Darüber, dass Sprache ein Vehikel der Vorurteile ist, will ich hier gar nicht erst streiten – das setze ich jetzt einfach mal als akzeptabel voraus. Die entscheidende Frage – über die wir hier und hier auch schon intensivst aneinander vorbei diskutiert haben – dabei ist nur: Ist die Sprache der Passagier in einem von Vorurteilen gesteuerten Vehikel, oder hat umgekehrt die Sprache das Steuer in der Hand und fährt die Vorurteile dahin, wo es ihr passt? (Wiederum keine Frage sollte sein, dass diese Metapher ziemlich scharf am stilistischen Straßengraben entlang schrammt – dafür bitte ich um Nachsicht.) Laut einem neuen Paper, das im Journal of Experimental Social Psychology sitzt die Sprache am Steuer – sie transportiert nicht nur die Vorurteile, sie bestimmt sie auch.

Zwei Studien bilden die Grundlage dieses Paper; in beiden wurden zweisprachig aufgewachsene Probanden getestet – Französisch und Arabisch sprechende Marokkaner in der einen, Spanisch und Englisch sprechende Hispanics in den USA in der anderen. Aufgabe der Tests war, in so genannten Implicit Association Test Begriffe – im konkreten Fall beispielsweise marokkanische und französische Namen – spontan positiven oder negativen Kategorien zuzuordnen. Was dabei heraus kam, beschreiben die Autoren im Abstract so:

… Participants manifested attitudes that favored social categories associated with the test language, e.g. more pro-Moroccan attitudes when tested in Arabic as compared with French (Study 1) and more pro-Spanish attitudes when tested in Spanish as compared with English (Study 2). The effects of language on elicited preference were large (mean d > .7), providing evidence that preferences are not merely transmitted through language but also shaped by it.

Klingt überzeugend: In Arabisch beispielsweise – parallel dazu, bei den US-Latinos, in Spanisch – sind Vorurteile gegen Französisches oder Amerikanisches zu beobachten, die bei den gleichen Probanden verschwinden, wenn sie den gleichen Test in Französisch beziehungsweise Englisch machen. Also muss doch die Sprache die Triebfeder der Vorurteile sein, denn die getesteten Gehirne sind doch in beiden Fällen die gleichen …

Weiter als bis zum Abstract und zur Pressemitteilung der Harvard-Universität komme ich mangels eines Journal-Abos leider nicht. Aber zumindest anhand von dem, was ich aus diesen beiden Quellen erkennen konnte, ist die Folgerung, dass die Sprache ursächlich mit den Vorurteilen verbunden ist, nicht definitiv belegt: Es ist ebenso plausibel, dass die Probanden letztlich in zwei verschiedenen Welten sozialisiert wurden, wobei die sowohl bei Nordafrikanern als auch bei Latinos in den USA durchaus nachvollziehbaren Vorbehalte gegen französische oder amerikanische Einflüsse primär in der “Muttersprache” (Arabisch oder Spanisch) transportiert werden, während in der französisch- oder englischsprachigen Welt diese Vorurteile nicht zum Ausdruck kommen. Mit anderen Worten: Die Vorurteile wären in jedem Fall vorhanden, aber man hat vielleicht gelernt, sie in der “dominanten” Sprache (Französisch, Englisch) zu vermeiden. Oder man assoziiert Französisch/Englisch mit dem Umfeld, in dem solche Vorurteile nicht relevant sind. Egal wie, in beiden Fällen wär’s eben nicht die Sprache, die formt.

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Kommentare (34)

  1. #1 radicchio
    7. November 2010

    … ist die Folgerung, dass die Sprache ursächlich mit den Vorurteilen verbunden ist, nicht definitiv belegt …

    belegt ist these von der sprache, die das denken und damit das handeln beeinflusst, ja auch nicht. zumal die entsprechende wissenschaftliche disziplin sich als teil einer sozialen und politischen bewegung versteht und somit eine neutralität dem forschungsgegenstand gegenüber nicht gegeben ist.

    andere sprache – anderes denken in der praxis:
    nehmen wir mal das beispiel hier im blog. da schreibt eine bloggerin:
    »Wieso meint Frau Streep also anscheinend immer noch nicht für sich selbst stehen zu können? [weil sie sich als “actor“ bezeichnet] Und ich muss mir daran schon gar nicht ein Vorbild nehmen.«

    und während der strang noch warm ist, benutzt sie für sich selbst “wissenschafler” und “experte”. später ein artikel, in dem sie übergeneralisierend ausschließlich von “physikerinnen” spricht, etwas weiter unten aber von ihren “lehrern” berichtet und wissen lässt, viele “freunde” zu haben.

    2 möglichkeiten:
    • es gibt trotz sprache keine änderung im denken
    • die bloggerin hat keine freundin

    „Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort!
    Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
    Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
    Ich muss es anders übersetzen,
    Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
    Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
    Bedenke wohl die erste Zeile,
    Dass deine Feder sich nicht übereile!
    Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
    Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
    Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
    Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
    Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
    Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!“ (faust)

  2. #2 Jürgen Schönstein
    7. November 2010

    belegt ist these von der sprache, die das denken und damit das handeln beeinflusst, ja auch nicht.

    Ich denke, dafür gibt es schon genug Belege. Die Frage ist aber, wie das Denken und Handeln beeinflusst wird (auch das Bemühen, sprachlich transportierte Stereotype zu überwinden, ist ja eine beeinflusste Form des Handelns), und ob die Sprache ursächlich die Stereotype erzeugt hat. Letzteres sehe ich als nicht belegt – der “Feuerwehrmann war nun mal für lange Zeit auschließlich männlich. Aber erst kam das Phänomen (nur Männer durften/wollten zur Feuerwehr – letztere ist übrigens grammatisch weiblich), dann der Begriff mit -mann am Ende, und das wurde dann stereotypisiert. Ist eigentlich ein Henne-Ei-Problem …

  3. #3 radicchio
    7. November 2010

    ganz genau.

