Denn keines dieser Unterscheidungs- oder Identifikationsmerkmale ist durch Sexgene angeboren, und keines ist unveränderlich. Keines ist als hinreichendes oder noch nicht mal als notwendiges Differenzierungsmerkmal für größere Bevölkerungsaggregate – egal welcher Art – geeignet. Und doch existieren sie. Und hier wird’s manchmal in den Diskussionen delikat: Schon das Feststellen von Unterschieden wird als sexistisch kategorisiert – im logischen Galopp “wenn A ≠ B, dann A > B”. Mit anderen Worten: Aus der Feststellung, dass es Unterschiede gibt, folge automatisch, dass eine Version der anderen bevorzugt werde. Und das ist eben nicht zwingend und logisch.
Nur zum besseren Verständnis der wohl unvermeidlichen Kommentarschlacht: Ich bezichtige hier niemanden des Sexismus oder der Ignoranz – ich stelle nur fest (siehe meine Eingangsbemerkung), dass hier die Begriffe so durcheinander geknüllt werden, dass die zumeist empörten Missverständnisse unausweichlich werden. Und frage mich, wem das dann nützen soll …
Und obwohl ich die Leserinnen und Leser nicht all zu lange vom empörten Kommentieren abhalten will, in dem mir vermutlich nach mehreren Iterationen wieder vorgeworfen wird, ein übler Sexist zu sein (scheint in Sexismus-Debatten eine Variante von Godwin’s Gesetz zu sein), muss ich hier doch noch ein paar Stückchen Streitfutter einwerfen, denn das Diskussionsfeld zum Thema Sexismus ist offenbar so voller Gruben, dass es selbst dem Wohlmeinendsten (ja, auch ein Sexismus-Unwort) beinahe unmöglich ist, nicht in eine – vielleicht sogar selbst gegrabene – hineinzufallen. Zwei konkrete Beispiele aus den obig verlinkten Paralleldiskussionen:
Wenn ein männlicher Autor in einem Text darauf abhebt, dass es Unterschiede im Einkaufsverhalten von Männern und Frauen gibt (die hier nicht zur Diskussion stehen sollen – es geht allein um die innere Logik des Arguments), dann muss das nach der Auffassung einiger KommentatorInnen sexistisch gemeint sein, selbst wenn es nicht explizit da steht. Denn aus dem “Anderssein” des weiblichen Einkaufsverhaltens wird hier gefolgert, dass dies nur als ein sexistisches (= frauenfeindliches) Statement gemeint sein kann. Obwohl “anders” hier vielleicht nicht anders gemeint ist als “Meerwasser ist anders als Flusswasser” oder “Magmatite sind anders als Sedimente”. Aber (ich zitiere mal wörtlich)
diese feststellung von unterschieden beinhaltet durchaus eine abwertung, wie die meisten postulierten unterschiede. zum einen wird (besonders in unserem beispiel) der mann als norm gesetzt und die frau als deren abweichung. zum anderen werden typisch weibliche fähigkeiten fast immer konnotiert mit instinkt, trieb, emotion, irrationalität, schrulligkeit, sonderbarkeit, inkompetenz usw. nach dem motto “das weib als ewiges rätsel”. das ist abwertend und normierend. auch bei vermeintlich positiven “weiblichen” eigenschaften wird unterschwellig eine abwertung transportiert
Hier werden also Rückschlüsse auf die Intention eines Aussagenden getroffen, die nicht im Text selbst enthalten sind, sondern die durch Interpretation begründet sind. Doch welche Information hat diese Interpretation informiert? Ich behaupte mal, dass der dieserart inkriminierte Autor dem/der KommentarverfasserIn nicht persönlich bekannt ist und auch nicht andernorts ein literarisches Opus hinterlassen hat, das seine Position unzweideutig manifestiert. Die naheliegendste Erklärung bleibt, dass sie auf der unterschwelligen Annahme beruht, dass dies – so lange wir keine besseren Daten haben – die Default-Position eines Mannes sein muss. Reingefallen!
Mein zweiter Denkanstoß dreht sich um die Farbe Rosa, in Modekreisen auch als Pink bekannt. Durch den ganzen Diskussionsstrang, den Florian mit seiner Entdeckung eines pseudowissenschaftlichen Experimentierkastens für Mädchen angestoßen hat, zieht sich ausdauernd die Gleichsetzung der Farbe Rosa als “feminine” Farbe durch und wird (ja, es gibt auch Ausnahmen, aber bleiben wir mal bei der Mehrheit) daher als sexistisches Signal verurteilt (hier klingt das relativ klar an). Also weg mit dem rosa Glitzerkram? Hmm … damit werden erst mal nach den Regeln der Logik zwei Aussagen verknüpft:
1. Rosa ist eine weibliche Signalfarbe, d.h. geschlechtsspezifisch definiert, und 2. es muss als solches abgeschafft oder vermieden werden. Was zum Fazit führt, dass das weiblich Definierte nicht akzeptabel = nicht wertig genug ist. Ebenfalls: Reingefallen! (Kleiner Hinweis am Rande: Es ist nicht die Farbe des Einhorns, die es zum Symbol für un- und antiwissenschaftliches Mythologie-Magie-Marketing macht…)
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