2009

    Gute, ausführliche Antwort und sehr berechtigte Fragen, bzw. Denkansatz @Jürgen Schönstein.
    Alles, aber wirklich alles, was _nachweislich_ zu Verbesserungen (will ich jetzt nicht einzeln aufdröseln) für möglichst viele Patienten führt, gehört auf den Teller. Wo Wirkmechanismen gefunden werden, bekannt sind und belastbar, sind sie auch zu integrieren – vom mystischen Überbau und esoterischem Gewalle befreit.

    So wie Salicylsäure ohne Rücksicht auf die “Dorfdruiden” untersucht, standardisiert und in die Medizin eingemeindet wurde.

  7. #7 Ludmila
    3. April 2009

    Jürgen jetzt hast Du Dich aber vergallopiert.

    Zunächst mal ein Zitat, um alles in die richtige Perspektive zu rücken.

    The first principle is that you must not fool yourself – and you are the easiest person to fool.”
    Richard Feynman

    Desweiteren.
    “Irren ist menschlich” Allgemeinplatz. Unbekannt.

    “Irren ist menschlich. Irren im Gesundheitssystem kann tödlich sein.” Das sag ich jetzt. Bitte, Jürgen. Überleg Dir mal, was hier auf dem Spiel steht. Es geht und ging bei der Frage lediglich um die Einhaltung von Standards. Weil ich finde, dass die Gesundheit von Menschen ein bisschen zu kostbar ist, um damit rumrzuspielen. Dafür sind rigorose und objektive Tests da.

    Wer diese Tests und Standards aushebeln wird, dem stelle ich mich entgegen. Es steht zuviel auf dem Spiel.

    1. Hast Du was über Negativeffekte auf der Veranstaltung gehört? Hast Du gehört”Wir haben das und das probiert, aber es funzt nicht.”?

    In dieser unserer Realität geht immer was schief. In der Parallelwelt der Alternativmedizin ist immer alles wunderbar. Ist das nicht seltsam?

    2. Wie Dir jetzt schon ein paar Mal gesagt wurde, hat kein Mensch damit Probleme, wirksame Sachen welche sich die angebliche Alternativmedizin zuschreibt, auch zu verwenden. Heilkräuter waren und sind nicht umsonst Ausgangsstoffe für Medikamente. Nicht umsonst senden Pharmafirmen Scouts in Regenwälder und befragen Eingeborene.

    Dieser Vorwurf ist unwahr und außerdem ein Strohmann.

    3. Doppelt verblindete-Placebo kontrollierte Studien sind deswegen der Goldstandard beim Austesten von komplexen nicht eindeutig zu beobachteten Wirkmechanismen, weil sie objektiv sind und bewährt. Schon mal chemisch die Wirkung von Medikamenten im Körper gesehen? Außer vielleicht bei radioaktiven Tracern, aber das kann man ja nicht immer machen und hilft bei diffusen Symptomen auch nichts.

    Nein? Dann musst Du wohl doppel-blind testen.

    So und jetzt kommt der wichtige Punkt, warum Dein Gleichnis mit dem Blinddarm und dem Tumor Quark ist.

    Beim Blinddarm und den Tumor siehst Du aber was. Das kann man naturwissenschaftlich messen.

    Blinddarm, Eiter (Ultraschall, Bluttest)->weg damit. Tumor (Röntgen) ->drückt auf den Schädel -> weg damit.

    Ich frage Dich jetzt bitte mal. Hast Du schon mal einen Meridian im Ultraschall oder im Röntgengerät gesehen? Eine Energiebahn?

    Nein? Und was sagt Dir das?

    Doppelt-blinde Studien dürfen wir nach Deiner Argumentation nicht verwenden. Und was dann? Was soll man dann zum Testen verwenden? Und lass jetzt bitte die Psychotherapie raus. Strohmann.

    Dann verweise ich mal auf die Geschichte der Medizin, wo jahrhundertelang genau nach dem Prinzip “Glaube, Liebe, Hoffnung” gearbeitet wurde und es eigentlich ein Wunder war, dass die Leute überhaupt die “Behandlung” überlebt haben, die im Grunde Rätselraten war.

    Willst Du dahin zurück? Ich glaube nicht. Also bitte Standards nicht lockern!

    4. Wir haben eine Medizin und wir haben etablierte Standards. Und auf einmal kommt da einer an und verlangt für sich die Standards zu senken? Wie würdest Du reagieren, wenn eine Pharmafirma so argumentieren würde? Da würdest Du doch auf Rotalarm gehen. Aber sobald die Schlagwörter “Alternativ, ganzheitlich” kommen, dann fresst Ihr auf einmal Kreide.

    Aufgewacht! Alternativmedizin ist kein Geschäft für Gutmenschen. Diese Leute scheffeln Geld. Und das nicht zu knapp. Wenn Dich das bei Pharmafirmen misstrauisch macht, warum dann nicht hier?

    5. Bezüglich der Wissenschaftlichkeit der Arbeitsgruppe.

    Sag mal, hatten wir da nicht mal eine Diskussion wegen der Charite in Berlin? Einem Lehrstuhl der Homöopathie, der von einer fragwürdigen Stiftung durchgedrückt wurde? Damit die Leute anfangen können zu argumentieren, wie Du es tust? “Ja, wenn es an einer Uni gelehrt wird, dann muss ja was dran sein.”

    Was sagt uns das? Dass Lobbyismus leider auch an einer Uni funktioniert. Das hat nichts mit Verschwörungstheorie zu tun.

    Und mal ehrlich. Wir sprechen hier von einem Institut. Ja es ist eines der angesehnsten. Und? Für so was braucht es eigentlich nur einen einflussreichen Arzt, der nach und nach Gesinnungsgenossen um sich schart, die seine Weltsicht teilen. Und schon hat man den Salat. Einmal ist keinmal. Und wenn es ein noch so einflussreiches einmal ist.

    6.
    Und wenn da was dran ist. Warum streiten wir eigentlich nach Jahrzehnten immer noch, ob da überhaupt was dran ist? Zum Vergleich: Wie lange hat es noch mal gedauert von dem Ausbruch der ersten AIDS-Fälle, bis hin zur Entwicklung der ersten wirksamen Medikamente? Sicherlich nicht so lange.

    Wenn ein normales Medikament ohne die weltanschauliche Unterfütterung derart lange getestet werden müsste, dann würde es rausfliegen. Weil die Kosten für die Tests, den Nutzen, der ja wohl nicht so gewaltig sein kann, wenn man kaum was findet, irgendwann schlicht übersteigen.

    Wieviele Pro-Akupunktur Studien sind es? Nach Jahrzehnten der Forschung? Ist Dein Bullshit-Detektor in der Reparatur?
    Wie kommt es, dass die Belege in dem Meer von Papern untergehen? Meta-Studien, die genau das getan haben, zeigen regelmäßig: Höchstwahrscheinlich kein Effekt.

    Es sollte Dir zu denken geben, dass die “Belege” meist in vergleichsweise kleinen Studien mit geringen Fallzahlen auftauchen und die Effekte auch nicht so berauschend sind. Wenn man dann genauer nachsieht, dann verschwinden sie.

    Ist schon ein bisschen erbärmlich für eine Sache, die angeblich so toll ist. Kein Wunder, dass die jetzt anfangen rumzugreinen. “Doppelt-blind ist doof. Ich mag nicht mehr mitspielen.”

    Äh, wieso? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Placeboeffekt?

    7. Unser Problem mit angeblicher Alternativmedizin willst oder kannst Du nicht verstehen.

    Diese Leute kochen Euch Journalisten und der Öffentlichkeit mit Blendwerk das Gehirn weich. Es ist ein Budenzauber, der für sich niedrigere Standards im Gesundheitswesen einführen will. Hallo? Niedriger Standards im Gesundheitswesen? Geht’s noch? Wenn Pharmafirmen sowas fordern würden, dann würdest Du als Journalist denen doch an den Hals springen! Also, was soll der Mist?

    Vielleicht verliert man ein paar wirksame Maßnahmen, wenn man die Standards hoch setzt, aber Dir sollte klar sein, dass ansonsten gleichzeitig jede Menge Dreck ins System gespült werden würde, der eben nicht wirkt oder vielleicht sogar schadet. Und der Dreck überwiegt bei so dünnen Daten die Anzahl der paar Goldkörner bei weitem.

    Und auch eine Methode, die sich als unwirksam erweist, schadet dem Gesundheitswesen. Meinst Du die Tests machen sich von allein? Das kostet doch alles Geld. Geld, das dann für eindeutig wirksame Verfahren fehlt.

    Man muss halt irgendwo eine Grenze ziehen, weil man nicht jeden Gehirnfurz der Welt testen kann, in der Hoffnung doch noch ein Goldkorn zu finden. Das ist einfach zu teuer und wir haben nun mal begrenzte Ressourcen. Ist das so schwer zu verstehen?

    Es kann doch nicht sein, dass man nach ein bisschen Feel Good Gequassel und dem Aufbauschen des dürren Materials und ein bisschen Lobbyarbeit den gesunden Menschenverstand fahren lässt.

  8. #8 Ludmila
    3. April 2009

    Ach und Jürgen,
    die Scienceblogger in den USA sind nicht wirklich glücklich über den gallopierenden Wahnsinn mit der Phantasiemedizin, die an immer mehr Unis und Institutionen Fuß fasst.

    https://scienceblogs.com/insolence/2007/11/the_woo_aggregator.php

  9. #9 Jürgen Schönstein
    3. April 2009

    @GeMa
    “Wo Wirkmechanismen gefunden werden, bekannt sind und belastbar, sind sie auch zu integrieren – vom mystischen Überbau und esoterischem Gewalle befreit.”
    Genau so habe ich auch die Position von Cohen et al. aufgefasst, und es gibt für mich keinen Grund zur Annahme, dass deren wissenschaftliche Ethik nur vorgetäuscht ist. Das Beispiel mit dem Krötengift passt hier ja genau: Es wird pharmakologisch analysiert, die Komponenten definiert, jede Komponente separat sowie in Kombinationen getestet, ein parmakologisch und medizinisch definierbares (dosierbares) Medikament daraus entwickelt und dies dann in klinischen Versuchen getestet. Zugegeben, die Tests laufen derzeit an einer Uniklinik in China, weil dort das Präparat schon genehmigt ist, während es in den USA erst eines langwierigeren FDA-Verfahrens bedürfte, um überhaupt damit anfangen zu können. Und vielleicht sind die wissenschaftlichen Test-Standards an chinesischen Universitäten anders, das weiß ich nicht – aber es sind, denke ich mal, immer noch grundsätzlich wissenschaftliche Standards. Das ganze Verfahren ist selbstverständlich ein alter Hut: Etwa 74 Prozent der populärsten verschreibungspflichtigen Medikamente basierten, wie Cohen behauptet (ich sehe nach wie vor noch keinen Grund, den Mann als Lügner zu verdächtigen und daher faktische Angaben kategorisch anzuzweifeln), auf Substanzen, die auch in folkloristischen Heilpraktiken angewendet werden. Die Weidenrinde ist ja nur ein Beispiel.

