Wenn sie die Gehirnchemie beeinflusst, kann Spiritualität manchen Leuten auch ein “High” verschaffen, das einem Drogenrausch nicht unähnlich ist?
Ja, gewiss. Und das gehört sicher zum dem Reiz, den spirituelle Erlebnisse auf Menschen ausüben. Andere nehmen Drogen, um einen vergleichbaren Effekt zu erzielen. Das ist nicht unbedingt das selbe, aber es gibt schon gewisse Ähnlichkeiten.
Also sind spirituelle Menschen am Ende nur selbstsüchtig auf ein Genussgefühl aus?
Sagen wir mal, sie versuchen, einen veränderten Bewusstseinszustand zu erreichen.
A propos Bewusstseinszustand: Welche Reaktionen hat Ihr Buch denn bewirkt?
Oh, die lagen irgendwo zwischen offenem Hass und Abscheu (lacht) … Nein, manche waren auch sehr positiv. Ich habe viele Zuschriften von Leuten bekommen, die sich bei mir bedanken wollten. Aber Anhänger organisierter Religionen waren deutlich ablehnender, obwohl sie das Buch zumeist missverstanden oder gar nicht erst gelesen hatten. Sie dachten, ich hätte behauptet, dass es keinen Gott gebe, sondern hinter allem nur ein Gen steckt.
Was letzten Endes bedeutet, dass man, wenn schon keine Gottespille, dann wenigstens eine Pille entwickeln könnte, die unsere Spiritualität anregt?
Solche Pillen gibt es schon lange: LSD, Pot, Exstasy …
Sie glauben also, dass das Bedürfnis nach Spiritualität auch eine Erklärung für Drogensucht sein kann? Wer es von sich aus nicht schafft, greift zur Tablette, um dieses Gefühl zu erleben?
Nein, denn dazu gibt es einschlägige Studien, die besagen, dass bei Drogensüchtigen in vier von zehn Fällen eine grundsätzliche Neigung zur Abhängigkeit besteht, sei es Alkohol, Zigaretten oder Drogen. Ich glaube daher nicht, dass die Veranlagung zur Spiritualität hier eine große Rolle spielt.
Aber andererseits ist es schon bemerkenswert, dass die meisten frühen Religionen irgend eine Form von Drogen benutzt haben?
Ja, über die Zeiten hinweg haben Religionen alle möglichen Tricks angewandt, um ihre Gläubigen in einen spirituellen Zustand zu versetzen: Musik, Weihrauch, bunte Fenster, prächtige Gewänder, all das dient dazu, die Menschen in einen außergewöhnlichen Gefühlszustand zu versetzen. Aber sie müssen wissen, dass Spiritualität und Religiosität absolut nichts mit einander zu tun haben. Abraham Maslow, der Erfinder der Messskala für Spiritualität, war sogar besonders stolz auf die Tatsache, dass Geistliche wie Priester oder Rabbiner im Durchschnitt sogar ziemlich schlechte Werte auf der Spiritualitätsskala erreichten. Ich glaube schon, dass die meisten Religionsgründer sehr spirituelle Figuren waren: Buddha verbrachte viele Jahre meditierend unter einem Baum, Jesus half den Armen und suchte nach Gott in der Wüste. Religion erwächst aus Spiritualität – es ist die Organisierung und Institutionalisierung der Religion, die beides voneinander trennt.
November 2004
Foto: Nestor’s Blurrylife [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
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