Achtung: Wer meint, dass auf ScienceBlogs nur über Wissenschaft geschrieben werden darf, sollte am besten gleich weiter klicken (hier, zum Beispiel). Dies ist eine subjektive und ausgiebige Betrachtung, auf eigener Erfahrung basierend, wenn auch durch eine aktuelle Studie über die lebensverkürzenden Nebenwirkungen von Arbeitslosigkeit angeregt.

Ich weiß zwar nicht, wo Friedrich Nietzsche den Spruch “Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens” erstmals niedergeschrieben hat (ich erinnere mich nur daran, dass dies das Thema eines Deutschaufsatzes war, den ich in der 11. Gynasialklasse schreiben musste). Aber dass man sich nach einem Vierteljahrhundert und einem halben Leben mit seinem Beruf, seiner Erwerbstätigkeit so identifizieren kann, dass sie zu einem quasi-anatomischen Teil des Ich wird, kaufe ich dem alten Denker auch ohne Quellennachweis ab – heute mehr denn je. Denn vor nun bald zwei Jahren schien es, als ob mir plötzlich dieses Rückgrat gebrochen wurde – in Form eines in seiner Knappheit verletzenden und in seiner Schroffheit beleidigenden Kündigungsschreibens, das mir relativ wortlos am Freitag morgen des 29. Mai 2009 von meinem damaligen New Yorker Büroleiter in die Hand gedrückt wurde.

Die Nachricht wäre natürlich in jeder Form für mich vernichtend gewesen, da ich mich als Alleinverdiener für Frau und Sohn im extrem teuren New York verantwortlich fühlte. Aber dass gleich zwei FOCUS-Chefredakteure zu feige waren, es mir persönlich – bei solchen Transatlantikbeziehungen gilt auch ein Telefonat oder ein selbst verfasstes Schreiben noch als “persönlich” – mitzuteilen und auch danach nicht mehr für mich erreichbar waren; dass statt dessen ein minimal modifiziertes Formschreiben der Personalabteilung, nebst einem schon unter normalen Umständen lachhaften Abfindungsangebot (nach fast einem Jahrzehnt Redaktionszugehörigkeit), das in der konkreten Situation eines Auslandsmitarbeiters wie ein Hohn wirkte, die Kündigung manifestierte; dass mein langjähriger Kollege und Bürochef, der doch angeblich immer so um das Wohl seiner Mitarbeiter besorgt war, in vorauseilender Komplizenschaft das Schreiben bis zum letztmöglichen Termin (nach dem deutschen Feierabend am letzten Arbeitstag des Monats) zurückgehalten hatte, um mir möglichst wenig Reaktionszeit zu lassen, und mir dann auch noch schnell eine Verzichtserklärung auf juristische Mittel zur Unterschrift unterschieben wollte – all das tut bis heute noch weh.

Und wer jetzt denkt, dass ich diese Behandlung vermutlich verdient hatte – wie mein Vater zu sagen pflegte: irgend einen Grund werden die schon haben – und daher froh sein sollte, dass ich überhaupt den Job so lange hatte: Wie bei den Zebra- und Gnuherden in der Serengeti, wo von der Herde abgetrennte Tiere auch die ersten sind, die den Löwen und Hyänen zum Opfer fallen, war meine Position durch die große räumliche Entfernung von der Redaktionszentrale geschwächt, und zwar so, dass auch ein deutscher Arbeitsvertrag wenig Schutz bot. Denn, so das Argument des Arbeitgebers, ich sei ja als einziger Redaktionsmitarbeiter in New York ein eigener Betrieb gewesen, der aus Kostengründen geschlossen werden muss. Und da ich der einzige Mitarbeiter dieses Betriebs war, musste auch keine Sozialauswahl (die den Arbeitgeber ja zur besseren Begründung der jeweiligen Kündigung zwingen würde) getroffen werden. Das Münchner Arbeitsgericht, vor dem die Sache landete, hätte dazu eine Grundsatzentscheidung treffen müssen – die ihm (zur sichtbaren Erleichterung des Richters) allerdings erspart blieb, weil wir uns dann doch noch auf eine Lösung verständigen konnten, die zumindest das Gerichtsurteil unnötig machte. Diese Lösung als “einvernehmlich” zu bezeichnen, wie der offizielle Wortlaut war, ließe sich etwa damit vergleichen, dass ein Todeskandidat seiner Hinrichtung einvernehmlich zugestimmt habe, weil er ja, vor die Wahl gestellt, ob er erschossen oder erhängt werden will, den Strick gewählt habe …