  10. #10 Jürgen Schönstein
    3. April 2009

    @Ludmila
    Au weia. Verzeih mir bitte die nachstehende Formulierung, die wird verletzender klingen als sie gemeint ist, aber ich habe eine nervende Woche hinter mir und bin daher auch ein bisschen auf Krawall gebürstet, und drum will ich mir die Frage mal nicht verkneifen, ob das Wort “Akupunktur” einen Beißreflex bei Dir auslöst?
    Sorry, aber natürlich mein’ ich das nicht böse. Ich weiß, dass es wohl niemanden gibt, der die Fahne der wissenschaftlichen Standards höher hält als Du, und dafür hast du meinen vollen, uneingeschränkten und von jeglicher Ironie freien Respekt. Nochmal: Dafür hast Du meinen vollen, uneingeschränkten und von jeglicher Ironie freien Respekt.

    Nun aber zur Sache: Ich kann alles, was ich geschrieben habe, unverändert stehen lassen und Dir trotzdem in jedem einzelnen Punkt zustimmen. Weil Du nämlich auf Dinge eingehst, die da nicht stehen. Niemand redete davon, dass auch nur einem einzigen Patienten eine medizinische Maßnahme zu Gunsten einer unbewiesenen Alternative vorenthalten wird. Oder dass Doppelblindstudien Blödsinn sind. Lies noch einmal nach: Erstens geht es um die Patientenbetreuung nach und neben dem Besten, was die wissenschaftliche, evidenzbasierte Medizin zu bieten hat. Aber – hallo? Hab’ ich das nicht mehrfach und deutlich gesagt? – Medizin ist nur ein Teil des gesamten Heilungsprozesses, der im Falle eines Krankheit wie Krebs schlichtweg alle Lebensbereiche umfasst, von den wirtschaflichen Bedingungen des Patienten (kann er noch arbeiten und Geld verdienen, übernimmt seine Versicherung alle Kosten etc.) über seine soziale Situation (fühlt er sich als Kranker in einer gesunden Gesellschaft ausgegrenzt? Wie geht seine Familie mit der Krankheit um? usw. usw.) bis hin zu Stressproblemen und psychischen Fragen blablabla. Es geht eben nicht nur darum, den Tumor rauszuschneiden und/oder mit Strahlentherapie und/oder Chemotherapie abzutöten. Cohens Arbeitsfeld ist ausdrücklich ein nicht-medizinisches, aber er arbeitet mit Medizinern.
    Und ich greife auch nicht die Doppelblindstudien an – ich lehnte die Annahme ab, dass nichts wissenschaftlich sein kann, das nicht doppelblind plazebokontrolliert ist. Machst Du Doppelblindstudien auf Deinem Forschungsgebiet? Natürlich nicht. Ist es deswegen unwissenschaftlich? Welch eine blöde Frage … Warum soll also etwas, das bestenfalls einen psychosomatischen Effekt haben dürfte – das ist, wenn ich es richtig verstanden haben, die Arbeitshypothese beim Einsatz von Akupunktur zur Linderung des durch die Chemotherapie bedingten Schwindel- und Übelkeitsgefühls – doppelt verblindet, plazebokontrolliert auf einen pharmakologischen Effekt getestet werden, den man ihn gar nicht unterstellt? Ich massier’ mir auch manchmal die Schläfen, wenn ich Kopfschmerzen habe, und fühle mich hinterher besser – muss ich diesen Effekt mit einer Doppelblindstudien belegen, oder darf ich mich auch so besser fühlen?
    Nochmal: Es geht nicht darum, medizinische Maßnahmen zu ersetzen. Es geht darum, dass Krebspatienten nicht nur mit Tumoren und Metastasen kämpfen müssen, sondern auch mit Problemen, gegen die im wörtlichen Sinn kein Kraut gewachsen ist – die aber den Heilungserfolg insgesamt stark beeinflussen, mehr vielleicht als die handwerkliche Kunst des Operateurs oder des Radiologen.
    Ich begreife zwar Deine Sorge, dass man den Anfängen wehren muss. Aber das ist leider – ich bin, wie schon mal gesagt, auf Krawall gebürstet und deswegen schluck’ ich das jetzt auch nicht runter – auch der Standpunkt aller Fundamentalisten. “Könnt’ ja sein, dass Ihr in einem Ausnahmefall Recht hättet, aber wenn ich Euch einmal Recht gebe, muss ich Euch immer Recht geben, und darum tu ich’s nicht.”
    Aber das, meine Liebe, ist nicht Wissenschaft – das ist Ideologie. Wissenschaft prüft, sie erklärt nicht a priori, was sein darf und was nicht. Oder habe ich mich da getäuscht?
    “Ach und Jürgen,
    die Scienceblogger in den USA sind nicht wirklich glücklich über den gallopierenden Wahnsinn mit der Phantasiemedizin, die an immer mehr Unis und Institutionen Fuß fasst.”

    Das hast Du jetzt aber nicht wirklich als ein Argument gemeint, oder? Authority by blogging ist mir bisher noch nicht untergekommen …
    Lies doch bitte noch einmal, was ich in meinem Posting geschrieben habe. Und noch eine Bitte: Geht’s selbst an einem Freitagabend ein bisschen sachlicher? Dann muss ich mich auch nicht zu bissigen Bemerkungen hinreißen lassen.

  11. #11 GeMa
    3. April 2009

    Wenn ich Reiki lese oder Homöopathie unterliege ich auch Beißreflexen. Was x mal durch ist und wo es absolut nichts gibt, außer der Zuwendung oder dem Placebo, was ohnehin medizinisches Handwerkszeug ist (bzw. sein sollte), kann auch nicht unentwegt irgendein Lieblingsspielplatz oder Geschäftsmodell krampfhaft vor dem Aussterben bewahrt werden.

    Placeboforschung gibt es und schreitet voran. Das Zuwendung, auch manuelle, therapeutische Effekte hat, ist auch längst klar. Daraus werden dann hoffentlich (mehr) Konsequenzen folgen. Vor allem in der Richtung, dass es keine Gründe mehr geben kann/darf, unterschiedliche Standards zu fordern, weil man sich auf irgendwelche geistigen Überbauten beruft. Und gute Gründe mehr gibt, dass der irrationale, sich immer breiter machende Unsinn unattraktiver für Patienten wird und nicht mehr den Stellenwert eingeräumt bekommt, der momentan allerorten angestrebt wird.

    Ich denke, da liegen wir schon alle auf der gleichen Linie.

  12. #12 Jürgen Schönstein
    3. April 2009

    @GeMa
    ich denke auch, dass hier gar nicht so große Lücken klaffen. Als ich Cohen nach Homöopathie fragte, erklärte er mir ganz klar, dass dies nicht zu ihrem Sortiment gehört, weil es keine nachweisliche Wirkung hat. Aber die Begriffe Homöpathie und Reiki und so Zeugs tauchen trotzdem auf – und auch ein Dilemma, das ich durchaus nachvollziehen kann: Was wäre, wenn jemand, der an Homöopathie glaubt (soll’s ja viele geben – ich kenn sogar eine Reihe Leute, die auf Schüssler-Salze schwören, weil sie nach Einnahme von Nummer Sieben so gut schlafen können …), im Rahmen der Krebstherapie um solch ein “Mittel” bittet? Wie gesagt, nicht anstelle der medizinischen Behandlung, sondern im Rahmen der postoperativen Betreuung. Verweigert man’s ihm, dann riskiert man genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will: Man treibt den Patienten in die Arme eines dubiosen “Heilers”, der ihm gibt, was er will, und dann vielleicht noch mehr: nämlich die Standard-Predigt, dass die “Schulmedizin” (da kommt dann der Begriff ins Gespräch) sowieso alles falsch mache, die Chemotherapie ihn nur vergifte etc. Alles nur Gedankenspiele, aber würdest Du nicht auch vermuten, dass so ein Patient viel wahrscheinlicher die Therapie abbricht? Wenn man ihm hingegen ein paar Globuli gibt, ist er glücklich, fühlt sich respektiert und hält die Therapie weiter durch.
    Weit hergeholt? Vielleicht – aber so furchtbar unplausibel erscheint mir das Modell nicht. Und wenn ich Arzt wäre, würde ich in erster Linie wollen, dass mein Patient überlebt. Nur weil er sich nicht vorstellen kann, dass Homöopathie Humbug ist, muss ich ihn nicht in den sicheren Tod laufen lassen, wenn ein Boiron-Röllchen für umgerechnet vier Euro ihn davor bewahren kann.

  13. #13 Ludmila Carone
    3. April 2009

    Geht’s selbst an einem Freitagabend ein bisschen sachlicher?

    Na, Freitag abend ist nicht wirklich jeder in Hochform. Sorry. Aber Du hast gewusst, dass da was kommen würde, oder?

    Seien wir mal ehrlich. Behaupten kann auch ein angesehenes Institut viel, wenn der Tag lang ist. Lass uns lieber mal in einem Jahr nachrecherchieren, ob die ihre Versprechen auch einhalten können. Und was das alles wohl gekostet hast.

    Dann unterhalten wir uns weiter. Z.B. darüber, ob es das wirklich wert war. Eine Million Dollar für die “bahnbrechende” Erkenntnis, das es den Kindern die Angst nimmt, wenn man sie irgendwie ablenkt, erscheint mir ein bisserl arg teuer.

