Eine verspätete Rechtfertigung des eigenen Schweigens hat spätestes seit dem umstrittenen Gedicht von Günter Grass einen schalen Beigeschmack. Ich tu’s trotzdem: Dass ich bisher zum Kölner Urteil hinsichtlich Beschneidungen schwieg, liegt nicht daran, dass ich mich nicht getraut hätte – auch wenn s.s.t. in einem Kommentar zu Florian Freistetters Beitrag einen derartigen Verdacht geäußert hat (ich werde dort zwar nicht direkt genannt, fühle mich aber angesichts meiner früheren Themenauswahl angesprochen).

Es war weniger Mangel an Mut als vielmehr ein Übermaß an Dingen, die mir dazu eingefallen wären – und die einander (scheinbar) widersprechen. So bin ich selbst zwar ein entschiedener Gegner der erzwungenen Genitalverstümmelung, aber trotzdem war meine erste Reaktion auf das Urteil: “Das können die doch nicht ernst meinen!” Warum, das erkläre ich später vielleicht noch etwas detaillierter, aber für den Anfang mag genügen, dass mir angesichts der vielfältigen, oft grausamen und immer unnötigen Misshandlungen, denen Kinder weltweit und auch bei uns ausgesetzt sind, die Dringlichkeit eines Beschneidungsurteils nicht spontan eingängig war. Außerdem war schnell erkennbar, welche breite und unsachliche Diskussion dieses Urteil ob seiner religiösen Konnotationen auslösen würde. Eine Diskussion, in der religiöse Traditionen, medizinische Rechtfertigungen, politischer Opportunismus und Vorwürfe des Antisemitismus zu jenem unappetitlichen Cocktail gemixt würden, der nun auch tatsächlich serviert wurde.

Darüber, dass Beschneidung nichts anderes ist als Körperverletzung, hat Florian ja schon ausführlich geschrieben und haben seine KommentatorInnen noch ausführlicher diskutiert. Ich will hier ein paar Aspekte noch einmal herausgreifen:

1. Das Kölner Urteil ist kein religiöses Urteil. Es ging um ein verletztes Kind. Nochmal langsam für jene, die hier laut schon “Antisemitismus” brüllen: Es ging um ein verletztes Kind.

2. Das Urteil selbst ist watteweich und baut der religiösen Tradition alle Brücken. Niemand wurde verurteilt, lediglich die Tatsache wurde festgestellt, dass Beschneidung eine Körperverletzung ist. Und im vorliegenden Fall war sie das auch eindeutig.

3. Der vom nationalsozialistischen Deutschland verübte Völkermord war keine Aktion primär gegen die jüdische Religion: Entscheidend war nicht, ob sich jemand zum mosaischen Glauben bekannte und diesen praktizierte, sondern allein, ob er jüdischer Abstammung war – egal, ob sie sich selbst als Atheisten oder Christen bezeichnet hätten. Holocaust-Vergleiche sind eigentlich immer widerlich, da sie versuchen, eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit zu relativieren; daran ändert sich auch nichts, wenn der millionenfache, grausame Tod ganzer Generationen instrumentalisiert wird, um Körperverletzungen an Kindern zu rechtfertigen.

4. Wer kein besseres Argument für seine die Körper Anderer verletzenden Handlungen hat als Tradition, der muss wissen, dass er damit letztlich auch die Agrumentation all jener legitimiert, die ihre eigenen (Un-)Taten mit religiöser Tradition rechtfertigen:

(Achtung, das nachfolgende Video einer öffentlichen Exekution ist nichts für zarte Gemüter, auch wenn es im kritischen Moment schwarz wird. Wer so etwas nicht sehen will, kann es hier überspringen):

Musste das jetzt sein? Leider ja: Auch das gehört leider zur Realität der religiösen Traditionen. Die Freiheit der Ausübung einer Religion ist zwar ein Menschenrecht – aber sie rangiert damit nicht autmatisch höher als das ebenso grundsätzliche Recht auf körperliche Unversehrtheit. Im Grundgesetz beispielsweise wird die Garantie, nicht verstümmelt zu werden, im Artikel 2 festgeschrieben; die freie Religionsausübung folgt in Artikel 4.

5. Dass die Entfernung der Vorhaut auch medizinisch begründbar ist, steht außer Frage. Wenn im Kölner Fall eine solche Indikation vorgelegen hätte, wäre es ja gar nicht erst zum Verfahren gekommen. Aber auch wenn der angebliche medizinische Nutzen der Zirkumzision gerne in der Diskussion bemüht wird: Religiöse Beschneidungen werden nicht aus medizinischen Gründen durchgeführt. Und selbst wenn sie eine prophylaktische Entfernung von Körperteilen wären, so ist diese nicht allein dadurch zu begründen, dass jene später durch mangelnde Pflege ein Krankheitsherd werden könnten. Selbst noch bei Weisheitszähnen ist diese noch weit verbeitete Argumentation inzwischen fraglich.

6. Was die angeblich einer Aids-Infektion vorbeugende Wirkung der Beschneidung erwachsener Männer in Südafrika mit der religiös motivierten Verstümmelung kleiner Kinder zu tun hat, ist komplett rätselhaft.

Es lohnt sich an dieser Stelle, mal ein bisschen genauer auf diese auch von der Weltgesundheitsorganisation propagierte Aids-Prophylaxe einzugehen:

Die im Juli 2006 in PLoS publizierte Studie The Potential Impact of Male Circumcision
on HIV in Sub-Saharan Africa
hatte einen Zusammenhang zwischen den Beschneidungspraktiken im südlichen Afrika und dem Ausmaß der Aids-Infektion in den jeweiligen Ländern festgestellt: In den Ländern, wo rituelle Beschneidung praktiziert wurde, kam es zu deutlich weniger Aids-Infektionen bei Männern durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr. Das war erst mal ein rein statistischer Zusammenhang (der sich ja auch durch unterschiedliche, religiös geprägte Sexualmoral in den jeweiligen Kulturen erklären ließe), doch zwei Feldstudien in Kenia und Uganda, in denen sich Männer freiwillig beschneiden ließen, bestätigten auch in einer unabhängigen Analyse die erstaunliche Folgerung: Durch diesen Eingriff konnten die Neuinfektionen innerhalb von 24 Monaten um 38 bis 66 Prozent reduziert werden.

Das ist in der Tat bemerkenswert. Und eigentlich nicht wirklich überraschend: Dass eine solche einschneidende Veränderung des Sexualorgans auch das Sexualverhalten zumindest kurzfristig (die Rede war hier von den ersten 24 Monaten nach dem Eingriff) verändern kann, ist auch ohne medizinische Ausbildung nachvollziehbar. Dass die Studie eher en passant feststellt, diese Verhaltensänderung habe nicht stattgefunden, ist eher unplausibel. Vor allem, weil dabei nur die Frequenz des Geschlechtskontaktes nach dem Eingriff erfasst wurde – was erstens natürlich nur auf Selbstangaben der Patienten beruhen kann, die notorisch unzuverlässig sind (ach nee, Männer lügen über ihre sexuelle Potenz?), und zweitens nicht berücksichtigt, ob und wie sich die sexuellen Praktiken dabei verändert haben.

Und selbst wenn, was wie gesagt glaubhaft ist, diese Beschneidung bei Erwachsenen kurzfristig zu einem Rückgang der Neuinfektionen führt, bleibt erst mal abzuwarten, ob dies auf längere Sicht nicht wieder dadurch ausgependelt wird, dass sich die derart Behandelten nun gegen Aids gefeit fühlen und entsprechend sorgloser handeln. Dass diese Gefahr besteht (die sich wohl erst beim nächsten Studien-Stichtag im Jahr 2015 abschätzen lässt), räumen selbst die erklärtesten BefürworterInnen dieser Praxis ein. Und nur mal so als Nebengedanke: Wenn Beschneidungen an sich tatsächlich so ein wirksames Mittel gegen die Aids-Infektionen wären – warum sind diese dann in den USA noch so häufig? Dort werden Beschneidungen, unabhängig von der Religion, praktisch routinemäßig an Neugeborenen vorgenommen (ich selbst musste mehrfach dieses “Angebot” ablehnen, als mein Sohn hier zur Welt kam), und mehr als die Hälfte der männlichen Bevölkerung ist an der Vorhaut amputiert.

Aber zurück zum Thema: Im Kölner Urteil ging es um einen Fall von Körperverletzung. Dass diese religiös motiviert war, ändert erst mal nichts daran, dass der Körper des Opfers verletzt wurde. Nur darüber hatte das Gericht zu befinden, und es hat sich speziell bei den religiösen Aspekten seiner Entscheidung mit dem Hinweis auf den bestehenden Verbotsirrtum aus der Affäre gezogen:

Da der angeklagte Arzt im Glauben handelte, dass seine Tat rechtmäßig sei, könne ihm auch keine Schuld angelastet werden: Der Angeklagte handelte jedoch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld (§ 17 Satz 1 StGB).

Der Angeklagte hat, das hat er in der Hauptverhandlung glaubhaft geschildert, subjektiv guten Gewissens gehandelt. Er ging fest davon aus, als frommem Muslim und fachkundigem Arzt sei ihm die Beschneidung des Knaben auf Wunsch der Eltern aus religiösen Gründen gestattet. Er nahm auch sicher an sein Handeln sei rechtmäßig.

Der Verbotsirrtum des Angeklagten war unvermeidbar. Zwar hat sich der Angeklagte nicht nach der Rechtslage erkundigt, das kann ihm hier indes nicht zum Nachteil gereichen. Die Einholung kundigen Rechtsrates hätte nämlich zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum wird bei ungeklärten Rechtsfragen angenommen, die in der Literatur nicht einheitlich beantwortet werden, insbesondere wenn die Rechtslage insgesamt sehr unklar ist (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 17 Rn. 58; Vogel in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 17 Rn. 75; BGH NJW 1976, 1949, 1950 zum gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrecht des Lehrers bezogen auf den Zeitraum 1971/1972). So liegt der Fall hier. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Knabenbeschneidungen aufgrund Einwilligung der Eltern wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Es liegen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, Gerichtsentscheidungen vor, die, wenn auch ohne nähere Erörterung der wesentlichen Fragen, inzident von der Zulässigkeit fachgerechter, von einem Arzt ausgeführter Beschneidungen ausgehen, ferner Literaturstimmen, die sicher nicht unvertretbar die Frage anders als die Kammer beantworten.

Das Gericht bestätigte also ausdrücklich, dass die Rechtslage “ungeklärt” sei. Artikel 2 des Grundgesetzes würde übrigens in der Tat erlauben, diese Rechtslage im Sinne der betroffenen religiösen Organisationen zu regeln:

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Wenn also gesetzlich beschlossen würde, dass den Körper verletzende Beschneidungen rechtens sind, wäre dies durchaus mit dem Grundgesetz und der darin enthaltenen Auslegung der Menschenrechte vereinbar.

Aber warum dann meine oben erwähnte spontane Fassungslosigkeit ob des Kölner Richterspruchs? Weil die Sache halt in der Realität komplizierter ist. Allein schon mal, weil körperverändernde Eingriffe sehr weit verbreitet sind, obwohl sie medizinisch fragwürdig sein mögen: Weisheitszähne werden “prophylaktisch” gezogen (ja, auch das ist eine Amputation), selbst wenn keine medizinische Indikation vorliegt; Kaiserschnitte werden ob ihrer Planbarkeit vorgenommen, und nicht nur als Notfalllösung; auch wenn in beiden Fällen – es gäbe sicher mehr Beispiele – typischer Weise die Zustimmung der Patienten vorliegt, ist die Freiwilligkeit angesichts der Asymmetrie zwischen “empfehlenden” Behandlern und Patienten nicht immer zwingend gegeben. Wäre das dann auch Körperverletzung? (Ich denke schon.)

Aber auch, weil – Körperverletzung oder nicht – etwa ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung über 15 Jahre nach Schätzungen der WHO beschnitten ist. Und diese Form der Genitalverstümmelung damit, ob es uns gefällt oder nicht, in vielen Ländern zu einer kulturellen ebenso wie einer ästhetischen Präferenz geworden ist; in den USA beispielsweise, wo – ebenfalls laut dem bereits verlinkten WHO-Bericht – nahezu 85 Millionen Männer ohne religiösen Grund beschnitten sind, ist die Auffassung weit verbreitet, dass ein intakter Penis unattraktiv und unhygienisch sei. Weil sich das Urteil vor der Schuldfrage drückt. Weil damit genau das Gegenteil erreicht wird, was man sich wünschen möchte: Um die empörten Religionsverfechter zu beruhigen, wird voraussichtlich wohl ein Gesetz erlassen, das diese Praxis ausdrücklich gutheißt. Und selbst ein Verbot hätte wenig Wirkung, so lange nicht geklärt ist, wie man die Einhaltung des Gesetzes sicherstellen kann. Was unterschiede einen legal in den USA oder in der Türkei beschnittenen Penis von einem illegal in Deutschland beschnittenen Penis?

Und ich begreife sogar die Ängste der religiösen Führer. Nicht nur, weil ein Beschneidungsverbot fatal an das Schächtverbot von 1933 erinnert, das historisch den Auftakt jener gesetzlichen Diskriminierung bildete, die dann in den Nürnberger Rassengesetzen und allen darauf begründeten Gräueln kulminierte. Nochmal: Die Annahme, dass ein Verbot einer körperverletzenden Tätigkeit ein Schritt zur Eliminierung der jüdischen und moslemischen Religionen sein könnte, ist angesichts des heutigen Rechtsverständnisses absurd; dies dennoch als Argument dafür zu verwenden, es gebe ein Recht darauf, die Körper von Kindern zu verstümmeln, ist schäbig. Aber das habe ich ja schon gesagt.

Doch es gibt mindestens noch einen weiteren Grund, warum dieses Urteil nicht nur die Sensibilitäten der jüdischen und muslimischen Religionsvertreter stimuliert hat, sondern auch die gleiche Empörung in christlichen Führungskreisen provoziert: Es geht ja eigentlich gar nicht um ein paar Quadratzentimeter Haut, sondern darum, dass eine solche Rechtsauffassung diesen Religionen das Privileg nähme, über das Wohl Anderer (zu denen nach diesem Urteil halt die Kinder gehören – das Bestimmungsrecht der Eltern wiegt nicht so schwer wie das Recht der Kinder auf spätere Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit im Generellen) zu entscheiden. Weil den Eltern damit das Recht genommen würde, als Ausführungsorgane im Auftrag der Religionen ihre Kinder schon zum frühest möglichen Zeitpunkt für die Religionsgemeinschaft zwangsweise zu rekrutieren. Weil diese Organisationen unter Religionsfreiheit nicht primär eine Freiheit des/der Einzelnen verstehen, sich seine/ihre Religion selbst zu wählen, sondern die Freiheit der Religionsgemeinschaft und ihrer Institutionen, just darüber zu entscheiden.

Wo kämen sie hin, wenn Kindern das Recht gegeben würde, ihren Glauben selbst zu wählen? Wahrscheinlich auch in etwa da, wo sie jetzt sind, weil Eltern nun mal sehr viel Einfluss auf ihre Kinder haben – aber sei’s drum: Es ist nicht allein die Praxis, kleinen Jungs die Vorhaut abzuschneiden (was sie, wie mich der amerikanische Alltag lehrt, generell doch ganz gut überleben), über die wir hier diskutieren sollten. Sondern die Praxis, Kindern eine Religion aufzuzwingen.

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Kommentare (216)

  1. #1 Stefan W.
    16. Juli 2012

    Ja, die Kinder würden dennoch Moslems und Juden, aber dann könnten sie mit 18 überlegen, ob sie ihre Vorhaut einbüßen wollen oder nicht, und viele würden “Nein” sagen.

    Und damit würden sie ihre Religion dahin ändern, diese barbarische Praxis zu lassen.

    Was die Rechtsfrage betrifft, so bin ich zuversichtlich, dass ein plumpes Gesetz, welches die Praxis erlaubt, nicht möglich ist, weil es zu tief in Art. 2 eingreift, und letztlich Artikel 1 zuwiderläuft.

    Wenn man einen erwachsenen Menschen nicht gegen seinen Willen verstümmeln darf – wieso soll es bei Kindern erlaubt sein?

  2. #2 Joseph Kuhn
    16. Juli 2012

    @ Jürgen: Es geht hier in der Tat um mehr als ein Stück Haut. Mich irritiert, wie schnell die Politik diese Debatte beenden will, statt sie gründlich zu führen, obwohl viele Fakten zu diesem Thema erst jetzt zusammengetragen werden und erst jetzt eine Chance haben, in die öffentliche Diskussion einzufließen, ich darf hier noch einmal auf mein kleines Resümee der Debatte im Blog nebenan bei Florian Freistetter hinweisen. Die ausführliche öffentliche Diskussion ist aber notwendig, um in diesem Fall durch Gesetz Rechtsfrieden zu schaffen. Dabei geht es dann nicht darum, durch Recht eine von wem auch immer für unbezweifelbar gehaltene “Wahrheit” durchzusetzen, das unterscheidet das Recht bei uns z.B. von der Scharia, sondern das gesellschaftliche Miteinander möglichst friedfertig zu machen und eine möglichst große Vielfalt von Lebensweisen und Traditionen zu ermöglichen, ohne den mit eben dieser Zielsetzung formulierten Wertekanon des Grundgesetzes zu verletzen. Ein komplizierter Satz, aber es ist ja auch eine komplizierte Sache.

  3. #3 Mike Macke
    16. Juli 2012

    So sauber und konsequent würde ich gern ‘mal argumentieren können – aber dann wäre ich ja vielleicht auch Scienceblogger… Anders gesagt: Lob für einen fundierten, treffenden Eintrag muss auch ‘mal erlaubt sein, gerade wenn man nichts zu kommentieren hat.

  4. #4 Rainer M.
    16. Juli 2012

    In der aktuellen Printausgabe der ZEIT weist der Bochumer Strafrechtler Rolf Dieter Herzberg auf Artikel 140 GG hin, wo zu lesen ist, dass “Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten […] durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt [werden]”, was, so verstehe ich ihn, bedeutet, dass andere Rechte – insbesondere Grundrechte wie das auf körperliche Unversehrtheit – niemals durch die Religionsfreiheit eingeschränkt werden können (ausser doch vielleicht durch Gesetz?). Bei der einfachen Abwägung zwischen Art. 2 und Art. 6 muss die Religion jedenfalls auch aufgrund von Art. 140 immer (!) zurückstecken.
    Aber es geht ja eigentlich nicht um die Religionsfreiheit des Kindes, denn das Kind hat noch keine und weiss nichts von Religion, sondern bestenfalls um das Recht der Eltern auf Religionsausübung an ihrem Kind. Womit wir beim Thema Elternrechte wären – das Thema, das in der ganzen Debatte meiner Ansicht nach zu kurz kommt. Doch die ganze Diskussion wäre nicht da, wenn die Betroffenen nicht Kinder wären. Was also dürfen Eltern alles mit ihren Kindern anstellen, und wo sind die Grenzen? Ein paar Beispiele zum Nachdenken:
    Dürfen Eltern ihr Kind “Pumuckl” nennen? Oder “Jimi Blue”? Es “nötigen”, wahlweise Spinat (ja!) oder Rosenkohl (nein! ;-)) zu essen? Ihm uncoole Klamotten anziehen, deretwegen es in der Schule verhauen wird?

    Dürfen Eltern ihr Kind von der Schule abmelden, weil sie nicht wollen, dass es dort Sexualkunde oder Evolution lernt?

    Dürfen Eltern ihr Kind schlagen?
    Nicht mal ein kleines bisschen? [sarkasmus]Dabei weiss doch jeder, dass ein Klaps auf den Po noch niemandem geschadet hat![/sarkasmus]
    Gerade das letzte Beispiel zeigt, wie lange es dauern kann, bis jahrtausendealte Traditionen aussterben. Von den ersten mahnenden Worten besorgter Pädagogen Ende des 19. Jahrhunderts über den breiten Diskurs seit Ende der 1960er Jahre bis zum endgültigen Verbot der elterlichen Züchtigung in Deutschland im Jahre 2000 war ein langer Weg. Heute wird das Thema hierzulande praktisch nicht mehr in der Öffentlichkeit diskutiert, und es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Körperstrafen für Kinder nicht akzeptabel sind. Dass sie ausgerechnet von manchen Anhängern christlich-fundamentalistischer Freikirchen auch in Deutschland nach wie vor nicht nur praktiziert, sondern anscheinend sogar propagiert werden (siehe hier), weil diese sich auf ein alttestamentliches “Prügelgebot” beziehen, führt zurück zum Thema Beschneidung aus religiösen Gründen.
    Ich glaube nicht, dass die Aufrechterhaltung des – formaljuristisch – eigentlich schon bestehenden Beschneidungsverbots den Kindern, um die es in erster Linie gehen sollte, unmittelbar helfen wird. Eher das Gegenteil, wenn in Zukunft wieder in anatolischen Dörfern oder Hinterzimmern beschnitten werden sollte. Wichtiger wäre, dass die Diskussion über dieses Thema auch nach einer gesetzlichen Regelung am Leben gehalten wird. Steter Tropfen höhlt den Stein. Aber zuviel Wasser spült ihn weg!

  5. #5 Physiker
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:
    Jeder medizinische Eingriff ist eine Körperverletzung. Auch Impfen. Ich verstehe nicht, warum in dieser Diskussion immer selbstverständlich – ohne Blick in die Fachliteratur – davon ausgegangen wird, dass Beschneidung keine prophylaktische medizinische Wirkung hat. Die (Gegen-)Argumentation über Hygiene ist veraltet und HIV ist in den entwickelten Ländern bei weitem nicht der ausschlaggebende Grund für eine Beschneidung.
    Hier z.B., ein aktueller (open acess) Review:
    https://www.scirp.org/Journal/PaperInformation.aspx?paperID=17415
    Laut den dort zitierten Quellen, vermeiden

    • 4 Beschneidungen einen Fall von Harnwegsinfektion
    • 10 Beschneidungen einen Fall von Candidiasis
    • 6 Beschneidungen einen Fall von Prostatakrebs
    • 10 Beschneidungen einen Fall von Balanitis
    • 10 Beschneidungen einen Fall von Phimose
    • 2 Beschneidungen einen Fall von hoch-risiko HPV
    • 5 Beschneidungen einen Fall von Genitalherpes

    D.h. im Schnitt profitiert laut diesem Review jeder von einer Beschneidung – ich kenne keine Impfung, die momentan auch nur annähernd so viel Leid verhindern könnte. HIV liegt bei dieser Bilanz auf den hintersten Plätzen, denn man müsste 1000 Jungen beschneiden, um laut den zitierten Quellen einen Fall von HIV zu vermeiden. Aber selbst das dürfte im Vergleich zu einigen Standardimpfungen gar nicht so schlecht sein.

    Warum in den USA trotz hocher Beschneidungsrate HIV ein grosses Problem ist, liegt am Übertragungsweg. Die Schützende Wirkung einer Beschneidung wurde nur für heterosexuelle Kontakte gezeigt – unter anderem auch gerade in den USA (Referenzen liefere ich gerne nach).

  6. #6 roel
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Der vom nationalsozialistischen Deutschland verübte Völkermord war keine Aktion primär gegen die jüdische Religion: Entscheidend war nicht, ob sich jemand zum mosaischen Glauben bekannte und diesen praktizierte, sondern allein, ob er jüdischer Abstammung war”

    Gibt es denn Belege dafür, dass Arier jüdischen Glaubens nicht verfolgt wurden?

  7. #7 Jürgen Schönstein
    16. Juli 2012

    @roel

    Gibt es denn Belege dafür, dass Arier jüdischen Glaubens nicht verfolgt wurden?

    Eine absurde Frage. Natürlich wurden nicht nur Juden von den Nazis in die Todeslager geschickt, das ist ein historischer Fakt. Doch Jude (“Volljude”) im Sinn der Rassengesetze war, wer mindestens drei jüdische Großeltern hatte.

  8. #8 Stefan W.
    16. Juli 2012

    @Physiker: Jede 10. Fußamputation verhindert einen Fall von Käsefüßen, jede 3. Hirnamputation einen von Käseargumenten.

    50% aller unbeschnittenen Kinder sollen unter Hochrisiko-HPV leiden, welches vermeidbar gewesen wäre, wenn man rechtzeitig beschnitten hätte? Die Zahlen kommen mir viel zu hoch vor, und ich habe den Verdacht, dass das Alter beim Eingriff gar nicht berücksichtigt wurde.

    Auch fehlt eine Gegenüberstellung mit

    • Infektionsrisiken bei der Operation die gelegentlich eine Amputation des ganzen Penis erforderlich machen
    • mit Narkoserisiken
    • Trauma der Beschneidung
    • Schmerzen der Beschneidung
    • Schmerzen bis zur Wundheilung
    • vermindertem Lustempfinden
    • langfristigen Komplikationsrisiken

    und eine Abwägung gegen alternative Prophylaxemaßnahmen.

  9. #9 Physiker
    16. Juli 2012

    @Stefan W.:

    Jede 10. Fußamputation verhindert einen Fall von Käsefüßen, jede 3. Hirnamputation einen von Käseargumenten.