Warum schreibe ich das? Zum Einen, weil ich damit zeigen will, dass Entlassungen immer eine menschliche Komponente haben, die nicht mit Kosten-Nutzen-Rechnungen erfassbar ist. Manchmal sogar völlig unfassbar sind: Welchem unternehmerischen Zweck dient es, beispielsweise, wenn Mitarbeiter – wie bei NBC im benachbarten Rockefeller Center (“30 Rock”) passiert – nach der Rückkehr von der Mittagspause dadurch von ihrer Kündigung erfahren, dass ihre Hausausweise plötzlich nicht mehr funktionieren? Wenn sie dann, begleitet von Wachleuten, gerade mal so lange an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen, um ihre persönlichen Gegenstände einzusammeln und dann in einer Pappschachtel – dem universellen Erkennungszeichen des Gefeuerten – durch das Großraumbüro tragen zu dürfen? Welcher unternehmerische Zweck ist erfüllt, wenn die Summen, die durch den Stellenabbau eingespart werden sollen, dann in exzessiven Managergehältern und -Boni wieder vergeudet werden? (Ich hatte wohl vergessen zu erwähnen, dass während ich noch um meinen Posten ringen musste, sich zeitweise drei Chefredakteure an der FOCUS-Spitze drängelten …)

Ob es nun verkappter Sadismus der Chefs ist, der in dieser Situation wie bei Fuggers Hund (weil’s eh’ schon nicht mehr drauf ankommt) durchbricht, oder ob es tatsächlich vor allem jene Chefs sind, die sich am wenigsten vorstellen konnten, mal Leute zu entlassen und dann aus Feigheit solche Fehler machen – egal: schlechter Kündigungsstil ist immer schlechter Managementstil. Wer sein Spitzengehalt damit rechtfertigt, dass er/sie ja auch eine größere Verantwortung trage, aber genau dann versagt, wenn diese Verantwortung zum Tragen kommt (was sonst, außer Stellenabbau, tun Manager denn heute noch, um ihre Zahlen aufzubessern? Der Karren ist doch im Dreck, weil ihre unternehmerische Begabung, ihr angeblich so einmaliges “Gespür für den Markt”, mit dem sie ihre besoldungstechnische Sonderstellung rechtfertigen, schon nichts geholfen hat) – der hat auch als Manager versagt. Und die Ausrede, Entlassungen seien für ihn/sie mindestens ebenso schmerzhaft wie für die Entlassenen ist ebenso ehrlich und glaubhaft wie die Beteuerung prügelnder Eltern, dass ihnen die Schläge genau so weh täten wie ihren Kindern …

Und zum Anderen geht es mir darum zu zeigen, dass ein Arbeitsplatz eben nicht nur ein substituierbarer Wirtschaftsfaktor ist. Selbst wenn die finanzielle Situation der Familie, dank des Einkommens der Ehefrau (in meinem Fall ergab es sich, beinahe wunderbar, dass meine Frau ein gutes Jobangebot genau zu der Zeit erhielt, als meine Position auslief), nicht gefährdet wird, muss man kein ewiggestriger Macho sein, um mit dem eigenen Jobverlust zu hadern. Okay, als Journalist ist man ja sowieso nie “arbeitslos” – man wechselt schlicht, und quasi automatisch, in den Status des “freien Journalisten” über. Wie man aber von Jobs, die für mehrere Tage Recherche und Schreiben dann gerade mal hundert Euro zahlen, überleben soll, ist eine ganz andere Frage. Zum Glück habe ich ja nun die Aufgabe als redaktioneller Leiter der ScienceBlogs – sie gibt mir Beschäftigung und, auch wenn sie keine Vollzeit-Tätigkeit ist, genug Einkommen, um zum Familienunterhalt beizutragen.