    Und für Zuwendung braucht es nicht unbedingt Heilpraktiker. Dafür braucht es zunächst nur Menschen. Wieso geben wir nicht das Geld und die Zeit für die Zuwendung nicht direkt den Krankenpflegern und Ärzten, anstatt eine neue Baustelle aufzumachen? Ich bin sicher, es gibt genügend Pflegepersonal, das dafür bestens geeignet ist und das auch gerne intensiver machen würde. Wenn es denn nicht gerade völlig mit allem möglichen überlastet wäre und nur auf Effizienz gedrillt würde.

    Just saying.

  14. #14 GeMa
    4. April 2009

    Nein, finde ich überhaupt nicht weit hergeholt und auch da liegen wir auf einer Linie. Ganz ehrlich – derzeit (!) würde ich mir bei solchen Patienten, die man ja auch dringend in so einer echten Therapie halten will, soll, nie anmaßen meine Protestplakate auszurollen. Wer so etwas verlangt – rigoros und ohne Ausnahme – hat häufig nicht viel mit Patienten zu tun. Aufklären ist immer in Ordnung und muß sein, kann man alles vernünftig tun oder versuchen – in bestimmten letzten/extremen Lebenslagen kann man aber einfach gewisse Plaisierchen auch unkommentiert stehen lassen.

    Die Sache befördern ist aber eben langfristig nicht der Weg zum Patientenwohl. Also der Ansatz zum Wechsel muß in der Wissenschaft, in den Fachgremien etc. pp. stattfinden – dort aber umso klarer, sauberer, kritischer, vehementer.
    Langfristig gesehen kann es dann auch echte Alternativen geben, die eventuell sogar einmal die gleiche Beliebtheit beim Patienten erlangt (ja, man wird noch mal träumen dürfen ;-). wie der – ich sag´s wie´s ist, sorry – Esokram zur Beruhigung.

    Wenn aber jemand hergeht und wilde Akupressurpunktpflaster-Studien auf einem imaginären Stirnpunkt (Kundalini) bei Kindern als großen Fortschritt verkaufen möchte – obwohl absolut nichts an Prämedikation eingespart wurde und das noch nicht einmal das Ziel dieses Budenzaubers war, – da kommt mir nur der Kaffee hoch. Dann wird einfach ein Karton bioenergetisches Pflasterlie gekauft und das Personal für vernünftige Betreuung der Kleinen vor der OP Tür gespart.

  15. #15 Jürgen Schönstein
    4. April 2009

    &$@#(*& – das System hat meine erste Antwort gefressen!
    @Ludmila
    “Du hast gewusst, dass da was kommen würde, oder?”
    Gewusst nicht, eher gefürchtet 😉 Aber lies doch mal durch, was ich eben GeMa geantwortet habe. In der Sache geht es doch erst mal um den Patienten, nicht die Wissenschaft.
    “Lass uns lieber mal in einem Jahr nachrecherchieren, ob die ihre Versprechen auch einhalten können.”
    Am MD Anderson Cancer Center macht Cohen das schon seit 1997 – das ist die Langzeitanalyse. Und dass es Geldverschwendung wäre, Konzepte zu entwickeln, wie Patienten an ihrer eigenen Genesung mitwirken können, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Meinst Du, es wäre billiger, sie dauerhaft zu Pflegefällen zu machen? Das würdest wohl kaum meinen, aber viel anders klingt es nicht, wenn Du sagst “Wieso geben wir nicht das Geld und die Zeit für die Zuwendung nicht direkt den Krankenpflegern und Ärzten, anstatt eine neue Baustelle aufzumachen? Ich bin sicher, es gibt genügend Pflegepersonal, das dafür bestens geeignet ist und das auch gerne intensiver machen würde.”
    Ziel dessen, was Cohen und seine Leute machen, ist ja gerade, dem Patienten einen Weg zu geben, wie er mit Krebs als chronischer Krankheit umgehen kann (überraschend, gell? Krebs ist chronisch – wer in hat, muss damit bis ans Ende seiner Tage leben, und kann doch nur hoffen, dass dieses Ende nicht zu schnell kommt), ohne dadurch zu viel an Lebensqualität, Selbstbewusstsein etc. einzubüßen. Als Dauer-Pflegefall würde das wohl kaum gelingen. Und welches Geld wird verschwendet, wenn ein Patient anstatt in ein Physiotherapiestudio zum Stundenpreis von >150 Dollar zu gehen, eine Qigong- oder Yogaklasse für 15 oder 20 Dollar besucht/ Welches Geld wird verschwendet, wenn man ein Programm für ihn findet, mit dem er weitgehend selbständig zuhause leben kann (zum Beispiel, weil durch Akupunktur seine – subjektiven? – Nebenwirkungen der Chemotherapie gelindert wurden), anstatt ihn stationär zu betreuen, wenn dies pro Tag -zigtausende von Dollar kosten würde (aus eigener Erfahrung weiß ich, dass allein die Unterbringung in einen normalen Krankenhaus etwa 2500 bis 3500 Dollar pro Nacht kostet – da ist die Betreuung noch gar nicht eingeschlossen). Just saying …

  16. #16 Jürgen Schönstein
    4. April 2009

    @GeMa
    “der Ansatz zum Wechsel muß in der Wissenschaft, in den Fachgremien etc. pp. stattfinden – dort aber umso klarer, sauberer, kritischer, vehementer.
    Langfristig gesehen kann es dann auch echte Alternativen geben, die eventuell sogar einmal die gleiche Beliebtheit beim Patienten erlangt (ja, man wird noch mal träumen dürfen ;-). wie der – ich sag´s wie´s ist, sorry – Esokram zur Beruhigung.”

    Sagt niemand nix dagegen. Aber bis dahin kann man den Leuten ja trotzdem helfen.

  17. #17 GeMa
    4. April 2009

    “Aber bis dahin kann man den Leuten ja trotzdem helfen.”
    Ja, so ist es.

  18. #18 Ludmila Carone
    4. April 2009

    @Jürgen Schönstein:
    Du spekulierst. Nach fast 12 Jahren sollte es doch nicht so schwer sein, Belege zu finden. Und Daten. Wo sind die? Du könntest ja auch völlig falsch liegen.

    Vorstellen kann man sich immer vieles und wie war das noch? “The way to hell is paved with good intentions.”

    Aber mal ein anderes Problem. Irre ich mich da, oder sollte Medizin nicht eigentlich Ideologiefreier Raum sein? Ich spreche nicht von der Kapellen in Krankenhäusern, die jedem frei steht oder dem Priester, der nach Wunsch geholt wird, um Seelsorge zu treiben. Seelsorge ist das eine, Medizin was anderes.

    Kennst Du katholische Medikamente? Moslemische? Buddhistische? Hinduistische?

    Und insbesondere Reiki ist ein Glaubenssystem. Die Gedanken dahinter sind eine unüberprüfbare Ideologie aus Japan.

    Schön. Wieso drücken wir den Leuten nicht einfach zusätzlich katholische Rosenkränze in die Hand? Nach dem Motto: Glauben hilft und Placebo und so und wer heilt hat Recht. Und wieso sollten denn bitte Glaubenssysteme aus dem Osten bevorzugt werden? Klingt irgendwie nicht ideologisch wertneutral.

    Stell es Dir einfach vor! Ersetze Akkupunktur mal gedanklich mit katholischen Rosenkränzen. Und sag nicht, das ist was anderes. Die Lehre der Akkupunktur und vielmehr des Reiki verlangt zu glauben.

    Einem Katholik mag das helfen und keiner wird dem das wegnehmen. Das gibt den Leuten noch lange nicht das Recht, andere Patienten zum katholischen Glauben zu bekehren, damit der Rosenkranz vielleicht über Placebo hilft. Und wenn Du einem Juden einen Rosenkranz in die Hand drückst, wirst Du Dein blaues Wunder erleben. Dann kannst Du noch so oft beteuern, dass Du heilen wolltest.

    Ein Institut zur Erforschung katholischer Rituale im Bereich Medizin würde ja auch sehr seltsam betrachtet. Oder nicht? Wieso eigentlich? Mach Deinen Geist offen! Blick über den Tellerrand! Vielleicht bietet der Katholizismus die Lösungen. Exorzimus z.B. wird ja seit Jahrhunderten eingesetzt und wenn so viele Menschen dran glauben und das sogar in der Bibel steht. Und die Berichte über die Todesfälle sind übertrieben und nein natürlich will man nicht den Psychiatern ins Handwerk pfuschen. Das ist doch Ergänzung! Was soll man denn gegen Ergänzung haben? Wenn es denn hilft?

    Etc. etc.

    Vielleicht braucht es auch kein Yoga. Vielleicht ist der kostenlose Spaziergang im Park mit dem Partner wirkungsvoller. Vielleicht braucht es keine Akupunktur, vielleicht reicht auch eine Massage. Oder ein heißes Bad. Immerhin entspannt das ganz sicher. Oder man schenkt den Patienten ein Haustier, um das sie sich kümmern können. Wenn es der Zustand erlaubt. Animiert die Leute dazu sich hobbymäßig zu betätigen, damit sie abgelenkt sind, sich nicht langweilen usw. usf.

    Vielleicht muss man den Leuten auch einfach ins Gesicht sehen und sagen: “Es tut mir leid, wir können Ihr Leben nur erleichtern und den Krebs nicht heilen.” Und dann geben wir den Leuten professionelle psychologische Hilfe an die Hand, dass sie damit zurecht kommen.

    Usw.usf.

    Ich kann mir so viele Methoden vorstellen, die helfen könnten. Dazu muss ich die Leute nicht den Lehren eines östlichen Glaubenssystem unterwerfen. Und denen das auch noch verschweigen, auf was für einem Fundament das steht, was ich denen da erzähle. Das ist doch unethisch.

    Ist doch arg komisch. Sobald Ideologien aus dem “ohhm” Osten kommen, dann ist irgendwie alles erlaubt. Katholische Rosenkränze sind wohl nicht sexy oder mysteriös genug.

