Die Parallele zur Wissenschaft besteht darin, dass der Weg zu akademischen Weihen und Ehren ja nicht nur alleine über die eifrige Anhäufung von Fachwissen führt: Wer es in Akademia zu etwas bringen will, der/die muss den richtigen Jargon lernen, der ihn/sie von Laien unterscheidet; muss wissen, wer in ihrem/seinem akademischen Umfeld als Leitfigur anzerkennen beziehungsweise als Scharlatan zu meiden ist (wobei die Rollen der Leitfigur und des Scharlatans von Institut zu Institut wechseln können); musste sich mit archaisch anmutenden Ritualen vertraut machen, denen mittelalterliche Gewänder und mittelalterliche Begriffe wie cum tempore oder Rigorosum Bedeutungsschwere verleihen … Die kollegiale Anerkennung ist letzlich nicht nur Anerkennung für das erarbeitete Wissen selbst, sondern auch für den mühsamen Weg zur Stelle, an der dieses Wissen erarbeitet werden konnte.
All dies scheint bedeutungslos, wenn dieses Wissen nun ganz ohne Jargon und Ritual, sozusagen als Instant-Packung, für Jedermann- und -frau verfügbar gemacht wird. Das ist etwa so, als ob man unter größten Anstrengungen einen Gipfel erklommen hat und dann wird, einfach so, eine Seilbahn gebaut – und plötzlich können selbst Spaziergänger in Sandalen können die gleichen Höhen erklimmen. Und vielleicht ist dies der größte Unterschied zwischen der deutschen und beispielsweise der amerikanischen akademischen Welt: In Deutschland ist Wissenschaft – so scheint es mir – immer noch die Ochsentour, der mühsame Weg durch die Besoldungsinstanzen. Eine Professur ist nicht allein die Anerkennung des fachlichen Wissens, sondern auch die Belohnung für den langen, harten Weg dorthin. In den USA hingegen, so scheint es mir, zählt vor allem das Wissen – und die Fähigkeit, dies mit möglichst vielen zu teilen. Oder, um die Bergsteigermetapher noch ein bisschen weiter zu bemühen: Anstatt den Gipfel für sich alleine haben zu wollen, klettert der US-Wissenschaftler hoch, um die Seilbahn zu bauen.
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