Was mich nachts wach hält, ist nicht die gekränkte Eitelkeit des Nun-nicht-mehr-Haupternährers – im Gegenteil: Dass ich diese Verantwortung nicht mehr alleine tragen muss, ist eher eine Erleichterung – die Rolle des Alleinverdieners fand ich nie wirklich erstrebenswert. Es ist auch nicht mehr die immer noch schwelende Wut über die Art und Weise der Entlassung. Es sind viel konkretere Fragen: Werde ich wieder eine feste Vollzeit-Beschäftigung finden? Wenn nicht, was passiert dann mit den ja nun suspendierten Alterversogungs-Plänen? Was ist, wenn meine Frau überraschend ihre Stellung verliert? Oder – und auch das kann einem den Schlaf rauben – was wäre, wenn ich tatsächlich einen neuen Job finde, der aber wieder mit einem Umzug verbunden ist? Denn die Arbeit meiner Frau – sie unterrichtet am Massachusetts Institute of Technology – ist ja auch mehr als ein simpler Beitrag zum Lebensunterhalt, sondern verbindet sich mit Anerkennung, Kollegialität, fachlicher Herausforderung … nichts gibt mir automatisch das Recht zu erwarten, dass sie dies alles im Handumdrehen aufgeben muss, nur damit ich mich wieder als Ernährer und Verantwortungsträger fühlen kann. Diese Einstellung, dass Frauen lediglich als Flexibilitätsreserve des Arbeitsmarktes taugen, die sich gefälligst zurückziehen sollen, wenn’s uns Herren genehm ist, fand ich schon zum Kotzen, als dieses Problem für mich nur ein theoretisches war.

Also: Wer denkt, dass man sich nicht so anstellen soll, weil der Arbeitsplatz halt dem Firmenwohl geopfert werden musste; wer denkt, dass es dabei nur um materielle Sicherheit geht; wer glaubt, dass Stress und nicht Arbeiten einander gegenseitig ausschließen – der sollte vielleicht noch einmal alles von Anfang lesen.

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Kommentare (19)

  1. #1 rh
    8. April 2011

    Ein toller Beitrag, klug geschrieben und durch die persönliche Erfahrung autentisch. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Marktwirtschaft noch immer die am wenigsten nicht funktionierende Wirtschaftsform ist und viele Dinge durch staatliche Regelung und gesellschaftlichen Konsens beeinflusst werden könnten.

  2. #2 rh
    8. April 2011

    Ein toller Beitrag, klug geschrieben und durch die persönliche Erfahrung autentisch. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Marktwirtschaft noch immer die am wenigsten nicht funktionierende Wirtschaftsform ist und viele Dinge durch staatliche Regelung und gesellschaftlichen Konsens beeinflusst werden könnten.

  3. #3 rh
    8. April 2011

    Sorry, der Eintrag erscheint doppelt weil ich eine Fehlermitteilung beim ersten Einstellen erhielt.

  4. #4 Christian Reinboth
    8. April 2011

    Ein toller Beitrag, den man als Chef ruhig zweimal lesen sollte. Leider ist ja zu beobachten, dass die rüden US-Rauswurfmethoden inklusive Sicherheitsdienst und Pappkarton nach und nach auch auf Deutschland übergreifen, wobei hierzulande den allerschlimmsten Exzessen ja wenigstens noch ein paar letzte gesetzliche Regelungen im Wege stehen. Aus der “Chef-Perspektive” (auch unser kleines Institut hat inzwischen fünf, bald sechs Mitarbeiter) muss ich allerdings hinzufügen, dass die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, die leider manchmal aus finanziellen Gründen unumgänglich ist (etwa wenn Forschungsprogramme auslaufen und sich keine Alternativen aufmachen lassen), auch den Auflösenden quälen kann – wenn auch sicher nicht in der gleichen Form wie den Betroffenen. Mich nimmt sowas jedenfalls ganz schön mit…

    Ansonsten kann ich nur feststellen, dass der Verlust des FOCUS eindeutig der Gewinn der ScienceBlogs ist – und dass ich stark vermute, dass trotz der Schrumpfung von Redaktionen an allen Ecken und Enden die Nachfrage nach Journalisten künftig wieder steigen dürfte – zumindest nach denen, die mit Begriffen wie “Internet”, “Blog” und “Community” etwas anfangen können (man denke etwa an die desaströse Performance der deutschen Hauptstadt-Presse beim Thema “twitternder Regierungssprecher”…