  19. #19 Jürgen Schönstein
    4. April 2009

    @Ludmila
    Muss an der späten Stunde liegen – ich kann Deinem letzten Kommentar nicht mehr folgen. Ich spekuliere – äh, worüber noch mal? Dass am MD Anderson Cancer Center geforscht wird? dass Lorenzo Cohen eine Liste von Publikationen und NIH-geförderten Forschungsprojekten vorweisen kann, die auf seiner Klinik-Website nachzuschagen ist? Lass mal stecken, ich bin nicht das MD Anderson Cancer Center, aber mit welcher evidenzbasierten Gewissheit man behaupten könnte, dass die Arbeiten, die dort publiziert wurden, alle wertlos sind – weiß ich nicht. Auch hier ist Occams Rasiermesser vielleicht ein besseres Instrument.
    Wer sagt den irgendwo, dass den Patienten dort nicht frei steht, aus dem Angebot zu wählen? Steht das irgendwo? Wird irgendwer in der Medizin gezwungen, irgend etwas mit sich machen zu lassen? Da phantasierst Du Dir doch eine Welt zusammen – eine Hölle, um genauer zu sein (was ich zurücknehme, falls Du diese von Dir so einschlägig geschilderten Praktiken aus eigener Erfahrung kennst oder zumindest zuverlässige, evidenzbasierte Quellen gefunden hast). Ich bin überrascht, dass ausgerechnut Du so ein Negativbild des medizinischen Alltags zeichnest, aber ich weiß natürlich nicht, auf welchen persönlichen Erfahrungen das beruht (ich weiß nur, dass es Leute gibt, die mich ob einer solchen Aussage des Ärztebashings bezichtigt hätten). Und dass der Seelsorger zum Klinikalltag gehört, muss einem zwar nicht unbedingt passen, aber dass es ihn gibt und er für viele Patienten ein wichtiger Service ist, bleibt davon unberührt.
    Nochmal, und ich weiß nicht, ob man es noch deutlicher sagen kann: Akupunktur heißt, mit Nadeln pieksen. Es heißt nicht beten oder sonstwas. Und ob Du es glaubst oder nicht: Man kann natürlich jemanden mit einer Nadel pieksen, ohne gleich in Bausch und Bogen die gesamte TCM-Mythologie zu übernehmen. Man kann auch aus Weidenrinde Salicylsäure gewinnen und schließlich Aspirin erfinden, ohne ein Bronzezeit-Schamane geworden zu sein. Man kann Pflanzenextrakte des Amazonas erforschen, ohne sich zum indianischen Medizinmann zu verwandeln. Man kann, schlicht gesagt, aus Beobachtung lernen und dann, mit wissenschaftlichen Methoden, austesten, was davon nutzbar ist. Geschieht ja auch genau so.
    Tja, und wenn einem Patienten der Rosenkranz hülfe, würdest Du ihm den wegnehmen wollen? Frag’ doch mal einen Arzt, was er von so einem Vorschlag hält …
    Sei mir nicht böse, aber ich finde viel von dem, was Du in Deinem letzten Kommentar geschrieben hast, einen an den Haaren herbei gezogenen Quatsch, in dem von Zwangsmissionierungen und mit Rosenkränzen gefolterten Juden die Rede ist.
    Oder von heilenden Spaziergängen … Wenn der Spaziergang hilft, dann wird der Arzt es dem Patienten nicht verwehren – aber vielleicht gibt es ja Gründe, warum er nicht hilft, weil er die falschen Muskelgruppen benutzt. Vielleicht gibt es Leute, die Gegenden wohnen, wo man nicht wirklich spzieren gehen kann (glaub’ mir, ich könnte Dir eine ganze Menge solcher Ecken zeigen. Nicht jeder lebt in einem Idyll). Vielleicht gibt es viele Patienten, die Spaziergänge nicht ernst genug nehmen, selbst wenn sie der Doktor empfiehlt … vielleicht, vielleicht. Vielleicht besteht der Mond aber wirklich aus grünem Käse …
    Weißt Du was? Ich bring jetzt meinen Sohn ins Bett, das ist mir kostbarer.

  20. #20 Jörg
    4. April 2009

    hnell kommt), ohne dadurch zu viel an Lebensqualität, Selbstbewusstsein etc. einzubüßen. Als Dauer-Pflegefall würde das wohl kaum gelingen. Und welches Geld wird verschwendet, wenn ein Patient anstatt in ein Physiotherapiestudio zum Stundenpreis von >150 Dollar zu gehen, eine Qigong- oder Yogaklasse für 15 oder 20 Dollar besucht/

    Ah, die gute traditionelle östliche Medizin. Weil kein Geld für alle da ist, wird aus der Not mal schnell TCM von Mao hervorgezaubert. Das ist der Kernpunkt der großartigen östlichen Heilkunst: Hauptsache etwas, damit das Volk nicht murrt. Fantastische Grundlage.
    Im übrigen fällt mir nur noch der gute Spruch ein: Wie nennt man alternative Medizin die hilft? Medizin.

  21. #21 erich egermann
    4. April 2009

    1. Herzlichen Dank für den Artikel und die interessante Diskussion
    2. @ Jürgen Schönstein: Komm. 4.4. 00:39 h, Leider ist die Argumentation falsch, in Wirklichkeit ist es so, daß bei uns die “gute , ganzheitliche , sanfte AlterNaiv-Medizin” für den Patienten wesentlich teurer ist, als die Solidargemeinschaftlich bezahlte Sozialstaatliche KrankenkassenMedizin.
    Erst vor kurzem habe ich an andrer Stelle in Scienceblogs (Medlog-? )das Beispiel von der von heftigen klimakterischen Beschwerden geplagten Patientin gebracht, die aus lauter Angst vor der “schulmedizinischen” Hormontherapie ( KrebsRisiko ? ! Nebenwirkungen ?! Chemie ?! ) zr AlterNaiv Heilerin gegangen ist. 100,-Euro ErstOrdi, 50,-Euro jede weitere , nicht gezählt die Glaubuli, Drachenelixiere und weißGott was sonst noch. ( Genützt hats nix )
    3. Aus diesem Grund verstehe ich den Beißreflex von Ludmille sehr gut , und –
    4. glaube ich auch nicht, daß man das offensichtlich US-amerikanische Beispiel vom
    teuren Physiotherapiestudio und dem angeblich “billigen” TschiGong und andrem zeugs so einfach akzeptieren kann.

  22. #22 Jürgen Schönstein
    4. April 2009

    @Jörg
    Sorry, Du hast meinen Einwand nicht verstanden: Er richtete sich lediglich gegen das nicht belegbare Argument, dass hier Geld verschwendet wird. Und alles Weitere hab ich hier schon bis zur Erschöpfung ausgeführt. Lies bitte einfach noch mal ganz von Anfang durch.

  23. #23 Jürgen Schönstein
    4. April 2009

    @erich egermann
    Auch Sie gehen von der falschen Annahme aus, dass hier eine “Alternative” zur Medizin gesucht würde. Nicht nur war davon nie die Rede, ich habe auch ausdrücklich erklärt, dass die Arbeit von Cohen et al. darum geht, Krebspatienten bei der Bewältigung von Problemen zu helfen, die ausdrücklich nicht medizinisch sind. Verfolgen Sie doch bitte den Dikussionsstrang zwischen mir und GeMa – und lassen Sie bitte alle Spekulationen, hier sollten ahnungslose Patienten der wahren Behandlung entzogen und zum teuren Homöopathen getrieben oder zu fernöstlichem Sektierertum bekehrt werden, da wo sie hingehören: Gaaaanz weit draußen.

  24. #24 Jörg
    4. April 2009

    Das sagt Lorenzo Cohen:

    “Funding has gone to easier areas to research, like whether a drug can prevent cancer recurrence,” says Lorenzo Cohen, who runs the integrative care center at M. D. Anderson. That’s simpler to study, he points out, than whether a complicated mix of diet, exercise and stress reduction techniques can keep the micro-environment hostile to cancer

    Da müssen doch alle Alarmlampen angehen, wenn man nur ab und zu NeuroLogica oder Science-Based Medicine oder Respectful Insolence liest! CAM ist ja seit einiger Zeit auch als “Integrative Medicine” umgebrandet worden, nicht ohne Grund.

    Die Geldsache ist vor allem eine Frage: Ist die Therapie wissenschaftlich bewiesen, zu helfen? Wenn ja, dann warum? BESTIMMT NICHT, weil es traditionell chinesisch ist. Wenn man dann studiert, ob Yoga hilfreich ist, und nicht etwa welche Bewegungen davon generell psychologisch sinnvoll sind, dann ist es Betrug am Patienten und Betrug am Steuerzahler.

  25. #25 Jörg
    4. April 2009

    Auch Sie gehen von der falschen Annahme aus, dass hier eine “Alternative” zur Medizin gesucht würde.

    Ach das ist doch genau die Masche, statt “alternativ” ist es plötzlich “integrativ”. Rebranding, immer wieder beliebt, um Pseudowissenschaft durchzudrücken.

  26. #26 Jörg
    4. April 2009

    Hervorragend, die Seite das Anderson Medical Center

    https://www.mdanderson.org/departments/wellness/dIndex.cfm?pn=9CD50890-76BE-11D4-AEC300508BDCCE3A

    Da ist ja ALLES dabei, was man sich an pseudowissenschaftlichem Woo zusammenreimen kann, bunt gemischt mit vernünfitg klingenden Maßnahmen, die aber auch bunt in das Knäuel reingemischt werden. Meine Güte, die bieten Energietherapien an, um die Körperenergie im oder außerhalb des Körpers zu fokussieren, da muss einem doch schlecht werden!

    Nicht umsonst ist das Anderson Medical Center in Oracs “Super Woo” List
    https://scienceblogs.com/insolence/2007/11/the_woo_aggregator.php

    Ok, jetzt aber mal abgesehen davon. Wenn man die Veröffentlichungen von Lorenzo Cohen sieht, ist er vor allem um die Lebensqualität bemüht, das ist ja gut und wichtig. Aber sobald da “integrative” “Medizin” dazukommt, ist die Grenz überschritten. Pseudowissenschaft hat in der Lebensqualitätsforschung genauso wenig verloren wie in der eigentlichen Therapie. Da ist es absolut egal ob es Akupunktur oder Energiefokussierung ist – wenn es nicht evidenzbasiert hilft, so wie es angwendet wird, dann ist es Pseudowissenschaft.