    Ich denke, dafür gibt es schon genug Belege.

    man muss natürlich klären, was mit denken / handeln und sprache gemeint ist. wenn ich z.b. “zitrone” sage / schreibe, entsteht im kopf der leser / hörer das bild einer zitrone. oder der polizist sagt “aussteigen” und ich steig aus dem auto. hier könnte man sagen, hier wurde das denken und handeln beeinflusst. allerdings nicht mit der gesamtheit kommunikationssystems “sprache”, dem hier die bewusstseinsverändernden eigenschaften zugeschrieben werden, sondern mit der konkreten mitteilung des gesprochenen “aussteigen”, also dem vermittelten inhalt.

    dass man mit sprachlich vermittelten inhalten natürlich das denken und handeln beeinflussen kann, ist völlig unstrittig, denn wir kommunizieren ja unter anderem über sprache. diesem beeinflussen geht aber ein denkprozess voraus, der bestimmt, wie die sprache zum einatz kommt. der sprecher entscheidet mit seinen gedanken, was er ausdrücken möchte (er kann auch lügen). das entscheidet nicht die sprache.

    die frage ist viel mehr, inwieweit sprache das denken beeinflusst, wenn das gesprochene dem erlebten bzw. erlernten und erfahrenen widerspricht.
    daraus ergibt sich die frage, welche kausalität der sprache zu grunde liegt und folglich wie neuerungen in eine sprache einfließen. meiner ansicht nach ist die sprache ein beschreibendes medium. änderungen an der sprache haben immer reale ursachen. so kamen z.b. die hugenotten nach brandenburg-preußen und im zuge dessen flossen französische begriffe in die sprache ein. heute erleben wir, dass industrialisierung, globalisierung und IT massive spruren in der sprache hinterlassen. es ist immer zuerst die realität, die sich ändert und zu einer änderung in der sprache oder in bedeutungen führt (siehe bedeutungsänderung von “geil”).

    diese kausalität ist m.e. nicht umkehrbar. wo es versucht wurde, ist man gescheitert. die menschen haben sprachkosmetik oder kosmetik der inhalte einfach nicht geglaubt, sobald sie nicht mit der realität im einklang zu bringen waren. (das schließt nicht aus, dass man menschen nachhaltig belügen und manipulieren kann.)

    neulich las ich den satz: “Sprache bildet schließlich nicht nur ab, sie kreiert, sie handelt.”
    das ist natürlich unfug. handeln ist ein bewusstes tun, es erfordert ein handelndes subjekt. das gleiche gilt fürs kreieren, also für die neukombination von information zum zwecke der problemlösung.

    klar, kann man meinen, wenn man sprachlich stereotype “abschafft”, hat man schon etwas getan, und sich damit begnügen, oder sich die frage stellen “wo sonst soll man denn ansetzen?”. aber wenn, und davon gehe ich aus, die stereotype nicht ursächlich durch die sprache entanden sind, dann ist das herumdoktern an der sprache keine kausale strategie. das gilt natürlich für sämliche vorurteile und diskriminierungen.

  4. #4 michael
    7. November 2010

    > nehmen wir mal das beispiel hier im blog. da schreibt eine bloggerin:

    Bloß weil man einmal aus einem Block geflogen ist, muss man sich nicht noch Wochen später darüber ausheulen.

  5. #5 Jürgen Schönstein
    7. November 2010

    @radicchio
    Ich meine schon sehr konkret, dass ein stereptyper Begriff wie eben “Feuerwehrmann” (um beim Geschlechtsstereotyp zu bleiben) ebenso geeignet ist, den Eindruck zu vermitteln, die Feuerbekämpfung sei Männersache, wie sie Frauen motivieren kann, genau das Gegenteil zu beweisen. Aber dass das Wort selbst einen Stereotyp (Feuer löschen = Männer) transportiert, ist selbst ohne Studien plausibel. Doch hier ging es ja um die implizite These, dass die im Arabischen oder Spanischen ausgedrückten Vorurteile verschwinden würden, wenn die Testpersonen nur Englisch oder Französisch reden. Und diese Vermutung der Abwesenheit von Vorurteilen, nur weil sie sich in der Sprache nicht manifestieren, halte ich anhand solcher Tests für nicht ausreichend begründet (alles andere ist eine Diskussion, für die es schon andere Foren hier gibt).

  6. #6 KommentarAbo
    7. November 2010

  7. #7 von Webbaer
    8. November 2010

    Wenn die Sprache der Sache superior wäre, dann wäre allgemeiner Wahnsinn festzustellen, d.h. wenn das Humankapital kommuniziert, dann tut es das indem es aus mathematischen Modellen (Lernmodellen) heraus Sachverhalte extrahiert und in Sprache gießt. Auf der anderen Seite wird dann das Kodierte wiederum in entsprechende Modelle abstrahiert.

    Anders geht es nicht.

    Die Sprache ist technisch gesehen nur das Protokoll. Für die Sacharbeit ganz nebensächlich. Eher dafür da verhunzt und verlacht zu werden.

    Was natürlich festzustellen ist, ist ein öffentlicher Druck, auch als PC (political correctness – ein soziales Zensurverfahren) bekannt, der anleitet oder anzuleiten sucht, was gesagt werden darf – und vor allem auch wie es gesagt werden darf. (Hier müssen viele einfachen Menschen mit geringem sprachlichen Talent leider leider draußen bleiben, höhö. Man kreiert exakt so den wahrnehmbaren Unterschied in Doitschland zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung. Übrigens gibt es diese Art von Qualitätssicherung über Meinungshygiene auch in den doitschen S-Blogs.)