    Soweit es übrigens die Wissenschaftlichkeit betrifft, genügt ja auch ein Blick in die aktuellen Top5: Zumindest mit Stand von heute Vormittag sehe ich da überhaupt nur einen Artikel, den man dem Wissenschafts-Bereich zuordnen könnte. Und da ist mir persönlich so ein Artikel hundertmal lieber als die x-te Auflage von “Warum ich ein Atheist bin” 🙂

  5. #5 Regina
    8. April 2011

    Warte eigentlich nur auf die vernichtenden Kommentare, die Sie darauf hinweisen werden, dass solche Offenlegungen stillos, kleinlich, unangemessen etc. blabla sind.

    Wir haben im letzten Jahr tiefste Einblicke in die Materie erhalten: Mittlerweile gibt es einen leisen Markt derer, die mit juristischen, psychologischen und anderen beratenden Mitteln versuchen, den Betroffenen irgendwie zu helfen.

    Wenn man einem Bekannten eine Mobbingsgeschichte erzählt, kann der die meistens mit einer noch gruseligeren Geschichte toppen.

    Mobbingberaten könnten Thriller-Bestseller schreiben – oftmals mit Futter für AI.

    Problematisch ist dabei, dass die Täter am längeren Hebel sitzen. Die Mechanismen also Geltung durch Umsetzung erlangen.

    Wie geschlagene Kinder übernehmen junge Nachfolger in Führungspositionen ungefragt und unreflektiert die alten Mechanismen.

    Und das Schlimmste: An den Universitäten werden in den betriebswirtschaftlichen Fächern die neuen Täter herangezüchtet. Umfrageergebnisse unter den entsprechenden Studenten offenbaren diese Haltung.

    Leider fällt mir letztlich auch nichts besseres als meinem Vorkommentator ein: Es muss schützendere Reglementierungen geben.

  6. #6 Clemens Gleich
    8. April 2011

    Ein sehr persönlicher Rant, mir persönlich zu persönlich. Man sieht vor allem, dass der Autor tatsächlich in seinem Leben immer eine Festanstellung hatte, die (wie er schreibt) tatsächlich wie ein Körperteil mit ihm verwachsen ist. Die Angst vor Unsicherheit ist somit nachvollziehbar.

    Eine Sache möchte ich aber anmerken: Ja, Schreiber werden nicht gut bezahlt (ich schreibe als freier Autor und lebe davon – übrigens besser als in Festanstellung). Aber bei 100 Euro für “mehrere Tage Recherche und Schreiben” ist nicht der Auftraggeber schuld, sondern der Schreiber hat sich von vornherein massiv verkalkuliert.

  7. #7 Christian Mai
    8. April 2011

    Diese Personalkostenkeule funktioniert ja auch immer. Wenn man nun bedenkt, dass die Unternehmen mit einem Personalkostenanteil von 10 – 30 % arbeiten, wieviel sparen sie denn dann, wenn sie 10 % Personal einsparen?

  8. #8 Stefan
    8. April 2011

    Wer sagt, dass man auf Scienceblogs nur über Wissenschaft schreiben darf? Die zahlreichen Beiträge über Esoterik und Atheismus zeigen, dass sich die anderen auch nicht daran halten (und damit mehr als nur ein Taschengeld dazuverdienen können). Da gefällt mir so ein Kommentar viel besser.

  9. #9 AndreasM
    8. April 2011

    Letztendlich ist das System inzwischen so aufgebaut, dass keiner mehr Verantwortung für sein Handeln übernimmt.
    Die direkten Vorgesetzten verstecken sich hinter Zahlen, Alternativlosigkeit und ihren Vorgesetzten.
    Diese Vorgesetzten verstecken sich dann hinter Zahlen, Alternativlosigkeit und der Konzernführung mit ihren BWL-Plänen.
    Die Konzernführung versteckt sich hinter Zahlen, Alternativlosigkeit und Beratern.
    Die Berater brauchen sich nicht zu verstecken. Sie sind eh so weit weg von denen, die durch ihre Beratung betroffen sind und ziehen bald sowieso weiter.

