Das Thema könnte direkt in einem New-Age-Buchladen zu finden sein (nein, bitte korrigieren: ist gewiss in New-Age-Buchläden zu finden): Meditation zur Kontrolle von Schmerzen. Steht aber auch so im Fachjournal Brian Research Bulletin. Naja, das muss ich auch wieder korrigieren: Da steht erst mal nur, dass Meditation messbare Wirkungen auf das Gehirn hat, namentlich auf die so genannten Alpha-Wellen:
Using magnetoencephalographic (MEG) recording of the SI finger representation, we found meditators demonstrated enhanced alpha power modulation in response to a cue. This finding is the first to show enhanced local alpha modulation following sustained attentional training, and implicates this form of enhanced dynamic neural regulation in the behavioral effects of meditative practice.
Na gut. Da steht also etwas von “verbesserter Alpha-Leistungsmodulation als Antwort auf einen Simulus”, und es wird über die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten von “verbesserter dynamischer Neuroregulierung” geredet. Aber wieso soll das schmerzlindernd relevant sein? Dies beantwortet die federführende Autorin Catherine Kerr vom Osher Research Center der Harvard Medical School (wie man sieht, gibt es nicht nur in Deutschland Lehrstühle für alternative Heilmethoden), in dieser Presseaussendung des (ebenfalls an dem Paper beteiligten) Massachusetts Institute of Technology: Die Probanden lernten, “sich bewusst zu werden, worauf ihre Aufmerksamkeit liegt und nicht in der schmerzenden Region stecken zu bleiben.”
A propos Probanden: Dies ist vermutlich das erste Paper, von dem ich jemals erfahren habe, dessen Autorenkreis größer ist als die Testgruppe – 13 Namen stehen über der Arbeit, aber nur zwölf Personen wurden für die Meditationsstudie untersucht. Und die wurden zudem noch in zwei Gruppen eingeteilt: Alle zwölf Testpersonen hatten nach eigenen Angaben noch nie zuvor meditiert; die eine Hälfte erhielt einen achtwöchigen Kurs in Meditation, genauer gesagt, in Mindfulness-Based Stress Reduction (zu deutsch: Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion), die anderen sechs blieben, wie sie waren. Nach acht Wochen zeigten die Meditationskandidaten im Hirnscanner deutlich stärkere Hirnwellen-Ausschläge, wenn sie aufgefordert wurden, sich auf einen bestimmten Körperteil, zum Beispiel den linken Fuß, zu konzentrieren.
Oookay. Sechs Probanden und sechs in der Kontrollgruppe … da scheinen mir, wenn ich ehrlich sein soll, die Resultate noch sehr stark im anekdotischen Bereich zu liegen. Und so plausibel es auch ist, dass man sich – simpel ausgedrückt – vom eigenen Schmerz ablenken kann (manchmal schaffe ich das auch ohne Meditation), wirklich belegt ist dieser Zusammenhang in dem Paper erst mal auch nicht. Und irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der Schar der Autoren und der kleinen Probandengruppe das Risiko des Versuchsleitereffekts disproportional steigt.
In die Tonne damit? Würde ich dennoch nicht sagen. Denn dass es durchaus physiologische Aspekte der Spiritualität – und Meditation gilt ja als eine spirituelle Praxis – geben kann, ist unbestreitbar; speziell die Schmerzunterdrückung ist eine Begleiterscheinung mancher Rituale, wie etwas des Hindufestes Thaipusam (Abbildung). Und wenn sich Wege finden lassen, die chronischen Schmerzpatienten auch nur ein gewisses Maß an Linderung verschaffen könne, dann wäre ich der letzte, der solche Forschungen ablehnt. Aber selbst im besten Fall ist obige Studie nur ein Andeutung eines Indizes, und kein Resultat per se.
Aber wenn wir schon mal von Spiritualität reden: Vielleicht hat die ja überhaupt nur rein physiologische Ursachen? War mal eine These, die vor sechs, sieben Jahren ein paar Wellen schlug, weil Dean Hamer, hauptberuflich Genforscher am National Cancer Institute und “Entdecker” des Schwulen-Gens (das bis heute umstritten ist – ein Gen allein ist gewiss nicht die Erkluarung für Homosexualität) in seinem Buch “The God Gene: How Faith is Hardwired into our Genes” die Entwicklung von Spiritualität an einem einzigen Gen festgemacht hatte, das den vesikulären Monoaminstransporter, kurz VMAT2, kontrolliert.
Ich hatte damals (um genau zu sein, im November 2004) ein schnelles Telefoninterview mit Hamer geführt. Denn obwohl ich nicht überzegt war, dass auch hier ein einziges gen ausreicht, um uns die Spiritualität einzubläuen, schien Hamer doch überzeugt genug gewesen zu sein, dass es eine vererbbar angeborene Neigung zur Spiritualität gibt, dass ich ein bisschen mehr dazu erfahren wollte. Leider kann ich das Begleitmaterial zu der Story nicht mehr finden, in dem ich auf Hamers Buch selbst näher eingehen wollte, sondern nur noch dieses Interview, das ursprünglich dem Text an die Seite gestellt werden sollte. Aber weder Text noch Interview sind jemals erschienen – Religion ist ein heikles Thema.
Kommentare (12)