    Dass Stellen aus dem SozPäd-Bereich, die für diesen Druck zuständig sind, an Hand bizarrer Studien versuchen öffentlich zu steuern, überrascht nicht.

    Wie bspw. auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert Stiftung herausgefunden hat, sind die Doitschen eh bräunlich (man beachte auch die “fairen” Fragen der Studie)!
    Dann hülfe auch die doitsche Sprache und die doitschtypische Lenkung der Sprache und der Öffentlichkeit nicht. Wenn dem so wäre.

    HTH
    Wb

  8. #8 paul
    8. November 2010

    Eigentlich ist es nicht wirklich ein Henne-Ei-Problem. Das Wort Feuerwehr wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Grundlage von Begriffen wie Landwehr neu gebildet – zeitgleich mit der Gründung der ersten freiwilligen Feuerwehren. Man kann davon ausgehen, dass damals ausschließlich Männer für die Tätigkeit in Frage kamen. Folglich ist Feuerwehrmann eine korrekte Tatsachenbeschreibung gewesen – wie auch sämtliche andere Berufe auf -mann.
    Genau so unfraglich scheint mir, dass man bei Begriffen auf -mann eben an Männer und nicht an Frauen denkt. Das heißt, Sprache beeinflusst also auch sehr wohl das denken. Es ist eine Art selbstverstärkende Schleife, die ihren Ausgangspunkt in der tatsächlichen Diskriminierung früherer Tage hat. Sprache konserviert eben sehr gut – immerhin hat auch fast unser gesamter Wortschatz viele Jahrhunderte auf dem Buckel.
    Zu zeigen bliebe aber nach wie vor, ob Sprache gesellschaftliche Veränderungen nicht reflektieren würde, ja, diese sogar verhindern würde, wie immer wieder wild behauptet wird. Dafür gibt es, so weit man das wohl beurteilen kann, keine Belege. Man denke nur wieder an die -männer-Berufe. Hat die Bezeichnung verhindert, dass Frauen anfangen konnten, dieselben Tätigkeiten auszuüben? Hat die Sprache auf die gesellschaftliche Veränderung reagiert, so dass es jetzt z.B. auch Kauffrauen gibt?
    Bei der geschlechtsneutralen Sprache geht es doch darum, ob der Einfluss der Sprache so mächtig ist, dass gesellschaftliche Veränderungen behindert werden können. Dahinter steckt nicht nur die alte und längst widerlegte Sapir-Whorf-Hypothese, die Realität widerlegt derartige Annahmen doch auch auf triviale Art und Weise.

  9. #9 Jörg Friedrich
    8. November 2010

    Ich lese gerade mit großer Begeisterung das Buch Im Spiegel der Sprache: Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht und vielleicht, wenn ich damit durch bin, werde ich auch einmal darüber schreiben. Hier möchte ich einfach kurz allen, die an der Frage, was die Sprache mit der Art, wie wir die Welt (im wörtlichen Sinne) sehen, zu tun hat, das Buch wärmstens empfehlen.

  10. #10 miesepeter3
    8. November 2010

    Einfaches Beispiel deutsch – französisch: Visage!

    Das französische Wort für Gesicht wurde irgendwann mal eingedeutscht, bedeutet aber in unserer Sprache “Häßliches Gesicht”. Benutze ich es im Fanzösischen heißt es immer noch nur “Gesicht”. Die Abwertung ist verschwunden.
    Der Visagist – also der Maskenbildner – ist aber auch im deutschen immer noch ein ordentlicher Beruf. So sehr kann die Sprache den Wortsinn bei ein und demselben Wort verändern. Eine Untersuchung hät`s dafür wohl nicht gebraucht , oder?

  11. #11 radicchio
    8. November 2010

    Genau so unfraglich scheint mir, dass man bei Begriffen auf -mann eben an Männer und nicht an Frauen denkt. Das heißt, Sprache beeinflusst also auch sehr wohl das denken.

    paul, es wäre ja sehr dumm zu behaupten, dass man beim wort “haus” nicht an ein haus denkt. um dieses “sprache beeinflusst das denken” geht es hier nicht. sondern darum, ob sie an ein anderes haus denken, wenn ich “house” sage, und ob sie dann auch anders handeln.

  12. #12 radiccho
    8. November 2010

    Doch hier ging es ja um die implizite These, dass die im Arabischen oder Spanischen ausgedrückten Vorurteile verschwinden würden, wenn die Testpersonen nur Englisch oder Französisch reden. Und diese Vermutung der Abwesenheit von Vorurteilen, nur weil sie sich in der Sprache nicht manifestieren, halte ich anhand solcher Tests für nicht ausreichend begründet …

    das halte ich auch für unwahrscheinlich. auf die geschlechtergerechtigkeit bezogen hätte das ergebins dieses experimentes ohnehin keine relevanz, da die geschlechter keine unterschiedlichen sprachen sprechen.

    “Im Spiegel der Sprache: Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht”

    amazon: “Beeinflusst unsere Muttersprache die Art und Weise, wie wir denken? Diese spannende Frage hält Guy Deutscher nach wie vor für ungeklärt.”

    klar, in gewisser hinsicht beeinflusst sie das denken. ganz einfaches beispiel sind die variablen stellungen der satzlgieder im deutschen und das rigide SPO im englischen. der deutschprachige kann sich das SPO relativ einfach aneignen, der englischsprachige hingegen kann diese syntax kaum ablegen und sich die deutsche subjekt-objekt-verb variante aneignen.