  27. #27 erich egermann
    4. April 2009

    @ Schönstein , Ganz lieben Dank für die prompte Replik,
    1. dennoch ist es für mich etwas beunruhigend, wenn wir – gezwungen durch den “Zeitgeist” – alterNAive, komplementäre und andre esoterische Dinge den Patienten “anbieten” müssen, nur damit die armen Kranken nicht ganz in die AlterNaiv-Szene abrutschen und auf die seriöse Medizin völlig verzichten.
    2. Glauben Sie wirklich , daß die Ängste eines schwer erkrankten
    Menschen – “nicht medizinisch” sind ??
    3. Durch das “Integrieren”, “Mit_Anbieten” von esoterischem AlterNaivKram in universitären Einrichtungen erhalten diese Dinge eine Aufwertung, die ihnen einfach nicht gebührt.
    4. Natürlich habe ich die Diskussion zwischen Ihnen und GeMa nochmal gelesen.
    In Keiner Weise wollte ich Ihnen mit dem vorigen Kommentar auf den Schlips treten . Beste Grüße e.e.

  28. #28 GeMa
    4. April 2009

    Ich fände es wichtig, wenn wissenschaftlich basierte Medizin nicht länger vor dem voo und foo in die Knie ginge und sich den ethischen Fragen stellte. Wir hatten das Thema ja schon in anderen Threads angerissen. – Bsp. Nadeln, je massiver eine Manipulation, umso größer der (Placebo)effekt. Sollte man oder sollte man nicht, obwohl man um die Effekte und deren Ursache weiß?
    Wenn ja – dann ab mit solchen Dingen in die reguläre Therapiepalette und idealerweise unter Bezeichnungen, die es ganz klar dem ideologisch geprägten Überbau (egal, welcher Provinienz) enthebt.
    Wenn nicht – ab auf den Müll der Irrtümer. Ich sehe wirklich nicht ein, warum bspw. eine bestimmte (sehr gute) OP Technik wieder aussortiert werden kann, wenn sich nach Jahren herausstellt, dass sie Langzeitfolgen haben kann, die die bestehenden Vorteile aufwiegen – bei alternativer Medizin so ein Vorgehen aber ohne Glaubenskämpfe scheinbar unmöglich erscheint.

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass das Ausweichen gegenüber der ethischen Fragestellungen auch eine Ursache der bestehenden Parallelwelten in der Medizin ist. Für Patienten ist das ohnehin kaum mehr klar durchschaubar.

    Meine Mutter hat mir vergangene Woche von ihrer Akupunktur berichtet. Mal abgesehen davon, dass wir den Heilerfolg auch mit den _parallel_ eingenommenen Medikamenten im Nachhinein gut erklären konnten – sie fühlt sich betrogen und schwer getäuscht.
    1) sie hat es von einer Ärztin empfohlen und vorgenommen erhalten
    2) es tat ihr weh und hätte im Nachhinein lieber den Medikamenten und ggfs. einer Physiotherapie allein den Vorzug gegeben, wenn sie über “Meridiane” und was hinter dem Gedankengebäude steckt, unterrichtet gewesen wäre
    3) sie hat keinerlei Affinität (oder Verständnis) zu kritiklosem Hinterherturnen der “Errungenschaften” der großen Kulturrevolution oder sonstiger (“jahrtausendealter”) Traditionen
    4) sie wechselt den Arzt, weil sie das Vertrauen in die Kompetenz und Kritikfähigkeit ihrer Ärztin mit dieser Aktion verloren hat

    So rum passiert es eben auch.

  29. #29 Ludmila Carone
    4. April 2009

    Akupunktur heißt, mit Nadeln pieksen. Es heißt nicht beten oder sonstwas. Und ob Du es glaubst oder nicht: Man kann natürlich jemanden mit einer Nadel pieksen, ohne gleich in Bausch und Bogen die gesamte TCM-Mythologie zu übernehmen.

    Ja Jürgen, wir müssen unbedingt die volle Heilkraft der traditionellen Medizin ausloten. Aber warum denn so einseitig? Eats meets West? Warum nicht East, South, North meets West? Überhaupt ist es eine Schande, dass die amerikanischen Ureinwohner mit ihrem Wissen schmählich vernachlässigt werden. Also bitte mehr traditioneller Schamanismus in der Medizin.

    Scientologie hat übrigens sogar technische Geräte, mit denen man angeblich ganz tolle Dinge anstellen kann. Das muss unbedingt erforscht werden. Nur weil man sich an so ein Gerät anschließt, wird man doch nicht zum Scientologen.

    Rosenkränze beten heißt doch auch nur ein paar Kugeln durch die Hand gleiten zu lassen und immer wieder dieselben Worte aufzusagen. Die Segnungen dieser Methode können wir doch nichtkatholischen Patienten nicht vorenthalten? Wenn es denn hilft?

    Also was soll’s. Sogar Moslems verwenden Rosenkränze. Also lass uns bitte an alle Patienten Rosenkränze verteilen, sie Ave Marias beten lassen und das erforschen. Wenn schon, denn schon.

    Überhaupt dieser alternative Kram ist viel zu begrenzt und viel zu sehr auf den fernen Osten fixiert. Da fehlen doch über 90% aller “traditionellen Medizinen” weltweit. Was für eine Verschwendung!

    Also:
    Nach Akkupunktur und Reiki und Rosenkränzen brauchen wir alleine schon aus Gründen der Gleichheit bitte mehr Forschung in
    – die Wirksamkeit von Tigerpenissen auf die Potenz. Was hätten wir da noch? Ach Elfenbein von Nashörnern und Elefanten.
    – Exorzismus ( allein schon wegen der vielen coolen Filme, die da hinterher rauskommen)
    – Gebete von verschiedenen Religionen
    – Voodoo, aber bitte das echte aus dem karibischen, bzw. dem Süden der USA. Eine Klinik in New Orleans bietet sich förmlich an zur Erforschung Schwarzen Hahnen-Blutes auf den Verlauf von Krebserkrankung an. Müsste absolut faszinierend sein. Und wer weiß, vielleicht funktioniert dieser “Tote zum Leben erwecken”-Kram ja wirklich? Die Möglichkeiten, die sich da erschließen, wenn man mal über den Tellerrand blickt!
    – Ayurveda. Aber bitte den echten. Also mit Einläufen und Brechmitteln und so.
    – Australische Traumreisen
    – Hexerei aller Art. Angefangen von den neumodischen Wiccas über die traditionelle Hexerei, die noch in ärmeren Gebieten verbreitet wird. Die haben ja auch Heilkräuter.
    – Alle Ausprägungen von Schamanismus. Die Inuit haben da sicherlich einiges auf Lager.
    – Und irgendwo wird doch sicherlich einem Todkranken noch eine Jungfrau ins Bett gelegt, um ihm seine Energien wieder aufzuladen. Ich finde ja sowieso, dass Frauen auch ein Anrecht auf männliche Jungfrauen haben.
    -Pendeln. Wir müssen unbedingt pendeln.
    – Geisterheilung
    – Lichtfasten und was sonst noch so Sekten an Methoden verwenden

    Und wenn mit allen noch halbwegs lebendigen traditionellen Verfahren fertig sind, können wir uns ja als nächstes die ausgestorbenen annehmen.

    – die römische Eingeweidenschau als Diagnosemethode sollte man nicht einfach links liegen lassen. Immerhin haben die ja ein Weltreich erobert. Macht zwar eine ganz schöne Schweinerei, wenn man Tauben bei lebendigem Leib aufschlitzt, aber was soll’s? Wenn es denn helfen sollte?

    Ach, ich denke, es gibt sicherlich noch viel, viel mehr Methoden, die ich hier nicht angerissen habe. Die müssen alle, alle erforscht und am Patienten ausprobiert werden. TCM und Akkupunktur und Reiki ist nur der Anfang.

    Und dann gehen wir noch mal weiter zu den UFO-Sekten, dann gibt es nämlich:
    Space meets West. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt und wir müssen und sollten die alle, alle reinlassen.

    Albern? Wieso? Beim Voodoo wird doch auch mit Nadeln hantiert? Also, wenn Akkupunktur, warum nicht auch Voodoo? Und Energien haben die alle irgendwo im Repertoire nicht nur Reiki. Wo ist denn hier Occams Rasiermesser? Oder legst Du das jetzt zugunsten “authority by institute” weg?

    Übrigens, wenn ich nach Lorenzos Cohens Studien schaue dann sehe ich vor allem Werbe-Artikel, wie man das Zeug “integriert”. Und im fernen Osten ist der wohl viel unterwegs.
    https://scholar.google.de/scholar?hl=de&lr=&q=Lorenzo+Cohen+accupuncture&as_ylo=1997&as_yhi=2009&btnG=Suche&lr=

    Ich hab keine einzige doppelt-randomisierte Placebokontrollierte Studie von ihm gefunden.

    Stattdessen das hier
    “Acupuncture to prevent prolonged postoperative ileus: a randomized controlled trial”

    published in “Medical Acupuncture, 2008”

    Seit 1997 hat er da nicht mehr gemacht? Und dann eine Studie ohne Placebo und mit 38 Patienten pro Gruppe. Evidenz sammeln ist wohl nicht unbedingt Cohens Anliegen, oder? Na ja, rumreisen und Propa *pardon* Werbung machen, kostet ja Zeit. Die kann er nicht darauf verschwenden Evidenz zu sammeln. Und wie man an Deinem Artikel sieht, dann funktioniert es sogar. Das muss man dem Mann lassen.

    Aber das liegt bestimmt nur an Google Scholar. Der hat alle anderen Arbeiten aus dem Jahr 1997-2009 geschluckt. Ich kann ja mal an der Uni schauen, ob ich da mehr Evidenz finden kann. Aber irgendwie bezweifle ich das stark.

    Quacademics ist der Ausdruck, denn einige Medizinblogger in den USA für Leute wie Cohen geprägt haben. Ich finde das passt hier.

    Ach und die Medizinblogger zeichnet Authority by medical training and profession und authority by rational explanation aus. Nicht authority by blogging. Das ist nur das Medium. Und Dein authority by institute ist so eine Sache. Das zieht nicht. Und selbst Occams Rasiermesser ist mehr so eine Pi-mal-Daumen Regel und ganz sicherlich nicht ehernes Gesetz.

  30. #30 Ludmila
    4. April 2009

    Ach bei Cohen habe ich nur die Forschung bezüglich Akkupunktur in den Jahren 1997-2009 gesucht. Der Vollständigkeit halber. Denn darum ging es ja hier vor allem.