    Ich denke nicht, dass Prostatakrebs mit Käsefüssen vergleichbar ist. Und ich denke auch nicht, dass sich Beschnittene als Amputierte sehen… Ich finde, man sollte solche Kampfbegriffe vermeiden.

    50% aller unbeschnittenen Kinder sollen unter Hochrisiko-HPV leiden, welches vermeidbar gewesen wäre, wenn man rechtzeitig beschnitten hätte?

    Das Risiko ist – wie Sie nachlesen hätten können – auf das gesamte Leben berechnet.

    Die Zahlen kommen mir viel zu hoch vor, und ich habe den Verdacht, […]

    Na dann hat Ihr Bauch wohl immer recht und wir brauchen keine wissenschaftliche Fachliteratur…

    Auch fehlt eine Gegenüberstellung mit […]

    Nein, ist alles in Tabelle 1 aufgeführt.

    und eine Abwägung gegen alternative Prophylaxemaßnahmen.

    Stimmt. Aber in diesem Review geht es auch gar nicht darum, welche Massnahme am kosteneffektivsten ist. Abgesehen davon, sind die Alternativen vielleicht gar nicht so alternativ, sondern eher komplementär. Bei der Einführung des Airbags hat man ja auch nicht auf den Anschnallgurt verzichtet.

  10. #10 Stefan W.
    16. Juli 2012

    Das Risiko ist – wie Sie nachlesen hätten können – auf das gesamte Leben berechnet.

    Die Zahlen kommen mir viel zu hoch vor, und ich habe den Verdacht, […]

    Na dann hat Ihr Bauch wohl immer recht und wir brauchen keine wissenschaftliche Fachliteratur…

    Mein Bauch hat ja offenbar insofern Recht, als die Zahlen der wissenschaftlichen Fachliteratur entstammen, aber nicht zur Fragestellung passen, die da lautete, ob man Amputationen an Kindern verfolgen soll.

    Kein Mensch hat gegen Verstümmelungen Erwachsener, die mit deren Einverständnis geschehen, widersprochen. Wenn Sie das nicht gemerkt haben, dann guten Morgen – ansonsten kann Ihre Liste als Versuch der Täuschung aufgefasst werden.

    Als Täuschungsversuch kann auch der Begriff “Beschneidung”, der weggeht wie geschnitten Brot, betrachtet werden. Ein funktionstüchtiges Organ ohne Indikation unwiederbringlich zu entfernen ist eine Verstümmelung, und durchaus ein Kampfbegriff, insofern als mit diesem gegen die Amputationen gekämpft werden soll. Sie kämpfen nur mit Ihrem Euphemismus auf der anderen Seite.

  11. #11 Physiker
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Dass eine solche einschneidende Veränderung des Sexualorgans auch das Sexualverhalten zumindest kurzfristig (die Rede war hier von den ersten 24 Monaten nach dem Eingriff) verändern kann, ist auch ohne medizinische Ausbildung nachvollziehbar.

    Das ist eine längst durch “follow up studies” wiederlegte Minderheitenmeinung, siehe z.B.:
    Gray, R., Kigozi, G., Kong, X., et al. (2012) The effectiveness of male circumcision for HIV prevention and effects on risk behaviors in a post-trial follow up study in Rakai, Uganda. AIDS

    Zu den Arbeiten, die gerade in den USA belegen, wie wirkungsvoll die Beschneidung bei der Vermeidung von HIV-Übertragungen ist, siehe:
    [106] Telzak, E.E., Chiasson, M.A., Bevier, P.J., et al. (1993)
    HIV-1 seroconversion in patients with and without genital ulcer disease: A prospective study. Annals of Internal Medicine, 119, 1181-1186.
    [107]Warner, L., Ghanem, K.G., Newman, D.R., et al. (2009)
    Male circumcision and risk of HIV infection among heterosexual African American men attending Baltimore sexually transmitted disease clinics. Journal of Infectious Diseases, 199, 59-65. doi:10.1086/595569

    [108] Sullivan, P.S., Kilmarx, P.H., Peterman, T.A., et al. (2007)
    Male circumcision for prevention of HIV transmission: What the new data mean for HIV prevention in the United States. PLoS Medicine, 4, 1162-1166. doi:10.1371/journal.pmed.0040223

  12. #12 roel
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Eine absurde Frage.”
    Ich verstehe nicht was an meiner Eingangsfrage absurd sein soll.

    “Natürlich wurden nicht nur Juden von den Nazis in die Todeslager geschickt, das ist ein historischer Fakt.”
    Die Frage zielte speziell auf Arier jüdischen Glaubens.

    “Doch Jude (“Volljude”) im Sinn der Rassengesetze war, wer mindestens drei jüdische Großeltern hatte.”
    Das Rassegesetz kenne ich und es bezieht sich natürlich auf die Abstammung und nicht den Glauben. Aber im Reichsbürgergesetz werden im § 5 Geltungsjuden definiert. Dies waren u.a. auch Nichtjuden die mit Juden verheiratet waren oder zum jüdischen Glauben Übergetretene. Hier passt dann die Judenverfolung primär aus rassistischen Gründen nicht. Hierzu aus https://de.wikipedia.org/wiki/Geltungsjude “Juden und die ihnen rechtlich gleichgestellten „Geltungsjuden“ konnten nicht Reichsbürger werden und hatten kein politisches Wahlrecht. Geltungsjuden unterlagen denselben diskriminierenden Bestimmungen und Sanktionen wie „Volljuden“”.

  13. #13 Physiker
    16. Juli 2012

    @Stefan W.:

    […] ob man Amputationen an Kindern verfolgen soll.

    Die Entfernung gutartiger/bösartiger Tumore oder Muttermale ist in diesem Sinne auch eine Amputation. Es kommt nur auf eine Abwägung des medizinischen Nutzens gegenüber des Risikos/Schadens an, ob eine Massnahme dem Kindeswohl dient oder nicht.

    Meine Argumentation ist simpel: Wenn es in der medizinischen Fachliteratur einen Konsens darüber gibt, dass die Beschneidung von Vorteil für die Gesundheit des Kindes ist, dann wäre es doch absurd, wenn man diese freiwillige Massnahme ausschliesslich aufgrund einer “falschen Motivation” verbietet.

  14. #14 Itüpflreiter
    16. Juli 2012

    Die medizinischen Argumente für eine Beschneidung von Kindern sind – soweit ich das überblicken kann – noch lange nicht überzeugend; siehe zB hier:
    https://www.sciencebasedmedicine.org/index.php/the-case-for-neonatal-circumcision/#more-3310
    (und das Thema ist offensichtlich auch ohne religiöse Komponente ganz heiss, siehe die Anzahl der Kommentare)

  15. #15 Jürgen Schönstein
    16. Juli 2012

    @roel
    Diese “Geltungsjuden” wurden aber nicht automatisch in die Vernichtungslager geschickt. Aber Sie haben mein Argument eh’ schon verstanden, wollen es nur nicht akzeptieren. Auch recht. Mir ging es darum zu betonen, dass die Judenverfolgung nicht nur gegen jene gerichtet war, die mosaischen Religionsriten folgten (für die also die Rabbiner mit ihrem fatalen vergleich zu sprechen behaupten). Auch Atheisten wurden zu Juden erklärt, wenn ihre Großeltern jüdisch waren.

  16. #16 Wolf
    16. Juli 2012

    Jetzt versucht es das Physikerchen hier mit den bereits ausgelutschten Pseudoargumenten.

    Leider versteht es nicht, was der Unterschied zwischen einem medizinisch indizierten Eingriff und einer Verstümmelung ist.

    Traurig aber wahr.

  17. #17 roel
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Aber Sie haben mein Argument eh’ schon verstanden, wollen es nur nicht akzeptieren. Auch recht.” Ich verstehe Sie schon, aber Sie vereinfachen zu stark.

  18. #18 Stefan W.
    16. Juli 2012

    @Physiker: Wenn es die Einigkeit in der medizinischen Fachliteratur gäbe, dann würde man den Kinder unterschiedslos die Vorhaut amputieren, nicht blos Juden und Moslems, und man würde es im Krankenhaus machen, und die Kasse würde es bezahlen.

    So erscheinen die medizinischen Argumente vorgeschoben und alleine schon deshalb unglaubwürdig.

    Im Laufe der Debatte habe ich, wen wunderts, auch Links zu gegenteiligen Studien gefunden.

    Besonders lächerlich nimmt sich HIV-Prävention in Ihrem Potpurri aus – HIV-Prävention bei 8 Tage alten Säuglingen?

    Von Kondomen haben Sie sicherlich schon mal gehört. Wenn ein besseres Ergebnis mit geringeren Eingriffen zu erzielen ist, dann wird man doch kein Kind operieren!

    Ihr verlinkter Text scheut ja nicht davor zurück “inferior hygiene” als Argument aufzuzählen – das muss ja ganz schön dünn um die anderen Argumente bestellt sein, wenn man selbst auf solch ein Niveau herabsinkt.

    Wo das Wasser nicht reicht den Pimmel zu waschen wird man eh rasch verdursten. Dass man in derartigen Umgebungen saubere Operationen durchführen kann – das erscheint mir doch etwas zweifelhaft.

  19. #19 Physiker
    16. Juli 2012

    @Itüpflreiter:

    Die medizinischen Argumente für eine Beschneidung von Kindern sind – soweit ich das überblicken kann – noch lange nicht überzeugend; siehe zB hier:

    Sie haben da etwas missverstanden. Der “American Academy of Pediatrics”(AAP) zufolge sind die Argumente noch nicht ausreichend, um eine allgemeine Beschneidungsempfehlung herauszugeben. Dieses Statement zweifelt aber erstens gar nicht daran, dass es medizinische Vorteile gibt/geben könnte und ist zweitens veraltet. Genau das wird ja im zitierten Paper kritisiert: Die Stellungnahme der AAP stammt von 2005. Seitdem gab es aber enorme Fortschritte die nicht ignoriert werden dürfen.

    (und das Thema ist offensichtlich auch ohne religiöse Komponente ganz heiss, siehe die Anzahl der Kommentare)

    Was zählt ist die wissenschaftliche Fachliteratur, und nicht die Anzahl von Blogkommentaren.

  20. #20 Physiker
    16. Juli 2012

    @Stefan W.:

    Wenn es die Einigkeit in der medizinischen Fachliteratur gäbe, dann würde man den Kinder unterschiedslos die Vorhaut amputieren, nicht blos Juden und Moslems, und man würde es im Krankenhaus machen, und die Kasse würde es bezahlen.

    1. gibt es sehr wenige medizinische Pflichtmassnahmen. Selbst hochwichtige Impfungen werden in Deutschland nur empfohlen. Das zeigt, wie wenig der Gesetzgeber in das Fürsorgerecht der Eltern eingreift. Viele Impfungen sind sogar nicht einmal von der STIKO empfohlen, sind aber trotzdem von sehr grossem medizinischen Vorteil für die Kinder. Fragen Sie mal die hier postenden Ärzte!
    2. der Konsens in der medizinischen Fachliteratur ist erst sehr jung, siehe folgende Reviews, die alle innerhalb der letzten zwei Jahre erschienen sind:
    https://archpedi.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=382695
    https://www.scirp.org/Journal/PaperInformation.aspx?paperID=17415
    https://www.springerlink.com/content/t38q2m0679375653/
    https://www.sabinet.co.za/abstracts/mp_sajei/mp_sajei_v26_n4_a23.html
    3. Wenn sich die Ergebnisse weiter bestätigen, dann sollten die Kosten für die Beschneidung in der Tat von der Krankenkasse übernommen werden.

    Im Laufe der Debatte habe ich, wen wunderts, auch Links zu gegenteiligen Studien gefunden.

    Es gibt immer auch gegenteilige Publikationen. Siehe die Klimawandel-Debatte. Was zählt ist die Mehrheits-/Konsens-Meinung der Fachliteratur.

    Besonders lächerlich nimmt sich HIV-Prävention in Ihrem Potpurri aus – HIV-Prävention bei 8 Tage alten Säuglingen?

    Warum nicht? Von dem verminderten Harnwegsinfektionsrisiko profitieren ja auch die Kinder. Und es ist nachgewiesen, dass eine Beschneidung im Säuglingsalter mit erheblich weniger Komplikationen verbunden ist als im Erwachsenenalter.

    Von Kondomen haben Sie sicherlich schon mal gehört. Wenn ein besseres Ergebnis mit geringeren Eingriffen zu erzielen ist, dann wird man doch kein Kind operieren!

    Wegen Anwendungsfehler, etc. bieten auch Kondome für Heterosexuelle nur einen geringfügig besseren Schutz (ca. 80% verglichen mit ca. 60%-70%igen Schutz bei Beschneidung). Deshalb empfiehlt die WHO ja auch eine Mehrfachstrategie: Beschneidung und Kondome – völlig analog zu meinem Beispiel, mit Anschnallgurt und mit Airbag Auto zu fahren. Denn beide Massnahmen ergänzen sich gegenseitig. Abgesehen davon ist die HIV-Prävention in entwickelten Ländern nicht das entscheidende Argument für eine Beschneidung, siehe oben.

    Wo das Wasser nicht reicht den Pimmel zu waschen wird man eh rasch verdursten.

    Die Risiko-Analyse basiert auf Daten aus den USA.

  21. #21 Thomas
    16. Juli 2012

    @Physiker:
    “Meine Argumentation ist simpel: Wenn es in der medizinischen Fachliteratur einen Konsens darüber gibt, dass die Beschneidung von Vorteil für die Gesundheit des Kindes ist, dann wäre es doch absurd, wenn man diese freiwillige Massnahme ausschliesslich aufgrund einer “falschen Motivation” verbietet.”

    1. Die Beschneidung wird durch das Urteil nicht verboten. Wer möchte, kann sich weiterhin beschneiden lassen.
    2. Die religiöse Beschneidung ist keine freiwillige Maßnahme, sondern sie wird dem Kind aufgezwungen.
    3. Die Motivation ist, das Recht auf Unversehrtheit des eigenen Körpers zu schützen. Was ist daran falsch?

    Außerdem ist deine Argumentation ist zu simpel, wenn du nur gesundheitliche Aspekte beachtest – vor allem wenn du dich hauptsächlich auf eventuell bestehende Vorteile beziehst. Es gibt weitere Auswirkungen, die ebenfalls zu beachten sind. Die Beschneidung verändert den Körper des Kindes für immer, hat Auswirkungen auf die Sexualität und kann sogar zu psychischen Problemen führen. Da diese Auswirkungen weitreichend und unumkehrbar sind, sollte man sie aus meiner Sicht keinem Menschen aufzwingen, wenn es nicht unumgänglich ist.

  22. #22 rolak
    16. Juli 2012

    der angebliche medizinische Nutzen

    Erinnert mich an eine vor Jahren stattgefunden habende Diskussion (na, das ist jetzt etwas zu hoch gegriffen, mehr so ein engagiertes Gruppengespräch an einem langen Abend), in der eine Jüdin (der einzige Mensch mosaischen Glaubens an dem Abend, dafür direkt ultraorthodox) sich genötigt sah, mit Händen und Füßen die Rationalisierungs­versuche der ach so einfühlsamen Hiesigen abzuwehren — nein, es sei uninteressant, ob Beschneidung Vor- oder Nachteile habe, es sei uninteressant, ob der Verzicht auf Schweinefleisch gesünder sei oder nicht oder durch Verderblichkeit ausgelöst wurde, nein, all dies und noch viel mehr werde ausschließlich deswegen unternommen, weil der überlieferte biblische Text als unzweideutiges Wort (insbesondere Gebot) Gottes angesehen wird. Punkt.
    Ich muß gestehen, bei den verdutzten bis verärgerten Reaktionen der Beteiligten konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen…

    Das Erlauben egal welcher Aktion ausschließlich aus der Ermöglichung tradierter religiöser (oder weltanschaulicher) Rituale heraus öffnet ein Faß ohne Boden. (Schönen Dank für den Griff zu drastischen Beispielen, Jürgen)
    Die Beschränkung einer solchen Sonderregelung auf ausgewählte Glaubensgemeinschaften ist Bigotterie.

  23. #23 Physiker
    16. Juli 2012

    @Thomas:

    1. Die Beschneidung wird durch das Urteil nicht verboten. Wer möchte, kann sich weiterhin beschneiden lassen.

    Das ist Haarspalterei. Das Urteil hat festgestellt, dass die Beschneidung aus religiösen Gründen nicht dem Wohl des Kindest dient und damit nicht zulässig ist. Der Arzt wurde nur deshalb freigesprochen, weil er dies nicht wissen konnte. De facto kommt dieses Urteil einem Verbot gleich.

    2. Die religiöse Beschneidung ist keine freiwillige Maßnahme, sondern sie wird dem Kind aufgezwungen.

    Das ist nichtssagend, denn alle Entscheidungen nach Art.6 des GG werden dem Kind aufgezwungen. Daher liegt die Entscheidung bei den Eltern. Und die Entscheidung eine medizinisch vorteilhafte Massnahme (wie z.B. Impfung) dem Kind zukommen zu lassen oder nicht, liegt im freien Ermessen der Eltern. Erst wenn das Kindeswohl (hinreichend strak) beeinträchtigt ist, schreitet der Gesetzgeber ein. Bei einer insgesamt vorteilhaften Massnahme für das Kind, sehe ich aber keine solche Notwendigkeit, einzuschreiten.

    3. Die Motivation ist, das Recht auf Unversehrtheit des eigenen Körpers zu schützen. Was ist daran falsch?

    Die Verabsolutierung dieses Rechts auf Unversehrtheit. Das Recht auf Unversehrtheit ist ein disponibles Rechtsgut . Und solange die Kinder keine eigenen Entscheidungen treffen können, entscheiden eben die Eltern. Im Übrigen tun sie das recht häufig, denn jede ärztliche Behandlung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und damit Einwilligungspflichtig (z.B. Impfung, Zahnspange, Blutentnahme,…).

    Die Beschneidung verändert den Körper des Kindes für immer,

    Das tut jeder medizinische Eingriff in gewisser Weise.

    hat Auswirkungen auf die Sexualität und kann sogar zu psychischen Problemen führen.

    Das sind alles “gesundheitliche Aspekte” die in der wissenschaftlichen Fachliteratur untersucht wurden und gegenüber den medizinischen Vorteilen abgewogen werden.

    Da diese Auswirkungen weitreichend und unumkehrbar sind, sollte man sie aus meiner Sicht keinem Menschen aufzwingen, wenn es nicht unumgänglich ist.

    Das Entfernen eines Tumors ist auch unumkehrbar. Wie gesagt, alle medizinische Eingriffe sind unumkehrbar. Dürfen also die Kinder überhaupt nicht mehr medizinisch versorgt werden? Nein – natürlich nicht. Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen und nicht die körperliche Unversehrtheit. Wer die körperliche Unversehrtheit verabsolutiert, begibt sich auf die gleiche Stufe, wie die Zeugen Jehovas, die Bluttransfusionen für ihre Kinder ablehnen.

  24. #24 Stefan W.
    16. Juli 2012

    1. gibt es sehr wenige medizinische Pflichtmassnahmen.

    Dennoch gehen in meinem Kulturkreis medizinische Initiativen nicht vom Zentralrat der Juden aus, sondern von Ärztekammern, Krankenkassen, der Gesundheitsminister empfiehlt … .

    1a) Impfungen sind überhaupt kein passender Vergleich, weil dabei kein Körperteil amputiert wird. Auch Narkosen finden m.W. nicht statt, oder schlimmer, schmerzvolle Operationen ohne Narkose.

    Ich habe ja die Freiheit mir heute die Vorhaut amputieren zu lassen, wenn es mir Spaß macht, und ich habe keinen Bock drauf. Ich kenne auch niemanden, der es als unspezifische Prävention mit sich hätte machen lassen, und auch niemanden, der sagt, er bedaure es nicht gemacht zu haben, weil er heute an diesem oder jenem leidet.

    1b) Bei einer Impfung gibt es nur das Motiv dem Kind etwas aus medizinischer Sicht gutes zu tun, bzw. die Gesellschaft medizinisch zu schützen. Bei der Vorhautamputation stinkt es aber nach fauler Ausrede – das wahre Motiv ist religiös und wird medizinisch verbrämt, weil die Protagonisten sich ihrer Barbarei schämen.

    2. Mir fehlt die medizinische Expertise um die 4 Artikel beurteilen zu können. Ich kann zu Ansteckungswegen wenig sagen, zu den Studien im Detail, und auch wenig dazu, inwiefern sich Erkenntnisse aus den USA auf Deutschland übertragen lassen. Gerade die Gesundheitssysteme sind im Vergleich doch sehr unterschiedlich, auch wenn beide Staaten eine ähnliche Kultur haben. Was die Beschneidung von Christen und Atheisten betrifft, so ist aber gerade keine Ähnlichkeit gegeben.

    Die Frage ist auch, wie sich kulturelle Unterschiede auf Ansteckungsrisiken auswirken – ob wirklich Kausalitäten beobachtet wurden oder blos Korrelationen. Wie sich wg. einer kindlichen Vorhaut Krebs entwickeln soll ist mir vollkommen schleierhaft. Bei AIDS kann ich mir Hygieneprobleme vorstellen, die, wie gesagt, keine Amputation rechtfertigen.

    Die Zahl der Komplikationen scheint mir aber hoch, nicht gering: https://www.pflegewiki.de/wiki/Komplikationen_der_Beschneidung#Medizinische_Bewertung_der_Zirkumzision

    Wenn die Königlich-Niederländischen Ärztevereinigung (KNMG) in ihrem im Mai 2010 veröffentlichten Grundsatzpapier zur Beschneidung Minderjähriger erklärte, dass es keine Hinweise für die Nützlichkeit der Beschneidung aus hygienischen oder präventiven Gründen gibt, dann kann das daran liegen, dass sie die unzähligen Papers zum Thema von 2011 noch nicht kannte. Es kann aber auch sein dass es den behaupteten Konsens in der Ärzteschaft nicht gibt, sondern nur 4 relativ junge Papers, die die Beschneidung befürworten.

    Fraglich ist auch, wieso die Evolution eine Vorhaut – nicht nur beim Menschen, sondern bei vielen Lebewesen – hervorgebracht hat, wenn diese so nachteilig ist. Das macht mich besonders skeptisch. Aber viele religiöse Menschen glauben ja nicht an die Evolution, und ihr Verhältnis zur Realität ist stark durch einen Glauben bestimmt, den sie zu reflektieren ablehnen.

    3. Wenn sich die Ergebnisse weiter bestätigen, dann sollten die Kosten für die Beschneidung in der Tat von der Krankenkasse übernommen werden.

    Vom Hörensagen meine ich zu wissen, dass GB kürzlich die Kostenübernahme der Krankenkassen für Beschneidungen abgeschafft hat, wg. mangelndem Nachweis eines Vorteils. Auch das wäre, wenn jmd. einen Beleg findet, konträr zum behaupteten Konsens in der Fachliteratur.

  25. #25 Wolf
    16. Juli 2012

    @Physiker:

    Was für Vorteile hat denn eine Genitalverstümmelung?

  26. #26 Stefan W.
    16. Juli 2012

    … Dann ist das ein schwerwiegender Eingriff in die Körperintegrität, der der Rechtfertigung bedarf. Man kann aber die Rechtfertigung nicht schon damit begründen, dass sich die Veranlassung der Operation als ein Akt der ,,elterlichen Sorge” darstellt. Denn § 1627 Satz 1 BGB ver- engt das Sorgerecht durch die Maßgabe, dass die Eltern die Sorge ,,zum Wohl des Kindes” auszuüben haben. Deshalb wäre zum Beispiel der zuletzt genannte Eingriff nicht ge- rechtfertigt, wenn den Eltern anliegende Ohren missfallen und der geldgierige Schönheitschirurg dem Kind ,,Segel- ohren” verschafft oder einer bildhübschen Fünfzehnjährigen auf Betreiben der Eltern die Brüste vergrößert. Und ebenso wenig wären die Ektomien gerechtfertigt, wenn es an Wurm- fortsatz und Mandeln keinerlei Krankheitsanzeichen gäbe.
    2. Die rituelle Beschneidung als Wohltat?
    a) Das Argument der Gesundheitsdienlichkeit
    Zurückzuweisen sind darum auch die Hygiene- und Ge-
    sundheitsargumente deutscher Urologen und Chirurgen,
    die auf ein religiös motiviertes Verlangen hin einem Kind
    die gesunde Vorhaut, die glatt und leicht über die Eichel
    gleitet, abschneiden. Auch das Ziehen der Zähne und das
    Amputieren der Zehen erleichtert im und am betreffenden
    Körperteil die Hygiene. Und ein Stück des Körpers, das
    wegoperiert ist, wird weder selbst erkranken noch Krankheit
    verursachen. Das gilt für den Wurmfortsatz, die Mandeln,
    die Milz, die Gallenblase, die Prostata und selbstverständlich
    auch für die Vorhaut. Durch Amputieren vorbeugen und
    kurieren zu wollen, so wendet sich der Chirurg und Kinder-
    arzt Christoph Flechter gegen die Beschneidung, das sei ,,so
    dumm wie der Versuch, einer Nasenentzündung durch Ent-
    fernung des Riechorgans” beikommen zu wollen. Vor der
    Vernunft halten also die bekannten Argumente nicht stand.
    Sie machen es nicht verantwortbar, dem Kind ein gesundes
    Stück seines Körpers, naturgegeben und von der Evolution
    bestätigt, unwiederbringlich wegzuschneiden.
    Genauso sieht es Putzke, dessen besonders gründliche
    Untersuchung auch die gern ins Feld geführten Anste-
    ckungsrisiken berücksichtigt. ,,Die Nachteile (Verlust der
    Vorhaut, Eingriff in die körperliche Integrität, Operations-
    risiko) überwiegen die (zweifelhaften) Vorteile. Eine der rei-
    nen Vorbeugung dienende Zirkumzision ist demnach grund-
    sätzlich keine Heilbehandlung. Ein solcher Eingriff ent-
    spricht nicht dem Kindeswohl, weshalb eine Einwilligung
    der Personensorgeberechtigten unwirksam ist, also nicht
    rechtfertigend wirkt.” …

    Zitat: Rolf Dietrich Herzberg, Rechtliche Probleme der rituellen Beschneidung, Juristen Zeitung, 64. Jahrgang, 3. April 2009,
    Seiten 321­-372, im Netz zu finden als JZ_64_7_2009.pdf

  27. #27 echt?
    16. Juli 2012

    Es geht doch einfach darum, dass irgendwelche religiösen Spinner Macht ausüben wollen. Ich begrüße die Absicht von Frau Dr. Merkel dazu ein Gesetz einbringen zu wollen. Das Verfassungsgericht wird ihr dann mal vorzählen, wie die Rechtslage ist.

