Wenn ich diesen Artikel in der New York Times korrekt verstanden habe, dann wird (oder hat er schon?) der US-Physiker Wade Fisher von der Michigan State University heute auf einer Konferenz in La Thuile im italienischen Aostatal wenn schon keinen Nachweis, dann aber “den stärksten Hinweis auf die Existenz des Higgs-Bosons” vorlegen. Das ist an sich gar nicht mal so bemerkenswert, da dieser Hinweis seit Beginn der Arbeiten am Large Hadron Collider des Cern schon lange und sehnsuechtig erwartet wird. Bemerkenswert ist, dass Fishers Bericht sich nicht allein (und auch nicht primär) auf die LHC-Resultate stützt, sondern Daten ausgewertet hat, die im Lauf von sieben Jahren am Tevatron-Beschleuniger des amerikanischen Fermilab gesammelt wurden. Es ist sozusagen der letzte Triumph des Tevatron, das am 30. September 2011 abgeschaltet wurde. Aber ehe jetzt jemand schreit, “Und warum haben wir dann den teuren LHC überhaupt gebaut, wenn das alte Tevatron-Gerät den Job auch schon erledigen konnte?” – erst in Kombination mit den Daten, die am Cern gesammelt (und im vergangen Dezember auch in einer ersten Charge veröffentlicht) wurden, erhalten die Fermilab-Resultate überhaupt eine Aussagekraft. Es ist halt in der Wissenschaft immer hilfreich, wenn man eine Frage in zwei unabhängigen Experimenten untersuchen kann.

xkcd

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Kommentare (5)

  1. #1 Alexander
    8. März 2012

    Außerdem 1: das ist nur ein besonders deutlicher Hinweis und noch nicht der gesuchte Nachweis, bisschen genauer darf es gerne noch sein. Außerdem 2: Man möchte nicht nur wissen, dass es ein (oder mehrere) Higgs gibt, sondern die Eigenschaften möglichst genau vermessen, um damit theoretische Modelle abgleichen zu können. Dazu reichen die Daten des Fermilab erst recht nicht aus. Und außerdem 3: Am LHC laufen eine Menge anderer Untersuchungen außer der Suche nach dem Higgs: Messung von B-Zerfällen, Suche nach CP-Verletzung, Suche nach Multilepton-Ereignissen …
    Den LHC auf Higgs-Suche zu reduzieren ist eine typische mediale Verkürzung, die eigentlich auf den Scienceblogs nicht passieren sollte.

  2. #2 Dr. Webbaer
    8. März 2012

    Niemand hat etwas gegen Bemühungen mit Teilchenbeschleunigern, äh, neue Teilchen zu finden, aber es ergeben sich eben auch Fragen i.p. Nützlichkeit [1].

    Wenn Wissenschaftler nun gleich einen neue Teilchenbeschleuniger fordern oder explizit begrüßen [2], ist das keine besonders gute Nachricht. Natürlich auch keine schlechte, aber das Dienende und Zweckgebundende der Wissenschaft verdient weiterhin im Zentrum dieser Vorhaben zu stehen. – Zudem: Was kommt nach dem Higgs-Boson?

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]

    Für eine Universität ist es immer nützlich, ein Sehr Großes Ding zu haben. Es beschäftigt die jüngeren Leute, zur Erleichterung der älteren (insbesondere dann, wenn das SGD ein Stück vom Zentrum der Bildungsstätte entfernt ist), und es verwendet viel Geld, das sonst nur herumläge und Probleme verursachte oder vond er soziologischen Fakultät ausgegeben würde, oder vielleicht beides. Es hilft auch dabei, Grenzen hinauszuschieben, und dabei spielt es keine Rolle, welche Grenzen, denn wie jeder Forscher weiß: Auf das Hinausschieben kommt es an, nicht auf die Grenzen. Es ist auch gut, wenn das Sehr Große Ding größer ist als die Sehr Großen Dinge aller anderen. In diesem besonderen Fall ging es um die Unsichtbare Universität, die größte magische Universität auf der Welt, und natürlich musste ihr SGD größer sein als jenes, das die Mistkerle an der Universität von Brasenack bauten. (T.Pratchett in der Brandhorst-Übersetzung)

    [2]

    Sollte der LHC etwas Neues finden, so könnte das zu einem echten Umdenken in der theoretischen Teilchenphysik führen und es könnte neue Anreize zum Bau eines neuen Teilchenbeschleunigers liefern. (Quelle)

  3. #3 michael
    8. März 2012

    > aber es ergeben sich eben auch Fragen i.p. Nützlichkeit

    Was soll das heissen. Ob die Wirtschaft davon profitiert ? Kurzfristig sicher. Guckt der Bär z.B. mal hier.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    10. März 2012

    Test.

  5. #5 Thomas Wolkanowski
    10. März 2012

    Hinweise, Hinweise… Niemand weiß, ob mit steigender Menge an Daten dieses angebliche “Signal” nicht doch noch verschwindet und sich als statistische Schwankung entpuppt. Man mag von medialer Verkürzung sprechen, aber selbst gestandene Physiker am CERN sprechen ja seit längerem von “deutlichen Anzeichen” – auf mich wirkt es immerzu (und ich bin nicht der einzige), als hätten viele die Entdeckung bereits in ihren Köpfen verankert und bräuchten nur noch eine bessere Grafik.

    Man hätte diese Art von Stellungsnahmen (vgl. verlinkte obige Meldung) vermeiden oder zumindest flacher halten sollen. Was bislang die Datenlage hergibt ist wenig bis gar nichts – zwei bis drei Sigma ist mein letzter Kenntnisstand – und ich möchte mir nicht ausmalen, wie die breite Öffentlichkeit nach der “Kabel-Blamage von OPERA” reagiert, wenn sich Ende des Jahres herausstellen sollte, dass sich der Hubbel letztlich doch in Luft aufgelöst hat.

    Das soll kein rabenschwarzer Pessimismus von meiner Seite sein. Da ich aber mahnende Worte zu mehr Geduld immer seltener vernehme, will ich das an dieser Stelle selbst in die Hand nehmen.

    Übrigens, sollte tatsächlich am Ende ein Higgs in dem aktuell diskutierten Massenbereich gefunden werden, so wird noch lange nicht klar sein, ob es sich um das elementare Higgs handelt, wie es das Standardmodell annimmt. Es gibt zahlreiche Physiker, die gewiss anderer Ansicht sind und z.B. erklären werden, dass hier ein zusammengesetztes Higgs gefunden wurde (was einige weitere Implikationen hat). Für viele Jahre gibt es also noch genug Arbeit..

    Dem Webbären sei gesagt, dass der Ruf nach neuen Beschleunigern insbesondere daherrührt, dass das LHC ein “Hau-Drauf-Gerät” ist, das hinter vorgehaltener Hand auch manchmal als reine Entdeckungsmaschine bezeichnet wird. Gerade Präzisionsmessungen von Spin und Kopplungsstärken des Higgs sind damit nicht möglich, sondern müssen von zukünftigen Linearbeschleunigern geleistet werden.