    Selbst in weitestgehend öffentlich finanzierte Institutionen wird die Schwangere ohne zu Zögern gefeuert (aka “Vertrag nicht verlängert”, “Das ist doch etwas völlig anderes als feuern”). Oder der langjährige Mitarbeiter, der so alt ist, dass er nur sehr schwer eine andere Stelle finden wird (“So ist das halt, das ist Unternehmensphilosophie”) und man wundert sich dann, dass irgendwie kaum Know-How hängen bleibt.

  10. #10 miesepeter3
    8. April 2011

    @Jürgen Schönstein

    man muß kein Wissenschaftler sein, um zu bemerken, dass der Verlust des Arbeitsplatzes ein sehr starker Eingriff in das Leben von Arbeitnehmern darstellt und unter Umständen beträchtliche Gemütsbewegungen auslöst.
    Zu meinem Job gehört unter anderem auch, die tollen Einfälle von Gesellschaftern und Geschäftsführeren in Personalentscheidungen umzusetzen, auf gut deutsch, Leute zu feuern. Das soll dann möglichst schnell, preiswert und vor allem leise vor sich gehen. Natürlich darf dem Unternehmen dadurch kein Nachteil entstehen, wie zum Beispiel Verlust von Kow-How. Kündigungsschutzgesetze werden durch bewußte Mißachtung außer Kraft gesetzt, wenn die Betroffenen nicht wagen zu klagen.
    Man möchte manchmal wild um sich schlagen. Andererseits gibt es durch aus Situationen, in denen die Kündigung von z.B. 20 Leuten die Arbeitsplätze von 200 sicherer machen. Kündigungen auszusprechen ist in der Wirtschaft eine ausgesprochen unbeliebte Tätigkeit. Viele “leiden” mit den Geschassten, wollen aber dieses “negative” Gefühl nicht an sich heranlassen. Man fühlt sich irgendwie schuldig
    an dem Schicksal der Kollegen. Diese Gefühl muß im Sinne der Erhaltung der Schaffenkraft unbedingt minimiert werden. Deswegen läßt man das lieber andere machen. Muß man selbst tätig werden, setzt man sich diesem Problem nur so kurz wie möglich aus nach dem Motto : “Notschlachten ist besser, als zu Tode pflegen.”
    Das wirkt natürlich auf den Entlassenen wie eine kalte Dusche, der gestern noch nette Kollege ist heute ein eiskaltes A……….. Das dem meist nicht so ist, merkt keiner so richtig. Andererseits gibt es abgebrühte Typen, die daraus einen Broterwrwerb machen und von großen Unternehmen gebucht werden können. Die werden gerne genommen, halten sie doch einem die Emotionen vom Hals, die eigenen, wie die fremden.
    Auch ich bin in meinem Berufsleben von Kündigung nicht verschont geblieben und kann Deine Erfahrungen sehr gut nachempfinden. Durch den gut bezahlten Job meiner Frau und dem Arbeitslosengeld hielt sich der wirtschaftliche Schaden in Grenzen, aber trotz meiner gut ausgeprägten Selbstsicherheit war da doch ein unangenehmes Gefühl.

  11. #11 YeRainbow
    8. April 2011

    Ich halte das für ein sichtbares Symptom der Kultur. Da gibts noch mehr, nicht nur beim Verlust des Arbeitsplatzes. (mir übrigens ähnlich gegangen, am letzten Tag der halbjährigen Probezeit von meiner Stelle als Streetworker gefeuert – statt meiner ein Schlipsträger eingestellt [mit Befähigung zum “Obergärtner”, also besonders befähigt], die Kneipe, in der die neonazis frequentierten, dichtgemacht mit Hinweis auf Bierausschank an 13jährige [jahrelang aber ignorriert] und damit deren Abwanderung auf die umliegenden Dörfer veranlaßt. Fazit: die STadt hat kein neonazi-Problem mehr, der Streetie für die nun unnötig, und der SChlipsträger wird wichtigere Projekte in Angriff nehmen…

    och, lange her. Sollte nur eine weitere Beschreibung sein.