  28. #28 Thomas
    16. Juli 2012

    “Erst wenn das Kindeswohl (hinreichend strak) beeinträchtigt ist, schreitet der Gesetzgeber ein. Bei einer insgesamt vorteilhaften Massnahme für das Kind, sehe ich aber keine solche Notwendigkeit, einzuschreiten.”
    Dafür müsste die Beschneidung auch tatsächlich insgesamt vorteilhaft für das Kind(!) sein, damit es im Kindesalter beschnitten werden muss, ohne sich selbst du entscheiden. Kannst du dafür auch eine Studie selektieren?

    “Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen und nicht die körperliche Unversehrtheit.”
    Ich kann absolut nicht nachvollziehen, warum man dann den Kindern ein gesundes und nützliches Körperteil entfernt. Es gibt auch Kinder, die bei der Beschneidung körperliche und/oder psychische Schäden erleiden. Was ist mit deren Wohl?

    “Das Entfernen eines Tumors ist auch unumkehrbar. Wie gesagt, alle medizinische Eingriffe sind unumkehrbar. Dürfen also die Kinder überhaupt nicht mehr medizinisch versorgt werden?”
    So ein Tumor hat allerdings keine Vorteile, ist kein gesundes Körperteil und kein Kind wird psychische Probleme erleiden, weil es den Tumor nicht behalten durfte. Bei einem Tumor würde ich daher ausnahmsweise auf die körperliche Unversehrtheit des Kindes verzichten – natürlich nur um den Strohmann der Verabsolutierung der körperlichen Unversehrtheit zu beseitigen.

  29. #29 s.s.t.
    16. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein

    Sry, mein kleiner(!!) Rant war auf keinen Fall gegen Dich gerichtet. Du sprichst zwar viele Themen an, aber “Beschneidung” muss nicht sein. Meine Ironie/mein Sarkasmus galt anderen, aber selbst das ist nicht wirklich wichtig, denn jeder Blogger entscheidet für sich selbst, und das ist gut so. In erster Linie war ich überrascht, dass FF als erst einmal einziger auf das Thema ansprang.

  30. #30 Dietmar Hilsebein
    16. Juli 2012

     @ Terminator

    Wie wäre es mit einer grossen globalen Buchverbrennung?, z.B. gleich alle religiösen Bücher auf einem grossen Scheiterhaufen abzufackeln…

    Hatten wir schon! Nö, so wird das nüscht. Vielleicht hat Sloterdijk mit seiner Anmerkung über die Philosophie nicht ganz unrecht und vielleicht kann man diese Anmerkung auch auf die Religion ausdehnen.

    Zitat:

    Seit einem Jahrhundert liegt die Philosophie im Sterben und kann es nicht, weil ihre Aufgabe nicht erfüllt ist. So muß sich ihr Abschied quälend in die Länge ziehen. Wo sie nicht in bloßer Gedankenverwaltung zugrunde ging, schleppt sie sich dahin in einer glänzenden Agonie, in der ihr einfällt, was sie zeitlebens zu sagen vergaß. Angesichts ihres Endes möchte sie ehrlich werden und ihr letztes Geheimnis preisgeben…

    Vielleicht wird auch die Religion irgendwann ehrlich und gibt ihr letztes Geheimnis preis -wer weiß. Vielleicht ein kurzes Kotzen, Stöhnen und Sterben. Aber Gewalt? Nein! Die Gewaltanwendung hat stets die Kraft des Gegners erhöht. Und wer weiß, ob nicht Antisthenes beizupflichten ist…

    Zitat:

    Man muß seine Feinde achten, denn diese bemerken zuerst unsere Fehler.

     

  31. #31 Dietmar Hilsebein
    16. Juli 2012

    Schulligung -falscher Blog.

  32. #32 Jürgen Schönstein
    17. Juli 2012

    @Physiker
    Danke fürs hartnäckige Nichtverstehenwollen – das hält die Diskussion am Laufen (auch wenn sie dadurch leider repeptitiv wird). Nochmal zum Nachdenken: Die Zirkumzision an Kindern ist eine Maßnahme, die ohne Einverständnis des Patienten getroffen wird. Bei Erwachsenen wäre die Sache klar: Ohne Einverständnis geht nix. Wir sollten uns also einig sein, dass es hier primär nicht um den Nutzen oder Schaden der Vorhautentfernung geht, sondern allein darum, ob dies ein Eingriff ist, der durch die elterlichen Rechte (und die wiederum handeln ja auf Anweisung einer externen Organisation, also auch nicht auf völlig freier Basis) legitimiert ist. Und es gibt halt einen ganzen Katalog von Maßnahmen, die man ergreifen könnte, um potenzielle Gesundheitsschäden von Kindern abzuwenden, die dennoch nicht legal sind. Man könnte gesunden Kindern zum beispiel gleich die Mandeln und den Blinddarm rausnehmen, weil die ja sowieso später inektiös werden könnten. Tut man aber nicht. Oder man könnte ja auch gleich de Finger- und Zehennägel entfernen lassen: sie sind extrem pflegebedrürftig, können sehr oft zu Entzündungen (“eingewachsene Nägel”) führen und sind in unseren modernen Zeiten eh zu nix nütze. Soll ich die Liste noch weiter fortsetzen?

    Betrachen wir die Sache doch mal anders herum: Wie hätte die Entscheidung (nebst Begründung) denn aussehen sollen, wenn hier nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Betroffener geklagt hätte?

  33. #33 Joseph Kuhn
    17. Juli 2012

    @ Physiker: Selbst wenn Sie mit allen medizinischen Vorteilen der Beschneidung recht hätten, was folgt daraus für die Legitimation der rituellen Beschneidung?

    @ Hilsebein: In der Tat, falscher Blog, Sloterdijk hat trotzdem nicht recht. Der “Philosophie ist am Ende”-Gaul ist selber längst totgeritten und existiert untot nur noch in den Feuilletons. Das merkt Sloterdijk nicht, weil er z.B. von der Philosophie der Wissenschaften, etwa der Philosophie der Biologie, nichts versteht und daher auch nicht sieht, was dort läuft, und vermutlich geht es ihm mit vielen anderen Richtungen der Philosophie nicht anders. Er paraphrasiert nur einmal mehr Hegels Eulenmetapher, eine Wiederholung, mehr nicht.

  34. #34 roel
    17. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Man könnte gesunden Kindern zum beispiel gleich die Mandeln und den Blinddarm rausnehmen” Es war bis in die 1970er Jahre nicht unüblich die Mandeln bei einer Mandelentzündung zu entfernen. Die Kinder waren dann zwar nicht gesund (sie hatten ja eine Mandelentzündung) aber die Entfernung war ofmals unnötig. Und ,Parallele zur Beschneidung, die Kinder wurden nicht gefragt.

  35. #35 ZetaOri
    17. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein· 17.07.12 · 00:05 Uhr

    […]
    Betrachen wir die Sache doch mal anders herum: Wie hätte die Entscheidung (nebst Begründung) denn aussehen sollen, wenn hier nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Betroffener geklagt hätte?

    Sicher nur bedingt vergleichbar, trotzdem in Teilen der Begründung, insbesondere der dafür herangezogenen Rechtsnormen recht interessante Entscheidung des OLG Ffm bzgl. Prozesskostenhilfe für einen zur Tatzeit 12jährigen(!) Jungen bei der Schmerzensgeldklage gegen seinen Vater:

    Leitsatz
    Veranlasst der nicht sorgeberechtigter Vater ohne Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter die Beschneidung eines noch nicht einwilligungsfähigen Kindes, so liegt darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Kindes, die schon wegen der Genugtuungsfunktion einen Schmerzensgeldanspruch des Kindes begründet.

    Normen: § 823 Abs 1 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 GG, § 253 Abs 2 BGB, § 114 ZPO
    […]
    13
    1. Dem Antragsteller steht nach dem vorgetragenen Streitverhältnis gegen den Antragsgegner zu 2) dem Grunde nach ein Anspruch Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus den §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB zu. Der Antragsgegner zu 2) hat das Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dadurch verletzt, dass er den noch nicht einsichtsfähigen Antragsteller veranlasst hat, sich beschneiden zu lassen und die Einwilligung in die Vornahme des ärztlichen Eingriffs erklärt hat, obwohl ihm das Personensorgerecht für den Antragsteller nicht zustand.
    14
    a) Es ist mit der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs noch nicht die erforderliche Reife hatte, um die Bedeutung der Beschneidung und ihre Tragweite für sein Leben zu erfassen.
    […]
    17
    b) Der Antragsgegner zu 2) hat dadurch, dass er den noch nicht einsichts- und einwilligungsfähigen Antragsteller bewogen hat, sich der Beschneidung zu unterziehen, ohne Inhaber des elterlichen Sorgerechts zu sein, rechtswidrig in das biologische Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers eingegriffen.
    […]
    19[…]
    Der Persönlichkeitsschutz eines Kindes verwirklicht sich nicht nur über das elterliche Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 1 GG. Er folgt auch aus dem eigenen Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Zum Persönlichkeitsrecht gehört die Möglichkeit, selbst zu entscheiden oder, soweit dies noch nicht möglich ist, durch die Erziehungsberechtigten entscheiden zu lassen (BVerfG NJW 2003, 3262, 3263). Der Antragsteller ist deshalb aufgrund der Anmaßung des Sorgerechts durch den Antragsgegner zu 2) auch selbst als Grundrechtsträger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.
    […]

    Bequemerweise konnte sich das OLG im vorliegenden Fall eine Entscheidung über ein generelles Recht von Eltern, an ihren unmündigen Kinder herumschneiden zu lassen ersparen, aber immerhin haben sie die Problematik erwähnt:

    18
    Dabei kann es offen bleiben, ob generell und bis zu welchem Alter die Einwilligung zu einer Beschneidung durch muslimische Eltern oder durch einen muslimischen Vater allein als vom Erziehungs- und Sorgerecht umfasst angesehen werden kann. Denn dem Antragsgegner zu 2) stand das Sorgerecht nicht zu. […]

    In der Hauptsache hat´s dann vor dem LG Hanau wohl einen Vergleich gegeben:

    […] Letztlich sprach das Landgericht Hanau im Rahmen eines Vergleichs dem Jungen rund 3.000 Euro Schmerzensgeld für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes zu, denn es stellte sich heraus, dass der Sohnemann zum damaligen Tatzeitpunkt „nicht einsichts- und einwilligungsfähig“ war und „notgedrungen“ sein Einverständnis zu der Beschneidung gegeben hatte.
    […]

  36. #36 georg
    17. Juli 2012

    Und um Physikers Behauptungen auch noch etwas entgegenzusetzen. Aus einer Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) :

    Nur die elterliche Einwilligung zu einer Operation, die dem Kind nach Abschätzen des Nutzen und des Risikos medizinisch zum Wohle gereicht, ist rechtswirksam. Dieser Sachverhalt ist aber bei der Beschneidung kleiner Knaben ohne Einwilligungsfähigkeit außerhalb der medizinischen Indikation nicht erfüllt.

    Laut Wikipedia ist die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) “die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ärzte, die in Deutschland im Fach Kinderchirurgie tätig sind. Die Gesellschaft vertritt die Belange der Kinderchirurgie in wissenschaftlichen, fachlichen und beruflichen Belangen.”

    mfg georg

  37. #37 roel
    17. Juli 2012

    Korrektur

    @Jürgen Schönstein “Man könnte gesunden Kindern zum beispiel gleich die Mandeln und den Blinddarm rausnehmen” Es war bis vor kurzem nicht unüblich die Mandeln bei einer Mandelentzündung zu entfernen. Die Kinder waren dann zwar nicht gesund (sie hatten ja eine Mandelentzündung) aber die Entfernung war ofmals unnötig. Und, weitere Parallele zur Beschneidung, die Kinder wurden nicht gefragt.

    Siehe auch https://www.docs4you.at/Content.Node/PresseCorner/2007/Neue_Richtlinien_fuer_Mandeloperationen.pdf

  38. #38 Stefan W.
    17. Juli 2012

    Diese Kinderchirurgen scheinen ja auch den medizinischen Konsens noch nicht zu kennen. Man sollte sie vielleicht mal informieren …

  39. #39 Falco
    17. Juli 2012

    Mich würde interessieren, ob unsere Politiker, allen voran Merkel, durch ihre Haltung dann keine Probleme wegen der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention von 1990 bekommt.
    Darin verpflichtete sich Deutschland ja, gemäß des Artikels 24 (3):
    “Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“

    https://www.national-coalition.de/pdf/UN-Kinderrechtskonvention.pdf

    Ist das egal, oder einfach nur “Auslegungssache”?

  40. #40 Physiker
    17. Juli 2012

    @Stefan W.:

    1a) Impfungen sind überhaupt kein passender Vergleich, weil dabei kein Körperteil amputiert wird.

    Diese Unterscheidung ist irrelevant. Was zählt ist das Wohl des Patienten. Das ziehen von Weisheitszähnen oder Entfernen von Tumoren wird auch nicht anders bewertet als das Spritzen von Kontrastmitteln oder die Einnahme von Medikamenten – am Ende steht immer eine Abwägung der Vor- und Nachteile und genau danach richtet sich die Empfehlung für oder gegen eine med. Massnahme. Ich vermute, Sie unterliegen einem Missverständnis: Die “körperliche Unversehrtheit” laut GG beinhaltet nicht nur dass nichts “amputiert” wird, sondern auch alle anderen medizinischen Eingriffe, wie z.B. Impfen, Blutentnahmen, etc.. Das GG unterscheidet nicht.

    Bei der Vorhautamputation stinkt es aber nach fauler Ausrede – das wahre Motiv ist religiös und wird medizinisch verbrämt, weil die Protagonisten sich ihrer Barbarei schämen.

    Das ist eine grenzwertig rassistische Unterstellung. Woher wollen Sie wissen, dass die Mehrheit der Juden und Muslime nicht um die medizinischen Vorteile der Beschneidung (besser als wir) bescheid wissen, und sie die religiöse Tradition nur als Anlass nehmen um dem Kind einen gesundheitlichen Gefallen zu tun? Anlass und Motiv können also durchaus verschieden sein.

    Was die Beschneidung von Christen und Atheisten betrifft, so ist aber gerade keine Ähnlichkeit gegeben.

    Ich weiss nicht genau, was Sie damit sagen wollen, aber was spricht denn dagegen, zu fordern, dass ein medizinischer Eingriff lege artis durchgeführt werden muss. Im übrigen ist im konkreten Fall laut Kölner Urteil dem Arzt kein Behandlungsfehler vorzuwerfen (“Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor.“).

    Die Frage ist auch, wie sich kulturelle Unterschiede auf Ansteckungsrisiken auswirken – ob wirklich Kausalitäten beobachtet wurden oder blos Korrelationen.

    Damit hat sich die Fachliteratur zu beschäftigen. Und das Ergebnis ist eindeutig genug um ein de-facto-Verbot der Beschneidung zu kritisieren.

    Wie sich wg. einer kindlichen Vorhaut Krebs entwickeln soll ist mir vollkommen schleierhaft.

    Peniskrebs lässt sich durch Entfernung der Vorhaut vollständig verhindern – da diese Art von Krebs aber sehr selten ist (ca. 1 von 1000 Männern erkrankt in seinem Leben daran), würde man alleine deswegen nur sehr wenigen helfen. Man sollte aber dabei bedenken, dass man mit einigen Impfungen (z.B. FSME) noch weniger Menschen hilft.

    Bei AIDS kann ich mir Hygieneprobleme vorstellen, die, wie gesagt, keine Amputation rechtfertigen.

    Ich finde es seltsam, dass in jedem Forum jemand AIDS mit Hygieneproblemen in verbindung bringen will. Bitte informieren Sie sich über die Übertragungswege von HIV: Sie können sich waschen, soviel Sie wollen, wenn Sie kein Saver Sex praktizieren, dann sind Sie gefährdet.

    Die Zahl der Komplikationen scheint mir aber hoch, nicht gering:

    Es ist unseriös eine Komplikationsrate anzugeben, ohne die Art der Komplikation zu benennen.

    Es kann aber auch sein dass es den behaupteten Konsens in der Ärzteschaft nicht gibt, sondern nur 4 relativ junge Papers, die die Beschneidung befürworten.

    Die 4 zitierten Arbeiten sind alle Reviews, d.h. sie fassen nur den Stand der Wissenschaft zusammen – jeder einzelne zitiert hunderte von Papers. Wenn man sich einen Überblick verschaffen will, sollte man immer zuerst nach Reviews suchen. Warum die KNMG die Existenz der in den Reviews zitierten Arbeiten leugnet, weiss ich nicht. Wenn das Grundsatzpapier von 2010 stammt, müsste sich die KNMG zumindest mit der Beschneidungsempfehlung der WHO von 2007 auseinandersetzen.

    Fraglich ist auch, wieso die Evolution eine Vorhaut – nicht nur beim Menschen, sondern bei vielen Lebewesen – hervorgebracht hat, wenn diese so nachteilig ist. Das macht mich besonders skeptisch.

    Das ist ein naturalistischer Fehlschluss. Die Evolution hat uns auch Tumore, Altersgebrechen und Allergien gebracht. Als Menschen haben wir die Fähigkeit selbst zu entscheiden, was für uns von Vorteil oder von Nachteil ist.

  41. #41 Physiker
    17. Juli 2012

    @Stefan W.:

    […]
    Zitat: Rolf Dietrich Herzberg, Rechtliche Probleme der rituellen Beschneidung, Juristen Zeitung, 64. Jahrgang, 3. April 2009, Seiten 321­-372, im Netz zu finden als JZ_64_7_2009.pdf

    Das ist ein typischer Fall von Kompetenzüberschreitung. Der Jurist Herzberg masst sich an, eine medizinische Abwägung vorzunehmen. Nur weil das prophylaktische Entfernen von Mandeln, des Blinddarms oder der Polypen mittlerweile als überholt gilt, muss das noch lange nicht für alle derartigen Massnahmen gelten.

  42. #42 Physiker
    17. Juli 2012

    @Thomas:

    Dafür müsste die Beschneidung auch tatsächlich insgesamt vorteilhaft für das Kind(!) sein, damit es im Kindesalter beschnitten werden muss, ohne sich selbst du entscheiden. Kannst du dafür auch eine Studie selektieren?

    Ja. Der oben verlinkte Review macht genaus diese Abwägung und unterscheidet auch nach Vorteilen im Kindesalter und Erwachsenenalter. Zusätzlich ist es so, dass eine Beschneidung im Säuglingsalter mit wesentlich weniger Komplikationen verbunden ist als im Erwachsenenalter. Damit gehört die Beschneidung zu den Massnahmen (wie Zahnspange, etc.), die eher ungern im Erwachsenenalter vorgenommen werden.

    Ich kann absolut nicht nachvollziehen, warum man dann den Kindern ein gesundes und nützliches Körperteil entfernt.

    Darmpolypen sind auch ein gesunder und nützlicher Körperteil (Drüsengewebe). Trotzdem sind sie Vorstufen zu Darmkrebs. Weisheitszähne sind ebenfalls gesunde und nützliche Körperteile. Die Wahrscheinlichkeit, dass beides irgendwann zu schwerwiegenden Problemen führt ist aber sehr gross. Bei der Vorhaut liegt diese Wahrscheinlichkeit laut dem zitierten Review bei 50%. Es ist eine rein medizinische Abwägung, ob die Vor- oder Nachteile überwiegen.

    Es gibt auch Kinder, die bei der Beschneidung körperliche und/oder psychische Schäden erleiden. Was ist mit deren Wohl?

    Das muss gegeneinander abgewogen werden, siehe dazu Tabelle 1 im ersten zitierten Review. Und wenn die Daten stimmen, dann wären weltweit jährlich zehn oder gar hunderttausende Tote vermeidbar.

  43. #43 Olli
    17. Juli 2012

    Kam vor kurzem zu dem Thema bei mir rum.

    https://www.salem-news.com/fms/pdf/2011-12_JLM-Boyle-Hill.pdf

  44. #44 Physiker
    17. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Man könnte gesunden Kindern zum beispiel gleich die Mandeln und den Blinddarm rausnehmen, weil die ja sowieso später inektiös werden könnten. Tut man aber nicht. […] Soll ich die Liste noch weiter fortsetzen?

    Nicht nötig, sie werden ja doch nur Beispiele bringen, über die wir uns einig sind – und was noch viel wichtiger ist: über die mittlerweile Einigkeit in der Medizin besteht – , dass die Nachteile eines Eingriffs die Vorteile überwiegen. Es gibt aber auch kontroversere Fälle, wie das oben von Ihnen erwähnte Ziehen von Weisheitszähnen (wobei ich das genau wie Sie kritisch sehe). Nur: es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Abwägung bei jedem medizinischen Eingriff zum gleichen Ergebnis kommen muss. Die Abwägung muss für jeden Eingriff neu vorgenommen werden – deshalb halte ich Ihren Analogieschluss für ungültig.

    Betrachen wir die Sache doch mal anders herum: Wie hätte die Entscheidung (nebst Begründung) denn aussehen sollen, wenn hier nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Betroffener geklagt hätte?

    Ich verstehe nicht welchen Fall Sie meinen (Minderjährig/Erwachsen, mit/ohne Einwilligung), und warum das relevant sein soll.

    @Joseph Kuhn:

    Selbst wenn Sie mit allen medizinischen Vorteilen der Beschneidung recht hätten, was folgt daraus für die Legitimation der rituellen Beschneidung?

    Ganz einfach: Wenn eine Beschneidung aus medizinisch prophylaktischen Motiven heraus zulässig ist, warum gilt es dann Juden und Muslime zu disriminieren, indem man ihnen etwas (de facto) verbietet, was dem Wohl des Kindes dient? Das wäre doch eindeutig Diskriminierung nach Grundgesetz Art.3.

  45. #45 Jürgen Schönstein
    17. Juli 2012

    @Physiker
    Doch, Sie bestätigen die Gültigkeit meines Analogieschlusses sogar ausdrücklich – das Schlüsselwort, von Ihnen selbst benutzt, ist “Abwägung”. Wenn eine Beschneidung nach eben dieser Abwägung erfolgte, dann wäre Ihre Position durchaus vertretbar – im Fall der religiösen Genitalverstümmelung gibt es aber keine Abwägung, sondern ein kategorisches Gebot. Und das ist der Unterschied, der hier diskutiert wird.

  46. #47 Thomas
    17. Juli 2012

    @Physiker:

    Der Review vergleicht die Beschneidung explizit mit einer Schutzimpfung. Die Beschneidung hinterlässt jedoch im Gegensatz zur Schutzimpfung in 100% aller Fälle visuelle und haptische Veränderungen an einem der (in physischer und psychischer Hinsicht) empfindlichsten Körperteile des Kindes. Es findet im Review keine Beachtung, ob sich das Kind in einem solchen Körper wohlfühlen würde. Eine Operation am Penis ist psychisch doch ganz anders besetzt als beispielsweise an den Zähnen. Die psychischen Folgen eines solchen Eingriffs in den intimsten Bereich des Kindes wird nicht erwähnt. Diese Probleme können ein ganzes Leben lang bestehen. In einer Befragung (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1464-410x.1999.0830s1085.x/pdf) geben 60% der befragten beschnittenen Männer an, dass sie sich verstümmelt fühlen und 50%, dass sie unter vermindertem Selbstwertgefühl leiden und das in einem Land, in dem beschnittene Männer sogar noch in der Mehrheit sind. Es gibt tatsächlich Männer, die verzweifelt versuchen ihre Vorhaut wiederherzustellen, was natürlich bestenfalls optisch möglich ist. Wo wird das im Review verrechnet?

