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Erst mal ein Geständnis, das vermutlich eh’ schon alles Nachfolgende perspektivisch erklärt: Mit mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Buckel falle ich in der Marketing-Demoskopie in die Kategorie der alten Säcke. Und als unerschütterlich treuer Levi’s-501-Träger gehöre ich sowieso nicht zur Zielgruppe der Marke Diesel. Aus diesem Grund habe ich es auch monatelang geschafft, die scheinbar allgegenwärtigen Werbeplakate mit dem Slogan “Be Stupid” zu ignorieren. Aber heute musste ich am Diesel-Laden an der Fifth Avenue vorbei gehen – und da prangte es wieder, meterhoch und eindeutig über meiner Hutschnur: Be Stupid.

Nee, ich bin doch nicht blöd! (Halt! Das war auch mal ein Werbeslogan.) Und ich weiß, dass diese internationale Kampagne irgendwie ironisch gemeint ist. Doch vielleicht hat mein Ironiesensor einen berufsbedingten Schaden erlitten, vielleicht ist es ja einfach ein Generationenproblem (vermutlich eine Kombination von beidem) – aber mir will die Aufforderung, dumm zu sein und das dann in eine teure Kaufentscheidung umzumünzen, einfach nicht witzig erscheinen. Liegt vielleicht daran, dass ich einen angehenden Teenager zu erziehen habe, und wenn mich meine Erinnerung nicht völlig täuscht (ich war ja schließlich auch mal jung!), dann ist so ziemlich das letzte, was meine Freunde und ich damals noch gebraucht hätten, eine offizielle Aufforderung, Dummheiten anzustellen. Da waren wir eh’ längst schon von alleine drauf gekommen …

Mal ganz im Ernst. Dumm sein ist weder cool noch erstrebenswert. Dass die, denen an Wissen und Bildung liegt, nur all zu gerne als weltfremde (und natürlich sooo total uncoole) Nerds abgetan werden, ist auch ohne die zusätzliche “Ironisierung” durch Werbung schlimm genug. Als Teen hätte ich so einen Slogan wahrscheinlich auch einfach nur “geil” gefunden, aber als Erwachsener wäre es mir lieber, wenn die in dieser Altersgruppe sowieso schon stark ausgeprägten Neigungen zur Unüberlegtheit (um’s mal ganz vorsichtig zu formulieren) nicht auch noch durch Marketingkampagnen überhöht würden. Aber ich bin, wie ja schon gesagt, nur ein alter Sack.

Aber vielleicht hab’ ich das nur falsch verstanden, und das Ganze fällt eher in die rechtlich relevante Kategorie “Truth in Advertising”. Mit anderen Worten. Die Firma will nur sichergehen, dass es keine Missverständnisse darüber gibt, was sie von ihren Kunden hält:

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flattr this!

Kommentare (14)

  1. #1 Wb
    21. April 2010

    So wie Terry Pratchett in “Time Thieves” dem ewig überraschten Wen (“stupid”) ein Denkmal gesetzt hat, so haben – zumindest in der Deutschsprachigkeit – Dick&Doof (“doof”=taub, kein Komparativ, kein Superlativ) Standards gesetzt, die Doofheit und Stupidität durchaus erstrebenswert erscheinen lassen.

    Ansonsten wären dementsprechende Werbemaßnahmen auch undenkbar, die Jugend ist aufnahmefähiger als manche denken.

    Dagegen spielt die Unverständigkeit, die im Blogartikel referenziert werden soll oder wird, spielt in einer anderen Liga.
    Die Feinheit liegt oft im Semantischen.

    Doofe Grüße!
    Wb

  2. #2 rolak
    21. April 2010

    Ach du … Na hoffentlich komme ich an diesem Quark halbwegs unbeeinflußt vorbei, wer weiß, was sich beim Betrachten alles kräuselt^^

  3. #3 radicchio
    21. April 2010

    hallo herr schönstein,

    haben sie dieses wunderbare foto ganz oben selbstgemacht? wäre es unter creative commons o.ä. im web verwendbar?

    dank schon mal

  4. #4 Jürgen Schönstein
    21. April 2010

    @radicchio
    Ja, und ja. War aber nur mit dem Handy geknipst, die obige Auflösung ist daher so ziemlich das Beste, was ich rausholen konnte.

    @Wb

    Die Feinheit liegt oft im Semantischen.

    Äääh … wie bitte? Ich schätze, ich bin zu blöd, das zu verstehen (und sollte daher, weil nun nachweislich qualifiziert, vielleicht mal den Kauf von Diesel-Jeans in Erwägung ziehen).