    Logisch wird dieses alles – Beschiß, Vernutzung, Verheizung, Lüge und Abstreifen der Verantwortung, ignorrieren von Zusammenhängen, Wunschdenken und Dummsinn eigentlich nur innerhalb des Suchtsystems.
    Da kriegt alles plötzlich einen Sinn.

    Wir leben in einer Suchtkultur, udn das gewiß seit ca 12tsd jahren. Die kulturellen Unterschiede nämlich, die gerne angeführt werden, sind nur so Nuance derselbe kranken Sache.

    Dürfte schwierig werden, die Kultur an sich zu ändern. Nötig ist es aber. Sonst gehts uns wie den Dinos.

  12. #12 cydonia
    8. April 2011

    Sehr guter und beeindruckender persönlicher Beitrag!
    Und ich stimme Christian Reinboth zu, was den Gewinn für die scienceblogs anbelangt. Zumindest ist es jetzt noch einfacher geworden, zu verstehen, wieso Focus am Abgrund steht.

  13. #13 Dr. Webbaer
    8. April 2011

    Nicht alles durchgelesen, wie ehrlicherweise anzumerken ist, aber ein authentischer, nonkonformer und mutiger Beitrag! Die Charakterlosigkeiten und Mängel im Umgang miteinander sind im Wirtschaftsleben teilweise gigantisch. Der FOCUS war Dr. W zudem immer unheimlich, einerseits macht Markwort (jetzt: Weimer) einen durchaus guten Eindruck, andererseits steht der Inhalt dazu in scharfem Kontrast.

    MFG
    Dr. Webbaer

  14. #14 BreitSide
    8. April 2011

    Kann mich den Lobäußerungen nur anschließen.

    Aber bei Einem bin ich wohl noch etwas begriffsstutzig: rechts oben steht doch das Logo “Partner von FocusOnline”? Gut, Partner ist nicht gleich Chef, aber…?

  15. #15 Jürgen Schönstein
    9. April 2011

    @Breitside
    Vergess’ ich doch immer wieder, darauf hinzuweisen: FOCUS und FOCUS Online sind zwei völlig verschiedene Unternehmen – zwar mit der gleichen Marke, aber unterschiedlichem Management und unterschiedlichen Strukturen. Das Beispiel hinkt zwar ein wenig, aber stell’s Dir vor wie einen Opel-Vertragshändler, der zwar auch die gleiche Marke vertritt wie der Autobauer in Rüsselsheim, aber dennoch nicht dem gleichen Management verantwortlich ist, sondern – in aller Regel – selbständig geführt wird. Mit FOCUS Online bin ich auch weiterhin freundschaftlich und kollegial verbunden.

    @Clemens Gleich

    Aber bei 100 Euro für “mehrere Tage Recherche und Schreiben” ist nicht der Auftraggeber schuld, sondern der Schreiber hat sich von vornherein massiv verkalkuliert.

    Tut mir leid, aber darauf gibt es nur die unfreundliche Entgegnung, wer einen Klugscheißer wie Sie hier um Rat gefragt hat. Ich bin lange genug Journalist, und kenne die Medienlandschaft gut genug, um zu wissen was läuft, dankeschön. Ich lehne solche Aufträge von vorneherein hab, weil die keinen Raum für Qualitätsjournalismus lassen. Klar gibt es Artikel, die man ruhigen Gewissens in zwei oder drei Stunden abreißen kann, und dafür sind hundert Euro auch angemessen. Aber es gibt eben auch Geschichten, die der Recherche bedürfen – und Recherche braucht Zeit. Nur: Für diese Zeit will heute kaum jemand noch bezahlen. Wenn Sie die Einstellung vertreten, dass dann halt nur geliefert wird, wofür bezahlt wurde (sprich: Dann reiß’ ich das Stück halt aus ein paar Internetclippings runter, kratzt ja keinen) – bitteschön. Aber das hat mit dem, was ich mal als Journalismus gelernt habe, nicht mehr genug zu tun, um noch interessant zu sein. Und nein, die Honorare sind nicht von Seiten des Schreibers planbar – da gilt “friss oder stirb”. Wenn ich für kein Geld schreiben will, dann tu’ ich das in meinem Blog. Billiglohnschreiber hingegen sind nicht nur das Ende des Qualitätsjournalismus – sie sägen auch den dünnen Ast ab, auf dem sie selbst schon längst nicht mehr sitzen, sondern sich gerade noch mit einer Hand festkrallen können (Intelligente Kreativität ist reduzierbar komplex).