  31. #31 Rincewind
    5. April 2009

    Gibt noch viel zu erforschen:

    * Astrologie
    * Tarot
    * Runen
    * I-Ging
    * Kaffeesatz
    * aufgeschlagene Eier
    * Kristallkugel
    * Handlesen
    * Vogelflug (Ornithomanthie)
    * Schlangenbewegung (Ophiomantie)
    * Verhalten von Ratten (Myomantie)
    * Verhalten von Katzen (Felidomantie)
    * Verhalten von Pferden (Hippomantie)
    * Lesen aus Eingeweiden allgemein(Splanchnomantie)
    * Lesen aus Eingeweiden von Fischen (Ichthyomantie)
    * Holzverbrennung (Xylomantie)
    * Verbrennung von Lorbeerzweigen (Daphnomantie)
    * Salzstreuen (Halomantie)
    * Wolkenbeobachtung (Nephelomantie)
    * Beobachtung des eigenen Nabels (Omphalomantie)
    * Wachsgießen (Ceromantie)
    * Bleigießen (Molybdomantie)
    * Deutung hysterischen Gelächters (Gelomantie)
    * Kartenlegen (Kartomantie)
    * Geomantie
    * Urindeutung (Uromantie)

    (nur ein kleiner Auszug um nicht zu langweilen)

  32. #32 Querdenker
    5. April 2009

    … da hat Jürgen Schönstein einen wirklich gelungenen, objektive Blog verfasst, und schon kollabieren die subjektiven Weltbilder einiger Science-Dogmatiker.

    Fehlt nur noch dass einer schreibt: “Jürgen, dass ist Kollaboration mit dem Feind.”

  33. #33 Ludmila Carone
    5. April 2009

    Och ja, ich vergaß. Schlangenöl-Forschung brauchen wir unbedingt, wenn wir schon über den Tellerrand schauen:
    – Die Wirksamkeit von Knoblauch, Duschen und Papaya als Heilmittel gegen AIDS.

    Danke Querdenker! Was wäre die Welt ohne AIDS-Leugner und Schlangenöl-Verkäufer.

    Hmm, ab wann ist man eigentlich beim über den Tellerrand schauen, auf den Teller draufgefallen?

  34. #34 Querdenker
    5. April 2009

    @ Ludmila,

    was für ein Blödsinn du doch schreibst.

  35. #35 Jörg
    5. April 2009

    was für ein Blödsinn du doch schreibst.

    Na jetzt hast du es aber bekommen, Ludmila…*facepalm*

  36. #36 Jürgen Schönstein
    5. April 2009

    @Ludmila, Jörg, Rincewind etc.
    Man kann diese “Diskussion” natürlich unbegrenzt fortführen – da sich aber keines dieser Argumente auf das bezieht, worum es hier geht (es geht eben NICHT um Medizin, die ja von all dem hier a priori unberührt bleibt), wird sie sich unbegrenzt auf der Stelle drehen. Aber es steht in meinen Augen jedem natürlich frei, auch das Pflästerchen auf dem Kratzer am Knie abzulehnen, weil dessen Verabreichung nicht doppelverblindet und placebokontrolliert erforscht wurde und daher wissenschaftlich nicht akzeptabel ist …

  37. #37 sil
    5. April 2009

    Pflaster ist wenigestens sciencebased.
    Die Wirkung ist plausibel und mit dem Verständnis von Wunden vereinbar.

    Chi, Meridiane und Chakren sind lose Behauptungen und haben keine Entsprechungen in der realen Welt der Anatomie.

    Dass uns gerade die Chinesen vormachen, wie perfektes Marketing funktioniert, ist ganz schön skurril.

    Warum in die Ferne schweifen, das Abergläubige liegt doch so nah?
    “An der trockenen Luft” müsse es schließlich hängen. Dann werde es am Ende “vergleichbar mit geräuchertem Fleisch” sein – und “nicht stinken”.
    Der deutsche Pharmakologe Johann Schröder notierte diese Worte im 17. Jahrhundert. Indes, hier ist nicht von Katenschinken oder Rinderlende die Rede. In der Anleitung geht es um den “frischen Kadaver eines rothaarigen Mannes”, “etwa 24 Jahre alt”, der “gehängt, gerädert oder geköpft” werden und dann “einen Tag und eine Nacht in Sonne und Mond” gelegen haben sollte – bei “heiterem Wetter”, wohlgemerkt.””

    Wir sollten solches jahrhundertealtes Wissen mit dem gehörigen Respekt betrachten und endlich mal in diese Richtung forschen.
    Leichen gibt es schließlich genug, da müssen wir wenigstens keine Seepferdchen, Tiger und Nashörner ausrotten. Das wäre wesentlich nachhaltiger.

    Die TAM (traditionelle afrikanische Medizin) kriegt man sicher bei der Ethikkomission nicht so leicht durch. Die verwenden frische Körperteile von Albinos für Zaubertränke.

  38. #38 Ludmila Carone
    6. April 2009

    @Jürgen: Wie ein Pflaster wirkt, das ist science-based medicine. Da sagt keiner, hau drauf, weil Dir sonst Energie rausleckt. Und wehe Du wagst es zu zweifeln und zu fragen!

    Aber nicht ablenken!
    Die Webseite von Deinem ach so angesehen Institut hat folgendes Angebot auf seiner Webseite:
    https://www.mdanderson.org/departments/wellness/dIndex.cfm?pn=65AE0E70-66D7-482C-89AE20F4E6C8B852

    Tibetan Meditation: Sacred Sounds (25:53)
    Focusing on the sacred sounds from the Bön tradition can help to dispel obstacles and connect to your deeper self.

    Wow, Wahnsinn was man alles gefördert bekommt.

    Öhm, äh ja. Wie war das noch mit religiöser Neutralität?

    Und wie war das noch mit den Gebeten der verschiedenen Weltreligionen? Wie wir sehen, haben die das tatsächlich im Programm. Na, dann verlange ich aber jetzt bitte Gleicheit! Gregorianische Gesänge, Popmusik, afrikanische Buschtrommeln. Gleiches Recht für alle. Wieso soll denn der Osten immer das Monopol auf das “deeper self” haben?

    Ich sag es doch. Rosenkränze. Wir müssen jedem Krebspatienten einen Rosenkranz aufdrängen. Und wer ruft Scientologie an, damit die auch ihre Methoden krebskranken verzweifelten Menschen anbietet?

    Das ist ein Wellness-Massage-Tempel, der sich die Meriten der Universität angeklebt hat, um vom Nimbus der Wissenschaftlichkeit zu zehren. Oh ja
    Focusing on the sacred sounds from the Bön tradition can help to dispel obstacles and connect to your deeper self.

    Ja ich bin ja sehr gespannt, wie man evidenz- oder sciencebased die “Connection with your deeper self” erklären will.

  39. #39 Jörg
    6. April 2009

    Man kann diese “Diskussion” natürlich unbegrenzt fortführen – da sich aber keines dieser Argumente auf das bezieht, worum es hier geht (es geht eben NICHT um Medizin, die ja von all dem hier a priori unberührt bleibt), wird sie sich unbegrenzt auf der Stelle drehen.

    Uh…wie kann es NICHT um Medizin gehen? Es geht darum, Menschen zu heilen oder bestmöglich zu behandeln, und da muss natürlich die begleitende Behandlung genauso medizinisch auf den bestmöglichen evidenzbasierten wissenschaftlichen Methoden beruhen. Diese vorgebliche Trennung ist wieder mal nur eine Masche, um ein Türchen für Pseudowissenschaft zu öffnen.

    Aber es steht in meinen Augen jedem natürlich frei, auch das Pflästerchen auf dem Kratzer am Knie abzulehnen, weil dessen Verabreichung nicht doppelverblindet und placebokontrolliert erforscht wurde und daher wissenschaftlich nicht akzeptabel ist …

    Na jetzt wird es aber peinlich. “Reductio ad absurdum”? Mal abgesehen davon, dass ich selbstverständlich erwarte, dass Pflaster nach wissenschaftlichen Maßstäbe qualitativ produziert werden, schließlich will ich mir etwas steriles da drauf kleben, ist Pflaster natürlich auch kein Produkt, für das Doppelblindstudien die richtige Methode sind. Es geht nicht um die Untersuchung einer Wirkung, aber das heißt nicht, dass nicht auch hier die besten Methoden zur Qualitätssicherung eingesetzt werden sollten. Außerdem ist nicht eine Verabreichung doppelverblindet sondern der Prozess der Entwicklung einer Methode/eines Medikamentes.
    Aber darum geht es gar nicht. Es geht die “Hauptsache irgendwas in der Patienten reinstecken”-Haltung, die die Tür für Pseudowissenschaft offenhält. Kurzum, Jürgen, du sagts es sei ok irgendwas zu tun, und dafür auch irgendwas herzunehmen was halt rumliegt und gut klingt, statt etwas auf Basis der besten wissenschaftlichen Methoden zu entwickeln und untersuchen, unvoreingenommen von “Tradition” oder auch nur Wünschen der Patienten.
    Es geht nicht um Krankenhausalltag, es geht darum dass eine systematische Verwässerung der wissenschaftliche Methode stattfindet, und das kann nur konsequent eine Verschlechterung für den Patienten bedeuten.
    Ach und – es gibt keine Zwischenzeit, in der man halt mal irgendetwas reinsteckt. Entweder man tut es richtig, oder man wird es ohne große Mühe nicht mehr rückgängig machen können. Die Tür für Pseudowissenschaft ist schon weit geöffnet, jede Entschuldigung dafür ist purer Zündstoff für das wissenschaftliche Gebäude. Da bin ich ehrlich gesagt erschüttert, dass hier so klar sagen zu müssen.

  40. #40 Ronny
    6. April 2009

    Ich schließe mich der Meinung von Ludmilla an, denn ich sehe folgende Gefahr:
    1) Person A mit Krebs bekommt die Therapie ‘QiGong’
    2) Person B hört von Person A => QiGong heilt Krebs
    3) Person C glaubt das QiGong heilt und deshalb wirds von der Versicherung bezahlt
    4) Person D weiß dass QiGong Krebs heilt und verweigert andere Therapien.

