Gemeint sind nicht jene humorigen Einlagen, mit denen beispielsweise Patch Adams versucht, seine Patienten bei Laune zu halten. (Okay, Adams ist hier vermutlich nicht das beste Fallbeispiel für einen evidenzbasierten Mediziner; dann muss halt der Narkosearzt herhalten, der mir vor einer Operation erklärte: “Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die Gute: Sie bekommen von mir nur eine Spritze. Die Schlechte: Sie bekommen sie ins linke Auge” – die Ablenkung funktionierte, ich war eine Sekunde später aus wie ein Lichtschalter.) Es geht um den Humor, mit dem Ärzte sich selbst bei Laune – oder zumindest bei Verstand – halten wollen. Galgenhumor, eben. Und mit dem befasst sich ein Artikel, den das auf ethische Fragen in Medizin und Wissenschaft spezialisierte Hastings Center (Registrierung erforderlich) gerade veröffentlicht hat.
In Gallows Humor in Medicine versucht die Bioethikerin Katie Watson eine Antwort drauf zu geben, wann dieser – definitiv immer makabre – Humor akzeptabel sein kann. Und ganz klar ist: Wenn der Gag zu Lasten – schlimmer noch: zum Schaden – von Patienten geht, dann ist es im wörtlichen Sinn nicht mehr witzig. Wenn Ärzte sich über ihre Patienten lustig machen (und sei es hinter deren Rücken), dann besteht eine ernsthafte Gefahr, dass sie auch den Patienten oder die Patientin nicht mehr ernst nehmen, oder wenigstens den Menschen in ihnen erkennen (Wiztfiguren sind immer Abstraktionen).
Aber Medizin dreht sich, beispielsweise in der Alltäglichkeit des Klinikbetriebs, nicht nur um Patienten – auch Ärzte haben Ängste und Bedürfnisse, und anders als andere Berufe werden sie sehr oft, um nicht zu sagen: täglich mit Situationen konfrontiert, in denen ihnen das Lachen vergehen muss. Galgenhumor ist oft der einzige akzeptable Ausweg, diesen Situationen die Schärfe zu nehmen, mit der sie ansonsten auch an der Konstitution der Ärztin/des Arztes kratzen würden. Und darum, so meint Katie Watson, sei dieser Galgenhumor, dieses Lachen im Angesicht des Unerträglichen, manchmal nötig:
Critics of backstage gallows humor who are admirably concerned with empathy for patients sometimes seem curiously devoid of empathy for physicians. Medicine is an odd profession, in which we ask ordinary people to act as if feces and vomit do not smell, unusual bodies are not at all remarkable, and death is not frightening. Moments when health care providers suddenly see the enormous gulf they’re straddling between medical and lay culture are one source of gallows humor. Being off-balance can make us laugh, and sometimes laughing is what keeps us from falling over.
Kritiker des Galgenhumors hinter den Kulissen, die sich in bewundernswerter Weise um das Mitgefühl für die Patienten sorgen, scheint es manchmal ganz eigenartig am Mitgefühl für Ärzte zu fehlen. Medizin ist ein seltsamer Beruf, in dem wir von normalen Menschen erwarten so zu tun, als ob Kot und Kotze nicht riechen, als ob ungewöhnliche Körperformen gar nichts ungewöhnliches wären, und als ob der Tod nicht furchteinflößend wäre. Momente, in denen die Gesundheitsarbeiter plötzlich die enorme Kluft erkennen, die sie zwischen medizinischer und Laien-Kultur überbrücken müssen, sind eine Quelle des Galgenhumors. Aus dem Gleichgewicht zu kommen, kann uns zum Lachen bringen, und manchmal ist das Lachen das einzige, was uns am Umkippen hindert.
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