    @Christian @cydonia
    Danke für das Kompliment (obwohl ich hier nicht danach gefischt habe).

    Ich will hier noch einmal betonen: Ich bin natürlich, aus einer Arbeiterfamilie stammend, mit dem Gewerkschaftsgedanken und dem festen Glauben an die besondere Schutzwürdigkeit des Arbeitsplatzes groß geworden. Dennoch bestreite ich nicht das Recht des Arbeitgebers, Mitarbeiter zu entlassen – zu diesem Zweck gibt es ja Arbeits- und Tarifverträge, die genau dieses Thema regeln. Was ich nicht anerkennen kann ist die Art und Weise, wie dies oft (und konkret eben in meinem Fall) geschieht. Manager kassieren ja nicht zuletzt dafür die fetteren Bezüge, dass sie eine höhere Verantwortung tragen (sollen). Aber wenn sie 1. ihre eigenen Versäumnisse* nur, wie es praktisch zu Regelfall geworden ist, dadurch kompensieren, dass dann eben Leute ihren Arbeitsplatz den Profiten opfern müssen und 2. dann nicht mal in der Lage sind, diese Entscheidung persönlich zu vertreten, dann fehlt es einfach an dem, was man Führungsqualität nennt. Wer aber nicht führen kann, ist keine Führungskraft – und verdient dann auch nicht, als Führungskraft bezahlt zu werden. Ganz simpel, aber nach meiner Auffassung absolut konform mit dem, was so gerne als “Leistungsprinzip” bezeichnet wird.

    *Natürlich sind nicht immer nur die Manager schuld – Wirtschaftskrisen passieren nun mal. Aber ich habe in meinen Jahren als Wirtschaftsjournalist oft genug über Firmen berichtet, die in die Schieflage geraten sind – und nur all zu oft, vor allem bei den großen Unternehmen, wiegen die hausgemachten Probleme schwerer. Wirtschaftskrisen sind dann eher einer akuten Infektion vergleichbar, die dem krebskranken Patienen den Rest gibt.

  16. #16 u_sensor
    9. April 2011

    Ja, Verantwortung der Vorgesetzten und Chefs. Viele Kündigungen habe ich schon erhalten. Einige haben sich durch einen besonderen Zusammenhang ergeben, welche unter den bestehenden Gesetzen zur Entlassung zwangen.

    Etwa, als ich den Einberufungsbescheid erhielt, war ich derart geschocktund abwesend, dass ich meinem Chef dies nicht mitteilte. Der aber hintenrum davon erfuhr und durch Abwägung nur entlassen konnte. Andere Visionen wären für den nicht verantwortbar gewesen – was ich ihm nicht nachsehe und es ihm auch so sagte.

    Wenn ein Miteinnander durch Verträge und angeschlossenen Gesetzesregelungen belastet sind, dann kann man schon mal ins zweifeln kommen. Wobei ich eine Kündigung eigendlich nie besonders belastend empfand. Für mich war es auch eine Befreiung – woraus sich natürlich keine Freiheit ergab, aber doch eine temporäre Entlastung.

  17. #17 u_sensor
    9. April 2011

    Angesichts der Überschrift des Artikels dachte ich an Lesch und seinen ver-rückten Stuhl in jeder Sendung. Eine Tür kommt da ja auch immer vor! … durch die er anfangs reinkommt.

  18. #18 Thomas Wiegold
    10. April 2011

    Ach ja…

    Der Vollständigkeit halber: Der von Christian Reinboth oben verlinkte Blog-Eintrag über die Hauptstadpresse stammt auch von einem ehemaligen FOCUS-Redakteur 😉

  19. #19 Thomas Wiegold
    10. April 2011

    Pardon, Hauptstadtpresse sollte es heißen.