Tut mir leid, dass ich schon wieder das Reizwort Verschwörung benutze – und die Überschrift ist mit einer Portion Sarkasmus im Tonfall auszusprechen. Ich habe zwei Jahrzehnte lang als UN-Korrespondent über die Weltorganisation aus ihrem Hauptsitz am New Yorker East River berichtet, und wenn es ein einzelnes, alles umspannendes Attribut gäbe, das ich den Vereinten Nationen ins Poesiealbum schreiben müsste, dann wäre es wohl “uneinig” (ja, der Ironie bin ich mir bewusst, vielen Dank). Dass in so einem Länderhaufen, wo “Einigungen” immer in Anführungszeichen zu setzen sind und Effizienz ein Scherzwort zu sein scheint, seit längerem eine koordinierte, durchorganisierte und politisch konsistente Verschwörung stattfinden soll, erscheint jedem, der den Laden kennt, bestenfalls lachhaft und schlimmstenfalls als ein Indiz, dass eine neuropsychiatrische Untersuchung ratsam wäre. Doch genau dies ist es, was offenbar viele Tea-Party-Anhänger (ich habe gelegentlich schon die Bezeichnung Teanderthaler gehört und gelesen) derzeit umtreibt und sie gegen verbesserten öffentlichen Personennahverkehr, Umweltschutz, effizientere Energieversorgung und wasnichtsonstnochalles auf die Barrikanden treibt: Alles eine Verschwörung der Vereinten Nationen, basierten auf der Agenda 21.
Und nein, das sauge ich mir jetzt nicht aus den Fingern: Wie die New York Times heute berichtet, ist dies ein Trend, der sich durch die US-Bundesstaaten ausbreitet, von der Republikanischen Parteispitze unterstützt und von Kandidaten wie Newt Gingrich auch noch angeheizt wird. Ich kann’s mir einfach nicht verkneifen, den Wortlaut der vor drei Wochen verabschiedeten
hier in voller Länge reinzustellen:
RESOLUTION EXPOSING UNITED NATIONS AGENDA 21
WHEREAS, the United Nations Agenda 21 is a comprehensive plan of extreme environmentalism, social engineering, and global political control that was initiated at the United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) held in Rio de Janeiro, Brazil, in 1992; and,
WHEREAS, the United Nations Agenda 21 is being covertly pushed into local
communities throughout the United States of America through the International Council of Local Environmental Initiatives (ICLEI) through local “sustainable development” policies such as Smart Growth, Wildlands Project, Resilient Cities, Regional Visioning Projects, and other “Green” or “Alternative” projects; and,
WHEREAS, this United Nations Agenda 21 plan of radical so-called “sustainable development” views the American way of life of private property ownership, single family homes, private car ownership and individual travel choices, and privately owned farms; all as destructive to the environment; and,
WHEREAS, according to the United Nations Agenda 21 policy, social justice is
described as the right and opportunity of all people to benefit equally from the resources afforded us by society and the environment which would be accomplished by socialist/communist redistribution of wealth; and,
WHEREAS, according to the United Nations Agenda 21 policy National sovereignty is deemed a social injustice; now therefore be
RESOLVED, the Republican National Committee recognizes the destructive and insidious nature of United Nations Agenda 21 and hereby exposes to the public and public policy makers the dangerous intent of the plan; and therefore be it further
RESOLVED , that the U.S. government and no state or local government is legally bound by the United Nations Agenda 21 treaty in that it has never been endorsed by the (U.S.) Senate, and therefore be it further
RESOLVED, that the federal and state and local governments across the country be well informed of the underlying harmful implications of implementation of United Nations Agenda 21 destructive strategies for “sustainable development” and we hereby endorse rejection of its radical policies and rejection of any grant monies attached to it, and therefore be it further
RESOLVED, that upon the approval of this resolution the Republican National Committee shall deliver a copy of this resolution to each of the Republican members of Congress, all Republican candidates for Congress, all Republican candidates for President who qualify for RNC sanctioned debates, and to each Republican state and territorial party office and recommend for adoption into the Republican Party Platform at the 2012 Convention.
As Approved by the Republican National Committee, January 13, 2012
Das muss man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Republikanische Partei erklärt hierin jegliche Umweltschutzbemühungen als “destruktiv und hinterlistig” und fordert ihre Organe auf, diese “destruktiven Strategien für ‘nachhaltige Entwicklung'” – und daraus resultierende Fördergelder – zurückzuweisen. Und New Gingrich schwafelt etwas davon, dass hier eine private, den Regierungen übergeordnete (Geheim-)Organisation am Werk sei. Nun, ich habe auf die Agenda 21 verlinkt (der Text selbst ist zu lang, um ihn hier in gleicher Weise wie die Republikaner-Resolution einzufügen). Wer sich die Zeit nimmt, sie durchzulesen, wird feststellen, dass immer nur die Regierungen der Mitgliedsstaaten und deren regionale und lokale Verwaltungseinheiten zum Handeln aufgefordert werden; dass an keiner Stelle irgendwelche “Genehmigungspflichten” gegenüber den Vereinten Nationen besteht und dass – ganz nebenbei – die Sache ein alter Hut ist: Der Kern der Agenda 21 wurde 1992 (!) auf dem Umweltgipfel in Rio beschlossen.
Viel mehr können die Vereinten Nationen nun mal nicht zu Stande bringen; ohne die USA – größter Beitragszahler und Vetomacht im Sicherheitsrat – läuft nichts, und wenn’s mal gegen den Willen der Amerikaner läuft, dann verweigern sie sich einfach, siehe Kyoto-Protokoll, Unesco oder UN-Kinderrechtskonvention. Dass die UNO – auch aus amerikanischer Sicht – eher ein “wir” als ein “sie” sind (eben weil sie die mächtigsten Nation in diesem Verbund sind), wird dabei bequemer Weise auch gleich unterschlagen. Anti-UN-Stimmungsmache ist ja leider auf konservativer Seite in den USA ein alter Dauerbrenner.
Das wäre alles ja noch als politischer Komödiantenstadl im Vorwahlkampf abzutun. Aber die Effekte sind eben alles andere als komisch, und schaden nicht nur dem globalen Klima – was dem Bauern in Wisconsin oder dem Fischer in Maine sowieso ziemlich schnurzegal sein dürfte – sondern auch den Kommunen selbst. Wenn dann verkehrsentlastende Maßnahmen wie etwa auf der Nationalstraße 1 in Maine (von der hauptsächlich die Einwohne von Maine profitiert hätten) von den Teandertalern abgewürgt werden, weil da ja die UN-Verschwörung dahintersteckt, dann wird den Menschen direkter und bewusster Schaden zugefügt. Aber das Menschenbild der Tea Party und der Politiker, die sich ihr anbiedern, ist sowieso kaum noch nachvollziehbar: Wer in Hochhäusern lebt und mit der U-Bahn fährt, ist nach deren Ansicht ein Elitist. Dann ist ja alles klar …
Foto: Steve Cadman [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons
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