  13. #13 paul
    8. November 2010

    radiccho:
    Die Frage ist doch wenig überraschend mit “klar!” zu beantworten. Assoziationstests liegt die Annahme der geistigen Organisation in neuronalen Netzen zu Grunde. Aktiviert man ein Element des Netzes, werden die unmittelbaren Nachbarn mitaktiviert. Deswegen fällt den Menschen statistisch signifikant auf “Hitze” z. B. “Sommer” oder auch “Kälte” (Antonym) ein, aber nicht “Kugelschreiber”. Mit Übersetzungen in Fremdsprachen glänzen sie dabei jedoch nicht. Folglich sind in der anderen Sprache auch ganz andere Assoziationen möglich, da fremdsprachliches und muttersprachliches Wissen anscheinend nicht direkt zusammen abgespeichert und damit nicht ineinander verwoben ist. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis also wenig überraschend.

  14. #14 Hank Scorpio
    8. November 2010

    Ich denke (wie einige schon geäußert haben), man wird die Frage kaum diskutieren können, ohne vorher zu klären, was unter “Denken” verstanden werden soll und was überhaupt “Sprache” ist. Wenn z.B. man Denken lediglich als “Aufrufen von Bildern im Hirn” verstehen will, kommt etwas anderes heraus, als wenn man Denken enger im logischen Sinne als Gedanken, d.h. als etwas mit propositionalem Gehalt, mit konditionaler Verknüpfung versteht (das Aufrufen von Bilder etc. könnte man dann – für mich treffender – als ‘Vorstellen’ bezeichnen). Im zweiten Sinne ist Sprache aber nicht nur beteiligt, sondern notwendige Bedingung des Denkens – weil logisches Denken und Logik allgemein ohne Sprache nicht existieren. Nur Aussagen können logischen Kriterien unterworfen werden, und dies können sie, weil die Sprache eben bestimmte allgemeine Eigenschaften hat, die dies möglich machen (das unterscheidet sie etwa vom Bild). Dass Sprache das Denken beeinflusst, ist also eine banale Feststellung, wichtiger ist, was das genau heißt – inwieweit ist der Mensch ‘Gefangener’ seiner Sprache? Und damit spätestens wird es virulent zu definieren bzw. zu untersuchen, was denn ‘Sprache’ überhaupt ist, wie sie ‘funktioniert’. Erst auf dieser Basis wird man die Frage wirklich begründet beantworten können.

  15. #15 Dr. Wb
    9. November 2010

    @Hank

    Ich denke (wie einige schon geäußert haben), man wird die Frage kaum diskutieren können, ohne vorher zu klären, was unter “Denken” verstanden werden soll und was überhaupt “Sprache” ist.

    Das weiß man.

    Im zweiten Sinne ist Sprache aber nicht nur beteiligt, sondern notwendige Bedingung des Denkens – weil logisches Denken und Logik allgemein ohne Sprache nicht existieren.

    Sie habens im nicht zitierten Teil ein wenig eingeschränkt, dennoch unverzeihlich so etwas festzustellen. Sie denken auch außersprachlich. Die Sprache dient der Kommunikation. – Wenn Sie immer sprachlich denken, dann ists merkwürdig. Wb mal einen kannte, der sprach Schriftdeutsch. Talentierter Mensch, allerdings vollkommen borniert…

    Dass Sprache das Denken beeinflusst, ist also eine banale Feststellung, wichtiger ist, was das genau heißt – inwieweit ist der Mensch ‘Gefangener’ seiner Sprache?

    Die Sprache beeinflusst das Denken insofern, da sie über verschiedene Mechanismen, zurzeit u.a. implementiert per Politische Korrektheit, den Meinungsäußerer vorab bestimmte stilistische und inhaltliche Prüfungen vornehmen lässt.
    Aus Akzeptanzgründen, um das Brimborium mitzumachen und um nicht übel aufzustoßen.

    Es gab mal eine Zeit, da sprachen die Menschen so wie es ihnen passte. Martin Luther ist hier ein schönes Beispiel, aber auch Robert Basic oder good old Webbaer können hier genannt werden.
    War nicht die schlechteste Zeit damals, so ganz ohne Linguisten. BTW, hat nicht einmal Shakespeare aussprechen lassen “Das erste was ich tun werde, .., hängt alle Linguisten!”?

    OK, genug zu dieser bizarren Studie…

    HTH
    Wb

  16. #16 paul
    9. November 2010

    @Hank Scorpio:
    Dass Logik ohne Sprache nicht existieren könne ist einfach nur falsch. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Computer beherrschen Logik, keine Frage. Aber sowohl Tiere – hier fallen mir konkret entsprechende Experimente mit Vögeln und Hunden ein – als auch menschliche Babys sind in der Lage Schlussfolgerungen zu ziehen, verfügen also sehr wohl über Logik und das fern jeglicher Sprachfähigkeit.

    @Dr. Wb:
    Blödsinn. Erstens hegte Shakespeare sicherlich keinen Groll gegen Linguisten. Das liegt vor allem daran, dass es damals keine gab und “linguist” die Bedeutung “a master of language, one who uses his tongue freely” hatte und damit eigentlich genau das bezeichnet hat, was du toll findest. Und zweitens ist die Sprachwissenschaft sehr jung, hat aber vor allem bewirkt, dass Wörter wie “googeln” im Duden stehen und als akzeptabel gelten. Es ist den Linguisten zu verdanken, dass korrektes Deutsch nicht mehr von Sprachnazis, sondern auch offiziell vom Volk definiert wird. Und drittens ist es natürlich mehr als abenteuerlich politisch korrekte Sprechweise für Linguistik zu halten.
    Kurzum mit Dieter Nuhr, wenn man keine Ahnung hat, na, du weißt schon.

