Im eiskalten Wetter (draußen sind es gerade minus sieben Grad Celsius) sind Mückenplagen nicht unbedingt ein Problem, das dringend erscheint. Das Publikum für ein

Paper

über Bounce® Fabric Softener Dryer Sheets Repel Fungus Gnat, Bradysia sp. nr. coprophila (Diptera: Sciaridae), Adults, erschienen in der aktuelle Ausgabe von HortScience, dürfte daher um diese Jahreszeit noch kleiner sein als im Frühjahr oder Sommer. Aber es war auch nicht so sehr die Forschungsfrage selbst – ob Trocknertücher der Marke Bounce® (hergestellt von Procter & Gamble) Mücken abhalten oder nicht – als vielmehr die Tatsache, dass hier ein Hausmittel, dessen Wirkung zwar seit Jahren auf Ratgeberseiten von Haushaltsmagazinen und einschlägigen Webseiten angepriesen, wissenschaftlich bisher jedoch nie untersucht wurde (ein negativer Eintrag auf Snopes.com zählt da wohl nicht), von Insektenforschern der Kansas State University überprüft und … bestätigt wurde.

Wobei sich “bestätigt” nur auf die sehr enge Versuchsanordnung bezieht: Die Forscher hatten nicht mit Stechmücken und anderen Blutsaugern gearbeitet, sondern lediglich eine einzige Mückenart, die Trauermücke Bradysia coprophila, einem Labortest unterzogen. Der Test selbst ist im Paper (hier noch einmal der Link zum

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) ausführlich beschrieben; 150 Mücken wurden in einem abgeschlossenen Containersystem (siehe Abbildung) in völliger Dunkelheit – da sie vom Licht angezogen würden, was das Ergebnis verfälschen könnte – insgesamt fünf verschiedenen Kombinationen von Nährlösung, Wasser und Trocknertüchern in den “Satelliten-Containern” (A und B) ausgesetzt.

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Six-armed experimental arena used for all experiments in the study, in which just two arms were used for the two-choice experiments associated with the study. A glass petri dish (5.0 cm in diameter) containing the treatments was placed into the designated sample compartments (A or B). Adult fungus gnats, Bradysia sp. nr. coprophila, obtained from a laboratory colony, were collected in a 9-dram plastic vial and then released into the central compartment (C). The number of adult fungus gnats captured on 2.5 x 2.5-cm yellow sticky cards associated with each treatment was counted, and fungus gnat adults on the floor in the sample compartments (A or B) were counted. Also, the number of fungus gnat adults that remained in the central compartment (C) was recorded.

Nach zwei Tagen wurden die Mücken auf den Klebefallen der Zielcontainer gezählt – und tatsächlich: Während in den Containern mit den Bounce-Tüchern nur etwa 12 bis 18 Prozent der ausgesetzten Trauermücken gefunden wurden, waren es im Trocknertuch-fernen Container zwischen 33 und 48 Prozent. Was daran liegen dürfte, dass diese Bounce-Tücher – die ebenfalls für das Paper im Gaschromatographen analysiert wurden – aus Insektiziden und -Abwehrmitteln bekannte Substanzen wie Linalool, Benzylacetat und Beta-Citronellol enthalten.

Aha. Dann dürfte das Ergebnis also eigentlich keine Überraschung sein. Und warum finde ich es dann so erwähnenswert, dass ich meinen Lesern damit die Zeit stehle? Zum Einen, weil es immer überraschend ist, wenn solche eine “Zweckentfremdung” eines Haushaltsmittels sich mal nicht als “urban legend” entpuppt, sondern tatsächlich wissenschaftlich etwas dran ist. Zum anderen aber, weil ich fürchte, dass man das “etwas dran” gar nicht oft genug wiederholen kann (auch die Autoren sind darin ganz klar): Der Versuch beweist nicht die Wirkung auf Moskitos, er beweist auch nicht, dass Trocknertücher, am Gürtel oder in der Hosentasche getragen, genug Distanzwirkung haben, um das Viechzeugs wirklich abzuhalten; er kann nicht verraten, wie lange die abschreckende Wirkung anhält – und er beweist auch nicht, dass man dazu – wie in der Praxis empfohlen – gebrauchte Trocknertücher zweitverwenden sollte. Und er beweist auch ganz gewiss nicht, dass einer Hausmittel-Empfehlung immer und kategorisch zu vertrauen ist – lediglich, dass man ihr im vorliegenden Fall nicht misstrauen muss.

Aber er beweist auch, dass Wissenschaftler eben nicht, wie – soll ich’s sagen, soll ich nicht, soll ich …? Okay: – zum Beispiel Homöopathie-Verteidiger oft andeuten, alle tradierten Heil- und Hilfsmittel mit dem Bias untersuchen, dass dabei nur negative Resultate zu erwarten sind.

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Kommentare (4)

  1. #1 BreitSide
    15. Dezember 2010

    …Linalool, Benzylacetat und Beta-Citronellol…

    Na, da hätte man sich die Versuche ja fast sparen können. Repellents/Insektizide auf ein Papiertuch, da ist es ja gaaaanz ungewöhnlich, dass Fliegen (jedenfalls eine Art) dieses meiden…

    Zugegebenermaßen, nicht alles, was plausibel erscheint, ist es auch.

  2. #2 BreitSide
    15. Dezember 2010

    xxx

  3. #3 Jürgen Schönstein
    15. Dezember 2010

    @BreitSide
    Man könnt’ auch sagen: Erstaunlich, dass Mückenschutzmittel tatsächlich wirken. Aus meiner praktischen Erfahrung hätte ich das nämlich ganz ehrlich bezweifelt – wenn man es nicht schafft, den Moskito an Ort und Einstichstelle mit “Off” oder “Autan” oder wie immer das Zeugs heißt zu ersäufen, dann hilft’s nicht 😉

  4. #4 BreitSide
    15. Dezember 2010

    Stimmt. Die “Wissenschaft” der Repellents ist noch sehr in den Kinderschuhen. In malariaverseuchten Gegenden hilft dann halt nur das Netz wirklich. Eine Imprägnierung unterstützt aber die Wirkung. Weiß bloß nicht mehr, wie das Mittel hieß, das wir vor 3 Jahren hatten.