In der “freien Wildbahn” findet man Yoga-Anhänger ja zumeist im gleichen Biotop, das auch die Anhänger der Lehre des Herrn Hahnemann*, Sterndeutungsgläubige* und generelle Anhänger mystischer Lehren bevölkern. Aber immerhin ist Yoga (das ja angeblich auf uralte heilige Hindu-Praktiken zurück geht, in seiner heutigen Ausprägung aber eher eine neuzeitliche und vor allem sehr kommerzielle Erscheinung ist) eine definierte und aus anatomischer Sicht nachvollziehbare Form der körperlichen Bewegung; wenn also eine wissenschaftliche Studie – in diesem Fall Stress, Inflammation, and Yoga Practice, erschienen am 11. Januar in der Fachzeitschrift Psychosomatic Medicine – sich mit Yoga befasst und dabei physiologisch relevante Auswirkungen auf den Interleukin-6-Gehalt in ihrem Blut findet, dann kann man dies sicher mit ruhigem Gewissen** hier mal diskutieren.
* Ich trau mich ja gar nicht mehr, die Reizwörter zu verwenden, weil sonst wieder die Cranks aus allen Löchern kriechen
** Weil ich hier manchmal an die Grenzen dessen stoße, was meine Kollegen noch als wissenschaftlich akzeptieren
Durchgeführt wurde die Studie an der Ohio State University; im Folgenden stütze ich mich auf die Pressemitteilung der Uni, da ich an den Originalartikel nicht ohne Abo rankomme. Demnach wurden 50 Frauen im Alter von 41 Jahren in zwei Gruppen eingeteilt: die Yogaexpertinnen einerseits, die in den vergangenen ein bis zwei Jahren beständig ein oder zwei Mal wöchentlich Yoga praktiziert hatten, andererseits die “Novizinnen”, die bis dahin maximal zwölf Yogastunden genommen hatten. Beide Gruppen wurden dann den gleichen Tests unterzogen:
Drei mal innerhalb von zwei Wochen mussten sie erst Fragebögen ausfüllen und sich psychologisch auf ihre Gemütsverfassung und ihr Stressniveau untersuchen lassen. Dann kamen diverse Stresstests, von eiskalten Fußbädern bis hin zu schwierigen Kopfrechenaufgaben unter Zeitdruck. Während der gesamten Dauer der Tests trugen die Probandinnen Kanülen zur regelmäßigen Blutentnahme. Nach dem Stress kamen die Entspannungstests: Mal eine Yogastunde, mal ein gemächlicher “Spaziergang” (Tempo: 0,8 km/h), mal langweilige Videos auf dem TV-Schirm.
Im Nachhinein zeigt sich, dass diese Entspannungstests im Hinblick auf die Wirksamkeit von Yoga zwar in dem Sinn ergebnislos waren, dass sich im Blutbild wider Erwarten kein Unterschied zwischen den Novizinnen und den Expertinnen feststellen ließ (allerdings sei Yoga, so lese ich im Abstract, bei beiden Gruppen der bessere Stresshelfer gewesen als die gebotenen Alternativen). Und doch gab es ein nennenswertes Ergebnis: Die routinierten Yogafrauen waren bereits mit einem deutlich niedrigeren Interleukin-6-Spiegel ins Rennen gegangen:
Novices’ serum interleukin (IL)-6 levels were 41% higher than those of experts across sessions, and the odds of a novice having detectable C-reactive protein (CRP) were 4.75 times as high as that of an expert. Differences in stress responses between experts and novices provided one plausible mechanism for their divergent serum IL-6 data; experts produced less lipopolysaccharide-stimulated IL-6 in response to the stressor than novices, and IL-6 promotes CRP production.
“Im Wesentlichen kamen die Experinnen schon mit deutlich niedrigeren Entzündungsniveaus in die Studie als die Novizinnen, und die Expertinnen waren auch besser in der Lage, ihre Stressreaktionen zu begrenzen”, erklärt die Schriftführerin der Studie, Prof. Janice Kiecolt-Glaser. Und ihr Ehemann und Co-Autor Ronald Glaser, Professor für molekulare Virologie, Immunologie und medizinische Genetik, meint: “Wir wissen, dass Entzündungen eine große Rolle bei vielen Krankheiten spielen. Yoga scheint eine einfache und angenehme Weise zu sein, hier eine Intervention zu leisten, die das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes und andere alterbedingte Krankheiten verringern kann.”
Nun also die Gretchenfrage: Ist Yoga demnach medizinisch empfehlenswert? Oder ist es dafür zu sehr in der Eso-Welt verwurzelt? Eine Diskussion würde mich sehr interessieren …
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