  17. #17 radiccio
    9. November 2010

    Es ist den Linguisten zu verdanken, dass korrektes Deutsch nicht mehr von Sprachnazis, sondern auch offiziell vom Volk definiert wird.

    nein, und nein.
    aber fangen wir beim korrekten deutsch an: orthografisch definiert hier nix das volk, sondern die kultusminister.
    politisch korrektes deutsch wird auch nicht vom volk definiert, und auch nicht von linguisten, sondern von linkuisten, einer politisch links orientierten schicht von kommentariat und politikern.

  18. #18 paul
    9. November 2010

    radiccio:
    Das ist ein häufig geglaubter Irrtum. Wem die Angabe des Geltungsbereichs im amtlichen Regelwerk nicht reicht (“Das folgende amtliche Regelwerk, mit einem Regelteil und einem Wörterverzeichnis, regelt die Rechtschreibung innerhalb derjenigen Institutionen (Schule, Verwaltung), für die der Staat Regelungskompetenz hinsichtlich der Rechtschreibung hat”), der sollte sich gerne einmal den Umfang der Regeln anschauen. Der Regelteil umfasst 113 Regeln und das Wörterverzeichnis um die 14.550 Wörter. Zum Vergleich: Die Duden-Grammatik, welche die tatsächlichen grammatischen Regeln des Deutschen darstellt, umfasst in der aktuellen Ausgabe 2097 Regeln, und das Duden-Universalwörterbuch beinhaltet “über 150.000 Stichwörter und Redewendungen”. Das nur mal zum Vergleich welchen Umfang die Sprache tatsächlich (mindestens! Auch der Duden ist nur eine Untergrenze) hat und was das amtliche Regelwerk im Vergleich dazu leistet. Sobald Sie den Mund aufmachen, oder sobald Sie ein Wort konjugieren oder deklinieren, sprengen Sie bereits dessen, was das amtliche Regelwerk leistet. Sehr wahrscheinlich sprengen Sie es aber bereits, wenn Sie einen Text mit mehr als einer handvoll Wörtern verfassen.
    Der Vergleich hinkt natürlich, immerhin kümmert sich das amtliche Regelwerk nur um ein paar Aspekte der Rechtschreibung. Doch selbst einem Laien sollte spätestens jetzt auffallen, dass das als Festlegung des Deutschen reichlich lächerlich ist.

  19. #19 Hank Scorpio
    9. November 2010

    @ Paul: “Computer beherrschen Logik, keine Frage” – dem würde ich explizit widersprechen, Computer “beherrschen” überhaupt nichts, es sind nämlich Maschinen. Das Nacheinander elektrischer Ladungen ist aber keine Logik, allenfalls ist es für den Menschen logisch.

    “sowohl Tiere […] als auch menschliche Babys sind in der Lage Schlussfolgerungen zu ziehen, verfügen also sehr wohl über Logik und das fern jeglicher Sprachfähigkeit.” Also ob Hunde, Vögel und Babys fern jeglicher Sprachfähigkeit sind, könnte man durchaus diskutieren, aber auch so bleibt die Frage, was man unter “Logik” versteht…überspitzt gefragt, würden Sie pawlowsche Reflexe auch als “Schlussfolgerung” ansehen? Meinem Verständnis von Logik nach geht es dabei um bewusstes, gesetzmäßiges Folgern, und das bedingt – meiner Überzeugung nach – Sprache. Das gilt absolut und besonders für Logik im engeren, philosophischen Sinne als Lehre des systematischen Folgerns und der Gültigkeit von Argumenten (heute meist als ‘formale Logik’ bezeichnet) – nur eine (sprachliche) Aussage kann entweder wahr oder falsch sein. Logik und Sprache sind zwei Seiten einer Medaille, denn ohne Sprache kein bewusstes Denken.

    @Dr. Wb: “Das weiß man.” gar nicht, ätsch

  20. #20 Paul
    9. November 2010

    Hank Scorpio:
    Dass die Neuronen des Gehirns ebenfalls mit elektrischen Ladungen arbeiten, sollte eigentlich bekannt sein. Es bliebe dir also nur geistige Fähigkeiten in einer mysteriösen, ausgedachten übernatürlichen Seele zu verorten – oder zu glauben, dass Menschen ebenfalls unfähig seien Logik zu “beherrschen”. Oder aber, und das erscheint doch bedeutend wahrscheinlicher, deine Annahme ist einfach falsch. Wer logische Regeln korrekt anwenden und Schlussfolgerungen ziehen kann (sprich wahrheitstheoretische Interpretationen vornehmen kann), der beherrscht auch Logik.
    Auch der Trick mit dem bewussten Folgern hilft da nicht weiter. Denn das provoziert sofort die Gegenfrage: Warum? Ändert Bewusstheit irgendetwas an der Logik?
    Es gibt zu der Frage passend nette Experimente. So kann praktisch jeder Mensch auch komplexere logische Fragestellungen lösen, sofern sie als soziale Situation getarnt daherkommen. Bei der logisch exakt identischen Fragestellung in abstraktem mathematischen Gewand versagen sie aber. Letzteres verlangt weit mehr bewusste Überlegung. Damit wäre für dich die Sache wohl klar. Doch logisch sind beide Formulierungen perfekt äquivalent. Die erstere ist nur (evolutionär) verständlicher formuliert. Aber ist sie deswegen – trotz ihrer Äquivalenz! – nicht logisch?