    Zudem finde ich in der Tabelle keine durchgehend klare Abgrenzung zwischen gesundheitlichen Aspekten im Kindesalter und im Erwachsenenalter. Ich bezweifle stark, dass man zu denselben Schlussfolgerungen kommt, wenn man ausschließlich Auswirkungen im Kindesalter (inkl. psychische Aspekte) berücksichtigt, selbst wenn man miteinbezieht, dass die Beschneidung im Erwachsenenalter möglicherweise zu höheren Komplikationen neigt.

    Nebenbei bemerkt finde ich es sehr befremdlich, dass im Review behauptet wird, es gäbe keinen Unterschied bei der Empfindlichkeit des Penis bei beschnittenen und nicht beschnittenen Männern. Aus eigenen Erfahrungen mit beschnittenen und unbeschnittenen Männern kann ich dem nicht zustimmen – ganz im Gegenteil. (Mir ist bewusst, dass ich mit meinen Erfahrungen keine wissenschaftliche Studie widerlegen kann.)

    Noch etwas zum eigentlichen Thema: Der Review betrachtet die Beschneidung unter sehr guten medizinischen Verhältnissen. Bei religiösen Beschneidungen ist das jedoch auch in Deutschland (vorsichtig ausgedrückt) nicht immer der Fall. Eine Betäubung findet ebenfalls nicht immer statt. Über solche Umstände trifft der Review keine Aussagen und ist daher für dieses Thema bedeutungslos.

  47. #48 Aborigine
    17. Juli 2012

    Subinzision für alle, die eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung befürworten!

  48. #49 Thomas
    17. Juli 2012

    “Subinzision für alle, die eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung befürworten!”

    Das hat sicher vielfältige gesundheitliche Vorteile z. B. im Hinblick auf Harnwegsentzündungen und sollte daher ausgiebig untersucht werden.

  49. #50 MountainKing
    17. Juli 2012

    @ Physiker
    Wie dem obigen kritischen Link zu entnehmen ist, bezieht sich der viel zitierte 60%-Schutz vor AIDS durch Beschneidung nicht auf die absoluten Infektionszahlen der jeweiligen beiden Gruppen. Es ist also nicht so, dass in der Unbeschnittenen-Gruppe eine Infektionsrate von ca. 60% und in der Beschnittenen-Gruppe eine Infektionsrate von ca. 1% vorlag. Vielmehr geht es um Größenordnungen von ca. 1,3% und ca. 2% und um den relativen Vergleich DIESER beiden Zahlen. Wenn das korrekt ist, wäre der Vergleich mit der Effizienz von Kondomen dementsprechend völlig absurd und die Verwendung derselben um ein Vielfaches sinnvoller und das ohne jegliche operative Eingriffe.

  50. #51 Joseph Kuhn
    17. Juli 2012

    @ Physiker:

    @Joseph Kuhn: ” ‘Selbst wenn Sie mit allen medizinischen Vorteilen der Beschneidung recht hätten, was folgt daraus für die Legitimation der rituellen Beschneidung?’

    Ganz einfach: Wenn eine Beschneidung aus medizinisch prophylaktischen Motiven heraus zulässig ist, warum gilt es dann Juden und Muslime zu disriminieren, indem man ihnen etwas (de facto) verbietet, was dem Wohl des Kindes dient? Das wäre doch eindeutig Diskriminierung nach Grundgesetz Art.3.”

    Nicht ganz so einfach. Die medizinischen Vorteile der Beschneidung würden zunächst einmal bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung vor einer medizinisch begründeten Intervention zu berücksichtigen sein. Diese Abwägung wiederum wäre unterschiedlich vorzunehmen, je nachdem, ob es um eine individuelle Behandlung bei konkreter medizinischer Indikation geht oder um eine bevölkerungsweite präventive Intervention bei Gesunden. Bei letzterem muss die Nutzen-Risiko-Abwägung in einem Maße eindeutig ausfallen und muss vor allem das Schadenspotential so gering sein, wie es bei der Beschneidung wohl schon allein aufgrund der Berichte über die doch nicht ganz seltenen Todesfälle nicht gegeben ist. Und selbst wenn dies, einmal kontrafaktisch angenommen, der Fall wäre, wäre damit auch wieder nur ein medizinischer Eingriff legitmiert. Das Impfen, um das Beispiel aufzugreifen, wird zwar öffentlich (gegen bestimmte Infektionen, nicht generell) empfohlen und der damit verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit auch bei Kindern wird akzeptiert, aber in einem medizinischen Handlungsrahmen. Natürlich darf der Bäcker nicht impfen und natürlich müssen bei der Impfung von Kindern die Eltern kompetent über Nutzen und Risiken der jeweiligen Impfung aufgeklärt werden, Impfkomplikationen müssen gemeldet werden usw. Das wäre bei der Beschneidung dann nicht anders. Daher streben die Religionsgemeinschaften auch nicht eine solche Lösung an, sie wollen ja nicht an der medizinischen Prävention mitwirken, sondern sie fordern, dass die rituelle Beschneidung legitimiert wird, was rechtlich als bevölkerungsweite Maßnahme vermutlich auch viel leichter zu machen ist, aber ebenfalls eine Abwägung voraussetzt, nämlich die in den Medien diskutierte zwischen Religionsfreiheit, Elternrecht und körperlicher Unversehrtheit.

  51. #52 Physiker
    17. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Wenn eine Beschneidung nach eben dieser Abwägung erfolgte, dann wäre Ihre Position durchaus vertretbar – im Fall der religiösen Genitalverstümmelung gibt es aber keine Abwägung, sondern ein kategorisches Gebot.

    Die Abwägung von der ich spreche, hat nichts mit der Abwägung der Eltern zu tun. Laut Gesetz dürfen die Eltern nur in Körperverletzungen des Kindes einwilligen, wenn diese dem “Wohl des Kindes” dient. Aussführlicher wird das hier erklärt:
    https://m.aerzteblatt.de/print/61273.htm
    Daher ist es ureigenste Aufgabe der medizinischen Forschung festzustellen, ob eine Massnahme dem Wohl des Kindes dient. Nur wenn eine Massnahme dem Wohl des Kindes dient, dann können die Eltern einwilligen. Das Urteilsvermögen der Eltern spielt dabei erst einmal keine Rolle. Schliesslich ist es ja auch nicht erlaubt, Kinder zu züchtigen – selbst dann nicht, wenn die Eltern irrtümlich meinen, dass es dem Wohl des Kindes dient.

  52. #53 Schmidts Katze
    17. Juli 2012

    “Daher ist es ureigenste Aufgabe der medizinischen Forschung festzustellen, ob eine Massnahme dem Wohl des Kindes dient.”

    Was willst su eigentlich?
    Es gibt genug Empfehlungen von den Verbänden der Kinderchirurgen, der Kinder- und Jugendärzte, der WHO. Links findest du hier oder bei Florian.

    Wenn du diese Empfehlungen für falsch hälst, dann wende dich an diese Organisationen, anstatt hier rumzutrollen.

  53. #54 Jürgen Schönstein
    17. Juli 2012

    @Physiker

    Laut Gesetz dürfen die Eltern nur in Körperverletzungen des Kindes einwilligen, wenn diese dem “Wohl des Kindes” dient.

    Dann ist ja eh’ alles klar. Wenn Eltern dies aussschließlich auf der Basis eines religiösen Gebotes tun, das so etwas wie den Einzelfall gar nicht erst kennt, sondern kategorische Einhaltung gebietet, dann ist das Recht zur Einwilligung in die Körperverletzung des Kindes nicht gegeben. Q.e.d.

    Erklären Sie mir doch mal, warum zum Beispiel das “Argument” der Aids-Verhütung bei der Beschneidung eines Neugeborenen greifen sollte:

    1. Ist der Junge nocht weit mehr als ein Jahrzehnt davon entfernt, überhaupt die körperliche Befähigung zum penetrierenden Sexualverkehr zu haben;

    2. könnte in dieser Zeit die medizine Möglichkeit zur Behandlung/Heilung von Aids so weit fortgeschritten sein, dass der Nutzen dieser Verstümmelung nicht mehr gegeben ist, da es einfachere und wirksamere Methoden zur Vorbeugung oder Vermeidung gibt;

    3. setzt dieses Szenario voraus, dass der Säugling heterosexuell werden muss – bei homosexuellem Verkehr ist, wie Sie selbst betont haben, die in Südafrika beobachtete Schutzwirkung sowieso nicht gegeben.

    4. Wer weiß, vielleicht will der Junge lieber ein katholischer Mönch werden und auf jeglichen Sex verzichten?

    Alle Argumente für eine Beschneidung sind bestenfalls Argumente dafür, die an einem Erwachsenen vorzunehmen, so er sie will. Bei Säuglingen und kleinen Kindern haben sie einfach keine Relevanz. Aber nochmal: Islam und Judentum rechtfertigen diese Praxis ja gar nicht mit dem medizinischen Nutzen. Selbst wenn ein Schaden nachgewiesen werden kann, gälte das Gebot ebenso unbeirrbar. Warum ignorieren Sie diesen Aspekt in unserer aktuellen Diskussion so hartnäckig?

  54. #55 Physiker
    17. Juli 2012

    @Thomas:

    Die Beschneidung hinterlässt jedoch im Gegensatz zur Schutzimpfung in 100% aller Fälle visuelle und haptische Veränderungen

    Impfnarben sind auch allgegenwärtig.

    an einem der (in physischer und psychischer Hinsicht) empfindlichsten Körperteile des Kindes.

    So empfindlich ist die Vorhaut gar nicht – das ist reine Mystifizierung.

    Eine Operation am Penis ist psychisch doch ganz anders besetzt als beispielsweise an den Zähnen. Die psychischen Folgen eines solchen Eingriffs in den intimsten Bereich des Kindes wird nicht erwähnt.

    Wenn ein Elternteil dem Jungen aus Hygienegründen regelmässig unter der Dusche die Vorhaut vor und zurückzieht, dann ist das auch ganz anders besetzt und hat vielleicht auch psychische Folgen.

    In einer Befragung (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1464-410x.1999.0830s1085.x/pdf) geben 60% der befragten beschnittenen Männer an, dass sie sich verstümmelt fühlen und 50%, dass sie unter vermindertem Selbstwertgefühl leiden und das in einem Land, in dem beschnittene Männer sogar noch in der Mehrheit sind.

    Ich habe zwar keinen Zugriff auf die verlinkte Studie [25], aber laut Abstract geht es in ihr um amputierte Gliedmasse bei Erwachsenen. Falls das stimmen sollte, wäre die Behauptung ganz schön dreist irreführend.

    Ich bezweifle stark, dass man zu denselben Schlussfolgerungen kommt, wenn man ausschließlich Auswirkungen im Kindesalter (inkl. psychische Aspekte) berücksichtigt, selbst wenn man miteinbezieht, dass die Beschneidung im Erwachsenenalter möglicherweise zu höheren Komplikationen neigt.

    Ihre Aussage ist ein logischer Widerspruch. Denn wenn es im Erwachsenenalter zu mehr Komplikationen kommt, dann muss man natürlich auch die positiven Auswirkungen der Beschneidung für das Erwachsenenalter berücksichtigen.

    Der Review betrachtet die Beschneidung unter sehr guten medizinischen Verhältnissen. Bei religiösen Beschneidungen ist das jedoch auch in Deutschland (vorsichtig ausgedrückt) nicht immer der Fall.

    Alle Studien sprechen sich für Beschneidungen unter bestmöglichen medizinischen Verhältnissen aus – auch wenn viele Daten von Beschneidungen unter eher miserabelsten medizinischen Verhältnissen stammen. Abgesehen davon, wäre eine unsachgemässe Beschneidung bereits vorher in Deutschland strafbar gewesen – im Kölner Urteil geht es ja gerade um eine von einem Arzt lege artis ausgeführte Beschneidung.

    Eine Betäubung findet ebenfalls nicht immer statt. Über solche Umstände trifft der Review keine Aussagen und ist daher für dieses Thema bedeutungslos.

    Laut Review stammt der grösste Teil der “Komplikationen” bei Beschneidungen von kleinen blauen Flecken verursacht von der Betäubungsspritze. Und derartige “Komplikationen” werden sowieso jedem Säugling aufgrund von diversen Untersuchungen zugemutet.

  55. #56 Jürgen Schönstein
    17. Juli 2012

    @roelEntschuldigung für die verspätete Antwort:

    Es war bis vor kurzem nicht unüblich die Mandeln bei einer Mandelentzündung zu entfernen. Die Kinder waren dann zwar nicht gesund (sie hatten ja eine Mandelentzündung) aber die Entfernung war ofmals unnötig. Und, weitere Parallele zur Beschneidung, die Kinder wurden nicht gefragt.

    Ääh, jaaa? Behandlung bei einer Mandelentzündung ist medzinisch indiziert – ich habe von der prophylaktischen Entfernung nicht entzündeter Mandeln oder vom prophylaktischen Rausschneiden eines nicht entzündeten Blinddarms gesprochen.

  56. #57 Physiker
    17. Juli 2012

    @MountainKing:

    Es ist also nicht so, dass in der Unbeschnittenen-Gruppe eine Infektionsrate von ca. 60% und in der Beschnittenen-Gruppe eine Infektionsrate von ca. 1% vorlag.

    Das wäre in der Tat eine abenteuerliche Interpretation, die wohl kaum jemandem in den Sinn käme, der weiss was “Prozent” bedeutet. Wie gut/schlecht Kondome schützen, wurde aber auch in vielen Studien untersucht – und es mag Sie überraschen, dass der Schutz durch Kondome in etwa in der gleichen Grössenordnung liegt wie der durch Beschneidung (bei Heterosexuellen). Ursache hierfür sind hauptsächlich Anwendungsfehler, wie z.B. verkehrt herum aufgesetztes Kondom (und anschliessendes Umdrehen), zu grosse Kondome (Abrutschen), durch Fingernägel/Zähne beschädigte Kondome, falsches Gleitgel etc.

  57. #58 Dagda
    17. Juli 2012

    @ physiker

    Da müssen sie die Zahlen ganz schön verdrehen. Condome bieten einen 80% Schutz für alle Personengruppen für viele Sexualpraktiken.
    Beschneidung schützt nur eine kleine Gruppe vor ausgewählten Krankheiten.
    Das benutzen von Kondomen hat auch wenige Risiken, im wesentlichen Allergien gegen das Material, Beschneidungen haben, wie jeder Eingriff einige Risiken

  58. #59 MountainKing
    17. Juli 2012

    Die Daten dazu, dass Kondome nicht besser schützen als Beschneidung würden mich schon sehr interessieren. Hier steht schon mal etwas anderes:

    “He contrasts the preventative effect of circumcision taken from the RCT’s (55%) with the preventative effect of condoms (80-90%).”

    https://en.wikipedia.org/wiki/Circumcision_and_HIV

    Zudem schützt die Beschneidung die Frauen nicht. Selbst wenn die Rate nur gleichwertig wäre, würde dies schon als Argument ausreichen, auf eine Operation zu verzichten, wenn das Ziel auch ohne sie erreichbar wäre. Eine Senkung von 2% auf 1% in sehr spezifischen Gebieten und auf Basis durchaus kritisierter Daten kann nicht ausreichen, um einen flächendeckenden Eingriff an Kleinkindern zu rechtfertigen. Ein Vergleich mit Impfungen ist hier ebenfalls wenig hilfreich, da der medizinische Nutzen hier um Größenordnungen höher liegt und auch nicht auf anderen Wegen erreichbar ist. Und was die Interpretation der Prozentzahlen angeht, würde ich einiges darauf verwetten, dass die meisten eher das vermuten, was ich beschrieben haben, wenn von 60% Reduktion gesprochen wird.

  59. #60 Dagda
    17. Juli 2012

    @ Mountainking

    Ja zusätzlich beziffert die WHO den Schutz durch Kondome auf rund 80%;
    Und Kondome schützen eben nicht nur vor HIV, HSV und Papilloma Viren, sondern auch vor Syphilis und ähnlichen Geschlechtskrankheiten, schützen auch Frauen (und es gibt Daten das Beschneidung möglicherweise die Mann zu Frau Übertragung von HIV sogar begünstigt)

  60. #61 Thomas
    18. Juli 2012

    Impfnarben sollen mit einer fehlenden Vorhaut vergleichbar sein und das Wegschneiden der Vorhaut von einer fremden Person soll psychisch ähnlich verletzend wie das Zurückschieben der Vorhaut von der Mutter beim Waschen sein? Ich glaube wir leben in unterschiedlichen Welten. Das liegt vielleicht daran, dass ich ein paar der negativen Folgen einer unnötigen Beschneidung im Kindesalter am eigenen Körper erleben “durfte”. In meiner Welt sagen oben genannte Vergleiche genug aus und können unkommentiert so stehen bleiben.

  61. #62 sol1
    18. Juli 2012

    hat Auswirkungen auf die Sexualität und kann sogar zu psychischen Problemen führen.

    Das sind alles “gesundheitliche Aspekte” die in der wissenschaftlichen Fachliteratur untersucht wurden und gegenüber den medizinischen Vorteilen abgewogen werden.

    Ich faß es nicht!

    Würde Physiker tatsächlich jemandem, der unter den Spätfolgen einer im Kindesalter erlittenen Genitalverstümmelung physisch oder psychisch leidet, ins Gesicht sagen, er solle aufhören zu jammern, denn wie die “wissenschaftlichen Fachliteratur” (bzw. dem, was er dafür hält) zeige, sei diese Operation nur zu seinem Besten erfolgt?

    Diese Denkweise ist ja noch gruseliger als die der religiösen Verteidiger dieser Praxis…

  62. #63 Physiker
    18. Juli 2012

    @Dagda:

    Beschneidung schützt nur eine kleine Gruppe vor ausgewählten Krankheiten.

    Heterosexuelle formen also eine “kleine Gruppe”?
    Und Urinary tract infection, Pyelonephritis (with concurrent bacteraemia, childhood hypertension, end-stage renal disease), Candidiasis, Prostate cancer, Balanitis, Phimosis, High-risk HPV, Genital herpes (HSV-2), Syphilis, HIV infection, Penile cancer, Cervical cancer, Chlamydia, HSV-2 und Bacterial vaginosis sind ja nur ein paar ausgewählte Krankheiten die nur eine “kleine Gruppe” betreffen…

  63. #64 roel
    18. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein Mandeln wurden früher schon bei einer normalen Mandelentzündung entfernt. Die Mandelentzündung hätte einfach auskuriert werden können. Die Mandelentfernung verlief auch nicht immer unproblematisch, wie die von mir oben verlinkte österreichische Presseaussendung des HNO von 2007 zeigt: “Im Vorjahr kam es gehäuft zu Todesfällen von Kindern nach Mandeloperationen.”

  64. #65 Physiker
    18. Juli 2012

    @Joseph Kuhn:

    […] eine bevölkerungsweite präventive Intervention bei Gesunden. Bei letzterem muss die Nutzen-Risiko-Abwägung in einem Maße eindeutig ausfallen

    Da haben Sie völlig recht. Aber niemand spricht davon, eine bevölkerungsweite Pflichtbeschneidung einzuführen. Es gibt bei Präventivmassnahmen verschiedene Abstufungen: a) die Massnahme ist mit einem so ausserordentlich grossem Nutzen (und einem riesigen Schaden bei Nichtbefolgung) verbunden, dass sie zur Pflicht gemacht wird (z.B. Pflichtimpfungen im Seuchenfall) – dieser Fall ist sehr selten, b) die Massnahme ist mit einem sehr grossem Nutzen verbunden, so dass sie von Gremien empfohlen wird (z.B. Impfempfehlungen der STIKO) oder c) die Massnahme ist mit einem etwas grösserem Nutzen als Schaden verbunden, so dass sie zwar nicht empfohlen aber eben auch nicht davon abgeraten wird (z.B. FSME-Impfung ausserhalb von Risikogebieten). In all diesen Fällen kann der Patient (oder eben ein Fürsorgeberechtigter) frei entscheiden, ob er diese Massnahme ausführen lässt (ggf. wird die Massnahme zwar nicht von den Krankenkassen bezahlt – aber das ist ja nicht das Thema).

    und muss vor allem das Schadenspotential so gering sein, wie es bei der Beschneidung wohl schon allein aufgrund der Berichte über die doch nicht ganz seltenen Todesfälle nicht gegeben ist.

    Was meinen Sie mit nicht ganz selten? Und beziehen Sie sich dabei auf Beschneidungen die von Ärzten lege artis durchgeführt wurden oder auf Hinterhofbeschneidungen in Entwicklungsländern?

    Natürlich darf der Bäcker nicht impfen und natürlich müssen bei der Impfung von Kindern die Eltern kompetent über Nutzen und Risiken der jeweiligen Impfung aufgeklärt werden, Impfkomplikationen müssen gemeldet werden usw. Das wäre bei der Beschneidung dann nicht anders.

    Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Aber das ist in Deutschland auch vor dem Kölner Urteil bereits so gewesen. Und im Kölner Fall hat sich der Arzt auch diesbezüglich nichts zu Schulden kommen lassen.

    Daher streben die Religionsgemeinschaften auch nicht eine solche Lösung an

    Das halte ich für eine Unterstellung. Eine von einem ausgebildeten Arzt lege artis durchgeführte Beschneidung inclusive Beratungsgespräch kann auch als rituelle Beschneidung gelten (siehe den Kölner Fall). Wenn ein paar wenige fanatische Religionsführer das nicht akzeptieren, dann sollte man mit Entschiedenheit dagegen vorgehen (denn das wäre ja ein Aufruf zu einer Straftat). Ich sehe aber nicht ein, warum man sich von solchen Fanatikern bei der Argumentation gegen das Kölner Urteil beeinflussen lassen sollte.

    Ich bleibe also bei meiner simplen Argumentation: Was dem Wohl des Kindes dient darf der Staat nicht verbieten (und erst recht nicht, wenn mit dem Verbot auch noch eine Diskriminierung nach Religion verbunden ist). Die Forderungen der Religionsvertreter sind dabei irrelevant – es geht einzig und alleine um das Wohl des Kindes. Und wenn das Wohl des Kindes durch eine prophylaktische Beschneidung gefährdet ist, dann gehört die Beschneidung verboten – egal was die Religionsgemeinschaften dazu sagen. Und im umgekehrten Fall darf die Beschneidung nicht verboten werden und zwar auch egal was die Religionsgemeinschaften dazu sagen.

  65. #66 georg
    18. Juli 2012

    Physiker· 18.07.12 · 13:08 Uhr

    Und wenn das Wohl des Kindes durch eine prophylaktische Beschneidung gefährdet ist, dann gehört die Beschneidung verboten – egal was die Religionsgemeinschaften dazu sagen.

    Aus einer Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) :

    Nur die elterliche Einwilligung zu einer Operation, die dem Kind nach Abschätzen des Nutzen und des Risikos medizinisch zum Wohle gereicht, ist rechtswirksam. Dieser Sachverhalt ist aber bei der Beschneidung kleiner Knaben ohne Einwilligungsfähigkeit außerhalb der medizinischen Indikation nicht erfüllt.

    (Hervorhebung von mir). Da scheint ja nun doch Konsens zu bestehen.

    mfg georg

  66. #67 georg
    18. Juli 2012

    PS
    @Physiker
    Falls du nun doch einen Dissens zur Meinung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie siehst, dann diskutier das mit denen aus. Ich habe da jedenfalls keine Lust drauf

  67. #68 georg
    18. Juli 2012

    Inzwischen sind auch schon Gesetzesänderungen in Vorbereitung um Beschneidungen aus religiösen Gründen, als ohne medizinische Indikation straffrei zu stellen. Siehe z. B. in der Faz.

    Das geht aber fix. Da ist kaum die Tinte getrocknet …

    mfg georg

  68. #69 Physiker
    18. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Laut Gesetz dürfen die Eltern nur in Körperverletzungen des Kindes einwilligen, wenn diese dem “Wohl des Kindes” dient.

    Dann ist ja eh’ alles klar. Wenn Eltern dies aussschließlich auf der Basis eines religiösen Gebotes tun, das so etwas wie den Einzelfall gar nicht erst kennt, sondern kategorische Einhaltung gebietet, dann ist das Recht zur Einwilligung in die Körperverletzung des Kindes nicht gegeben. Q.e.d.

    Wie kommen Sie zu der Unterstellung, dass jüdische/muslimische Eltern ihre Jungen ausschliesslich aufgrund eines religiösen Gebotes beschneiden lassen? Wie ich bereits schrieb, kann ich mir gut vorstellen, dass das religiöse Gebot nur der Anlass ist, der eigentliche Grund sind die überwiegenden medizinischen Vorteile. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Juden/Muslime ihre Kindern absichtlich gesundheitlich schaden wollen. Oder meinen Sie wirklich, dass die Mehrheit der 1,2 Mrd. Katholiken den Anweisungen des Papstes folgen und keine Kondome verwenden und auch Ihren Kindern empfehlen dies nicht zu tun? Nein. Ich halte auch religiöse Menschen für mündige Bürger.

