Ich hatte in all den Jahren, in denen ich als Journalist auch über das Unternehmen Apple zu berichten hatte, leider nie auch nur den Hauch eine Chance, Steve Jobs persönlich zu treffen (Apple ist, soweit es das Unternehmen selbst betrifft, nicht sehr medien-affin), und näher als bis zu seiner Haustür in Palo Alto, wohin ich für eine FOCUS-Reportage entsandt worden war, bin ich ihm auch nie gekommen. Jobs war definitiv ein Genie; auch wenn er “nur” Gebrauchsgüter entwickelt hat (oder entwickeln ließ – was oft vergessen wird), hat er unsere von Computern geprägte Welt enorm mit (um)gestaltet. Auch wenn er manchen – vielen? -Apple-Fans als ein Guru, als eine Leuchtgestalt gedient hat: Er war kein Heiliger, sondern ein Mensch. Ein Mensch mit Fehlern, ein Mensch mit Ecken und Kanten (davon wohl reichlich) – aber auch ein Mensch mit Charisma, mit der Fähigkeit, selbst jene zu faszinieren, die eigentlich einen Groll gegen ihn hegen sollten. Dies konnte ich zum Beispiel im Gespräch mit seinem alten Weggefährten Ronald G. Wayne feststellen, den ich – als den dritten und weitgehend unbekannten Apple-Mitbegründer – im März 2006 aus Anlass des 30-jährigen Firmenjubiläums gesprochen hatte:
Wie kamen Sie damals als gestandener Mann von 41 Jahren dazu, mit zwei Grünschnäbeln wie Steven Jobs und Steven Wozniak eine Firma zu gründen?
Jobs war damals ein Ingenieur bei Atari, wo ich als leitender Designer ein Dokumentationssystem für Atari-Bauteile und -Zubehör aufgebaut hatte, was damals dringend nötig war. Jobs war davon sehr beeindruckt, aber ich hatte auch vorher schon ein gutes Verhältnis zu ihm gehabt – wir haben gerne geplaudert. Sein Freund Woz – die beiden waren damals Mitglieder im Homebrew Computer Club, wo sie aus Großrechnerbauteilen erste Heimcomputer bastelten – hatte den Schaltplan für den ersten Personalcomputer entwickelt, und die beiden wollten ins Geschäft kommen. Doch das Problem war, dass Woz zwar ein brillanter Ingenieur war, der aber wenig vom Geschäft verstand. Einen ganzen Abend lang hatte Jobs versucht zu überzeugen, dass er dieses Design, wenn es die Basis der Apple Computer Company sein sollte, nicht für andere Zwecke verwenden durfte. Schließlich habe ich drei Stunden auf Woz eingeredet und ihm klar gemacht, was in einem Business geht und was nicht. Und danach fanden Steve und Woz, dass es wohl eine gute Idee wäre, mich ins Unternehmen zu holen – sie beide erhielten jeweils 45 Prozent des Ladens, und ich zehn Prozent.
Und was war ihre Aufgabe?
Die Idee war, dass ich zwischen den beiden vermitteln sollte und, falls sie sich nicht einig würden, das entscheidende Votum hätte.
Sie waren also der Erwachsene, der auf die beiden aufpassen sollte …
So könnte man sagen, ja. Ich war ja schließlich damals doppelt so alt wie Jobs. Aber es machte Spaß, in unserer Garagenfirma – es war die Garage von Jobs’ Eltern in Cupertino – mit Jobs und Woz zu arbeiten.
Aber warum sind Sie dann so schnell wieder ausgestiegen?
Dazu müssen Sie wissen, dass ich vor meiner Zeit bei Atari mit einer Firma, die Spielautomaten herstellte, Pleite gemacht und gerade mit viel Mühe endlich meine 15.000 Dollar Schulden abgezahlt hatte, als ich bei Apple einstieg. Davon versuchte ich gerade noch, mich zu erholen, als ich erfuhr, dass Steve Jobs 100 Computer (der Stückpreis war damals 666,66 Dollar, d.Red.) an einen Laden namens Byte Shop verkauft hatte – und danach war er losgezogen, um die 15.000 Dollar zu pumpen, die er brauchte, um die Teile für diesen Auftrag zu kaufen. Doch ich wusste, dass der Byte Shop einen lausigen Ruf hatte, wenn es ums Bezahlen von Rechnungen ging – und dass ich als Mitgesellschafter mit 1500 Dollar, die ich nicht besaß, für diesen Deal mit haften würde, wenn er schief ging. Das war mehr, als ich damals riskieren konnte, und deswegen habe ich mich leise zurückgezogen.