    Dass es ohne Sprache kein bewusstes Denken gibt, ist auch eine steile These. Hast du schon einmal einen dieser Intelligenztests gemacht, wo man sagen muss, welches dreidimensionale Objekt aufgefaltet wie aussieht? Also ich weiß nicht, wie du solche Aufgaben löst. Ich auf jeden Fall halte gedanklich keine Monologe über die Schönheit der Geometrie, sondern falte die Objekte wortlos in meinem Geist und schau, was dabei herauskommt. Und ich kann dir versichern, ich bin mir des Denkprozesses dabei sehr bewusst. Neben dem räumlichen Vorstellungsvermögen kann auch Musik ein wunderbares Beispiel für nicht-sprachliche, bewusste Denkprozesse sein.

    Und nein, konditioniertes Lernen ist sicher keine Logik. Für selbige braucht es schon die Fähigkeit, die Struktur zu kennen (ich schreibe bewusst nicht “zu erkennen”). Das heißt letztlich, die wahrheitstheoretischen Interpretationsmöglichkeiten zu kennen. Davon kann bei konditioniertem Lernen wahrlich keine Rede sein.

  21. #21 Wb
    10. November 2010

    @paul
    Denken ohne Sprache geht, Sprache dient ja bekanntlich der Kommunikation. Ist technisch nur ein Protokoll – schön, dass Sie das erkannt haben.

    Shakespeare hatte wohl doch die Juristen gemeint, korrekt, gut aufgepasst, schlaues Kerlchen! – Aber auch ein wenig beleidigend: Besser erst mal mitdenken wies gemeint gewesen sein könnte, auch mal ein eigenes Bildungsdefizit in Betracht ziehen und nicht immer nur das Geringste vom anderen annehmen und sich niedrig ausmären!

    Hierzu noch – “Es ist den Linguisten zu verdanken, dass korrektes Deutsch nicht mehr von Sprachnazis, sondern auch offiziell vom Volk definiert wird.” -, die Wortschöpfung mit dem doitschen Hintergrund lässt der Webbaer Ihnen gerade so durchgehen, man kann halt nicht aus seiner Haut, aber die Linguisten haben natürlich kein pol. Mandat. Es scheint nur so.

    In der Praxis, also in der Produktion, wird sowieso kommuniziert wie der Hengst gerade bohnert, kennen Sie Wirtschaftsdeutsch (oder entsprechendes Denglish)?
    Wer in der Produktion die Schnauze linguistischerweise aufmacht, auch sowas gibt es, der kann sich se-ehr unbeliebt machen.

    HTH
    Wb

  22. #22 Paul
    10. November 2010

    Wb:
    Noch einmal zum Mitschreiben: Linguistik hat nichts mit Sprachnörgelei zu tun. Sprachwissenschaft arbeitet deskriptiv, d. h. beschreibt, wie Sprache tatsächlich gebraucht wird und schreibt nicht vor, wie sie zu sein hat. Daher ist die Geringschätzung von Linguisten und deren angebliche Unbeliebtheit lächerlich ahnungslos. Denn “wer in der Produktion die Schnauze linguistischerweise aufmacht” sagt sehr wahrscheinlich Sätze wie “Oh! Das ist neuer Ausdruck, ein interessanter Anglizismus. Sehr schön!”.

  23. #23 radicchio
    10. November 2010

    Meinem Verständnis von Logik nach geht es dabei um bewusstes, gesetzmäßiges Folgern, und das bedingt – meiner Überzeugung nach – Sprache.

    wenn eine krähe einen draht zum haken biegt, um damit ein stuck futter aus einem loch zu angeln, ohne diese technik vorher abgeschaut zu haben, dann ist das logik und systematisches folgern.

    – nur eine (sprachliche) Aussage kann entweder wahr oder falsch sein. Logik und Sprache sind zwei Seiten einer Medaille, denn ohne Sprache kein bewusstes Denken.

    nee, es kann auch eine bildliche aussage wahr oder falsch sein.

    Logik und Sprache sind zwei Seiten einer Medaille, denn ohne Sprache kein bewusstes Denken.

    auch nicht zwingend, denn sprache / gesprochenes kommt ganz gut ohne logik aus. zumal hier die definition von bewusstsein fehlt. wenn tiere sich selbst im spiegel erkennen, wird das heute durchaus als bewusste leistung gewertet. und gibts ganz ohne sprache.

    Sprachwissenschaft arbeitet deskriptiv, d. h. beschreibt, wie Sprache tatsächlich gebraucht wird und schreibt nicht vor, wie sie zu sein hat.

    feminsitische linguistik schreibt durchaus vor, wie sie zu hätte. sie schreibt der sprache sogar subjekteigenschaften und handlungskompetenz zu.

  24. #24 Paul
    10. November 2010

    denn sprache / gesprochenes kommt ganz gut ohne logik aus

    Eigentlich nicht. Seit den 1950er Jahren gehört auch die Linguistik zu den Wissenschaften mit Mathematik als Hilfswerkzeug. Insbesondere scheint sprachlichen Äußerungen sehr wohl eine logische Struktur innezuwohnen. Ein klassisches Paper gibt es dazu von Montague. Die aktuellen Modelle sind natürlich weiterentwickelt, da sie insbesondere satzübergreifend arbeiten.

    Mir erscheint eine logische Grundstruktur allerdings auch zwingend. Denn zumindest ich stelle mir eine Sprache, die keine logische Grundstruktur hat und daher auch keine Schlussfolgerungen erlaubt, als Kommunikationsmedium reichlich nutzlos vor.

    feminsitische linguistik schreibt durchaus vor, wie sie zu hätte

    Wir sind hier bei einem Portal mit wissenschaftlichen Blogs und da sollte zumindest klar sein, was Wissenschaft ist. Normative Forderungen sind als wissenschaftliche Forschung auf jeden Fall nicht machbar. Und allgemeine Begriffe sind natürlich nicht geschützt. Keiner hindert dich daran, unter dem Titel Zukunftsastronomie Horoskope zu erstellen. Aber das macht die Aussage, die astronomische Forschung erstelle Horoskope, auch nicht wahrer.

