Wenn man die Tendenz der vergangenen 20 Jahre fortsetzt, dann muss man von einem Anstieg von zwei bis drei Hurrikanen pro Jahr ausgehen.
Sie sprechen von Hurrikanen, die vor allem die subtropische Karibik und die USA treffen. Werden wir vergleichbare Auswirkungen auch in Mittel- und Nordeuropa spüren?
Das lässt sich mangels empirischer Daten noch nicht sagen. Aber aus dem, was wir aus der Physik und aus Beobachtungen schließen können, ist zu folgern, dass mit steigender Erwärmung des Planeten die Niederschläge sich zunehmend auf ziemlich heftige Erscheinungen konzentrieren werden, was einer wachsenden Sturmneigung gleich kommt.
Heißt das, dass wir auch im Norden “tropische” Wirbelstürme erleben werden?
Nein, denn Tropenstürme und Stürme in oberen Breiten folgen ganz unterschiedlichen Entstehungsmechanismen. Aber es kann schon mal vorkommen, dass ein Hurrikan sich in ein außertropisches Tiefdrucksystem und dann in einen Herbststurm umwandelt.
Mehr schwere Wirbelstürme in den USA bedeuten also nicht automatisch auch ein höheres Sturmrisiko für Deutschland?
Nein. Nur in seltenen Fällen kann mal ein verheerendes Sturmsystem in mittleren Breiten – wie etwa das Sturmtief “Lothar” im Dezember 1999 – über eine lange, komplizierte Kette von Abläufen durch einen Wirbelsturm ausgelöst werden, der sich eine Woche oder zehn Tage vorher irgendwo sonst auf der Welt ereignet hat.
Und wenn sich der Nordatlantik vergleichbar den Tropen aufheizt?
Die Wassertemperaturen im nördlichen Atlantik, zwischen dem 50. und dem 70. Breitengrad, sind in den vergangenen hundert Jahren nicht systematisch angestiegen.
Also ist die globale Erwärmung gar kein wirklich globales Phänomen?
Für den Atlantik ist nachweisbar, dass sich der Wärmeaustausch durch die thermohaline Zirkulation (ein “globales Förderband” von Meeresströmungen, zu dem beispielsweise auch der warme Golfstrom gehört, d. Red.) verlangsamt hat, und das hebt die Wirkung der Erwärmung durch Treibhausgase wieder auf. Und in manchen Teilen der Welt, zum Beispiel dem tropischen Westpazifik, werden die Temperaturen sogar fallen, was auf einen anderen, von Menschen verursachten Effekt zurück zu führen ist: Die Emission von Sulfaten als Folge der Verbrennung von Kohle. China verheizt große Mengen von Kohle, und das könnte teilweise oder völlig die Folgen des Treibhauseffekts im westlichen Pazifik aufheben. Wir könnten hier sogar eine Verringerung der Wirbelstürme erleben.
Aber zumindest für die USA ist mit einem Anstieg der Sturmgefahr zu rechnen. Ist dies nach “Katrina” auch in die Köpfe der Politiker eingedrungen?
Noch nicht, wie es scheint. Die maßgebliche US-Behörde, die sich mit Wetterangelegenheiten befasst, die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), hat ganz kategorisch erklärt, es gebe keinen Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und Hurrikanen.
Aber nicht nur die gegenwärtige US-Regierung tut sich schwer damit, den Klimawandel als Tatsache zu akzeptieren. Immerhin waren Sie selbst bis vor zwei Jahren noch ein Skeptiker dieser Theorie. Wie kam es zu diesem Meinungswandel?
Manche Hurrikanexperten glauben bis heute nicht, dass es einen Zusammenhang zwischen steigender Meerestemperatur und Sturmintensität gibt. Um ehrlich zu sein, hatten wir auch gar nicht nach einem erkennbaren Signal für diese globale Erwärmung in unseren Date gesucht, weil wir auf der Basis unsere Theorien und Modelle keine erkennbare Auswirkung erwartet hätten. Doch als wir die Daten genauer anschauten, sprang dies geradezu hervor.
Werden wir schon bald wieder mit einer Sturmkatastrophe wie “Katrina” rechnen müssen?
Emanuel: Ich glaube nicht, dass wir das noch einmal erleben.
Wieso?
Die meisten Menschen verkennen, wie selten ein wirklich schwerer Hurrikan ist. Wenn man all die Sturmschäden aufrechnet, die seit etwa 1830 in den USA verursacht wurden, dann sind etwa die Hälfte dieser Schäden von gerade mal fünf Stürmen verursacht worden. Kolossale Ereignisse wie “Andrew” oder “Katrina” sind so rar, dass es geradezu bedeutungslos ist, wenn sich ihre Wahrscheinlichkeit verdoppelt – sie bleiben immer noch extrem rar.
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