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Dieser mit einem Oscar ausgezeichnete Dokumentarfilm von Bernhard und Michael Grzimek aus dem Jahr 1959 ist einer der ersten Filme überhaupt, an die ich mich erinnern kann; das gleichnamige Begleitbuch, das im Bücherregal meiner Eltern stand, hatten mein Bruder und ich so oft gelesen, dass es aus dem sprichwörtlchen Leim ging und am Ende eher einer Loseblattsammlung glich (es steht, soweit ich weiß, noch heute im Regal).

Damals ging es um die Grenzen des Nationalparks an sich, die von der britischen Kolonialverwaltung ziemlich willkürlich gezogen werden sollten; die Arbeit der Grzimeks wies nach, dass dies den Lebensraum der über weite Distanzen wandernden Gnu- und Zebraherden radikal beschneiden würde; die Grenzen wurden darauf hin neu festgelegt. Runde fünfzig Jahre später droht der Serengeti erneut der Tod von Menschenhand: Diesmal geht es um den Bau einer Straße, die den nördlichen Teil des Nationalparks durchschneiden und damit die Wanderwege der Herden unterbrechen würde.

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In einem in PLoS ONE erschienenen Paper (nennt man das in dieser papierlosen Publikation überhaupt noch so?) haben nun mehrere amerikanische und kanadische Forscher, unter der Federführung von Ricardo M. Holdo (Biologe an der University of Missouri in Columbia) festgestellt, dass sich durch solch eine Straße – die Karte aus dem Paper zeigt, in blau, den ungefähren Verlauf der Trasse (SNP = Serengeti National Park, NCA = Ngorongoro Conservation Area, MMGR = Masai Mara Game Reserve, MGR = Maswa GR, IGR = Ikorongo GR, GGR = Grumeti Game Reserve) – den Bestand der Gnuherden im Mittel um 35 Prozent (je nach Szenario zwischen 16 und 73 Prozent Verlust) reduzieren würde.

Natürlich ist eine Straße selbst noch kein Hindernis. Aber eine Straße ist ja mehr als ein Streifen Asphalt – sie ist ein Verkehrsweg (wenn es keinen Verkehr gäbe, wäre die Straße ja überflüssig). Kraftverkehr jedoch ist ein definitiv schon Hindernis, und dieser Effekt wird vorrausichtlich drastisch dadurch verstärkt, dass bei wachsendem Verkehr eine Sicherung der Trasse durch Zäune unvermeidlich wird.

So leicht, nun einfach die Straße zu verdammen und einen Planungs- und Baustopp zu fordern (der sowieso nur ein Papiertiger wäre), will ich es mir nicht machen. Mir ist klar, dass die Länder Afrikas einen Entwicklungsbedarf haben, der nun mal ganz essentiell mit einer Infrastrukturverbesserung einher geht. Und uns als Europäern steht Kritik hier schon gar nicht an, wo wir unsere Landschaft zugemauert, zugepflastert und zugezäunt haben, bis schließlich außer Kaninchen, Ratten und Straßentauben kaum noch “wildes” Leben einen Raum finden konnte (ich übertreibe mal bewusst – aber niemand wird bestreiten, das unsere europäischen Lebensräume primär für Menschen geeignet sind, und gelegentlich nicht mal mehr das). Dennoch geht es um mehr als nur ein nationales oder regionales Interesse. Die Serengeti steht seit 1981 als Naturdenkmal auf der Welterbeliste der Unesco; ihr Verlust wäre ein unwiderbringlicher Schaden für alle Menschen. Das hat niemand besser gesagt als Bernhard Grzimek selbst:

„Diese letzten Reste des afrikanischen Tierlebens sind ein kultureller Gemeinbesitz der ganzen Menschheit, genau wie unsere Kathedralen, wie die antiken Bauten, wie die Akropolis, der Petersdom und der Louvre in Paris. Vor einigen Jahrhunderten hat man noch die römischen Tempel abgebrochen, um aus den Quadern Bürgerhäuser zu bauen. Würde heute eine Regierung, gleich welchen Systems, es wagen, die Akropolis in Athen abzureißen, um Wohnungen zu bauen, dann würde ein Aufschrei der Empörung durch die ganze zivilisierte Menschheit gehen. Genau so wenig dürfen schwarze oder weiße Menschen diese letzten lebenden Kulturschätze Afrikas antasten. Gott machte seine Erde den Menschen untertan, aber nicht, damit er sein Werk völlig vernichte.”

Foto: Serengeti Sunset, Vincent van Zeijst (Own work) [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons

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Kommentare (2)

  1. #1 Redfox
    1. Februar 2011

    Zur Hintergrundinformation; die taz hat vor einigen Monaten über das Projekt berichtet und unter anderem darauf hingewiesen das der wirtschaftliche Nutzen hochfragwürdig ist:

    Doch nicht nur ökologisch, auch wirtschaftlich halten die Gutachter den Plan für unsinnig. “Es ist die Ansicht der Berater, dass es andere Straßenprojekte in Tansania gibt, die ökonomisch sinnvoller wären als eine direkte Straßenverbindung zwischen Makuyuni und Musoma”, heißt es im der taz vorliegenden Bericht. Die Weltbank lehnte nach der Veröffentlichung des Berichts jede Unterstützung des Straßenbaus ab.

    Die Weltbank ist ja nicht gerade dafür bekannt sich sehr um die Umwelt zu kümmern, allerdings sind die sehr strickt was die Wirtschaftlichkeit der geförderten Projekte angeht.

    Statt dessen scheint es sich um Wahlkampftaktik zu handeln:

    Kikwete stellt sich im Oktober zur Wahl: Nicht wenige glauben, dass das Straßenprojekt als Wahlkampfschlager aufgelegt worden ist, um Wähler im wirtschaftlich weitgehend abgehängten Westen des Landes zu gewinnen. “Wir bauen die Straße, weil wir es im letzten Wahlkampf versprochen haben”, beharrt denn auch Umweltministerin Mwangunga. Auf das Signal kommt es an.

  2. #2 Redfox
    3. Februar 2011

    Aktueller taz-Artikel zum Thema:
    taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/die-schnellstrasse-ist-gut-fuer-die-natur/