  25. #25 Hank Scorpio
    10. November 2010

    @paul: “Es bliebe dir also nur geistige Fähigkeiten in einer mysteriösen, ausgedachten übernatürlichen Seele zu verorten […] Wer logische Regeln korrekt anwenden und Schlussfolgerungen ziehen kann (sprich wahrheitstheoretische Interpretationen vornehmen kann), der beherrscht auch Logik.” – also ich bin in der Tat der Überzeugung, dass es so etwas wie ein Bewusstsein gibt, das sich nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden fassen, messen oder bestimmten lässt. Deswegen ist es aber noch nicht ‘übernatürlich’, es gibt nur (bisher?) keine adäquaten Methoden, sich ihm mit Messinstrumenten etc. zu nähern. ‘Seele’ würde ich des daher auch nicht nennen. Wie würden Sie denn sonst den Unterschied zwischen Mensch und Computer fassen? Gäbe es dann keinen? Beide können denken?
    “Ändert Bewusstheit irgendetwas an der Logik?” Die Frage ist für mich falsch gestellt – eben weil es meiner Überzeugung nach keine ewige, von Raum und Zeit absolute, der Natur eingeschriebene Logik gibt, sondern Logik lediglich die Wahrnehmung von Zusammenhängen (bzw. die Verknüpfung) zwischen Dingen der Welt ist, die nur in einem bestimmten Medium möglich ist – eben der Sprache. Anders gefragt: Gäbe es Logik, wenn es keine Menschen gäbe? Ich würde sagen nein, weil ‘Logik’ eben keine innere Struktur der Natur ist.
    @radicchio: “zumal hier die definition von bewusstsein fehlt. wenn tiere sich selbst im spiegel erkennen, wird das heute durchaus als bewusste leistung gewertet. und gibts ganz ohne sprache. ” Ich gebe Ihnen recht, ich hätte Bewusstsein etwas genauer erläutern sollen, und in der Verkürzung mag es so geklungen haben, als würde ich Tieren jegliches Bewusstsein absprechen. Ich meinte aber lediglich, dass das menschliche Bewusstsein den Menschen mehr als deutlich vom Tier abhebt – ungeachtet der Frage, wieiviel “Bewusstsein” man den Tieren zuspricht. Um etwas auszuholen (was zu der Frage zurückführt, was ‘Sprache’ ist): Ich glaube, das Sich-bewusst-werden ist daran geknüpft, sich selbst zu verobjektivieren, d.h. sich selbst als etwas außer sich gestelltes zu sehen – im einfachsten Fall als Spiegelbild. D.h. man sieht sich selbst als etwas außer einen gestelltes, quasi als ‘objekt’, das man mit sich identifiziert. Genau dem gleichen Zweck dienen (sprachliche) Laute, die man als ‘Objektivationen’ des eigenen Denkens nutzt, indem man anhand der Laute, die man zu unterscheiden lernt (=Artikulation) die Scheidung der kontingenten Welt in Objekte erfährt. Erst über diesen Prozess werden die Vorstellungen/Gedanken (oder wie immer man das bezeichnen will) ‘greifbar’ und eine bewusst Auseinandersetzung damit möglich, ebenso wie eine deutende Verknüpfung (= Logik). Über die Artikulation erlernt man so bestimmte Lautformen, die man wiederholen und fest einprägen kann (wohl gemerkt, entscheidend ist das Wissen, wie zu artikulieren, nicht unbedingt das laute Sprechen), die Zuordnungen verfestigen sich also, und daraus erst ergibt sich eine bewusste Vorstellung von Welt, mit der man im Denken umgehen kann. Die ‘Verfestigung’, ‘Fixierung’, ‘Abgrenzung’ oder wie immer man es nennen will, von flüchtigen Vorstellungen zu abgegrenzten Entitäten für mich entscheidend für bewusstes Denken und damit auch Voraussetzung für Logik.
    “nee, es kann auch eine bildliche aussage wahr oder falsch sein.” Das glaube ich nicht, weil ich schon den begriff einer ‘bildlichen aussage’ nicht akzeptieren würde – denn was soll genau ein ‘bild’ aussagen? Ein Bild mag zwar grob so etwas wie eine Semantik besitzen (also eine Beziehung zwischen Bild und einen Gegenstand der Welt), aber es hat keine syntax, die es erlauben würde, in ihm konkrete Verknüpfungen von Tatsachen zu erkennen, die man Wahrheitskriterien unterwerfen könnte. Dazu bedarf es der Sprache.

  26. #26 Jürgen Schönstein
    10. November 2010

    @Hank Scorpio

    weil es meiner Überzeugung nach keine ewige, von Raum und Zeit absolute, der Natur eingeschriebene Logik gibt, sondern Logik lediglich die Wahrnehmung von Zusammenhängen (bzw. die Verknüpfung) zwischen Dingen der Welt ist, die nur in einem bestimmten Medium möglich ist – eben der Sprache. Anders gefragt: Gäbe es Logik, wenn es keine Menschen gäbe? Ich würde sagen nein, weil ‘Logik’ eben keine innere Struktur der Natur ist.

    Wikipedia-Links sind ja nicht unbedingt eine souveräne Antwort, aber hier erlaube ich mir mal, auf den Eintrag zur Logik zu verlinken. Denn dann kann ich mir die vielen Worte ersparen, mit der ich sonst versucht hätte, die symbolische Logik – haben wir mal alle (?) mit der Booleschen Algebra in der Schule gelernt – als eine Sprache für sich zu erklären. Nur so viel als Beispiel: Wenn A größer ist als B und B größer als C, dann ist A auch größer als C – egal, wo im Weltraum und in welcher außeriridischen Sprache man dies formuliert.