    Man hat dann den Effekt, dass alle dafür bezahlen müssen und der Patient trotzdem tot ist 🙁

    Ein anderer (zugegeben provokanter) Vergleich ist so, als ob ich mein dickes Kind auf ein rechts- oder linksradikales Sportferienlager schicke. Wenn er zurück kommt wird er durch die Bewegung sicher körperlicher besser drauf sein, was allerdings seine Psyche anbelangt….
    Was spricht wirklich dagegen ein spezielles Fitnessprogramm für Krebspatienten zu definieren und dies auch genau unter diesem Namen anzubieten ? Wieso muss ich auf veraltete Konzepte zurückgreifen die auch noch medizinische Unmöglichkeiten transportieren ? Muss alles mystisch aufgepeppt sein, dass es die Menschen erreicht ?

  41. #41 Jörg
    6. April 2009

    Zufällig fasst grad eine Serie von Kimball Atwood die Motivation hinter CAM/Integrative Medicine an Universitäten gut zusammen:

    https://www.sciencebasedmedicine.org/?p=438
    https://www.sciencebasedmedicine.org/?p=441

  42. #42 Jürgen Schönstein
    6. April 2009

    Ich fange noch einmal von vorne an, denn irgendwie läuft diese Debatte auf der falschen Schiene.. Wer den ersten Absatz meines Postings noch einmal liest, wird den Satz finden: “Und ohne große Umschweife verrate ich hier gleich, dass ich das meiste, was mir dazu hinterher einfiel, doch lieber für mich behalten will – Skeptisches ebenso wie Zustimmendes.”

    Warum habe ich das geschrieben? Weil bei mir natürlich die gleichen Signalflaggen hochgehen, wenn ich von TCM lese, von Reiki, Mind-Body-Blabla und so weiter. Aber ich lebe halt auch in einer Welt, wo Krebs nicht nur ein abstraktes Forschungsfeld ist, sondern Leute trifft, die mir nahe stehen: Verwandte, Freunde, Verwandte von engen Freunden, Freunde von engen Verwandten …

    Was ich hier gelernt habe ist, dass die wissenschaftsbasierte Medzin nicht alles lösen kann, dass selbst nach dem besten, was die Medizin leisten kann, nach der besten chirurgischen, radiologischen, chemotherapeutischen Behandlung, die verfügbar ist, physische Schmerzen, vor allem aber psychische Qualen bleiben – und nichts, was ich mit meinem rational-wissenschaftlichen Hintergrund sagen könnte, wird daran etwas ändern. Was sagt man einer Mutter von zwei kleinen Kindern, die an Brustkrebs operiert wurde und trotz eines guten post-operativen Befundes nun für den Rest ihres Lebens sehr konkret fürchten muss, dass der Krebs zurückkehrt? Was einem engen Verwandten, dessen Mutter an Darmkrebs gestorben war und der selbst bereits eine – scheinbar erfolgreiche – Darmkrebsoperation hinter sich hat, aber nun bei der Nachuntersuchung erfuhr, dass der Krebs zurück gekehrt ist? Ja Ludmila, ich weiß: “Vielleicht muss man den Leuten auch einfach ins Gesicht sehen und sagen: “Es tut mir leid, wir können Ihr Leben nur erleichtern und den Krebs nicht heilen.” Klar, das hilft ihnen bestimmt. (Dass man nur die Statistiken anschauen muss, um zu begreifen, dass diese Ängste absolut berechtigt sind, spielt wohl keine Rolle, wenn’s ums Prinzip geht.)

    Kurz: Ich habe einsehen müssen, dass ich auch keine Antworten hätte. Und dass ich deswegen besser die Klappe halte und das Reden den Leuten überlasse, die ihre ganze Zeit damit verbringen, nach Antworten zu suchen – und zu helfen, wie auch immer.

    Aber dass ich dennoch zwei Punkte – und nur zwei Punkte: kein Schlangenöl, keine Leichen-Salben, keine sonstigen Zaubertinkturen, die dann in den nachstehenden Kommentaren plötzlich reininterpretiert wurden – aus Cohens Vortrag heraus gegriffen hatte, begründete sich genau mit dem Anspruch, den wir hier haben: Es gibt offenbar eine Evidenzbasis, die über irgend welche Mystik hinaus geht.

    Zur spezifisch eingesetzten Akupunktur gegen Übelkeit als Folge der Chemotherapie gibt es sogar ein im JAMA veröffentlichtes Statement der NIH, aus dem ich oben zitiert und auf das ich verlinkt habe. Das liegt, so dachte ich bisher, innerhalb der Standards wissenschaftsbasierter Forschung; dass dies in Wahrheit ein Komplott der TCM-Subversanten ist, die vom JAMA über die NIH praktisch alles erfolgreich unterwandert haben, wäre mir nicht aufgefallen. Wie dumm und naiv von mir, auf solch einen perfiden Trick reinzufallen …

    Die Qigong-Sache ist ebenfalls Bestandtteil einer Studie, die von allen Gremien der Uni und er NIH abgesegnet ist – klar, das Komplott schlägt auch hier wieder zu. Denn es kann ja nichts dran sein, und darum darf man es nicht erforschen. Dass es dafür möglicher Weise Daten gab, die einen Zusammenhang (der – siehe körperliche Bewegung – plausibel erklärbar wäre) vermuten lassen und eine wissenschaftliche Betrachtung rechtfertigen könnten, scheint auch nur ein Argument der TCM-Subversanten zu sein. Dass dies genau die Vorbedingung wäre, um wie Kommentator Ronny fordert “ein spezielles Fitnessprogramm für Krebspatienten zu definieren und dies auch genau unter diesem Namen anzubieten” muss dann wohl hinter dem Grundsatz zurück stehen, dass nichts, was mit TCM oder sonstiger religiöser Praxis verbindbar wäre, ein Gegenstand der Forschung, nein, der Behandlungs-Praxis nach unseren Standards sein kann. OK, wenn das so ist …

    Ach so, hab’ ich ganz vergessen: Pflegedienste wie das Diakonische Werk und Kliniken, die von kirchlichen Organisationen getragen werden, sind natürlich auch sofort zu schließen. Richtig? Nein, jetzt bitte nicht darauf antworten. Dies ist purer Sarkasmus, und den kann man nicht diskutieren.

  43. #43 Rincewind
    6. April 2009

    @Jürgen Schönstein: Ich weiß grad nicht, wo das Problem liegt. Ich habe erst im Januar einen sehr wichtigen Angehörigen verloren. Völlig verkrebst, er hatte eine einwandfreie Schmerzbehandlung und war viel zu jung, um zu sterben, er musste es trotzdem.

    Es ist doch völlig absurd zu glauben, dass eine moderne Medizin auch noch die tiefen existentiellen Probleme eines Menschen angesichts des Todes lösen könne. Sowas kann doch nur aus dem Freundeskreis kommen. “Trost”, Verständnis, Anteilnahme. Nochmal richtig gut Musik hören, nochmal richtig gut essen. So banal ist das, und dann ist halt Schluss.

    Hat wer sein Leben lang Qui Qong gemacht – wer wäre ich, ihm Angesichts des Todes das zu verbieten? Aber wer wäre ich, jemandem angesichts des Todes sowas zur Beruhigung zu empfehlen?

    Die moderne Medizin hat nichts mit dem Tod zu tun, sie will ihn verhindern. Man verlangt aber anscheinend von ihr, dass sie eine Antwort zu bieten hätte, wenn es doch passiert. Die gibt es aber nicht.

    Und ich sag ehrlich, dass mir so eine “Industrie” lieber ist als eine, die den Verzweifelten, die wir alle mal sein werden, ein dummes Disneyland vorspielt.

    Das perfide an der Sache ist, dass nicht der Sterbende mit dem Tod umgehen kann – der hat keine andere Chance – sondern dass wir es nicht können und den Sterbenden noch dazu benutzen.

  44. #44 Jürgen Schönstein
    7. April 2009

    @Rincewind
    Erst mal mein ehrliches Mitgefühl für Deinen Verlust – ich wollte nicht unsensibel den Eindruck erwecken, als ob niemand anderer die Tragweite des Problems begreifen könne (und falls dieser Eindruck entstanden ist, bitte ich um Entschuldigung). Natürlich hat Medizin ihre Grenzen, und die paramedizinische Betreuung, um die es hier ging, erst recht. Wo die Grenze zwischen helfen wollen und falsche Hoffnungen erzeugen liegt, ist etwas, das vermutlich immer eine subjektive Bewertung bleibt. Aber ich denke, es ist aus der Sicht der Heilberufe auch begreiflich (und anerkennenswert), dass sie nicht zu schnell aufgeben wollen. Und gerade bei Krebs gibt es ja auch positive Prognosen – warum soll man diese Patienten auf ein Sterben vorbereiten, das so schnell nicht kommen wird, so lange amn etwas dagegen tun kann? Ich will damit jetzt keine neue Diskussion anzetteln, sondern nur zeigen, dass es zu diesem Komplex viele tief gehende Fragen gibt, die einer Diskussion würdig waren. Aber warum man diese Versuche mit dem Tun von Schlangenölhändlern, Leichenfledderern und Scientologen – um nur ein paar Beispiele von früheren Kommentaren zu nennen – gleichsetzen muss, das kann ich dann eben nicht mehr nachvollziehen. Vor allem, wenn es etwas zu diskutieren gäbe, für das unser wissenschaftliches Vokabular absolut ausreichend wäre.

  45. #45 Ronny
    7. April 2009

    Zitat Hr. Schönstein: Es gibt offenbar eine Evidenzbasis, die über irgend welche Mystik hinaus geht.
    Das ist korrekt, es nennt sich Placeboeffekt und vielleicht ein Effekt von Selbstheilung ausgelöst durch die Verwundung. Ich glaube es wurde früher schon erwähnt, dass eine große Studie zu dem Schluss kam, dass Akupunktur tatsächlich einen Effekt hat, aber dass es vollkommen egal ist, wo man die Nadeln hinsteckt.

    Es tut mir Leid wenn ich und vielleicht auch Ludmilla den ‘Basher’ Eindruck erwecken. Vielleicht ist es nur ein Frust, dass man Fantasien und (provokant formuliert) Lügen braucht, damit sich Menschen wohl fühlen. Soll man Menschen die man achtet und liebt belügen damit sie sich besser fühlen ? Soll man ihnen Hoffnungen machen mit Therapien die nicht belegt sind und nur kleine Wirkungen haben während sie an einer tödlichen Krankheit leiden ? Soll man Ihnen Märchen über ein Leben nach dem Tod auftischen um die Angst zu reduzieren (wobei das auch nach hinten losgehen kann). Es stimmt, es ist sehr schwer hier die richtigen Worte zu finden, aber lügen … Nein, ich nicht.