Sie haben also ihre zehn Prozent ganz schnell verkauft?
Ein paar Monate später erhielt ich einen Brief von Jobs mit dem Angebot, meine Anteile für 1500 Dollar zurück zu kaufen. Das war damals wie gefundenes Geld für mich. Was ich nicht wusste: Jobs hatte bereits einen Geldgeber gefunden, der ihm und Woz die Finanzierung für Apple (250.000 Dollar) zugesagt hatte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich hatte damals nicht das Gefühl, dass ich aufs Kreuz gelegt wurde, und ich fühle mich auch heute nicht so. Ich wollte einfach raus. Jobs hatte noch ein paar Jahre lang immer wieder versucht, mich in die Firma zurück zu holen, aber ich fand andere Sachen spannender.
Aber Steve Jobs hat sicher nicht zu unrecht den Ruf, ein gerissener Geschäftsmann zu sein.
Oh ja, gerissen und sehr aggressiv. Er war ein Wirbelsturm, und so lange ich mit ihm gearbeitet hatte, fühlte ich mich, als ob wir einen Tiger beim Schwanz gepackt hätten, zu wild zum festhalten, und wer loslässt, wird gebissen. In meinem damaligen Gemütszustand konnte ich damit einfach nicht umgehen, ich wusste, dass ich da raus musste.
Aber hätten Sie damals geglaubt, dass Personalcomputer mal das große Geschäft werden könnten? Viele Leute hätten in den 70-er Jahren vermutlich nicht mal gewusst, was ein Computer ist.
Sicher, selbst IBM hielt PCs damals für ein Spielzeug. Aber für mich war es keine Frage, dass Computer ein außergewöhnliches Geschäftspotenzial hatten. Jobs hatte mich damals bei einem Abendessen gelöchert; er wollte meine Meinung hören, ob er diese Idee durchziehen sollte, wo es doch so viele andere Dinge gäbe, die er tun könnte. Ich erklärte ihm, dass er diese Dinge viel besser tun könnte, wenn er Geld hätte. Aber ich hatte ihn gewarnt: Du wirst bestimmt sehr erfolgreich sein, aber vergiss nicht, worauf es Dir eigentlich im Leben ankommt.
Und hat er das vergessen?
Ich denke schon. Jeder denkende Mensch würde, wenn er so ein Vermögen aufgebaut hat, mal kurz anhalten und sich fragen: “Was will ich eigentlich mit dem Rest meines Lebens anfangen?” Kann ich mit 400 Millionen Dollar etwas tun, was ich mit 200 Millionen noch nicht konnte? Bill Gates beispielsweise hat viele seiner Milliarden für gute Zwecke gestiftet.
Und Jobs … ?
Für Steve war das Reichwerden selbst zum aufregenden Spiel geworden, und das hat ihn so gefesselt, dass er darüber alles andere aus den Augen verloren hat. Das habe ich ihm auch genau so gesagt, als ich ihn bei meinem letzten Besuch vor etwa sechs Jahren gesehen habe.
Aber dass er Erfolg hat – obwohl er 1985 von Apple geschasst wurde und erst zwölf Jahre später zurück kehrte – ist nicht zu bestreiten, oder?
Steve hängt sein Mäntelchen nach jedem Wind, der in die ihm passende Richtung weht. Er kann heute eine unumstößliche Entscheidung treffen – und zwei Tage später kehrt er sie um, weil er nun eine neue Agenda beschlossen hat. Ihm geht es nur darum, sein Spiel zu gewinnen, und das ist ihm so wichtig, dass ich glaube, dass er alles andere darüber vergisst.
War das auch der Grund, warum Sie nicht wieder bei Apple anheuern wollten, obwohl Jobs Sie darum bat?
Steve war ein absoluter Wirbelwind, und dafür war ich wohl einfach zu alt. Ich habe statt dessen lieber das Modellbau-Studio des Lawrence-Livermore-Laboratoriums aufgebaut; danach war ich 16 Jahre lang der Chef einer Elektronikfirma. Ich habe es nie bereut, dass ich meine Anteile an Apple zurück gegeben hatte. Nie. Denn wenn ich dabei geblieben wäre, könnte ich heute vermutlich der reichste Mann auf dem Friedhof sein.
Foto: Matthew Yohe/Aido2002 [CC-BY-3.0], via Wikimedia Commons
Kommentare (5)