Dass Schimpansen und Gorillas in der Lage sind, eine Zeichensprache (typischer Weise ist es die Amercan Sign Language) zu verwenden, ist schon lange nicht mehr neu. Aber Paviane, die Rechtschreibung beherrschen? Ich tät’s nicht glauben, wenn es nicht in Science stünde: Orthographic Processing in Baboons (Papio papio) steht da, und geschrieben wurde das Paper von einem Team der französischen Aux-Marseille Université. Der Inhalt ist eigentlich schnell beschrieben: Sechs Paviane wurden darauf trainiert, vierbuchstabige Wörter der englischen Sprache zu identifizieren. Und das heißt: Korrekte vierbuchstabige Wörter von bedeutungslosen Vier-Buchstaben-Folgen zu unterscheiden. Je nach Lernfähigkeit hatten sich die Affen ein “Vokabular” zwischen 81 und 308 Wörtern “angeeignet” und diese dann mit einer Trefferquote von 75 Prozent aus Tausenden “gefälschter” Wörter hreausgefischt.
Dabei ging es den Forschern um Jonathan Grainger nicht um den – unsinnigen – Nachweis, dass Paviane die englische Sprache erlernen können. Denn für die Affen waren dies ja keine Worte im Sinn von kodierten Nachrichten oder so, sondern einfach eine Abfolge von “Kratzern”, mit der sie keine Bedeutung verbinden (abgesehen davon, dass sie gelernt haben, dass das Erkennen der richtigen Wörter eine Belohnung bringt). Aber worum es den Forschern ging ist – mal ganz simpel ausgedrückt – der Nachweis, dass diese “Rechtschreiberkennung” keine Weiterentwicklung linguistischer Fähigkeiten im Gehirn ist, was bisher (allein schon auf der Basis der Tatsache, dass sich Sprache vor der Schreift enwtickelt hat) angenommen wurde. Grainger und seine MitarbeiterInnen konnten belegen, dass die Worterkennung in jenem Hirnbereich (im Englischen heißt er ventral occipitotemporal cortex) geschieht, der für die Objekt- und Gesichtererkennung zuständig ist. In gewisser Weise könnte man also sagen: Die Fähigkeit zu Lesen hatten Primaten schon lange, bevor sie die Fähigkeit zur Sprache entwickelten. Wir schreiben (= benutzen geometrische Symbole zur Speicherung von Sprache), weil unser Gehirn so konstruiert ist wie es ist.
Das ist, für sich betrachtet, nicht furchtbar überraschend. Aber ich musste, als ich das Science-Paper las, im Hinterkopf auch an Florians Beitrag über außerirdische Intelligenz denken. Vor allem daran, dass wir erst mal gar nicht wissen, wie solche uns unbekanten Extraterrestrier kommunizieren. In Science-Fiction-Serien sprechen die ja passender Weise gerne Englisch oder (in den synchronisierten Fassungen) Deutsch – dabei ist es noch nicht mal sicher, ob sie überhaupt in etwas kommunzieren, was wir als Sprache erkennen würden. Das erinnert mich an eine Geschichte von Kurt Vonnegut (ich glaube, es war Frühstück für starke Männer), in der er seinen Helden Kilgore Trout ein Science-Fiction-Buch über außerirdische Besucher schreiben lässt, die sich ausschließlich durch Furzen und Steptanzen verständigen – was beim ersten Kontakt mit Erdlingen, wie zu erwarten, fatale Folgen hat.
Aber wenn es so ist, dass nicht die Sprache unser Gehirn nach ihren Notwendigkeiten formt, sondern dass unsere Sprache sich so entwickelt hat, wie sie es tat, weil sie dabei mit einer Infrastruktur arbeiten musste, die nicht primär für diese Form der Kommunikation entstanden war – dann wäre es in der Tat naiv anzunehmen, dass sich genau solche Strukturen auch bei uns völlig fremden Lebensformen entwickelt hätten und sie daher eine Sprache nach dem Prinzip Buchstabe-Wort-Satz-Absatz-Kapitel…etc. besitzen müssten. Vielleicht hören wir in der Tat schon längst die Signale der Außerirdischen, können sie aber nicht als solche erkennen?
Das erinnert mich daran, dass ich bereits vor ein paar Jahrzehnten im Buch Leben unter Fernen Sonnnen, in dem es um die Suche nach außerirdischen Intelligenzen geht, von der Lingua Cosmica, kurz lincos, des deutsch-holländischen Mathematikers Hans Freudenthal gehört habe. Sie ist der Versuch, durch relative einfache mathematische Operatoren eine sich selbst erklärende, auf enfache Informatione aufbauende Sprache zu schaffen, die nach Ansicht ihres Erfinders im wörtlichen Sinn “universal” sein müsse. In der Tat ist es nicht nur wahscheinlich, dass die wie auch immer gearteten extraterrestrischen Intelligenzen zumindest eine Sache mit uns gemein haben müssen: Sie müssen, damit wir überhaupt mit ihnen kommunizieren können (ein rein pragmatisches Argument), Technologie besitzen – und Technologie dieser Art ist ohne mathematische Kenntnisse nicht vorstellbar. Und bestimmte mathematische Eigenschaften sind in der Tat universal, etwa die Tatsache, dass Primzahlen nur durch eins und sich selbst teilbar sind, oder daß Drei größer ist als Zwei, und das wiederum größer Eins.
Wenn wir also eine Signalsequenz, egal auf welchem Frequenzband, empfangen würden, die nur aus Piepsern besteht, aber so gestaffelt ist: Piep, piep-piep, piep-piep-piep, piep-piep-piep-piep-piep – dann würden wir sofort wissen, das es sich hier um den Beginn einer Primzahlenfolge handelt. Freundenthal hat auf dieser simplen Signalstruktur ein ganzes Sprachsystem aufgebaut, das komplexere logische Aussagen erlaubt, aber dennoch zu jedem Zeitpunkt aus sich heraus erklärbar ist.
Mag sein, dass dies ein viel zu ehrgeiziges Programm ist und es den Haken hat, wie so manche Kinoflme, dass es keinen Sinn mehr ergeben könnte, wenn man den Anfang verpasst. Und dass es, wenn ich dem obigen Paper mal diese Schlussfolgerung abringen darf, auf der irrigen Idee beruht, das Sprache immer auch aus Symbolen Worte formen will, so wie wir es von menschlichen Sprachen vertraut sind. Falls Ihr als das nächste Mal eine seltsam aussehende Figur seht, die laut furzend eine Steptanz-Routine abzieht – es könnte ein Außerirdischen sein, der nichts weiter sagen will als “wir kommen in Frieden”.
Foto: Pavian im Münchner Tierpark, von Thomas Netsch (public domain via Wikimedia Commons)
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