Okay, ich geb’s zu: Mit der Überschrift habe ich einen unfairen Grönemeyer-Köder ausgeworfen (und für alle, die andernfalls enttäuscht wären, hier ein Link). Eigentlich geht es eher um die Frage, was wir unter (typisch?) männlich beziehungsweise weiblich verstehen. Offenbar entzieht sich dies einer klaren Definition, wie ich aus den diversen Sexismus-Diskussionen auf ScienceBlogs, ganz aktuell hier und hier, lernen konnte. Denn obwohl unsere Sprache und unsere Biologie offenbar so etwas wie Geschlecht kennen (für erstere gilt eher das, was man im Englischen als “gender” bezeichnet und womit eher die soziale Geschlechterrolle umschrieben wird; zweiteres wäre “sex”, also das biologische Geschlecht, das durch Gametengröße – die biologische Fortpflanzungs-Hardware – und Geschlechtschromosomen, also die genetische Software, bestimmbar ist), fängt sich jeder, der diese Unterscheidung (= Differenzierung) unwidersprochen akzeptiert, sofort verbale Prügel wegen Diskriminierung ein. Ich fürchte mal, auch nach diesem Post – vorausgesetzt, jemand liest mit – wird es wieder entsprechende – Klopper(eien) geben …
Wirklich? Scheint so. Dass dabei eine baylonische Begriffsverwirrung herrscht, in der Sex und Gender und Definition vs. Deskription schnell mal durcheinander geraten, macht die Sache so kompliziert. Ist es wirklich diskriminierend festzustellen, dass es biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, die sich spätestens ab der Pubertät körperlich manifestieren? Ich halte hier mal vorsichtshalber fest: Nicht diese Sex-Differenzierung ist diskriminierend, sondern wenn daraus Gender-Unterschiede abgeleitet werden, die nicht biologisch festzumachen sind. Das Lernvermögen; die Fähigkeit, Auto zu fahren oder politische Verantwortung zu übernehmen; Farbpräferenzen oder die Begeisterung für bestimmte musikalische Vortragskünstler – das mag vielleicht in einigen Fällen genetisch codierbar sein, aber es ist nicht durch das biologische Geschlecht vorher bestimmt. Falls jemand dazu noch mehr Quellen braucht, empfehle ich ein Nachlesen hier.
Also ja: Es gibt Männer und es gibt Frauen. Und es gibt biologische Unterschiede. Aber es gibt biologische Männer, die sich sozial als Frauen identifizieren und umgekehrt – und praktisch alles dazwischen Woran erkennen wir das? Am Verhalten. Denn es gibt in der Tat Verhaltensunterschiede – wer’s nicht glaubt, sollte einfach mal Magazin, die sich primär an Männer richten, mit solchen vergleichen, die für Frauen gemacht werden (und jene dann mit Schwulen-, Lesben- und sonstige Gender-Blättern vergleichen). Dass solche Magazine dazu beitragen, stereoptype Bilder zu erzeugen oder sie zumindest zu verstärken, ist dabei unbestritten – aber das ändert erst mal nichts an der Existenz dieser Stereotypen. Oder, in etwas abstraktere Worte gefasst: Unabhängig von der Kausalität lassen sich solche Verhaltensdifferenzen entlang der Gender-Grenzen beschreiben – aber nicht mit diesen Gender-Grenzen begründen. Frauen als Gruppe zeigen eine gewisse Präferenz (nicht hunderprozentig, aber doch signifiikant) in ihrer Kleiderwahl, beispielsweise – in Deutschland, beispielsweise, ist es plausibel anzunehmen, dass das Tragen von Röcken,
die Erhöhung der Absätze oder die Verwendung von Makeup in der Gruppe, die in ihren Pässen bei Geschlecht den Eintrag “weiblich” haben, mit größerer Wahrscheinlichkeit zu finden sind als in der Gruppe “männlich”. Das war zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen selbstverständlich anders. Nochmal: Röcke oder Kleider (selbst Miniröcke und -Kleider) sind nicht per se feminin, sondern per definitionem. Mitteleuropäische Frauen tragen sie nicht, weil ihnen dies angeboren ist, sondern weil es ihnen dadurch auch möglich ist, sich als Frau zu identifizieren. Also eher so wie Schalke-Fans das Tragen blau-weißer Kleidungsstücke bevorzugen, nicht aus genetischen Gründen, sondern als eine Form des Ausdrucks. (Wieder ein Einschub: Ja, ich kannte in meiner Schulzeit Mädchen, die sich weigerten, Röcke zu tragen, und ja, ich weiß, dass einige Privatschulen hier in den USA – und sonstwo auf der Welt – einen Dresscode haben, der Mädchen das Tragen von Röcken und zudem noch die Länge derselben vorschreiben – aber das ist vor allem deswegen erwähnenswert, weil es eben nicht die Regel ist.)