    Erklären Sie mir doch mal, warum zum Beispiel das “Argument” der Aids-Verhütung bei der Beschneidung eines Neugeborenen greifen sollte:

    Gerne, aber wie gesagt, die Aids-Verhütung seht als Argument gerade in Europa an allerletzter Stelle. Vermidene Harnwegsinfektionen, Prostatakrebs und verschiedene andere Entzündungen und Krankheiten lassen sich durch Beschneidung jeweils 100mal so wirkungsvoll bekämpfen wie HIV.

    1. Ist der Junge nocht weit mehr als ein Jahrzehnt davon entfernt, überhaupt die körperliche Befähigung zum penetrierenden Sexualverkehr zu haben;

    Das ist doch ein Grund, der dafür sprich, die Beschneidung zumindest vor der Pubertät durchzuführen (siehe auch HPV-Impfung). Abgesehen davon steigt die Komplikationsrate bei Beschneidungen mit dem Alter.

    2. könnte in dieser Zeit die medizine Möglichkeit zur Behandlung/Heilung von Aids so weit fortgeschritten sein, dass der Nutzen dieser Verstümmelung nicht mehr gegeben ist, da es einfachere und wirksamere Methoden zur Vorbeugung oder Vermeidung gibt;

    Das klingt so unplausibel, wie wenn man einem Kind keine Zahnspange zumutet, weil in Zukunft die Zähne mit einem Star-Trek Tricorder an ihre richtigen Plätze geschoben werden können.

    3. setzt dieses Szenario voraus, dass der Säugling heterosexuell werden muss – bei homosexuellem Verkehr ist, wie Sie selbst betont haben, die in Südafrika beobachtete Schutzwirkung sowieso nicht gegeben.
    4. Wer weiß, vielleicht will der Junge lieber ein katholischer Mönch werden und auf jeglichen Sex verzichten?

    Richtig. Dass eine Impfung ihre positive Schutzwirkung entfalten kann, ist auch nicht immer gegeben. Bei Tetanus beträgt die Wahrscheinlichkeit geschätzte 0,003% in Deutschland während des ganzen Lebens daran zu erkranken. Glauben Sie mir (oder dem RKI), die Wahrscheinlichkeit heterosexuell zu werden, nicht sexuell abstinent zu leben und sich dennoch mit HIV zu infizieren ist definitiv höher.

    Alle Argumente für eine Beschneidung sind bestenfalls Argumente dafür, die an einem Erwachsenen vorzunehmen, so er sie will.

    Wenn man so bei Zahnspangen argumentieren würde, dann würde der grossteil der Menschen mit entstellten Zähnen rumlaufen.

    Bei Säuglingen und kleinen Kindern haben sie einfach keine Relevanz.

    Der zitierte Review listet ca. 4 Krankheiten auf, die auch oder gerade bei Kindern durch Beschneidung stark reduziert werden.

    Aber nochmal: Islam und Judentum rechtfertigen diese Praxis ja gar nicht mit dem medizinischen Nutzen. Selbst wenn ein Schaden nachgewiesen werden kann, gälte das Gebot ebenso unbeirrbar. Warum ignorieren Sie diesen Aspekt in unserer aktuellen Diskussion so hartnäckig?

    Weil er irrelevant ist. Wenn die Forschung feststellt, dass prophylaktische Beschneidung vorwiegend schädlich für das Kind ist, dann gehört diese Massnahme verboten, egal was die Religionen dazu sagen.

  69. #70 georg
    18. Juli 2012

    @Physiker
    Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) ist, wie mehrfach zitiert offenbar der Meinung, dass die
    “Beschneidung kleiner Knaben ohne Einwilligungsfähigkeit außerhalb der medizinischen Indikation”
    dem Kind eben nicht
    “nach Abschätzen des Nutzen und des Risikos medizinisch zum Wohle gereicht”

    Und der traue ich erheblich mehr medizinische un juristische Sachkompetenz zu als dir.

  70. #71 roel
    18. Juli 2012

    @Physiker “Wie ich bereits schrieb, kann ich mir gut vorstellen, dass das religiöse Gebot nur der Anlass ist, der eigentliche Grund sind die überwiegenden medizinischen Vorteile.”
    Ich kann mir auch vieles vorstellen und habe auch an diese Möglichkeit gedacht. Aber ich habe nichts gefunden, was diese Annahme stützt. Wenn du mehr gefunden hast würde ich mich über den Link freuen.

  71. #72 noch'n Flo
    18. Juli 2012

    @ Physiker:

    Zu den von Dir genannten “Vorteilen”: https://www.beschneidung-von-jungen.de/home/argumente-fuer-beschneidung.html

  72. #73 Physiker
    18. Juli 2012

    @georg:

    Falls du nun doch einen Dissens zur Meinung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie siehst, dann diskutier das mit denen aus.

    Ich sehe einen Dissens zwischen wiss. Fachliteratur, Angaben der WHO, juristischen Einschätzungen (laut denen das Kölner Urteil nicht zur Rechtssicherheit beiträgt), dem Vorsitzenden der Bundesärztekammer auf der einen Seite und der Einzelmeinung von Dr. Maximilian Stehr, der angibt im Namen der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie zu sprechen (sich aber nur auf seine eigene Arbeit beruft). Ihre Berufung auf eine Autorität war deshalb vielleicht voreilig.

  73. #74 georg
    18. Juli 2012

    Wenn deine Sichtweise einen wissenschaftlichen und juristischen Konsens repräsentieren würde, würde man sich nicht die Mühe machen auf die Schnelle eine neue Gesetzgebung zu initiieren.
    Offenbar hat sich deine Sichtweise noch nicht bis ins Parlament herumgesprochen. Daran solltest du noch arbeiten.

  74. #75 Physiker
    18. Juli 2012

    @noch’n Flo:
    Sie verweisen als Arzt auf ein Pamphlet eines Dipl.-Ing.?

  75. #76 Frank S
    18. Juli 2012

    Die Frage, inwieweit Beschneidung medizinisch Sinn oder Unsinn ist, hat doch nur scheinbar eine Bedeutung.

    Zwar wäre es schön, wenn sie der eigentliche Bewegrund wäre und wenn das pro und contra, von Experten diskutiert, Grundlage einer Entscheidung zu diesem Thema wäre, aber genau das ist es nicht.

    Der Sturm der Entrüstung wurde nicht ausgelöst, weil Eltern um die Gesundheit oder Hygiene ihrer Kinder besorgt sind, oder weil Mediziner handfeste Gründe haben, um um das Kindeswohl zu fürchten.

    Es geht um Traditionen, religiöse Rituale und die Undenkbarkeit, mit etwas aufzuhören, was man seit Ewigkeiten getan hat.

    Deshalb muss ich auch der These im Blog widersprechen, es sei kein religiöses Urteil. Es ist eines, da es eine Stellungnahme zur Bedeutung von Religion in unserer Gesellschaft ist. Auch wenn es eine Abkehr davon darstellen mag, kann man über dieses Urteil kaum diskutieren – geschweige denn, es fällen – ohne den Bezug zur Religion zu sehen.

    Und ich fürchte, es werden auch religiöse Gründe sein, die entweder zum Widerruf oder massiver Einschränkung des Urteils führen werden. Auch wenn ich das Urteil – bzw. seinen Hintergedanken, religiösen Traditionen nicht gesondert zu bewerten – begrüße, dürfte der Widerstand auf Dauer zu groß sein.

    Der religiös motivierte Widerstand, wohlgemerkt, nicht der von jenen, die Beschneidung aus medizinischen Gründen befürworten.

  76. #77 Physiker
    18. Juli 2012

    @georg:
    Ich sehe diesen Vorstoss für einen Gesetzesentwurf kritisch. Denn auf der einen Seite verdienen die Religionen keine Extrawurst: Das wäre ja noch schöner, wenn demnächst Bischof Mixa fordert, die Prügelstrafe wieder per Gesetz einzuführen. Auf der anderen Seite hat das Kölner Urteil die Rechtssicherheit dermassen gestört, dass eine schnelle Lösung gefunden werden muss. Der Schaden, den dieses vielfach kritisierte Urteil (übrigens hauptsächlich von juristischer Seite) angerichtet hat ist viel grösser als man zunächst meinen könnte:
    a) wird die Beschneidung nun aus den Arztpraxen in Hinterhöfe verdrängt und so viel mehr Schaden anrichten (Montgomery)
    b) wird jetzt per Gesetz den Religionen Rechte über die Gesundheit von Kindern zu bestimmen zugebilligt, die es vorher nicht gab
    c) ist die emotional aufgeladene Debatte unerträglich. Den religiösen Fanatikern geht es nur um den eigenen Macht-erhalt/-zugewinn. Und den Religionskritikern geht es nur darum, einen bisher nicht vorhandenen Einfluss der Religionen auszumerzen. Und beides auf Kosten des Kindeswohls. Die religiösen Fanatiker stellen die freie Religionsausübung über das Kindeswohl und die Religionskritiker stellen die körperliche Unversehrtheit über das Kindeswohl.
    d) ist das Urteil und die Diskussion ein Schlag gegen die evidenzbasierte Medizin. Im Urteil werden medizinische Vor-/Nachteile gar nicht beachtet und in der öffentlichen Diskussion sowieso nicht. Stattdessen wird mal wieder mit Diskussionen um Gott und die Welt alles vernebelt.

  77. #78 noch'n Flo
    18. Juli 2012

    @ Physiker:

    Sie verweisen als Arzt auf ein Pamphlet eines Dipl.-Ing.?

    Wenn es sachlich richtig ist: ja!

  78. #79 noch'n Flo
    18. Juli 2012

    Auch in diesem Blog nochmal mein Vorschlag: wenn man schon religiöse Traditionen höher ansetzen möchte als Grundrechte, dann bitte auch konsequent. D.h., als nächstes Einführung der Scharia für alle Muslime in Deutschland. Wenn Hassan Ü. dann im Supermarkt beim Klauen einer Pulle Wodka erwischt wird, ist die rechte Hand ab. Sein Kumpel und Mittäter Kevin S. hingegen wird vom Jugendrichter eindringlich ermahnt und bekommt 20 Sozialstunden.

  79. #80 rolak
    18. Juli 2012

    Wie kommen Sie zu der Unterstellung, dass jüdische/muslimische Eltern ihre Jungen ausschliesslich aufgrund eines religiösen Gebotes beschneiden lassen?

    Leichte Probleme beim Lesen gewisser Texte, Physiker? Dann hilft beim zukünftigen Vermeiden solcher Fehlschläge (es ist keine Unterstellung, sondern eine Konstatierung) vielleicht Nachfragen bei einem passenden Rabbi oder Mufti – denn egal wie es die Betroffenen auch zu rationalisieren versuchen, die einzige wesentliche Begründung ist religiös. Deswegen sind sämtlichen Betroffenen auch die möglichen negativen Nebenwirkungen dieses medizinisch unbegründeten Eingriffes völlig egal.

  80. #81 Physiker
    18. Juli 2012

    @rolak:

    Leichte Probleme beim Lesen gewisser Texte, Physiker?

    Nein. Aber Anekdoten taugen nicht als Argumente und schon gar nicht als Pauschalargumente.

    denn egal wie es die Betroffenen auch zu rationalisieren versuchen, die einzige wesentliche Begründung ist religiös.

    Sie sprechen also den “Betroffenenen” die Mündigkeit ab. Juden und Muslime können sagen was sie wollen, Sie wissen ganz genau, dass “die einzige wesentliche Begründung” religiös ist. Sie wissen also auch, dass die Betroffenen ganz sicher keine medizinischen Gründe geltend machen können (und die religiöse Tradition nur als Anlass nehmen). Sie sprechen den Juden und Muslimen damit die Fähigkeit ab, für sich selbst zu sprechen. Bravo, wie aufgeklärt humanistisch ist das denn?

  81. #82 Stefan W.
    18. Juli 2012

    a) wird die Beschneidung nun aus den Arztpraxen in Hinterhöfe verdrängt und so viel mehr Schaden anrichten (Montgomery)

    Das ist erstens eine unbewiesene Behauptung, zweitens unterstellt es fälschlich, dass heute alle Operationen in Arztpraxen stattfinden, drittens, dass die Operation in einer Arztpraxis per se vorzuziehen ist – man bedenke aber, dass ein Mohel oder bei dessen muslimischem Counterpart diese Operationen sehr oft und quasi ausschließlich vornimmt, also möglicherweise eine viel größere Erfahrung hat.

    Außerdem verengt es die Diskussion auf den kriminalisierenden Part. Es gibt aber schon heute viele Juden und Muslime die keine Beschneidung mehr wollen. Deren Position wird aber durch ein Verbot gestärkt. Wer dem sozialen Druck sich zu beugen scheut tut sich vielleicht leichter, wenn er gegen die Autorität des Hohen Priesters sich mit der Autorität des Gesetzes wehren kann.

    Man kann die Beschneidung vorgeben auf den Urlaub zu verschieben – da war dann der religiöse Verstümmler leider krank, und man macht es angeblich nächstes Jahr, wo er keine Zeit hat usw.

    b) wird jetzt per Gesetz den Religionen Rechte über die Gesundheit von Kindern zu bestimmen zugebilligt, die es vorher nicht gab.

    Versteh ich nicht.

    c) ist die emotional aufgeladene Debatte unerträglich. Den religiösen Fanatikern geht es nur um den eigenen Macht-erhalt/-zugewinn. Und den Religionskritikern geht es nur darum, einen bisher nicht vorhandenen Einfluss der Religionen auszumerzen. Und beides auf Kosten des Kindeswohls. Die religiösen Fanatiker stellen die freie Religionsausübung über das Kindeswohl und die Religionskritiker stellen die körperliche Unversehrtheit über das Kindeswohl.

    Wie kann man einen nicht vorhandenen Einfluss der Religionen ausmerzen? Was soll das für ein Einfluss sein?

    Die religiösen Fanatiker, bitte, stellen IHR Recht auf freie Religionsausübung über das Kindeswohl, nicht etwa die freie Religionsausübung des Kindes, und damit ist dieser Anspruch natürlich nicht durch das Grundgesetz gedeckt. Deine Relgionsfreiheit geht nicht so weit andere damit zu belästigen, geschweige denn andere zu verstümmeln – nur weil es Dir Deine Religion gebietet!

    Im Gegensatz dazu die “körperliche Unversehrtheit über das Kindeswohl zu stellen” darzustellen ist albern.

    Die körperlichen Unversehrtheit ist das Kindeswohl. Wenn eine Maßnahme medizinisch geboten ist, dann wird niemand hier diese Maßnahme ablehnen – man muss sich schon absichtlich dumm stellen, um so zu tun, als würde man uns so verstehen dürfen.

    Deine Position, dass Beschneidungen für jedermanns Kind vorteilhaft seien, nicht bloß für Moslems und Juden, ist mehrfach unglaubwürdig. Zum einen, weil wie wir hier sehen, sie nur als Ausflucht präsentiert wird, um weiterhin religiös motivierte Beschneidungen ohne individuelle Indikation vorzunehmen.

    Zum zweiten aber, weil das Potpurri an Krankheiten, vor denen die Beschneidungen schützen sollen wie die vielfältigen Heil- und Nutzwirkungen von Granderwasser anmuten, und die einzelnen Gegenargumente nicht dazu führen, dass der betreffende Grund aus der Abwehr verschwindet, sondern dann wird versucht einen anderen Trumpf aus dem Ärmel zu ziehen – am Ende aber wird doch alles zusammengerührt um eine hohe Gesamtzahl an Vorteilen zu konstruieren, während die Nachteile ignoriert und runtergespielt werden.

    Beispiele: AIDS wird als großer Dämon ins Spiel gebracht – der Verweis darauf, dass dies Kleinkinder ja wohl nicht betrifft wird damit beantwortet, dass die Operation aber beim Kleinkind risikoärmer sei. Dann wird gesagt, dass es in unseren Breiten das letzte Argument sei.

    M.a.W.: Es rangiert also vor der ebenfalls zitierten größeren Hygiene? Beschneiden statt Pimmelwaschen? Wo siedelt sich dann Bakterielle Vaginose an? Bei Überlegungen zur Mädchenbeschneidung?

    Zur ebenalls genannten Phimose, die wohl genannt wird, weil sie recht häufig ist, finde ich, dass sie sich erstens im Laufe der Jugend oft auswächst, und zweitens risikolos mit Salben behandelt werden kann. Aber die große Zahl der Fälle hilft natürlich in der Gesamtschau auf eine hohe Fallzahl zu kommen, um so zu tun, als sei eine Verstümmelung mit der Gießkanne schon in Ordnung.

    d) ist das Urteil und die Diskussion ein Schlag gegen die evidenzbasierte Medizin. Im Urteil werden medizinische Vor-/Nachteile gar nicht beachtet und in der öffentlichen Diskussion sowieso nicht. Stattdessen wird mal wieder mit Diskussionen um Gott und die Welt alles vernebelt.

    Es liegt nun mal ein Konflikt mit der Religion zu Grunde. Vernebelung ist es, hier überhaupt die ganzen medizinischen Prophylaxen ins Spiel zu bringen, die in Wahrheit überhaupt nicht das Motiv der sadistischen Eltern sind.

    Man fragt sich was Dich dazu bringt, diese verlogene Argumentationslinie zu ergreifen. Ist es die Vorstellung, dass die Religionen schon das richtige getan haben, nur ohne zu wissen wieso; dass sie medizinische Erfahrungen mittels Ritual weitergegeben haben? Aber wie konnten dann die Christen ohne Beschneidung so lange überleben? Was ließ die Chinesen und Japaner überleben, die Eingeborenen Süd- und Nordamerikas?

    Wieso überleben so viele Tiersorten die eine Vorhaut haben?

  82. #83 rolak
    18. Juli 2012

    Von “einzige wesentliche Begründung” nach “keine medizinischen Gründe” in hast­du­nicht­gesehen. Bei solchem unausgegorenen Stumpfsinn zum Start wäre es vermessen, Sinnvolles im Folgenden zu erwarten – und tatsächlich: Der Rest des posts ist wie viele Deiner bisherigen Kommentare auch eine krude Mischung aus Halbwahrheiten und AdHominems. Es bleibt ein klares Leseproblem bei Dir zu lösen, andernfalls hättest Du gemerkt, daß die Aussage nicht von mir, sondern von in dem Glaubenssystem Gefangenen kommt.

  83. #84 bitiu
    18. Juli 2012

    Leider haben sich die meisten Diskutierer nicht die Mühe gemacht, die von “Physiker” verlinkten Aufsätze bzw. deren Abstracts zu lesen. Insbesondere der zweite Link ist so überzeugend, dass die Debatte über medizinisches Für und Wider eigentlich schon entschieden ist, und zwar pro Beschneidung.

    Nachdem die aktuelle Aufregung abgeklungen ist, rechne ich auch in Deutschland mit mehr rein prophylaktischen Beschneidungen. Die Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie sehe ich unter den Ärzteschaften westlicher Industriestaaten als Minderheitsmeinung, sie verpflichtet ihre Mitglieder genauso wenig wie das Urteil eines Kölner Landgerichts.

    Warum sind eigentlich alle Diskutierer sich einig, dass der Arzt in dem Kölner Fall nach den Regeln der ärztlichen Kunst gehandelt hat? Er entfernt die Vorhaut in seiner Praxis und schickt das Kind mit der Mutter anschließend “nach Hause”. Die Mutter wohnt aber 600 Kilometer entfernt und ist in Köln nur bei einer Freundin zu Besuch. Sie spricht nur arabisch und französisch, obendrein ist sie auch noch blind. (Alles laut FAZ.) War das nicht reichlich riskant?

    Auch wenn ein Gutachter im Prozess dem Arzt bescheinigt hat, richtig gehandelt zu haben, bleiben erhebliche Zweifel bei mir. Ich musste mit 11 Jahren für 10 Tage ins Krankenhaus, einige Tage lag im Bett neben mir ein ca. gleichaltriger Junge, dem wegen Fimose die Vorhaut operativ entfernt worden war. Nach meiner Erinnerung war er rein vorsorglich auf Station. Ein solcher vorsorglicher Krankenhausaufenthalt ist vielleicht nicht immer angebracht, aber im Falle des Kölner Jungen schon, denke ich.

  84. #85 Joseph Kuhn
    18. Juli 2012

    @ Physiker:

    1. Ich habe nicht gegen eine “Pflichtbeschneidung” argumentiert, das wäre ja ganz absurd, sondern gegen Ihre These, Beschneidungen seien durch ihre gesundheitlichen Vorteile legitimiert. Hier drängt sich der Vergleich mit dem Impfen auf, weil bestimmte Impfungen bei Kindern öffentlich empfohlen werden. Pflichtimpfungen bei Kindern gibt es in Deutschland nicht. Der Impfempfehlung geht aber eine sorgfältige Risiko-Nutzenabwägung der STIKO voraus. Eine analoge Abwägung zur Beschneidung aus präventiven Gründen bei gesunden Kindern würde zu keiner öffentlichen Empfehlung führen, weil die Risiken zu groß sind. Die Rücknahme der früher häufigeren öffentlichen Finanzierung präventiver Beschneidungen in vielen Ländern ist eine Folge dieser geschärften Risikowahrnehmung.

    2. Meine Aussage zu den Sterbefällen bezog sich auf die Meldungen über vereinzelte Sterbefälle in Europa und vergleichsweise viele Sterbefälle in den USA, Links dazu sind inzwischen mehrere hier auf scienceblogs. Für die USA ist davon auszugehen, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Beschneidungen von Ärzten vorgenommen wird. Die Risiken gibt es also keineswegs nur bei “Hinterhofbeschneidungen in der Dritten Welt”, wie Sie es formuliert haben.

    3. Den letzten Punkt, welche Art von Erlaubnis die Religionsgemeinschaften anstreben, haben Sie offenbar missverstanden. Ob die Religionsgemeinschaften es akzeptieren würden, dass Beschneidungen nur von Ärzten oder medizinisch ausgebildeten Beschneidern durchgeführt werden, war nicht mein Argument. Es ging darum, ob die Religionsgemeinschaften auf eine Erlaubnis zur Beschneidung aus medizinischen Gründen abheben. Das tun sie nicht, sie heben auf die Erlaubnis aus rituellen Gründen ab, das sind zwei paar Stiefel und das ist auch auseinanderzuhalten, wenn es einmal um eine gesetzliche Rechtfertigung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit gehen sollte. Die Gründe für eine solche Rechtfertigung wird man dann schon konkret benennen müssen.

  85. #86 Physiker
    18. Juli 2012

    @Stefan W.:

    Das ist erstens eine unbewiesene Behauptung, zweitens unterstellt es fälschlich, dass heute alle Operationen in Arztpraxen stattfinden, drittens, dass die Operation in einer Arztpraxis per se vorzuziehen ist

    Ihre Kritik an Montgomerys Aussage sind auch wieder nur unbewiesene Behauptungen. Ich halte die Einschätzung Montgomerys jedenfalls für sehr plausibel. Im Judentum z.B. wird die Beschneidung überwiegend von Ärzten (=Mohel) vorgenommen. Auch beim Kölner Urteil wurde die Beschneidung von einem Arzt ausgeführt.

    Es gibt aber schon heute viele Juden und Muslime die keine Beschneidung mehr wollen. Deren Position wird aber durch ein Verbot gestärkt.

    Da haben Sie Recht. Die Frage ist nur, ob es das Ziel eines Urteils sein sollte irgendwelche Gruppierungen zu stärken/schwächen – ich denke nein.

    b) wird jetzt per Gesetz den Religionen Rechte über die Gesundheit von Kindern zu bestimmen zugebilligt, die es vorher nicht gab.

    Versteh ich nicht.

    Machen wir uns nichts vor, das Gesetz, das gerade vorbereitet wird um die religiöse Beschneidung zu legitimieren (siehe FAZ-Artikel von georg), wird kommen. Jede andere Einschätzung ist realitätsfremd. Ich finde das schlecht, weil die bisherigen Gesetze völlig ausreichend waren und mit diesem neuen Gesetz die Religionen über die Gesundheit von Kinder bestimmen können – was nach der bisherigen Auslegung von Grundgesetz und Gesetz nicht der Fall war.

    Die körperlichen Unversehrtheit ist das Kindeswohl.

    Nein. Die körperliche Unversehrtheit wird bei jedem medizinischen Eingriff verletzt. Deshalb ist Ihre Gleichsetzung falsch.

    Wenn eine Maßnahme medizinisch geboten ist, dann wird niemand hier diese Maßnahme ablehnen

    Die oben zitierten Reviews kommen zu dem Ergebnis, dass die prophylaktische Beschneidung medizinisch generell geboten ist (und auf freiwilliger Basis erfolgen sollte). Was nun?

    Deine Position, dass Beschneidungen für jedermanns Kind vorteilhaft seien, nicht bloß für Moslems und Juden, ist mehrfach unglaubwürdig. Zum einen, weil wie wir hier sehen, sie nur als Ausflucht präsentiert wird, um weiterhin religiös motivierte Beschneidungen ohne individuelle Indikation vorzunehmen.

    Das ist kein Argument sondern eine Unterstellung. Ausserdem ist Ihre Unterstellung falsch, denn wie ich mehrfach wiederholt habe, ist die Beschneidung automatisch nach geltendem Recht strafbar, wenn sie nicht dem Wohl des Kindes dient.