  27. #27 Wb
    11. November 2010

    @Paul

    Linguistik hat nichts mit Sprachnörgelei zu tun. Sprachwissenschaft arbeitet deskriptiv, d. h. beschreibt, wie Sprache tatsächlich gebraucht wird und schreibt nicht vor, wie sie zu sein hat. Daher ist die Geringschätzung von Linguisten und deren angebliche Unbeliebtheit lächerlich ahnungslos.

    Ganz so ist es ja nicht. Nörgler finden sich unter den Linguisten mehr als genug. Beachten Sie vielleicht auch die Interdisziplinarität des Gemeinten.
    D.h. – noch einmal klarer für Sie – wir haben natürlich die Linguisten in eine griffige Formel metaphorisch zusammengepackt: Die “Linguisten” als klassischen Gegenspieler des Sacharbeiters. Womit wir auch wieder beim Thema wären: Sprache nur ein Protokoll (Hank sollte das auch langsam mal annehmen: Sprache != Denken).

    Vielleicht noch abschließend ein paar Namen, dann kann man sofort etwas mit dem immerwährenden Machtkampf zwischen den Linguisten (oder “Linguisten” [1]) und den Sacharbeitern verbinden, also: Sabine Schiffer, Marc Fabian Erdl & Horst Dieter Schlosser

    Ihnen sei noch der Rat mitgegeben vielleicht mit Tatsachenbehauptungen, also i.p. Sacharbeit, vorsichtiger zu werden. Wenn Sie unangenehm werden wollen, dann geben Sie doch einfach ungebetene Ratschläge. So wie der Webbaer. Aberr (und wir stellen uns hier das rollende R des Willy Brandts der Siebziger vor) immer schön konstruktiv bleiben, Kindergarten ist woanders…

    HTH
    Wb

    [1] Nichts gegen ehrwürdige Graecisten oder Literaturkritiker bspw., es geht hier hauptächlich um pol. wirksame dummschwätzende Linguisten, die aber auch im Kleinen, bspw. in der Forschungseinrichtung oder im Betrieb ihr Unwesen treiben. Der Linguist (oder “Linguist”) kann zwar nichts, außer sein Regelwerk verwalten, das nicht so wichtig ist, aber er redet gerne und hat ein Gefühl für Machtverhältnisse.

  28. #28 radicchio
    11. November 2010

    “nee, es kann auch eine bildliche aussage wahr oder falsch sein.” Das glaube ich nicht, weil ich schon den begriff einer ‘bildlichen aussage’ nicht akzeptieren würde – denn was soll genau ein ‘bild’ aussagen?

    da wir auch in bildern denken, gibts natürlich auch die aussage eines bildes. das bild einer erdbeere hat eine klare aussage, die sich sprachübergreifend vermittelt. man kann sie in einen kontext stellen und mit anderen bildern eine syntax herstellen. jeder, der die bildinhalte kennt, versteht die aussage unabhängig von seiner sprache.

    logischerweise kann die aussage eines bildes unlogisch und paradox sein:

    https://www.itp.uni-hannover.de/~dragon/stonehenge/footn2.htm

  29. #29 Schreibhals
    12. November 2010

    Ich weiß nicht, obs hier schon genannt wurde, gehe mal von nein aus, aber ich nehme an, dass Sprache nur vorhandene Vorurteile transportiert. Ein Beispiel dafür wären die sog. “Euphemismus-Tretmühlen”:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Euphemismus-Tretm%C3%BChle

    Aber selbst hier kann man natürlich einwenden, dass alle Personen (oder relevant viele, was aufs selbe hinausläuft), die bei einer Euphemismus-Tretmühle mitgemacht haben, natürlich vorher die als diskriminierend empfunden ablehnten Begriffe gelernt haben und daher vielleicht so zu Vorurteilen kamen.

    Der Weisheit letzter Schluss ist bei dem Thema noch lange nicht gefallen.

  30. #30 anderer Michael
    30. April 2017

    Etwas positives hat die Schleichwerbung schon. Auf ein interessanten Artikel im Blog hingewiesen und Drohnen sind seit 2005 versicherungspflichtig, auch die Spielzeugdrohnen, sofern richtig verstanden.

  31. #31 Jürgen Schönstein
    1. Mai 2017

    War keine “Schleichwerbung”, sondern hundertprozentiger Spam – der gleiche Kommentar, mit zwei oder drei Varianten im ansonsten sehr generischen Wortlaut, wurde auf Dutzenden Blogbeiträgen in nahezu allen Blogs hier gepostet. Bei mir kam er allerdings (diesmal noch) durch den Filter, bei anderen hoffentlich nicht.

  32. #32 rolak
    1. Mai 2017

    bei anderen

    ..kam ebenfalls reichlich quadrospam durch die diversen Filterungen, Jürgen, um dann vom feedreader (ua) nach hier zur Anschau gekarrt zu werden. Derart reichlich, daß sich gewisse Mitleser schon zu Kommentaren haben hinreißen lassen.

  33. #33 rolak
    1. Mai 2017

    ..und läuft und läuft und läuft.

  34. #34 anderer Michael
    1. Mai 2017

    So eine Problematik wäre mal ein interessantes Thema , feedreader, automatisch erzeugt usw. Ähnlich wie bei Payola früher unbekannt.

    Scheint dasselbe Problem wie bei scheinbaren politischen Meinungsäußerungen in sozialen Medien zu sein und wird wohl eine richtige Landplage.