    Es geht mir nicht darum TCM und Co zu verteufeln, ich sehe einfach nur keinerlei Hinweis wie das funktionieren könnte, ergo muss der vermeintliche positive Effekt andere Ursachen haben. Der Placeboeffekt ist eine gute Erklärung, daher lehne ich den ganzen Hokuspokus drumherum ab. Das war auch in meinem ersten Posting so zu lesen: Sucht die Ursache warum Akupunktur funktioniert (oder auch nicht) und es wird eine anerkannte Methode sein ! Sonst bleibts ein: ‘Manchmal funktionierts ein bißchen herumgestochere’ an dem sich alle finanziell beteiligen dürfen.
    Mein Vater ist auch früh an Krebs gestorben, aber wenn da jemand mit Nadeln gekommen wäre um ihm zu helfen hätte er vermutlich nur milde gelächelt.

    Ich stimme Rincewind zu. Wenn die Medizin nicht mehr helfen kann, dann legt die Nadeln weg und geht mit dem geliebten Menschen ein Bier trinken (oder was auch immer er mag).

  46. #46 Jürgen Schönstein
    7. April 2009

    @Ronny
    “Der Placeboeffekt ist eine gute Erklärung, daher lehne ich den ganzen Hokuspokus drumherum ab.”
    Absolut. Und wie besser kann man den Hokuspokus ausfiltern, als wenn man sich damit in einem wissenschaftlichen Rahmen befasst? Oder drehen wir uns doch lieber im Kreis und argumentieren: TCM wirkt nicht, weil sie Hokuspokus ist, wenn aber doch etwas wirken sollte, dann muss es eine wissenschaftliche Erklärung geben, die wir aber nicht suchen dürfen, weil wir uns grundsätzlich nicht mit TCM befassen, da sie Hokuspokus ist.

    Eine Frage noch: Existiert der Placeboeffekt auch dann, wenn es per Definition gar keinen Wirkstoff geben kann, den das Placebo “simulieren” könnte? Die Nadelstecherei, um die es hier geht, hat nicht den Zweck, Krebs zu heilen oder so – sie sollen lediglich helfen (und das NIH-Paper erklärt, dass sie dies in diesem speziellen Fall tatsächlich kann), die Nebenwirkungen der medizinischen Therapie, i.d.F. Übelkeit und Schwindelanfälle als Folge der Chemotherapie erträglich zu machen. Könnte man das auch medikamentös machen? Vielleicht, aber warum soll man Patienten, denen die Chemikalien schon zu den Unterlidern rauslaufen (Achtung! Das war ein Sprachbild, eine so genannte Hyperbel – kein Argument!), noch mehr Mittel zu schlucken geben, wenn ein Nadelstich ins Ohrläppchen oder sonstwo hin den gleichen oder eventuell sogar besseren Effekt hat? Niemand wird dazu übrigens gezwungen, wenn er lieber Tabletten schluckt oder kotzt, vermute ich …

  47. #47 Ulrich Berger
    8. April 2009

    Ich versuch’s mal sachlich: Cohen zitiert eine 11 Jahre alte NIH Consensus Conference mit “promising results for … nausea/vomiting”. Seither gab es zu dieser Indikation viele weitere Studien, zwei Cochrane Reviews und einen review dieser reviews. Letzterer ist up to date (April 2009) und stammt von einem Experten (E. Ernst): https://www.jpsmjournal.com/article/S0885-3924(08)00452-1/fulltext

    Daraus extrahiert:

    Despite the existence of numerous Cochrane reviews, only two conditions are currently supported by sound evidence from Cochrane reviews: nausea/vomiting and headache. Even for these indications, we must consider certain caveats […]

    The problem of adequately blinding patients and therapists in RCTs of acupuncture is not fully resolved. It is, therefore, notoriously difficult to control for nonspecific effects, and we can rarely be sure whether the therapeutic benefit is caused by acupuncture per se or by a placebo effect that might be sizable. The two reviews on nausea/vomiting included seven and 11 sham-controlled RCTs […].

    However, the types of sham procedures employed in these studies cannot adequately control for placebo effects. In recent years, several non-penetrating sham-acupuncture devices have been developed, which allow investigators to control more rigorously for nonspecific effects. Trials using this methodology are now emerging. The majority of these studies fail to demonstrate that acupuncture has any specific therapeutic effects. In particular, RCTs employing such devices fail to show that acupuncture is superior to sham-acupuncture for headache or nausea/vomiting.

    Das ist das, worauf ich schon mehrfach hingewiesen habe: Höchstwahrscheinlich ist Akupunktur bei einigen wenigen Indikationen ein starkes Placebo. Was bleibt, ist die Frage, ob man Patienten in diesen Fällen mit Placebos behandeln soll (das inkludiert meistens, sie ein wenig zu belügen). Aber das ist keine wissenschaftliche, sondern eine ethische Frage.

  48. #48 Karl Mistelberger
    8. April 2009

    Mein Beitrag landete vor vier Tagen auf dem Abstellgleis, da er zwei Links enthielt. Hier ist er nun ohne die Links:

    Wer sich in so schlechter psychischer Verfassung befindet tut gut daran, sich nicht mit der lapidaren Zusammenfassung “The first principle is that you must not fool yourself – and you are the easiest person to fool.” zu begnügen, sondern liest am besten die gesamte Ansprache Feynmans bei Bedarf auch mehrmals bis sich sein Zustand wieder gebessert hat und er erkennt, dass weder Ludmilla einen Beißreflex hat noch Feynmans Position irgend welche Dinge a priori ausschließt. Hilfreich auf dem Weg zu dieser Erkenntnis sind zahlreiche Videos, unter anderem dieses.

  49. #49 Jürgen Schönstein
    8. April 2009

    @Ulrich Berger
    “Ich versuch’s mal sachlich: “
    Vielen Dank!

  50. #50 Ludmila Carone
    8. April 2009

    @Jürgen: Um das mal klar zu sagen. Ich bin die letzte Person, die einem gläubigen Katholiken in der Stunde der Not seinen Rosenkranz wegnehmen würde. Ich bin die letzte Person, die einem gläubigen Esoteriker seine Kugeln wegnehmen würde.

    Im Alltag muss man halt abwägen, was man wem gibt. Das muss dann jeder für sich und seine Angehörigen ausmachen. Aber dann sollte man sie auch adäquat informieren. Nichts anderes verlange ich. Nennt doch bitte die Ideologe hinter Akkupunktur und Reiki beim Namen. Ist das wirklich zuviel verlangt?

    Ich verstehe einfach nicht, warum um Himmelswillen man Ideologie und Religion nicht offen und ehrlich als solche deklariert und warum Ideologien und Religionen so sehr nach einem “wissenschaftlichen” Adelsprädikat lechzen. Dann sagt doch “Es ist alles Glauben.” Fein. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er sich dem unterziehen will.

    Ich meine um Himmelswillen, “heilige tibetanische Gesänge”? An einer vorgeblich wissenschaftlichen Einrichtung? Wenn die einfach so ein Ding neben das Institut gebaut hätten und gesagt hätten “Hier bieten wir als Wellness-Maßnahme an. Hilft vielleicht, kann aber auch nicht schaden. Ist aus dem Bereich östliche Mystik entlehnt.” Fein, kein Problem. Aber hier wird stattdessen das Etikett “wissenschaftliche/medizinisch” angeklebt. Das ist doch Etikettenschwindel. Und unehrlich.

    Im Übrigen ich dachte eigentlich diese Grundhaltung einem Sterbenden gegenüber ja nicht Klartext gegenüber zu reden, hätte sich überholt. Genau deswegen halte ich Hospize für eine gute und förderungswürdige Maßnahme. Die Menschen gehen da hin, um zu sterben. Alle Beteiligten wissen das. Und ja sie kommen sehr gut damit zu Recht, dass sie das Haus nur als Leiche verlassen werden. Klingt das hart? Wieso?

    Ab einem gewissen Punkt ist man den Patienten und der Familie einfach Ehrlichkeit schuldig. Ihnen falsche Hoffnungen zu machen und das noch auszuprobieren und das und jenes usw. das halte ich für grundfalsch.

    Aber so ist das wohl leider in einer Gesellschaft, die den Tod und das Sterben zu einem Tabu gemacht hat.

    Und während die angeblich so unganzheitliche Schulmedizin witzigerweise das so langsam begreift und gerade in der Schmerztherapie von Todkranken in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt wurden und so langsam nach und nach die Ärzte raffen, dass man eben nicht alles machen, sondern von Einzelfall zu Einzelfall abwägen muss.

    Sehe ich dieselbe Einsicht nicht bei den angeblichen Alternativen. Vielmehr findet man da zuhauf gerade im Umfeld von Krebstherapien unhaltbare Heilsversprechen.
    Müssen wir dasselbe Spiel jetzt auf einem anderen Spielfeld noch mal spielen? Was soll das bringen?

  51. #51 Jürgen Schönstein
    8. April 2009

    @Ludmila
    Da sind wir ja durchaus auf in einem benachbarten Frequenzband, wenn schon ncht unbedingt immer auf einer Welllenlänge. Ich bin auch unbedingt für eine moralische Kennzeichnungspflicht – “Achtung, Produkt enthält esoterische Komponenten, die bei unsachgemäßem Konsum zum Verlust der Urteilsfähigkeit führen kann!” Aber man kann schon auch ein wenig darauf vertrauen, dass die Wissenschaft genug überzeugende Argumente für sich hat (die Patienten gehen ja bestimmt auch in diese Spezialkliniken, weil sie der Wissenschaft vertrauen – sonst würden sie ja gleich das Wellness-Zentrum vorziehen). Und noch etwas: Nicht jeder Krebspatient liegt im Sterben – Krebs ist, um Cohen noch einmal zu zitieren, in vielen Fällen eine chronische Krankheit geworden. Eine, mit der man (über-)leben kann, wenn man Glück hat – und manchmal tragen solche Kleinigkeiten wie Geistesverfassung oder Sinnsuche einen ganz erheblichen Teil zur Verbesserung der Überlebenschancen bei. Und das sollte man nicht einfach in die Humbug-Schublade schmeißen.