    Zum zweiten aber, weil das Potpurri an Krankheiten, vor denen die Beschneidungen schützen sollen wie die vielfältigen Heil- und Nutzwirkungen von Granderwasser anmuten, […]

    Sie wollen ernsthaft damit argumentieren, dass Ihnen Placebo-kontrollierte Studien und mehere hunder wiss. Publikationen wie Granderwasser “anmuten” ? Und welche “Gegenargumente” wurden ignoriert? Lesen Sie mal den Review.

    AIDS wird als großer Dämon ins Spiel gebracht – der Verweis darauf, dass dies Kleinkinder ja wohl nicht betrifft wird damit beantwortet, dass die Operation aber beim Kleinkind risikoärmer sei. Dann wird gesagt, dass es in unseren Breiten das letzte Argument sei.

    Was haben Sie an dieser Argumentation auszusetzen?

    Zur ebenalls genannten Phimose, die wohl genannt wird, weil sie recht häufig ist, finde ich, dass sie sich erstens im Laufe der Jugend oft auswächst,

    Soviel zur Hygiene in der Zeit in der sich die Phimose “auswächst”.

    Aber die große Zahl der Fälle hilft natürlich in der Gesamtschau auf eine hohe Fallzahl zu kommen,

    Was ist daran auszusetzen? Sollen die Forscher aus Bescheidenheit einige Indikationen unter den Teppich kehren?

  86. #87 Wolf
    18. Juli 2012

    @bitiu:

    99,9% aller Brustkrebserkrankungen treffen Frauen. Warum nicht einfach den Frauen das Leid eines Mammacarcinoms ersparen und im Alter von 17 beide Brüste amputieren?

    Wenn man die Inzidenz eines Mamma Ca 171 Fälle pro 100.000 Frauen pro Jahr, scheint es mir ein sehr gutes Argument für eine prophylaktische Resektion zu sein.
    Oder nicht? Schließlich ist ja eine Inzidens von 0,9 pro 100.000 Männer pro JAHRZEHNT beim Peniskarzinom anscheinend ausreichend, um als Argument für eine Genitalverstümmelung herzuhalten.

    Zu den Harnwegsinfekten: Pro Jahr erwischt es 5% aller Frauen, die Quote steigt auf bis zu 20% an. Da wäre es doch angebracht eine künstliche Ableitung zu schaffen und die natürlichen Wege operativ zu entfernen. Zumal diese 2-5cm nicht wirklich notwendig sind. Oder nicht?

  87. #88 Wolf
    18. Juli 2012

    @Physiker:

    Mohel sind KEINE Ärzte.

  88. #89 Joseph Kuhn
    18. Juli 2012

    Ich wiß nicht, ob das hier schon verlinkt war, ganz interessant wg. der Umstände, die zum Kölner Urteil geführt haben:
    https://m.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidungen-das-urteil-11820431.html

  89. #90 bitiu
    18. Juli 2012

    Ich bewundere die Engelsgeduld von “Physiker”, der trotz mehrfacher beleidigender Ansprache sachlich bleibt.

    Aber ich muss auch sagen, dass “Beiträge” (sehr höflich gesprochen) wie eben von “Wolf” oder zuvor von anderen (mit grotesken Fehletikettierungen — “Amputation”, “Verstümmelung” — und absurden Vergleichen — Brüste amputieren, Harnwege entfernen) eine vernünftige Diskussion nicht nur erschweren, sondern von vorneherein ausschleßen.

    Als seltener Gast bei scienceblogs darf ich vielleicht die Anwesenden daran erinnern, dass der hier grassierende Brachial-Atheismus nicht von der Mehrheit der Bevölkerung draußen im Lande geteilt wird. Sicher würde eine heute durchgeführte bundesweite Umfrage eine 2:1-Mehrheit kontra Beschneidung ergeben. Aber erstens ist die repräsentative Demokratie noch nicht abgeschafft.

    Und zweitens sähe das Ergebnis in ein paar Monaten anders aus, nachdem der Bundestag eine irgendwie geartete Gesetzesänderung verabschiedet hat. (Das Bedauern von “Physiker” über eine Lösung der plötzlich eingetretenen Rechtsunsicherheit per Gesetz teile ich. Bedanken können wir uns für die Notwendigkeit, diesen unerfreulichen Schritt zu gehen, bei den Fundamentalatheisten.)

    Ohnehin erwarte ich, die weitere Entwicklung wird zeigen, dass die Religionshasser ein Eigentor geschossen haben. Jetzt werden viele deutsche Eltern aufmerksam und neugierig. Sie werden im Internet recherchieren, auch Ärzte befragen, und viele von ihnen werden zu dem Entschluss kommen, ihre männlichen Kinder prophylaktisch beschneiden zu lassen. Warum soll ihnen verwehrt bleiben, was den meisten Amerikanern gleich welchen Glaubens Vorteile bringt? Falls die kommende Gesetzesänderung ausschließlich auf religiöse Gründe abzielt, wird es spätestens in ein paar Jahren eine weitere Novellierung geben, die die Beschneidung allen Bevölkerungsschichten zugänglich macht — die Deutschen werden nicht hinnehmen, dass es dieses Sonderrecht nur für Angehörige zweier Religionen geben soll.

  90. #91 SethSteiner
    18. Juli 2012

    Es IST eine Verstümmelung per Definition. Aber es gibt ja immer noch Menschen die meinen, das irreversible Abschneiden eines Körperteils sei keine Körperverletzung. Im übrigen sind die Vergleiche doch durchaus korrekt, man tut sich keinen Gefallen damit auf sie einfach mit “ne die find ich doof” zu antworten, wo doch die Begründung dasteht oder ist sie etwa falsch? Brüste sind äußerst erogene Zonen, haben viele Zwecke aber sie sind natürlich nicht notwendig zum Leben und ihre Entfernung dürfte auch nur ein minimaler Eingriff sein. Halbe Stunde, schnipp schnapp, dann ist sie ab. Krankheiten, die mit der Brust verbunden sind, gibt es dann nicht mehr. Der einzige Unterschied ist nur, es gibt keine Religion die dies fordert, es ist ein rein hypothetisches Beispiel zur Verdeutlichung, wie unsinnig die Amputation der Vorhaut ist.

    Ach ja, Fundamentalatheismus hin oder her aber Glaube ändert nichts an Fakten. Die Erde dreht sich um die Sonne und egal wie fest man glaubt, es bleibt dabei und es bleibt daher auch bei den Fakten im Bezug auf die Vorhaut. Sie ist ein äußerst empfindlicher Körperteil, deren Schleimhaut äußerst nützlich für eben diesen ist.

  91. #92 Schmidts Katze
    18. Juli 2012

    Es wird euch nicht gelingen, Physiker oder bitiu davon zu überzeugen, daß die Vorhaut einen Wert hat.

    “Sie brachten flinke, wie Edelsteine blinkende Krebse hervor, die die Vogonen fraßen, indem sie ihre Schalen mit Eisenhämmern zerschmetterten; hohe atmende Bäume von atemberaubender Schlankheit und Farbenpracht, die die Vogonen umhackten, um das Krebsfleisch darüber zu brutzeln; anmutige, gazellenhafte Geschöpfe mit seidigem Fell und feuchten Augen, die die Vogonen einfingen, um sich auf sie zu setzen. Sie waren als Beförderungsmittel aber unbrauchbar, weil ihre Rücken augenblicklich durchbrachen. Aber die Vogonen setzten sich trotzdem drauf.”

  92. #93 Wolf
    18. Juli 2012

    @bitiu:

    So sicher wäre ich mir da nicht, denn die Eltern werden auch so etwas finden:

  93. #94 Stefan W.
    18. Juli 2012

    . Im Judentum z.B. wird die Beschneidung überwiegend von Ärzten (=Mohel) vorgenommen.

    Ich würde Mohel eher mit Medizinmann übersetzen.

    In unserem Kulturkreis ist ein Arzt dem Hipokratischen Eid verpflichtet – offensichtlich ist ein Mohel das nicht.

    Da haben Sie Recht. Die Frage ist nur, ob es das Ziel eines Urteils sein sollte irgendwelche Gruppierungen zu stärken/schwächen – ich denke nein.

    Ich argumentiere auch nicht für Gruppierungen, sondern für die jüdischen und muslimischen Kinder, die so vor einer Verstümmelung geschützt werden können.

    Die Argumentation lautet, dass es sich viele Eltern aus Feigheit vor dem Gesetz verkneifen werden, das Kind zu beschneiden, und viele Mohels natürlich ebenfalls. Und einige, die sich schon immer dagegen wehren wollten, aber nicht trauten, werden sich trauen können.

    Und wer so verbohrt ist, dass er sein Kind ins Ausland schafft, um es da zu amputieren, oder es in einem kriminellen Submilieu vornehmen läßt, wissen soll, dass er Unrecht tut.

    Zum dritten werden ja längst fällige Diskussionen in den jüdischen und muslimischen Gemeinden angestoßen. Womöglich hilft dies der Entdeckung dieser Menschen auf die Sprünge, dass auch sie eine Moral haben, dass auch in ihren Reihen Menschen sind, die ihrer Empathie mehr trauen als den barbarischen Riten einer 15 000 Jahre alten Vorzeit.

    Die religiösen Fanatiker stellen die freie Religionsausübung über das Kindeswohl und die Religionskritiker stellen die körperliche Unversehrtheit über das Kindeswohl.

    und:

    Die körperlichen Unversehrtheit ist das Kindeswohl.

    Nein. Die körperliche Unversehrtheit wird bei jedem medizinischen Eingriff verletzt. Deshalb ist Ihre Gleichsetzung falsch.

    Eben nicht. Wie gesagt lehnt hier niemand eine Operation ab, die dem Kindeswohl dient.

    Wir lehnen Verstümmelungen per Gießkanne ab. Weil wir das Kindeswohl im Auge haben.

    Deine Studien kann ich nicht ernst nehmen, wenn sie benutzt werden um Aidsprävention bei Babies anzumahnen.

    Und ja, sicher – wenn man Kindern die Vorhaut entfernt, dann wird man viele Vorhautverengungen vermeiden können. Diese wachsen sich aber regelmäßig aus – trotzdem verbucht es die Studie als Erfolg, oder?

    Zudem wird meinem Kenntnisstand empfohlen Phimosen nicht durch Beschneidung, sondern mit Salben zu heilen – eine Methode die ohne unwiderrufliche Schäden auskommt. Das entlarvt doch diese Studie als Gefälligkeitsgutachten, als Klamauk, als knalltütig.

    Zur allgemeinen Belustigung werde ich jetzt noch eine anekdotische Evidenz beitragen:

    MC has no adverse effect on sexual function, sensitivity, penile sensation or satisfaction and may enhance the male sexual experience.

    Keine Ahnung welche Frau sich das ausgedacht hat, oder welcher beschnittene Mohel hier in einer placebokontrollierten, womöglich doppelt verblindeten Studie am Werk war. Meine Vorhaut würde ich nicht hergeben und finde ich da nicht beschrieben.

    Umgekehrt kenne ich aber im Verwandten- und Bekanntenkreis keinen Fall von medizinisch induzierter Beschneidung. Das könnte man mit dem Tabu der Sexualität erklären; dass niemand, den es betrifft ein Aufhebens darum machen möchte. Um die Prostata findet allerdings allerlei Spektakel mit Witzen und Büttenreden statt.

    Dass 30% aller Männer durch eine Beschneidung um eine ansonsten fällige Erkrankung herumkommen halte ich für maßlos übertrieben und unglaubwürdig.

    Jede andere Einschätzung ist realitätsfremd.

    Danke gleichfalls.

    Jeder ähnlich einfältige Versuch Beschneidungen zu legitimieren wird an der verfassungsfeindlichkeit des Anliegens scheitern.

    Ich finde das schlecht, weil die bisherigen Gesetze völlig ausreichend waren und mit diesem neuen Gesetz die Religionen über die Gesundheit von Kinder bestimmen können – was nach der bisherigen Auslegung von Grundgesetz und Gesetz nicht der Fall war.

    Eine Auslegung des Grundgesetzes fand bislang nicht statt, weil kein Fall vor Gericht gebracht wurde, und Diskussionen bislang rein akademisch waren. In diesen wird aber schon lange bejaht, dass es sich um gefährliche Körperverletzung handelt.

    Diese kann auch nicht einfach durch ein popeliges Gesetz an die Seite gedrängt werden. Ich glaube, wer das meint, der hat den Schuß nicht gehört.

    Das Thema ist jetzt auf dem Tisch, und eine aufgeklärte Diskussion kann nur die Abschaffung der Barbarei zum Resultat haben. Es wird Kreise ziehen, und die Folge wird sein, dass auch andere Staaten ihre Gesetze auf den Prüfstand stellen.

    Je länger die Diskussion andauert, um so besser.

    denn wie ich mehrfach wiederholt habe, ist die Beschneidung automatisch nach geltendem Recht strafbar, wenn sie nicht dem Wohl des Kindes dient.

    Aber gleichzeitig behauptest Du, dass jede Beschneidung automatisch-statistisch dem Kindeswohl dient, weshalb es auf eine medizinische Untersuchung nicht ankommt, oder das Alter, in dem sie vorgenommen wird. Ebenso spielen die Risiken Dir zufolge keine Rolle?

    Es steht ja nun nicht zu unserer Disposition, ob Fälle vor’s Gericht kommen oder nicht, aber ich finde es richtig, dass es möglich ist, dass Kinder die eigenen Eltern wg. Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung anzeigen können, wenn sie erwachsen sind.

    Wenn die Eltern so gewiß sind, dass alles zum Kindeswohl geschieht, dann sollen sie es riskieren – die Kinder werden sie doch kaum anzeigen, wenn es ihnen doch so unzweifelhaft zu Gute kommt, esslöffelweise!

    Was haben Sie an dieser Argumentation auszusetzen?

    Im Zuge der AIDS-Diskussion der 80er, der 90er und der 00er Jahre hat mir noch nie ein Mensch empfohlen ich soll mich beschneiden lassen. Weder zusätzlich, noch exklusiv. Noch hat je wer gefragt, ob ich vielleicht beschnitten bin, so dass eine Gefährdung quasi ausgeschlossen sei.

    Das macht doch offensichtlich, dass es sich um eine bis ins Mark verlogene Heuchelei handelt! Nie wird die Beschneidung bei Erwachsenen als hilfreich in der AIDS-Prävention erwähnt, aber wenn es darum geht windige Erklärungen für die Verstümmelung von Kindern – ich wiederhole: von Kindern! – zu finden, dann packt man die AIDS-Gefahr aus?

    Für wie doof sollen wir gehalten werden?

    Um abschließend nochmal auf eine frühere Frage zurückzukommen:

    Die Frage ist nur, ob es das Ziel eines Urteils sein sollte irgendwelche Gruppierungen zu stärken/schwächen – ich denke nein.

    Wenn man an den Zuständen, dass kleine Kinder gefahrlos verstümmelt werden dürfen etwas ändern will, dann führt kein Weg daran vorbei, dass man Gruppierungen schwächt und stärkt.

    Und zwar sind es, um das Kind beim Namen zu nennen, orthodoxe Gruppen, die den Buchstaben ihrer Religion über das Menschenwohl stellen, die geschwächt werden sollen, und von mir aus empfindlich geschwächt werden sollen. Nicht durch das einzelne Urteil, aber im Zuge dieses Urteils durch den Erkenntnisprozeß, der durch die Diskussionen, die das Urteil ausgelöst hat und auslösen wird.

    Religionen, die sich sonst nicht schämen, als Kern und Wurzel der Moral und Ethik aufzutreten.

  94. #95 Dagda
    18. Juli 2012

    @ Bitiu
    sind sie in der lage ihren eigenen Text zu verstehen?

    ber ich muss auch sagen, dass “Beiträge” (sehr höflich gesprochen) wie eben von “Wolf” oder zuvor von anderen (mit grotesken Fehletikettierungen — “Amputation”, “Verstümmelung” — und absurden Vergleichen — Brüste amputieren, Harnwege entfernen) eine vernünftige Diskussion nicht nur erschweren, sondern von vorneherein ausschleßen.

    Eine Zircumzision ist eine Amputation (Wikipedia:”Als Amputation (lat. amputatio) wird die Abtrennung eines Körperteils bezeichnet.” und eine Verstümmmelung (Wikipedia:”Verstümmelung (alternative Schreibweise: Verstümmlung, lat.: mutilatio) bezeichnet die als nachteilig bewertete, radikale Veränderung der Gestalt durch äußere Einwirkung”)

    Als seltener Gast bei scienceblogs darf ich vielleicht die Anwesenden daran erinnern, dass der hier grassierende Brachial-Atheismus nicht von der Mehrheit der Bevölkerung draußen im Lande geteilt wird. Sicher würde eine heute durchgeführte bundesweite Umfrage eine 2:1-Mehrheit kontra Beschneidung ergeben. Aber erstens ist die repräsentative Demokratie noch nicht abgeschafft.

    Einerseits zählt die Mehrheit aber andererseits auch nicht? was den jetzt?

    Bedanken können wir uns für die Notwendigkeit, diesen unerfreulichen Schritt zu gehen, bei den Fundamentalatheisten

    Meinen sie mit Fundamentalatheisten Menschen die, die Grundrechte für Wichtig halten und den großteil der deutschen Ärzteschaft?

    Sie werden im Internet recherchieren, auch Ärzte befragen, und viele von ihnen werden zu dem Entschluss kommen, ihre männlichen Kinder prophylaktisch beschneiden zu lassen. Warum soll ihnen verwehrt bleiben, was den meisten Amerikanern gleich welchen Glaubens Vorteile bringt? Falls die kommende Gesetzesänderung ausschließlich auf religiöse Gründe abzielt, wird es spätestens in ein paar Jahren eine weitere Novellierung geben, die die Beschneidung allen Bevölkerungsschichten zugänglich macht — die Deutschen werden nicht hinnehmen, dass es dieses Sonderrecht nur für Angehörige zweier Religionen geben soll.

    Weil ein Großteil der deutschen Kinderärzte Beschneidungen ablehnt?
    Und schon jetzt können Eltern ihre Kinder beschneiden lassen, wenn es den einen guten medizinischen Grund dafür gibt.

  95. #96 Wolf
    18. Juli 2012

    Oder das:

    Hat sich eigentlich niemand bisher gefragt, was mit den abgeschnippelten Vorhäuten passiert? Nein?
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2684073/

  96. #98 Joseph Kuhn
    18. Juli 2012

    @ bitui:

    “Leider haben sich die meisten Diskutierer nicht die Mühe gemacht, die von “Physiker” verlinkten Aufsätze bzw. deren Abstracts zu lesen. Insbesondere der zweite Link ist so überzeugend, dass die Debatte über medizinisches Für und Wider eigentlich schon entschieden ist, und zwar pro Beschneidung.”

    Leider ist die Sache nicht so einfach. Ein Link alleine, auch wenn es ein Review ist, liefert in diesem Fall noch keine ausreichende Evidenz. Allein bei Pubmed findet man zum Stichwort “infant male circumcision” 1.562 Publikationen, darunter eine ganze Reihe von Reviews. Man müsste die einschlägigen Publikationen und andere relevante Informationsquellen sichten und das Material systematisch auf die hier verhandelte Thematik hin auswerten. Unter Einbezug ethischer und juristischer Aspekte könnte man dann, wie von “Physiker” oben angesprochen, eine an einer Abstufungsreihe orientierte Bewertung der Beschneidung vornehmen. Im Moment scheint es mir, als käme das ganze Defizit einer vernünftigen Abwägung des Für und Wider in der öffentlichen Diskussion erst langsam zum Vorschein – das geht mir übrigens nicht anders – was zeigt, dass eine ausführliche Debatte nötig ist und keine politischen Schnellschüsse.

  97. #99 bitiu
    18. Juli 2012

    “Steiner”, ich würde Ihnen und Ihren Brüdern im Geiste ja sagen, dass Sie sich schämen sollten, befürchte aber, dass Sie aufgrund Ihrer derzeitigen Verrohung dazu gar nicht fähig sind.

    Eine beidseitige Mastektomie bedeutet einen Behinderungsgrad von 40 Prozent, künstliche Harnableitung 30 bis 80 Przent Behinderung. Eine nicht vorhandene Vorhaut zählt noch nicht einmal als einprozentige Behinderung.

    Vielleicht denken Sie ja doch einmal daran, was Sie in Ihrer Rücksichtslosigkeit Leserinnen und Lesern antun, deren ganz erhebliche Leiden und Einschränkungen Sie derart für Ihre Zwecke missbrauchen.

    So, das war’s. Ich hatte ohnehin nicht die Hoffnung, hier etwas bewirken zu können. Immerhin können Soziologie-Diplomanden kommender Jahrhunderte erkennen, dass nicht alle so waren wie “Steiner” und “Wolf”.

  98. #100 Stefan W.
    18. Juli 2012

    Hier noch ein kleiner Strauß an guten Gründen, wieso man seinen Sohn beschneiden soll, nein muss!

    • Ge 17:11 eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch.
    • Ge 17:14 Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.
    • Ge 17:23 Da nahm Abraham seinen Sohn Ismael und alle Knechte, die im Hause geboren, und alle, die gekauft waren, und alles, was männlich war in seinem Hause, und beschnitt ihre Vorhaut an eben diesem Tage, wie ihm Gott gesagt hatte.
    • Ge 17:24 Und Abraham war neunundneunzig Jahre alt, als er seine Vorhaut beschnitt.
    • Ge 17:25 Ismael aber, sein Sohn, war dreizehn Jahre alt, als seine Vorhaut beschnitten wurde.
    • Ex 4:25 Da nahm Zippora einen scharfen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut und berührte damit seine Scham und sprach: Du bist mir ein Blutbräutigam.
    • Jer 4:4 Beschneidet euch für den HERRN und tut weg die Vorhaut eures Herzens, ihr Männer von Juda und ihr Leute von Jerusalem, auf dass nicht um eurer Bosheit willen mein Grimm ausfahre wie Feuer und brenne, sodass niemand löschen kann.
    • Jer 9:24 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich heimsuchen werde alle, die an der Vorhaut beschnitten sind,

    Die erste Stelle verdient wohl eine Würdigung in Gänze:

    (Gen 17)
    1 Als nun Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm der HERR und sprach zu ihm: Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm. 2 Und ich will meinen Bund zwischen mir und dir schließen und will dich über alle Maßen mehren. 3 Da fiel Abram auf sein Angesicht. Und Gott redete weiter mit ihm und sprach: 4 Siehe, ich habe meinen Bund mit dir, und du sollst ein Vater vieler Völker werden. 5 Darum sollst du nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham soll dein Name sein; denn ich habe dich gemacht zum Vater vieler Völker. 6 Und ich will dich sehr fruchtbar machen und will aus dir Völker machen und auch Könige sollen von dir kommen. 7 Und ich will aufrichten meinen Bund zwischen mir und dir und deinen Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht, dass es ein ewiger Bund sei, sodass ich dein und deiner Nachkommen Gott bin. 8 Und ich will dir und deinem Geschlecht nach dir das Land geben, darin du ein Fremdling bist, das ganze Land Kanaan, zu ewigem Besitz und will ihr Gott sein. 9 Und Gott sprach zu Abraham: So haltet nun meinen Bund, du und deine Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht. 10 Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; 11 eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. 12 Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Desgleichen auch alles, was an Gesinde im Hause geboren oder was gekauft ist von irgendwelchen Fremden, die nicht aus eurem Geschlecht sind. 13 Beschnitten soll werden alles Gesinde, was dir im Hause geboren oder was gekauft ist. Und so soll mein Bund an eurem Fleisch zu einem ewigen Bund werden. 14 Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat. 15 Und Gott sprach abermals zu Abraham: Du sollst Sarai, deine Frau, nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara soll ihr Name sein. 16 Denn ich will sie segnen, und auch von ihr will ich dir einen Sohn geben; ich will sie segnen, und Völker sollen aus ihr werden und Könige über viele Völker. 17 Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden, und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären? 18 Und Abraham sprach zu Gott: Ach dass Ismael möchte leben bleiben vor dir! 19 Da sprach Gott: Nein, Sara, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, den sollst du Isaak nennen, und mit ihm will ich meinen ewigen Bund aufrichten und mit seinem Geschlecht nach ihm. 20 Und für Ismael habe ich dich auch erhört. Siehe, ich habe ihn gesegnet und will ihn fruchtbar machen und über alle Maßen mehren. Zwölf Fürsten wird er zeugen und ich will ihn zum großen Volk machen. 21 Aber meinen Bund will ich aufrichten mit Isaak, den dir Sara gebären soll um diese Zeit im nächsten Jahr. 22 Und er hörte auf, mit ihm zu reden. Und Gott fuhr auf von Abraham. 23 Da nahm Abraham seinen Sohn Ismael und alle Knechte, die im Hause geboren, und alle, die gekauft waren, und alles, was männlich war in seinem Hause, und beschnitt ihre Vorhaut an eben diesem Tage, wie ihm Gott gesagt hatte. 24 Und Abraham war neunundneunzig Jahre alt, als er seine Vorhaut beschnitt. 25 Ismael aber, sein Sohn, war dreizehn Jahre alt, als seine Vorhaut beschnitten wurde. 26 Eben auf diesen Tag wurden sie alle beschnitten, Abraham, sein Sohn Ismael 27 und was männlich in seinem Hause war, im Hause geboren und gekauft von Fremden; es wurde alles mit ihm beschnitten.

