Nicht nur das Gehirn – wer hört nicht lieber etwas Positives als etwas Niederschmetterndes? Insofern ist das Resultat eines Forschungsprojekts am Neurologischen Institut des University College London nicht wirklich überraschend: Durch Hirnscan-Untersuchungen konnten die Londoner Neurologin Tali Sharot sowie ihr Kollege Ray Dolan, gemeinsam mit dem Berliner Hirnforscher Christoph Korn, eine “Asymmetrie” bei der Verarbeitung guter beziehungsweise schlechter Nachrichten beobachten. Die Resultate sind unter dem Titel How unrealistic optimism is maintained in the face of reality im aktuellen nature neuroscience veröffentlicht.
Und das liegt – leider – hinter einer Paywall. Eigentlich schade. Aber vielleicht macht’s so eh’ die bessere Geschichte, denn hier lese ich beispielsweise, dass die Studie mit 19 Teilnehmern durchgeführt wurde (hier ist sogar nur von 14 die Rede), und die zahlenmäßig geringe und zumal oft nicht repräsentative Auswahl an Probanden ist ja ein generelles Problem solcher fMRI-Studien. Andererseits decken sich die Resultate mit dem, was man auch aus der alltäglichen Erfahrung gelernt hat: Informationen, die unsere Erwartungen/Einstellungen bestätigen, werden bereitwilliger und dauerhafter gespeichert als Informationen, die diesen Erwartungen/Einstellungen widersprechen. Und diese Selektion findet bereits bei der Informationsspeicherung statt (und nicht erst, wie man sich auch vorstellen könnte, beim Abrufen der Informationen, bei der dann beispielsweise unliebsam Gewordenes ignoriert werden könnte).
Das “Aufleuchten” des Frontallappen bei den “guten” Nachrichten im fMRI, sowie die relative Ereignislosigkeit bei den “schlechten” Nachrichten bestätigen also auf physiologischer Ebene das Phänomen der selektiven Wahrnehmung. Grundsätzlich ist Optimismus ja nichts Schlechtes, und ich sitz’ auch lieber mit Leuten bei einem Glas Wein, die nicht immer gleich alles in schwärzesten Farben malen. Das Probem ist nur, dass ein überzogener Optimismus typischer Weise mit einer zu geringen Risikoeinschätzung kombiniert ist – und dies birgt definitiv Gefahren für das Individuum.
Und hier werde ich erst mal stutzig: Wenn unser Hirn also biologisch einen Optimismus-Bias eingebaut hat, und dieser Bias uns vielleicht glücklicher macht, aber andererseits mit einem signifikanten Defizit bei der Risikoabschätzung verknüpft ist – dann ist dies, aus evolutionärer Sicht, eher nachteilig. Und daher nicht plausibel.
Okay, hier muss ich mal einschieben, dass ich bei der Sache mit der Risikoabschätzung natürlich ein paar sträubende Haare im Nacken bekomme, wie ich auch hier schon mal ausgeführt habe – das, was wir mit rechnerischen Mitteln als Risiko definieren, muss nun mal nicht deckungsgleich sein mit dem, was unsere Erfahrung als Risiko erkennt. Aber für alle praktischen Zwecke wurde meistens festgestellt, dass wir dazu neigen, Risiken zu überschätzen – was also der Studie widerspräche.
Ich wüsste daher erst mal gerne, wie die Sache speziell auch bei den Hirnen von Pessimisten abläuft (die ja, wenn man es logisch betrachtet, dann eine physiologische Präferenz für schlechte Nachrichten haben müssten) – aber mehr noch wüsste ich gerne, wie relevant diese Studie wirklich ist, deren Details für mich, wie schon gesagt, hinter einer Paywall liegen, deren Studiendesign aber zumindest Zweifel erlaubt, dass sie Aussagen machen kann, die über die Gruppe der analysierten Testpersonen hinaus geht. Und so lange lasse ich das Fragezeichen hinter meiner Überschrift stehen …
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