Für ein Science-Abo reicht’s in meinem Büro leider nicht mehr. Aber gerade landete ein drei Wochen altes Exemplar als Werbe-Wurfsendung auf meinem Schreibtisch, und auch wenn’s nicht mehr ganz frisch ist, habe ich doch ein wenig darin geblättert. Als Nicht-Physiker hätte ich den Beitrag Managing Multistate Quantum Entanglement garantiert überblättert, weil sich beim Entanglement meine Hirnwindungen sehr schnell verschränken. Aber dann sah ich die Grafik mit der Katze und blieb hängen (etwa so, wie man an einem Dornenstrauch hängen bleibt):
Aus Science, Vol 328, 14. Mai 2010, Seite 836
Ich habe keinen Grund zu zweifeln, dass der Autor dieses Artikels, Christoph Wildfeuer hier einen sehr fundierten Text abgeliefert hat, der zudem eine Referenz zu einem weiteren Paper ist, das in der gleichen Ausgabe erschien und das den Titel High-NOON States by Mixing Quantum and Classical Light trägt. Mir geht es hier lediglich um die sogar grafisch bemühte Metapher von Schrödingers Katze. Ich darf zitieren:
“In 1935, Schrödinger presented a thought experiment to show how strange the situation really is. A cat is hidden in a box along with a sample of radioactive nuclei. If a nuclear decay occurs, poison is released and the poor cat dies. However, until we look in the box, the state of the cat entangles both a live and a dead cat.”
An dieser Stelle beißt’s bei mir immer aus, und ich hatte die gleiche Frage schon vor längerer Zeit in meinem Blogposting “Was wusste Schrödingers Katze?” gestellt: Warum entscheidet sich das Schicksal der Katze erst dann, wenn man die Kiste aufmacht? Ich glaube (hoffe) zwar nicht, dass dies von Physikern, die sich mit Quantenverschränkung befassen, ernsthaft so gemeint ist; aber falls doch, möchte ich hier doch noch mal die Fragen aus meinem alten Posting aufgreifen:
Wenn man diese “Versuchsanordnung” ernst nimmt, heißt das, dass die zur Erzeugung von Realität unerlässlichen Messungen die Existenz eines Physikers voraussetzen? Und was wäre, wenn der Messende kein Physiker ist? Oder schlimmer noch: Was passiert mit dieser durch Beobachtung generierten Realität, wenn dem Forscher beispielsweise, aus welchem Grund auch immer, nachträglich das Diplom aberkannt würde?
Ist natürlich eine absurde Frage. Also gehen wir einen Schritt weiter zurück:
Wenn man keine phsykalische Vorbildung haben muss, um die Kiste im Sinne dieses versuches zu öffnen (davon gehen wir jetzt mal aus), andererseits aber auch sehr viele Nicht-Physiker solche Messungen oder Beobachtungen nicht viel besser begreifen würden als Schrödingers Katze selbst, was “weiß” dann die Katze, beziehungsweise: Welche Folgen hat es für dieses Experiment”, dass die Katze ein lebendes Wesen ist, das metabolisch und auch biologisch dem Menschen nahe genug steht, um sich als “Beobachter” zu qualifizieren? (Wenn nein, warum nicht?)
Und falls Messung ohne Begreifen funktionieren kann (ein automatischer Sensor misst ja auch), dann kann letztlich jeder unbelebte Gegenstand diese Messungen ausführen. genau, der beschriebene Detektor, der Geigerzähler! Die Katze ist also lange bevor irgend jemand in die Kiste schaut, auch quantenmäßig schon eindeutig tot oder lebendig. Falls nicht, wüsste ich jetzt gerne, wo mein Denkfehler liegt …
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich will keinem Wissenschaftler, der sich mit NOON- und sonstigen Verschränkungszuständen beschäftigt, hier unterstellen, dass er ernsthaft glaubt, die Katze sei auch nur zu irgend einem Zeitpunkt sowohl tot als auch lebendig (“Superposition” nennt man das wohl). Und ich will auch niemandem das Vergnügen einer griffigen Metapher verderben. Aber ich fänd’s hilfreicher, wenn dieser rhetorische Zaubertrick, der mich ein bisschen an die Illusion von der zersägten Jungfrau erinnert, endlich mal ausrangiert würde. Vor allem, weil Schrödigner vermutlich genau das Gegenteil, nämlich die Irrationalität einer solchen Superposition, mit diesem Gedankenspiel zum Ausdruck bringen wollte.
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