    Das sind alles Argumente – vielleicht keine guten Argumente, aber gut abgehangene Argumente.

    Man sieht leicht wie ahistorisch es ist, mit medizinischer Indikation zu argumentieren. Die Amputation ist ein Symbol, ein mit Blut unterzeichneter Vertrag. Und weil es so ein schmerzlicher Verlust ist ist das Opfer gezwungen anzunehmen, es hätte die Vorhaut gegen etwas wertvolles getauscht um nicht als Verlierer und Idiot dazustehen.

    Von uns verlangen die Verlierer und Idioten nun das Spiel mitzuspielen, und ihnen zu versichern, dass sie weder Idioten noch Verlierer sind. Damit sie ihre Illusion aufrechterhalten können sollen wir jetzt rumeiern mit medizinisch fragwürdigem, um uns einzureden, es geschähe zum Wohle des Kindes – sie selbst wollen natürlich nicht den Glauben ablegen, dass es ein blutiges Opfer ist. Sie wollen nicht unterschiedslose Prophylaxe, sondern sie wollen sich gerade durch die Beschneidung der Vorhaut von den Ungläubigen abgrenzen.

    Niemand zwingt mich, den Schwachsinn Vernunft zu nennen

  99. #101 Wolf
    18. Juli 2012

    @bitiu:”[…]So, das war’s. Ich hatte ohnehin nicht die Hoffnung, hier etwas bewirken zu können. Immerhin können Soziologie-Diplomanden kommender Jahrhunderte erkennen, dass nicht alle so waren wie “Steiner” und “Wolf”.[…]”

    https://video.google.com/videoplay?docid=8212662920114237112

    Ich HOFFE, das zukünftige Generationen sehen, das nicht alle so teilnahmslos, herzlos und brutal sind, wie Sie und und der Physiker.

  100. #102 Dagda
    18. Juli 2012

    @ Bitui
    Ich kann meine Frage nur wiederholen:
    Verstehen sie was sie lesen?
    Es geht bei den von ihnen Verlinkten Zahlen erstmal nicht um einen Grad der Behinderung oder überhaupt eine Behinderung.

  101. #103 SethSteiner
    18. Juli 2012

    Der Penis ist ein Geschlechtsorgan, der sensible Bereich ist vor allem die Eichel und die Vorhaut. Nehmen wir beides als 100% geht mit der Vorhaut schon mal 50% verloren. Nun verliert die Eichel die Schleimhaut, die vor diversen Umwelteinflüssen (inkl. Krankheiten schützt), trocknet aus und stumpft ab. Was haben wir dann noch? 30%? 20%? Mehr braucht man zu dem Thema eigentlich kaum noch zusagen. Es spielt gar keine Rolle ob jemand der beschnitten ist als behindert gilt oder nicht, Verstümmelung ist Verstümmelung und von 100% Empfindungsfähigkeit auf unter 50 runtergesetzt zu werden.. nun das ist ziemlich verstümmelt.

  102. #104 Wolf
    18. Juli 2012

    @Dagda:
    Ist verschwendete Energie. Es gibt Menschen, die verstehen Analogien nicht einmal dann, wenn man sie damit verprügelt.

  103. #105 Dagda
    18. Juli 2012

    @ Seth Steiner
    So schlimm ist eine Beschneidung nun auch nicht, aber und das ist ein großes aber, es gibt keinen guten medizinischen Grund sie regelhaft durchzuführen oder sie aus religiösen Gründen durchzuführen

  104. #106 SethSteiner
    19. Juli 2012

    Na ja, inwiefern ist sie so schlimm nicht? Das was ich geschrieben hat ist ja pure Biologie, keine Ansichtssache. Wenn ich 100% Arme habe, dann den rechten amputiere, habe ich nur noch fünfzig Prozenz und wenn ich dann noch.. mmmh, sagen wir den Daumen amputiere, sind es in jedem Fall unter fünfzig Prozent. So ist es auch mit der Beschneidung. Inwiefern könnte es denn nicht so sein? Es ist ja nicht so als könnte sich irgendwas regenerieren.

  105. #107 CM
    19. Juli 2012

    Sicher würde eine heute durchgeführte bundesweite Umfrage eine 2:1-Mehrheit kontra Beschneidung ergeben.

    Spannend: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/umfrage-beschneidungsverbot-entzweit-deutsche-a-845208.html

    Natürlich kann man über die Methodik und Aussagekraft solcher Befragungen heiß diskutieren, aber zeigt es nicht doch, daß der Meinungsbildungsprozeß bislang zumindest nicht ganz so eindeutig ist oder gar abgeschlossen ist?

    Ich jedenfalls finde – wie die meisten hier – gut, daß es überhaupt zu einer gesellschaftlichen Diskussion kommt. Und in den hier bei SB erörterten Abwägungen kann ich beileibe keine “Religionshasserei” erkennen.

  106. #108 winni
    19. Juli 2012

    @bitiu

    Als seltener Gast bei scienceblogs darf ich vielleicht die Anwesenden daran erinnern, dass der hier grassierende Brachial-Atheismus nicht von der Mehrheit der Bevölkerung draußen im Lande geteilt wird.

    Als seltener Gast bei scienceblogs darf ich vielleicht Sie daran erinnern, dass die Mehrheit der Bevölkerung weiß und schätzt, dass sie in einem säkularen Staat lebt.

    @Joseph Kuhn

    Mich irritiert, wie schnell die Politik diese Debatte beenden will, statt sie gründlich zu führen, obwohl viele Fakten zu diesem Thema erst jetzt zusammengetragen werden.

    Das ist ganz und gar nicht irritierend, wenn man erkennt, dass es nur um den reinen Machterhalt geht.

    @Physiker

    So empfindlich ist die Vorhaut gar nicht – das ist reine Mystifizierung.

    Sagt wer? Sie? Dann glauben wir das natürlich sofort! Ganz besonders jemandem, der in der Diskussion bei lawblog und Freistetter schon abgeloost hat. Wie peinlich soll’s noch werden?

  107. #109 georg
    19. Juli 2012

    @Joseph Kuhn· 16.07.12 · 08:24 Uhr

    Die ausführliche öffentliche Diskussion ist aber notwendig, um in diesem Fall durch Gesetz Rechtsfrieden zu schaffen.

    Die Vorstellung, dass eine ausführliche öffentliche Diskussion Rechtsfrieden schaftt setzt voraus, dass sich alle Seiten darüber einig sind, dass über das betreffende Thema eine rationale Argumentation möglich ist, dass es einen rechtlichen Rahmen (Verfassung) gibt, der von allen Seiten akzeptiert wird und dass die, nach einer offenen Diskussion, sich ergebende Mehrheitsentscheidung auch von allen Seiten akzeptiert wird.

    Speziell bei religiösen Themen aber sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Was den einen höchste göttliche Pflicht ist, ist den anderen schlimmste todeswürdige Gotteslästerung. Daher ist im ungünstigsten Fall zu befürchten, dass eine offen Diskussion zwischen unterschiedlichen religösen Vorstellungen nicht zum Rechtsfrieden führt, sondern, ganz im Gegenteil, eskaliert.

    So gesehen macht es schon Sinn, dass die Politik auf die Schnelle neue Gesetze durchdrückt, offenkundig gerade auch mit dem Ziel die Diskussion um das Thema möglichst schnell zum Versiegen zu bringen.

    mfg georg

  108. #110 Stefan W.
    19. Juli 2012

    Ob die Diskussion und wie zum Versiegen gebracht wird kann heute anbebl. live auf Phoenix ab 16:40 Uhr verfolgt werden.

    Möge das bessere Argument nicht nur siegen, sondern auch gebracht werden!

  109. #111 Wichser
    19. Juli 2012

    Ich kann jedem garantieren, dass ich es als hochprozentige Behinderung empfinden würde, wenn mich jemand um das gleitcremefreie Onanieren brächte.

  110. #112 Joseph Kuhn
    19. Juli 2012

    @ winni: “Nur um den reinen Machterhalt” – so hart würde ich es nicht formulieren. Bei vielen, die sich jetzt zu Wort melden, geht es um Macht, bei vielen aber durchaus um so etwas wie religiöse Identität, allerdings eine unaufgeklärte religiöse Identität. Die Frage ist, wieviel Schutz ein liberaler Staat auch solchen Einstellungen auf Kosten der körperlichen Unversehrtheit der Kinder gewähren darf, des Weiteren, ob damit die Sache erledigt ist, oder ob es nicht nötig wäre, dem Projekt der Aufklärung hier etwas Rückenwind zu geben und die Religionsgemeinschaften zu drängen, sich nach und nach von magischen Denkweisen wie der Beschneidung als Ausdruck des Bundes mit Gott zu lösen. Solche Denkweisen gibt es übrigens auch im Christentum, z.B. bei der “Transsubstantiation”, also dem Glauben, dass sich in der Messe tatsächlich Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi verwandeln und es sich nicht nur um einen symbolischen Akt handelt. Nur geht der Glaube an die Wirklichkeit der Wandlung nicht auf Kosten der körperlichen Unversehrtheit von Kindern.

    @ georg: Aus wessen Sicht macht es Sinn, eine politische Regelung schnell durchzudrücken, weil sonst die Diskussion eskalieren könnte? Und was ist das für ein Demokratieverständnis? Wenn ein Teil der Bevölkerung partout meint, ohne Beschneidung sei der Bund mit Gott durchtrennt, wird man damit umgehen müssen, wie, das sollte auch diskutiert und nicht einfach festgelegt werden. Wenn zwei Seiten unvereinbare Wahrheitsansprüche vertreten, kommt es darauf an, einen Weg zu finden, in Frieden statt in der Wahrheit zu leben, um eine Formulierung zu gebrauchen, die, glaube ich, von Ernst-Wolfgang Böckenförde stammt. Einfacher formuliert: Dann muss wohl eine Seite gegen ihre innerste Überzeugung nachgeben, um des Friedens willen. Aber nicht vorschnell. Man kommt hier an Fragen, die das Verhältnis von Religion und säkularem Staat insgesamt berühren, das war nie einfach.

  111. #113 Physiker
    19. Juli 2012

    @Joseph Kuhn:
    Gegen Ihre Punkten1 und 2 habe ich nichts einzuwenden. Wenn man den Risiken mehr Gewicht gibt, und z.B. bereits ein Todesfall bei 1 Mio. Beschneidungen zu schwerwiegend ist um die ca. hundert bis tausend vermiedenen Todesfälle (grob geschätzt laut Review) zu rechtfertigen, dann ist das ein vertretbarer Standpunkt. Mit diesem Argument (dass das Risiko zu hoch ist) kann man eine persönliche Entscheidung bestens begründen. Allerdings sehe ich nicht, wie durch ein gesteigertes Risikobewusstsein, eine Massnahme die in der Bilanz Vorteile bringt als so schädlich für das Kind gewertet werden kann, dass sie verboten werden muss.

    sie [Anm.: die Religionsgemeinschaften] heben auf die Erlaubnis aus rituellen Gründen ab […]

    Beziehen Sie sich hier auf den FAZ-Artikel? Wenn ja, stimme ich Ihnen voll zu. Es war mir nur wichtig, zu betonen, dass die Einwilligung immer noch von den Eltern ausgeht. Und die Eltern müssen sich ja nicht die von Religionsgemeinschaften vorgegebenen Gründe zu eigen machen.

  112. #114 Stefan W.
    19. Juli 2012

    Aus wessen Sicht macht es Sinn, eine politische Regelung schnell durchzudrücken, weil sonst die Diskussion eskalieren könnte?

    Die PDS hat heute im Bundestag den Vorschlag gemacht das Gesetzesvorhaben in die Ausschüsse: 1) … & Kultur, 2) Medizin/Gesundheit 3) Jura, Recht und Grundrechte (alle aus dem Gedächtnis benannt – die Namen stimmen nur sinngemäß) zu überweisen, also sich die Zeit für eine aufgeklärte Entscheidung zu nehmen.

    Das wurde natürlich niedergestimmt von all jenen, die sich nicht wirklich mit der Materie befassen wollen, sondern schnellstmöglich in das nächstgelegene, warme Dings hineinkriechen möchten, ohne sich einen Kopf um die Fakten zu machen.

  113. #115 winni
    19. Juli 2012

    @Physiker
    Die Zahlen überzeugen 1. immer noch nicht und 2. gehen sie weiterhin am Punkt vorbei: nur weil durch die Verstümmelung Krankheiten vorgebeugt werden könnte, ist sie immer noch nicht sinnvoll. Man kann sich auch eine Auge ausstechen, um nie am grauen Star zu erkranken. Sinnvoll ist was anderes.

  114. #116 Wurgl
    19. Juli 2012

    Jetzt wollen die ein Gesetz durchboxen. Ein Gesetz, dass Beschneidung aus religiösen Gründen erlaubt.

    Ich hab da ein Problem mit dem Verständnis des Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes. Dort steht, dass niemand wegen (…) seiner religiösen (…) Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

    Jetzt mal vollkommen egal ob die Beschneidung ein Vorteil oder ein Nachteil ist, irgendwas wird es schon sein und das Gegenteil für diejenigen, die genau jene religiösen Gründe nicht anführen können. Schlicht und einfach: Es ist eine Ungleichbehandlung und diese soll der Artikel 3 ausschließen.

    Oder darf ein jedes Elternteil (oder -paar) dann eine jede Art von “Schönheits”operation anordnen, bei einem penisfixiertem Gesetz wären ja Mädchen entweder benachteiligt oder bevorzugt und das Geschlecht wird in Artikel 3 ja ebenfalls als Ausschlussgrund für eine Ungleichbehandlung aufgeführt. Daher kann so ein Gesetz möglicherweise nur Bestand haben, wenn alles erlaubt wird.

    Interessant noch, dass in Artikel 3 kein Zusatz wie “In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden” zu finden ist. Also gibts da möglicherweise noch ein Problem.

    Ach so: Das Grundgesetz regelt das Verhältnis von Staat zu Bürger und somit unter anderem den Spielraum der Gesetzgebung. Mir ist schon klar, dass die eigentlich “Tat” nichts mit dem Grundgesetz selbst zu tun hat, die hat nur etwas mit dem Spielraum des Gesetzgebers zu tun.

    Aber ich bin kein Jurist, ich bin nicht mal Deutscher Staatsbürger, ich wohne nur hier. Ich hab bei Gesetzestexten wohl zu wenig Ahnung.

  115. #117 Physiker
    19. Juli 2012

    @Stefan W.:

    Ich würde Mohel eher mit Medizinmann übersetzen.

    Übersetzen Sie es, wie Sie wollen, aber laut Wikipedia ist der Mohel “im Allgemeinen ein Arzt”. Und wenn es kein Arzt ist, dann macht er/sie sich in Deutschland strafbar (und zwar unabhängig von Kölner Urteil).

    Ich argumentiere […] für die jüdischen und muslimischen Kinder, die so vor einer Verstümmelung geschützt werden können.

    Das ist voreilig – denn was eine Verstümmelung ist, bestimmt die medizinische Forschung und nicht Sie. Indem Sie sich über die Fachliteratur erheben, treten Sie die evidenzbasierte Medizin mit Füssen.

    Wir lehnen Verstümmelungen per Gießkanne ab. Weil wir das Kindeswohl im Auge haben.

    D. h. die WHO propagiert Ihrer Meinung nach Verstümmelung und hat nicht das Kindeswohl im Auge? Klingt für mich nach einer typischen Verschwörungstheorie.

    Dass 30% aller Männer durch eine Beschneidung um eine ansonsten fällige Erkrankung herumkommen halte ich für maßlos übertrieben und unglaubwürdig.

    Laut dem zitierten Review sind es 50% und nicht 30%. Und was Sie für masslos übertrieben halten, interessiert die Fachliteratur nicht die Bohne.

    Jeder ähnlich einfältige Versuch Beschneidungen zu legitimieren wird an der verfassungsfeindlichkeit des Anliegens scheitern.

    Ich werde Sie an diesen Käse erinnern, wenn das Gesetz verabschiedet wurde. Abgesehen davon empfehle ich Ihnen die Lektüre unseres Grundgesetzes, in dem ausdrücklich steht:

    Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

    Wie kann also ein Gesetz, das in die körperliche Unversehrtheit eingreift verfassungsfeindlich sein, wenn es ausdrücklich laut Verfassung erlaubt ist?

    Für wie doof sollen wir gehalten werden?

    Jedenfalls ausreichend um das Grundgesetz nicht zu verstehen.

  116. #118 Joseph Kuhn
    19. Juli 2012

    Hier ist Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP “Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen”, der heute durch den Bundestag ging:
    https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/103/1710331.pdf

  117. #119 Physiker
    19. Juli 2012

    @Dagda:

    Weil ein Großteil der deutschen Kinderärzte Beschneidungen ablehnt?

    Und was schliessen Sie daraus, wenn ein Grossteil der deutschen Kinderärzte Homöopathie und Akkupunktur verbreitet? Relevant ist immer noch die Fachliteratur und nicht irgendeine Umfrage.

  118. #120 Physiker
    19. Juli 2012

    @winni:

    Die Zahlen überzeugen 1. immer noch nicht

    Welche Anforderungen müssten Ihrer Meinung nach erfüllt werden? Und welche medizinische Massnahme bliebe dann noch übrig, wenn man Ihre Kriterien zum Standard erhebt?

    nur weil durch die Verstümmelung Krankheiten vorgebeugt werden könnte, ist sie immer noch nicht sinnvoll. Man kann sich auch eine Auge ausstechen, um nie am grauen Star zu erkranken.

    Die Abwägung in diesem Fall ist doch sehr leicht: Das ausgestochene Auge führt zu sofortiger Erblindung, der eventuelle graue Star möglicherweise sehr viel später. Ergo ist diese Massnahme gesundheitlich von Nachteil. Bei der Beschneidung erfordert die Beurteilung aber sehr viel mehr Fachkenntnis. Es ist sogar umstritten, ob die Vorhaut ein Rudiment ist.

  119. #121 Stefan W.
    20. Juli 2012

    Übersetzen Sie es, wie Sie wollen, aber laut Wikipedia ist der Mohel “im Allgemeinen ein Arzt”. Und wenn es kein Arzt ist, dann macht er/sie sich in Deutschland strafbar (und zwar unabhängig von Kölner Urteil).

    Keine Panik, lieber Physiker – von jemandem der sich Physiker nennt nehme ich an, dass er prinzipiell willens und in der Lage ist einfachste Fragen der Logik und der Mengenlehre zu begreifen.

    Wenn ein Mohel im Allgemeinen ein Arzt ist, dann heißt das, dass er nicht notwendig ein Arzt ist.

    Nicht alle Mohels sind Ärzte (und auch nicht jeder Arzt ein Mohel) – es gibt also weder eine Identitätsbeziehung, noch eine echte Teilmengenbeziehung, sondern lediglich eine vage bezeichnete Schnittmenge.

    Es ist mehr so wie mit Briefträger und Raucher.

    Bei Muslimen ist es m.W. genauso. Dort sind sogar Betäubungen verpönt, weil die Schmerzen als integraler Teil des Ritus begrüßt werden.

    Und wenn es kein Arzt ist, dann macht er/sie sich in Deutschland strafbar (und zwar unabhängig von Kölner Urteil).

    Für diese überraschende und unbegründete Behauptung gibt es nun nicht das kleinste Indiz. Dürfen wir wohl erfahren wie es kommt?

    Ich würde viel mehr im Gegenteil behaupten, dass gerade ein Arzt sich strafbar macht, denn es verletzt ja seinen Hipokratischen Eid – eine nervige, humanitäre, fundamentalistisch-religionsfeindliche Errungenschaft.

    Das ist voreilig – denn was eine Verstümmelung ist, bestimmt die medizinische Forschung und nicht Sie.

    Wieder falsch. Was eine Verstümmelung ist, das ist längst definiert, und bedarf keiner Forschung. Wird ein Körperteil abgetrennt, dann wird es verstümmelt – was wollen Sie da erforschen? Mit Theologen vielleicht, , die es umdeklarieren als Geschenk Gottes, wie kürzlich gehört. Unwissenheit ist Macht.

    Ich verstehe nicht, wie Du nach der bisherigen Debatte weiterhin auf Beschneidung im Babyalter zur AIDS-Prävention linken kannst:

    WHO/UNAIDS recommendations emphasize that male circumcision should be considered an efficacious intervention for HIV prevention in countries and regions with heterosexual epidemics, high HIV and low male circumcision prevalence.

    In welchem Teil Deutschlands glaubst Du von “regions with heterosexual epidemics” reden zu können?

    Von dieser Qualität ist Deine Argumentation?

    Oder sprechen wir vielleicht von der UN Kinderrechtskonvention?

    § 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention). Danach haben die Vertragstaaten „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen (zu treffen), um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen“.

    Laut dem zitierten Review sind es 50% und nicht 30%.

    Ja, da sind die besagten Phimoseerkrankungen dabei, die zweifelsohne geheilt werden können, und nicht so selten sind, die aber auch oft selbst auswachsen, und ergo dieser Heilung gr nicht bedurften, als auch wird unterschlagen, dass die meisten davon mit Salben viel sicherer und besser behandelt werden könnten – ohne Trauma und Narkoserisiken, wie auch mit geringern Infektionsrisiken.

    Das macht die Gesamtschau so wertlos, wie auch das Einrechnen von Erkrankungen die generell erst passieren, nachdem man ein Alter erreicht hat, in dem man selbst in eine Operation einwilligen könnte.

    Es ist also eine Milchmädchenrechnung, ein Bauerntrick, und schmeckt wie faules Wasser – aber Ihnen mundet es wohl. Na wohl bekomm’s.

    Außerdem ist es natürlich verlogen, weil das wahre Motiv ja nicht die Gesundheitsvorsorge ist, sondern religiöse Begründungen mit Tradition, Pflicht und Gruppenterror, der dann noch als soziale Wohltat (das Kind ist ein vollwertiges Mitglied und wird nicht ausgegrenzt, wenn es richtig und fachgerecht verstümmelt ist) – Krieg ist Frieden – verbrämt wird.

    Dem muslimischen Glauben nach ist die Beschneidung besser, wenn das Opfer nicht narkotisiert wird. Das Trauma, so scheint es, wird hier nicht dem Zufall überlassen, sondern gezielt angestrebt. Was für eine verlogene Art ist es, hier das Kindeswohl anzuführen.

    Es hat die Religionen Jahrtausende nicht bekümmert, was der medizinische Nutzen einer solchen Operation sein soll – jetzt, da ihr barbarisches Treiben in den Fokus der Justiz gerät, und die Gesellschaft nicht mehr bereit ist stillschweigend wegzuschauen wird mit Statistiken herumgetrickst, dass es der unreinen Sau graust.

    Freiheit ist Sklaverei!

    Wie kann also ein Gesetz, das in die körperliche Unversehrtheit eingreift verfassungsfeindlich sein, wenn es ausdrücklich laut Verfassung erlaubt ist?

    Physiker! Es besteht noch Hoffnung!

    Hier ist mal wirklich eine gute Frage, deren Antwort nicht trivial ist. Als Nicht-Jurist erkläre ich mir das so:

    Die Grundrechte sind unmittelbar bindendes Recht. in diese darf überhaupt nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

    Das bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber frei ist beliebige Gesetze zu erlassen, die dieses Grundrecht beschneiden oder gar letztlich abschaffen.

    Es kann überhaupt nur eingegriffen werden um ein anderes, vergleichbar hochrangiges Recht zu schützen, welches mit jenem in Konflikt tritt. Der Eingriff muss angemessen sein, und der Eingriff muss geeignet sein, um jenes andere Recht zu erreichen.

    Jetzt ist die Frage, welches andere Recht hier in Frage kommt. Die Religionsfreiheit ist genannt worden, aber meist wird dabei kurzgeschlossen nicht auf die Freiheit sich zu einer Religion zu bekennen – dies ist den Eltern natürlich unbenommen – sondern die Religionsausübung kann hier allenfalls betroffen sein. Auch nur die der Eltern – nicht die des Kindes. Jenes hat sich ja noch gar nicht frei zu einer Religion bekannt.

    Die Zeiten da sich alle Kinder im Fahrwasser der Religion ihrer Eltern einfinden und gar nichts anderes wollen als uniforme Verstümmelung sind aber vorbei. Auch wenn eine große Zahl Kinder sich später dazu bekennen, dass sie mit der Beschneidung einverstanden sind ist zweifelhaft, ob deshalb einer Minderheit, die es nicht sind, eine solche Operation ohne Einwilligung verpaßt werden darf.

    Da der Eingriff unumkehrbar ist, und an einem Körperteil stattfindet, dass für die meisten Menschen in der Wichtigkeit gleich hinter dem Hirn rangiert – teils auch davor, und weil die Operation mit erheblichen Schmerzen, mit großen Traumatarisiken und mit weiteren Risiken für Leib und Leben verbunden ist kann hier keineswegs ein automatisches, implizites Einverständnis jüdischer oder muslimischer Jungen mit dem blutigen Ritus vorrausgesetzt werden.