  5. #5 radicchio
    21. April 2010

    herr schönstein, diese auflösung würde mir völlig genügen. die verwendung wäre ja auch “nur” online. ich würde es gern auf der plattform verwenden, die unter meinem nick als url agegeben ist.

    ginge das in ordnung?

  6. #6 Jürgen Schönstein
    21. April 2010

    @radicchio

    ginge das in ordnung?

    Klar, kein Problem.

  7. #7 radicchio
    21. April 2010

    thanks a lot!

    ich nehme diese lizenz, wenns recht ist:
    https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/deed.de

    ein super bild, danke 😉

  8. #8 Wb
    22. April 2010

    @JS
    Es wird nicht dafür geworben unverständig zu sein, stupedere heisst staunen und erst im übertragenden Sinne blöd sein.
    Hier irgendwo setzt die Reklame emotional an und zeigt Wirkung bei den Juniortüten.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    22. April 2010

    @Wb
    Erstens kommt “stupid” unmittelbar von “stupidus” und nur mittelbar von “stupere” – letzteres heißt zwar “erstaunen” (“stupedere” kenne ich nicht, aber meine Lateinlehrer waren leider alle aus dem letzten Jahrhundert – bestimmt auch ein Generationenproblem), aber “stupidus” ist nicht mehr neutral, sondern eindeutig abwertend im Sinn von “dumm”, nicht nur “erstaunt”. Aber das ist zweitens sowieso irrelevant, denn was immer die etymologische Wurzel des Wortes “stupid” ist, seine heutige Bedeutung ist “dumm” oder “blöd”, vielleicht mit einer gewissen Ironie auch “albern”. Und durch die Juxtaposition von “stupid” und “smart” in der Kampagne wird auch ohne Lateinkenntnisse schnell klar, dass hier nur “dumm” gemeint ist. Aber danke für die Englisch-Nachhilfestunde, die ich nach zwei Jahrzehnten im Land bestimmt dringend benötige.

  10. #10 Wb
    22. April 2010

    @JS
    stupidus, lat., dumm, verblüfft
    “stupere” war natürlich gemeint.
    Anscheinend teilt man nicht die gleiche Sicht, Sie haben dann aber idT keine Erklärung für den Kampagnenerfolg. 🙂

    MFG
    Wb

  11. #11 Jürgen Schönstein
    22. April 2010

    @Wb

    Sie haben dann aber idT keine Erklärung für den Kampagnenerfolg

    Doch. Erstens: Dumm ist cool – da scheinen genug drauf abzufahren, und genau darum finde ich die Kampagne ja ärgerlich. Zweitens: Breit genug gefahren, schafft selbst eine kontroverse Kampagne – egal, wie dumm der Slogan ist – Aufmerksamkeit. Sie wissen schon: “There is no such thing as bad publicity”. Drittens: Wer sagt denn, dass diese Kampagne “erfolgreich” (im Sinn von Umsatzsteigerung) ist? Davon habe ich nichts geschrieben, und das müsste ich erst mal recherchieren.

    Zusammenfassend: Ich stimme Ihnen zu, dass wir nicht die gleiche Sichtweise teilen. Die Bedeutung von Vokabeln ist aber nicht immer nur eine Frage der Sichtweise – dafür gibt es tatsächlich Regeln und Instanzen. In Deutschland wäre der Duden eine solche, hier in den USA greift man zum Webster.

  12. #12 Wb
    22. April 2010

    Sie haben da einen Link, der auf 20 Plakate verlinkt, vorsichtshalber noch mal hier direkt verlinkt, hat den Webbaer durchaus intellektuell angesprochen. 🙂
    Zu beachten auch die Sprüche in Fettschrift.

    MFG
    Wb

  13. #13 Jürgen Schönstein
    22. April 2010

    @Wb

    hat den Webbaer durchaus intellektuell angesprochen

    Na, dann weiß ich ja jetzt, warum wir aneinander vorbeireden …

  14. #14 Wb
    22. April 2010

    Wb auch noch ein wenig jünger. 🙂
    Sie hatten schon einmal irgendwo das Thema Wissenschaft und Humor angeschnitten, Humor entsteht aus dem Wissen um das letztlich immer gegebene Nichtwissen (sei es weil System zu komplex oder gar nicht vollständig deterministisch), äh, ansonsten, viel Spaß noch in den Staaten, mal einen guten Burger für Wb mitessen, gute Arbeit,
    MFG
    Wb