Denn keines dieser Unterscheidungs- oder Identifikationsmerkmale ist durch Sexgene angeboren, und keines ist unveränderlich. Keines ist als hinreichendes oder noch nicht mal als notwendiges Differenzierungsmerkmal für größere Bevölkerungsaggregate – egal welcher Art – geeignet. Und doch existieren sie. Und hier wird’s manchmal in den Diskussionen delikat: Schon das Feststellen von Unterschieden wird als sexistisch kategorisiert – im logischen Galopp “wenn A ≠ B, dann A > B”. Mit anderen Worten: Aus der Feststellung, dass es Unterschiede gibt, folge automatisch, dass eine Version der anderen bevorzugt werde. Und das ist eben nicht zwingend und logisch.
Nur zum besseren Verständnis der wohl unvermeidlichen Kommentarschlacht: Ich bezichtige hier niemanden des Sexismus oder der Ignoranz – ich stelle nur fest (siehe meine Eingangsbemerkung), dass hier die Begriffe so durcheinander geknüllt werden, dass die zumeist empörten Missverständnisse unausweichlich werden. Und frage mich, wem das dann nützen soll …
Und obwohl ich die Leserinnen und Leser nicht all zu lange vom empörten Kommentieren abhalten will, in dem mir vermutlich nach mehreren Iterationen wieder vorgeworfen wird, ein übler Sexist zu sein (scheint in Sexismus-Debatten eine Variante von Godwin’s Gesetz zu sein), muss ich hier doch noch ein paar Stückchen Streitfutter einwerfen, denn das Diskussionsfeld zum Thema Sexismus ist offenbar so voller Gruben, dass es selbst dem Wohlmeinendsten (ja, auch ein Sexismus-Unwort) beinahe unmöglich ist, nicht in eine – vielleicht sogar selbst gegrabene – hineinzufallen. Zwei konkrete Beispiele aus den obig verlinkten Paralleldiskussionen:
Wenn ein männlicher Autor in einem Text darauf abhebt, dass es Unterschiede im Einkaufsverhalten von Männern und Frauen gibt (die hier nicht zur Diskussion stehen sollen – es geht allein um die innere Logik des Arguments), dann muss das nach der Auffassung einiger KommentatorInnen sexistisch gemeint sein, selbst wenn es nicht explizit da steht. Denn aus dem “Anderssein” des weiblichen Einkaufsverhaltens wird hier gefolgert, dass dies nur als ein sexistisches (= frauenfeindliches) Statement gemeint sein kann. Obwohl “anders” hier vielleicht nicht anders gemeint ist als “Meerwasser ist anders als Flusswasser” oder “Magmatite sind anders als Sedimente”. Aber (ich zitiere mal wörtlich)
diese feststellung von unterschieden beinhaltet durchaus eine abwertung, wie die meisten postulierten unterschiede. zum einen wird (besonders in unserem beispiel) der mann als norm gesetzt und die frau als deren abweichung. zum anderen werden typisch weibliche fähigkeiten fast immer konnotiert mit instinkt, trieb, emotion, irrationalität, schrulligkeit, sonderbarkeit, inkompetenz usw. nach dem motto “das weib als ewiges rätsel”. das ist abwertend und normierend. auch bei vermeintlich positiven “weiblichen” eigenschaften wird unterschwellig eine abwertung transportiert
Hier werden also Rückschlüsse auf die Intention eines Aussagenden getroffen, die nicht im Text selbst enthalten sind, sondern die durch Interpretation begründet sind. Doch welche Information hat diese Interpretation informiert? Ich behaupte mal, dass der dieserart inkriminierte Autor dem/der KommentarverfasserIn nicht persönlich bekannt ist und auch nicht andernorts ein literarisches Opus hinterlassen hat, das seine Position unzweideutig manifestiert. Die naheliegendste Erklärung bleibt, dass sie auf der unterschwelligen Annahme beruht, dass dies – so lange wir keine besseren Daten haben – die Default-Position eines Mannes sein muss. Reingefallen!
Mein zweiter Denkanstoß dreht sich um die Farbe Rosa, in Modekreisen auch als Pink bekannt. Durch den ganzen Diskussionsstrang, den Florian mit seiner Entdeckung eines pseudowissenschaftlichen Experimentierkastens für Mädchen angestoßen hat, zieht sich ausdauernd die Gleichsetzung der Farbe Rosa als “feminine” Farbe durch und wird (ja, es gibt auch Ausnahmen, aber bleiben wir mal bei der Mehrheit) daher als sexistisches Signal verurteilt (hier klingt das relativ klar an). Also weg mit dem rosa Glitzerkram? Hmm … damit werden erst mal nach den Regeln der Logik zwei Aussagen verknüpft:
1. Rosa ist eine weibliche Signalfarbe, d.h. geschlechtsspezifisch definiert, und 2. es muss als solches abgeschafft oder vermieden werden. Was zum Fazit führt, dass das weiblich Definierte nicht akzeptabel = nicht wertig genug ist. Ebenfalls: Reingefallen! (Kleiner Hinweis am Rande: Es ist nicht die Farbe des Einhorns, die es zum Symbol für un- und antiwissenschaftliches Mythologie-Magie-Marketing macht…)
Foto: Evadb (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons, Grafik: Yamavu [GFDL or CC BY 2.5], via Wikimedia Commons
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