    Wieso sollten – auch wenn es nur 10% der Kinder sind – diese eine Amputation erdulden, nur weil die Mehrzahl bereit wäre (was erst noch zu ergründen bliebe) sich beschneiden zu lassen?

    Das freie Recht der Eltern als guter Muslim oder guter Jude die eigenen Kinder rasch als der Religion gehörend brandzumarken kann aber nun gar nicht mit dem Recht des Kindes auf Unversehrtheit verrechnet werden. Sonst könnte ich auch von der dt. Bank 100 000 € verlangen, weil mir das so gut tut, und die Bank nicht vernichten wird.

    Wer will, der soll sich beschneiden lassen wenn er erwachsen ist. Andere Leute piercen oder tätowieren sich. Es gibt auch Völker die ziehen ihren Mädchen Messingringe um den Hals, und andere verformen die Unterlippe zum Teller. Man soll kein Volk verurteilen, dass soetwas getan hat, aber in die heutige Zeit passt es nicht hinein.

    Wir haben auch eine Tradition, und die lautet, die körperliche Unversehrtheit des Kindes ernst zu nehmen. Vor 50 Jahren durften Kinder noch zu ihrem Wohl verdroschen werden; auch das war Gebot Gottes aus der Bibel, und auch dafür machten sich viele Wissenschaftler stark.

    Wir können das aber auch aufgeben – nur dann konsequent: Dann auch Mädchenbeschneidung, dann auch feierliche Steinigungen von Ehebrechern, dann wollen wir auch Homosexuelle lynchen. Gott will es.

  120. #122 Stefan W.
    20. Juli 2012

    Sweet child in time.
    Don’t see the line
    The line strong between
    The good and the bad

    Kleiner Nachtrag: Der staubtrockene, und, man würde es doch wünschen: weltanschaulich neutrale Sender Phoenix kündigte die Debatte gestern lt. meinem selbstverfertigtem Transkript so an:

    Ja, meine Damen und Herren, und während heute also die Abgeordneten aus dem Urlaub zurückgeholt wurden, eigentlich für die Nothilfe des Spaniengipfels, (gibt es auch noch) ein anderes Thema. Bei der Gelegenheit aber sollen aber auch gleich um Schadensbegrenzung im eigenen Lande bemüht werden, es geht um den Schaden den das Landesgericht Köln angerichtet hat, als es in einer Einzelfallentscheidung die Beschneidung eines muslimischen Jungen als strafbar eingestuft hat. Das Urteil hat Juden wie Muslime in Deutschland verunsichert. Kanzlerin Angela Merkel alarmierte, und Koalition wie Opposition auf den Plan gerufen, …(Nuscheln)… .

    Phönix, 19.Juli 2012, ca. 18:00
    Audiomitschnitt zum selbst Nachhören wäre vorhanden, und nein, ich weiß nicht wie man richtig transkribiert, falls jmd. Anstoß an den Klammern und Auslassungspunkten nimmt.

    Schaden hat das Urteil angerichtet erfahren wir 2x. Der dumme Zuschauer wird erstmal auf Linie gebracht, bevor die Merkelfregatte in See sticht – nur die allseits gehasste Linksfraktion stellte einen Abtrünnigen Humanisten (pfui, pfui!) gegen den kinderhassenden Mainstream.

    Am schlimmsten – es tut mir leid das sagen zu müssen – war der Grüne Beck, der sich nicht entblödete einen Nazibezug zu konstruieren, in dem die, die heute Juden vor körperlichem Schaden beschützen wollen, und Juden die gleichen Rechte auf körperliche Unversehrtheit zubilligen wollen wie Nichtjuden, als Judenfeindlich denunziert wurden. Ein Tiefpunkt der Debattenkultur, ein allseitiges intellektuelles Versagen, ein trauriges, menschenrechtsfernes Lamento von Spacken.

    Der CDU-Dödel hatte als Hauptsorge, dass Deutschland etwas tun könnte, was man im Ausland nicht so tut, als sei ein humanitärer Fortschritt etwas absolut undenkbares, und als ob aus einer Bescheidenheit sich selbst nicht unbedingt für die Spitze einer wie auch immer gearteten Bewegung zu halten folgern würde, dass man notwendig immer auf der Bremse steht und der letzte ist, als ob man deshalb nicht das erste Land sein dürfte, das einen Fortschritt vollzieht, dessen Notwendigkeit ja wahrlich nicht nur in Deutschland diskutiert wird.

    So wurde gerade unter dem Vorwand einen deutschen Führungsanspruch zu leugnen eine allgemeine Ignoranz demonstriert und ein nationales Dünkel das die gute Miene Lügen strafte – der hässliche Opportunismus, die deutsche Feigheit und der bürokratische Mitläuferhabitus feierte fröhliche Urständ.

    So sieht sie aus, die demokratische Sommerbräune eines verregneten dt. Sommers. Man möchte mit Jon Lord in die Grube fahren.

    The bullet’s flying…

  121. #123 rolak
    20. Juli 2012

    ich weiß nicht wie man richtig transkribiert

    Nur Geduld, Stefan W., alle Bundestagsereignisse werden automatisch transkribiert und veröffentlicht.

  122. #124 Wolf
    20. Juli 2012

    @Physiker:
    Wenn Mohel meist Ärzte sind (ihrer Wikipedia Aussage nach), dann müsste die jüdische Allgemeine nicht Titeln “Eine Frage des Vertrauens – Arzt oder Mohel? Wie ein junges jüdisches Paar einen Beschneider für seinen Sohn sucht” [https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/2244]

    Interessant ist der Artikel auch ob folgender Aussage:”[…]Schon früh hatten sie sich Gedanken über die Beschneidung gemacht: „Wir sind beide überhaupt nicht gläubig und auch keine Mitglieder der jüdischen Gemeinde, aber Shays Vater ist orthodox, ihm ist das sehr wichtig“, sagt Michal Dagan. „Mein Opa hat das, mein Vater hat das und ich auch – das ist einfach eine Tradition“, ergänzt Shay Cohen. Zudem könne es sein, dass sie nach Israel zurückkehrten: „Dann soll mein Sohn nicht anders aussehen als die anderen Kinder im Kindergarten.“[…]”[Quelle wie oben]

  123. #125 winni
    20. Juli 2012

    @Physiker

    Bei der Beschneidung erfordert die Beurteilung aber sehr viel mehr Fachkenntnis.

    die definitiv bei Ihnen nicht vorliegt, wenn man diesen Schwachsinn liest:

    So empfindlich ist die Vorhaut gar nicht – das ist reine Mystifizierung.

    Und selbst wenn auch nur eins davon zuträfe, wäre das immer noch NULL Argumen,t das Kind gegen seinen Willen zu verstümmeln.

  124. #126 georg
    20. Juli 2012

    Physiker· 19.07.12 · 23:48 Uhr

    Die Abwägung in diesem Fall ist doch sehr leicht: Das ausgestochene Auge führt zu sofortiger Erblindung, der eventuelle graue Star möglicherweise sehr viel später. Ergo ist diese Massnahme gesundheitlich von Nachteil.

    Wenn Physiker mal selber lesen würde was er so schreibt und dazu noch darüber nachdenken würde, könnte er es sich und uns ersparen diesen Fred zuzumüllen.
    Warum kann man mit der Beschneidung, sofern keine medizinische Indikation vorliegt, denn nicht bis zu einem einmündigungsfähigen Allter, also z. B. ca. 14 Jahren warten.

    Aber Physiker lebt eh in einem Paralleuniversum. Wenn er mit seiner Einschätzung richtig liegen würde, wäre das Urteil ein Fehlurteil und die Politik hätte es nicht für notwendig befunden die Gesetzeslage zu ändern.

    mfg georg

  125. #127 sol1
    20. Juli 2012

    @ Stefan W.

    Am schlimmsten – es tut mir leid das sagen zu müssen – war der Grüne Beck, der sich nicht entblödete einen Nazibezug zu konstruieren…

    Dafür tobt jetzt ein Shitstorm in Volker Becks Blog:

    https://beckstage.volkerbeck.de/2012/07/19/warum-ich-dem-antrag-rechtliche-regelung-der-beschneidung-minderjahriger-jungen-im-bundestag-zugestimmt-habe/

  126. #128 Physiker
    20. Juli 2012

    @georg:

    Warum kann man mit der Beschneidung, sofern keine medizinische Indikation vorliegt, denn nicht bis zu einem einmündigungsfähigen Allter, also z. B. ca. 14 Jahren warten.

    Kann man schon, aber dann nimmt man auch Nachteile in Kauf. Denn die Beschneidung ist dann um eine Grössenordnung risikoreicher, es bleiben Narben und die Vorteile für das Kind (siehe Review) fallen weg.

  127. #129 s.s.t.
    20. Juli 2012

    Kann man schon, aber dann nimmt man auch Nachteile in Kauf. Denn die Beschneidung ist dann um eine Grössenordnung risikoreicher, es bleiben Narben und die Vorteile für das Kind (siehe Review) fallen weg.

    Blah, blah, blah. Nimm doch endlich mal die zahlreichen Links dazu zu r Kenntniss, die hier und nebenan gepostet wurden, u.v.a.m. https://www.pflegewiki.de/wiki/Komplikationen_der_Beschneidung

    Eine echte Kinderbeschneidung als Video wurde auch schon verlinkt, ein Lehrfilm! Lässt tief darauf schießen, dass das Dir gefällt.

    Und erklär doch bitte mal, was “unvermeidliche/hinnehmbare” Schmerzen sind, und warum man das keinem Hund (auch nicht in Narkose) antun möchte, aber einem Kind. Und gieß das doch bitte in rechtliche Normen. Formulier doch bitte mal so ein Gesetz. Und warum ist eine Ohrfeige schlimmer als eine Beschneidung?

  128. #130 georg
    20. Juli 2012

    @Physiker
    Zu deiner Sichtweise kann man angesichts der aktuellen Situation ein einfaches und klares Resumee ziehen. Ich wiederhole mich da auch gerne noch einmal:

    Wenn du mit deiner Einschätzung richtig liegen würdest, wäre das Urteil ein Fehlurteil und die Politik hätte es nicht für notwendig befunden die Gesetzeslage ändern zu müssen. Hat sie aber, also …

    Oder wie ging nochmal der Witz mit dem Geisterfahrer?

  129. #131 Stefan W.
    20. Juli 2012

    rolak· 20.07.12 · 05:52 Uhr ich weiß nicht wie man richtig transkribiert Nur Geduld, Stefan W., alle Bundestagsereignisse werden automatisch transkribiert und veröffentlicht.

    Richtig, aber nicht die Anmoderation durch Phoenix, oder?

  130. #132 Stefan W.
    20. Juli 2012

    @sol1· 20.07.12 · 12:20 Uhr

    Ich habe in Becks Blog die Äußerungen gelesen, und fand fast ausschließlich rational begründete Aussagen, kontrovers in der Sache aber sachlich im Ton, jedenfalls keine Fäkalsprache, Beleidigungen oder Drohungen.

    Die Anzahl ist auch nicht erdrückend.

    Wir scheinen sehr unterschiedliche Maßstäbe zu haben, was die Klassifikation eines Threads als Shitstorm betrifft. Aber Danke für den Link. Ich habe dann auch mal shitgestormt.

  131. #133 rolak
    20. Juli 2012

    Blah, blah, blah.

    Überaus korrekt einsortiert, s.s.t.: Meiner Wenigkeit ist die seit dem Kölner Urteil (am Rande: Warum nicht vorher schon während der jahrelangen, stetigen juristischen Entwicklung dahin? Kohls Erbe? Aussitzen?) so hohe Wellen schlagende Wenigkeit mit 13 entfernt worden – allerdings aus den üblichen medizinischen Gründen. So kann ich gerne belegen, daß es keine Narben gibt.
    Ich hätte mir nur unbedingt verkneifen sollen, der Neugier nachzugeben und zuzuschauen; das mit der Injektion zur Lokalanästhesie sah übelst aus…

  132. #134 rolak
    20. Juli 2012

    Ooops, Stefan W., das hatte ich eindeutig falsch gelesen. Plöhderweise tauchen solche Anmoderationen auch nicht in den Mediatheken auf, es sei denn solche innerhalb einer mehrbeiträgigen Sendung.

    shitgestormt

    Oh wie schön, wieder eine neue Wortform 😉 ~130 Kommentare halte ich übrigens allein von der Menge her nicht für würdig des Prädikates ‘shitstorm’.
    Noch schnell zu Deinem ‘Multi-Kulti-Event’ von drüben: Bei den öffentlichen Hinrichtungen hieß es früher immer ‘ein mahnendes Beispiel zur sittlichen und moralischen Erbauung’. Oder so.

  133. #135 Physiker
    20. Juli 2012

    @georg:

    Wenn du mit deiner Einschätzung richtig liegen würdest, wäre das Urteil ein Fehlurteil […]

    Die überwiegende Mehrzahl der bloggenden Juristen sehen das genau so – auch wenn sie vielleicht das Wort “Fehlurteil” vermeiden.

  134. #136 noch'n Flo
    20. Juli 2012

    @ Physiker:

    Die überwiegende Mehrzahl der bloggenden Juristen sehen das genau so – auch wenn sie vielleicht das Wort “Fehlurteil” vermeiden.

    Belege bitte.

  135. #137 Wolf
    20. Juli 2012

    Ich würde gerne wissen, welche Blogs der Physiker da besucht hat.

  136. #138 Belege
    20. Juli 2012

    Verfassungsblog: 3 zu Null “Fehlurteil”

    https://verfassungsblog.de/religion-vor-recht-recht-vor-religion/
    https://verfassungsblog.de/das-beschneidungsurteil-aus-kln-und-die-frage-wozu/
    https://verfassungsblog.de/der-gesetzgeber-ist-gefordert-ein-vorschlag-zur-regelung-der-zirkumzision-im-gesetz-ber-die-religise-kindererziehung/

    Staatsrechtler Prof. Martin Hochhuth: “Urteil aus juristischen Gründen völlig falsch abgefasst.” https://www.dw.de/dw/article/0,,16109167,00.html

    Noch ein Hinweis an das schenkelklopfende geistige Prekariat.

    @Physiker
    Zu deiner Sichtweise kann man angesichts der aktuellen Situation ein einfaches und klares Resumee ziehen. Ich wiederhole mich da auch gerne noch einmal:

    Wenn du mit deiner Einschätzung richtig liegen würdest, wäre das Urteil ein Fehlurteil und die Politik hätte es nicht für notwendig befunden die Gesetzeslage ändern zu müssen. Hat sie aber, also …

    Oder wie ging nochmal der Witz mit dem Geisterfahrer?

    Der Angeklagte konnte gegen das Urteil nicht in Berufung (bis hin zum BVerfG) gehen, da er freigesprochen wurde, die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Berufung. Die daraus erwachsende Rechtsunsicherheit macht es notwendig, durch ein Gesetz Abhilfe zu schaffen. Diese Fakten sind bereits in allen Medien berichtet worden.

    Die gestrige Entschließung des Bundestages https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/39861243_kw29_angenommen_abgelehnt/index.html ist ein erster Schritt, im Herbst soll die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorlegen. Zu hoffen ist, dass dann auch für Familien, die weder dem jüdischen noch dem islamischen Glauben angehören und sich aus rein prophylaktischen Gründen für eine Beschneidung entscheiden, gesorgt wird.

  137. #139 Belege
    20. Juli 2012

    Deutscher Richterbund begrüßt die Resolution des Bundestags für ein Beschneidungsgesetz.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article108339580/Richter-fordern-konkrete-Aenderung-des-Strafrechts.html

    Im selben Artikel: “Der Bund der Kriminalbeamten kritisierte die Resolution scharf. “Unsere Verfassung kann nicht durch ein einfaches Gesetz beschränkt werden, so wie es der Bundestag gerade panisch versucht”, sagte der Chef des Bundes, André Schulz.”

    LOL! Warum das so lustig ist, will ich den hiesigen Piratenparteiwählern auch gerne erklären.

    Grungesetz Artikel 2

    (…)

    (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

    Zum Beispiel bei Blutabnahmen, die gegen den Willen des Autofahrers durchgeführt werden. Anscheinend sind bei Herrn Schulz die Erinnerungen an den Polizeidienst weitgehend verblasst, trotzdem hätte er ja mal einen kurzen Blick ins GG werfen können.

    Lesen ist ja nicht verboten.

    Die Website des Deutschen Richterbundes ist momentan nicht erreichbar — eventuell wegen DOS-Angriff. Wer da wohl sein Mütchen kühlen will?

  138. #140 Schmidts Katze
    20. Juli 2012

    “Zum Beispiel bei Blutabnahmen, die gegen den Willen des Autofahrers durchgeführt werden.”

    Ich bin kein Jurist, aber das habe ich mir schon gedacht, daß es bei diesem Zusatz um polizeiliche Zwangsmassnahmen geht, aber bestimmt nicht um Beschneidungen Minderjähriger.
    Also wieder nur ne Nebelkerze.

  139. #141 rolak
    20. Juli 2012

    Ein ferner clip von QualiaSoup, wahrscheinlich völlig unabhängig vom hiesigen Geschehen und doch auch darüber redend. Allerdings umfassender.

  140. #142 Physiker
    21. Juli 2012

    @Schmidts Katze:

    Ich bin kein Jurist, aber das habe ich mir schon gedacht, daß es bei diesem Zusatz um polizeiliche Zwangsmassnahmen geht, […]

    Es geht bei diesem Zusatz hauptsächlich darum, dass kein Staatsanwalt antanzen muss, wann man in die eigene Körperverletzung selbst einwilligt oder sich selbst verletzt. Das ist z.B. bei jedem ärztlichen Eingriff oder jedem Boxkampf der Fall. Staatlicher Willkür wird durch das Verhältnismässigkeitsprizip ein Riegel vorgeschoben. Sorry, aber auch als nicht-Jurist wäre ein bisschen Grundwissen bei dieser Diskussion sehr hilfreich.

  141. #143 Physiker
    21. Juli 2012

    @noch’n Flo· 18.07.12 · 16:51 Uhr:

    Sie verweisen als Arzt auf ein Pamphlet eines Dipl.-Ing.?

    Wenn es sachlich richtig ist: ja!

    Ein Pamphlet ist eine Schmähschrift, und genauso liest sich die von Ihnen verlinkte Internetseite auch. Haben Sie nichts peer-reviewtes anzubieten? Z.B. einen Review über Beschneidung, der den Grossteil der bisher angegebenen Auswirkungen auf die Gesundheit ebenfalls zusammenfasst und Ihre Meinung stützt?

  142. #144 Wolf
    21. Juli 2012

    “Ich bin kein Jurist, aber das habe ich mir schon gedacht, daß es bei diesem Zusatz um polizeiliche Zwangsmassnahmen geht, […]

    Es geht bei diesem Zusatz hauptsächlich darum, dass kein Staatsanwalt antanzen muss, wann man in die eigene Körperverletzung selbst einwilligt oder sich selbst verletzt. Das ist z.B. bei jedem ärztlichen Eingriff oder jedem Boxkampf der Fall. Staatlicher Willkür wird durch das Verhältnismässigkeitsprizip ein Riegel vorgeschoben. Sorry, aber auch als nicht-Jurist wäre ein bisschen Grundwissen bei dieser Diskussion sehr hilfreich.”

    Ah ja. Ganz toll. Verstehen SIE was Sie sagen?
    “[…]Es geht bei diesem Zusatz hauptsächlich darum, dass kein Staatsanwalt antanzen muss, wann man in die eigene Körperverletzung selbst einwilligt oder sich selbst verletzt. Das ist z.B. bei jedem ärztlichen Eingriff[…]”
    “wenn man in die EIGENE Körperverletzung SELBST einwilligt[…]” scheint ja wohl der entscheidende Punkt zu sein. Nehmen wir mal Ihr Beispiel: Eltern können ein Kind nicht zwingen an einem Boxkampf teilzunehmen, auch wenn dadurch dem unsichtbaren fliegendem rosa Einhorn Ehre erwiesen wird.

    “[…]Staatlicher Willkür wird durch das Verhältnismässigkeitsprizip ein Riegel vorgeschoben[…]” Auch ein interessanter Aspekt: Der Staat darf, z.B. bei Verfolgung einer Straftat, wie z.B. dem betrunkenen Auto fahren, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vornehmen, indem eine Blutentnahme angeordnet wird (übrigens durch einen Richter, nachrangig durch Staatsanwaltschaft oder Polizei bei Gefahr im Verzug). Dürfen Religionsgemeinschaften das auch?
    Darf einer (oder mehrerer) Religionsgemeinschaft überhaupt das Recht eingeräumt werden in die körperliche Unversehrtheit der Menschen (ich kann nicht sagen Gläubigen, denn was glaubt ein Kind? Um diese Frage geht es aber nicht!) einzugreifen?

    Worüber wir also auch reden ist die Trennung von “Kirche” und Staat.
    Grundgesetz Artikel 140. Die erwähnten Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 in Auszügen, sofern relevant (wenn ich was übersehen habe: bitte).

    Artikel 136, Abs. 1:”(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.”
    Lese ich so: Auch wenn Religionsfreiheit besteht, darfst du im Namen der Religion keine bürgerlichen Rechte verletzen, egal was dein heiliges Buch sagt. Und du darfst wählen gehen, egal was dein heiliges Buch sagt….

    Artikel 136, Abs. 4:”Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.”
    OK. Ist die Beschneidung eine “religiöse Übung”? Es ist m.E. die körperliche Ausprägung einer religiösen Eidesform. Wenn man diese freiwillig eingeht: Null Problemo.

    Artikel 137, Abs. 1:”Es besteht keine Staatskirche.” (Nur am Rande)

    Artikel 137, Abs. 3:”Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.[…]”
    Insbesondere der Part “INNERHALB der Schranken des für alle geltenden Gesetze”.

    Wir leben in interessanten Zeiten.

  143. #145 Belege
    21. Juli 2012

    @Physiker

    Ihre Aufforderung an den hier kommentierenden Mediziner, peer-reviewte Literatur anstelle irgendwelcher Aktivistenseiten von Fachfremden aus dem Internet anzuführen, ist berechtigt. Bedauerlich, dass es überhaupt dieser Aufforderung bedarf.

    Hier ein Beitrag aus dem Diskussionsforum des Beck-Verlages, der deutschsprachige Quellen zu den medizinischen Risken der NICHT-Beschneidung anführt, mit Literaturangaben: https://blog.beck.de/2012/07/15/zirkumzision-wie-soll-das-gesetz-aussehen-mit-update-2007#comment-40692

  144. #146 Belege
    21. Juli 2012

    Da hier so gerne mit Analogien argumentiert wird (wie sehr sie auch an den Haaren herbeigezogen sein mögen), sei mir vielleicht ebenfalls eine Analogie gestattet:

    Seit 2007 werden in Deutschland durch die Krankenkassen Schutzimpfungen von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren gegen bestimmte humane Papillomaviren bezahlt. Auch hier handelt es sich um eine Körperverletzung. Auch hier ist die Einwilligung der Eltern Voraussetzung. Auch hier wird der Körper des Kindes (d.h., das Immunsystem) dauerhaft und irreversibel verändert. Auch hier gibt es Risiken — wie bei jeder Impfung — bis hin zu möglichen Todesfällen.

    Ferner gäbe es Alternativen, z.B. sexuelle Enthaltsamkeit bis zur Ehe und monogame Lebensweise der Eheleute oder die Verwendung von Kondomen, analog zu der hier immer wieder geäußerten Behauptung, anstelle der Beschneidung könnten ja die Männer ihr Smegma durch regelmäßiges gründliches Waschen entfernen bzw. gegen eine Vorhautverengung hülfen auch Salben und Massagen, usw.

    Jedoch ist die HPV-Schutzimpfung, im Gegensatz zur Beschneidung von Jungen, in der Öffentlichkeit kaum umstritten. Warum?

    Wenn man sich ansieht, was hier die Kommentatoren im Vollsuff grölen — z.B. Juden als “Verlierer und Idioten” — dann wird der Grund schnell klar: es geht um die Religion, besser gesagt, gegen die Religion. Und bei diesem blindwütigen Anrennen stören gesundheitspolitische und medizinische Argumente nur.

    Der ganz normale Alltag auf Scienceblogs.

  145. #147 Belege
    21. Juli 2012

    Auch eine interessante Zahl:

    “Von den rund 300 Beschneidungen des vergangenen Jahres in dem Krankenhaus war nach Angaben des Chefarztes über ein Drittel religiös motiviert. Die Mehrheit davon sei nicht an jüdischen, sondern an muslimischen Jungen vorgenommen worden.” (Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Kristof Graf, im Jüdischen Krankenhaus Berlin).

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article107303669/Koelner-Beschneidungsurteil-ist-rechtskraeftig.html

  146. #148 Physiker
    21. Juli 2012

    @Belege:
    Danke für Ihre erfrischenden Beiträge!
    Den HPV-Vergleich finde ich auch sehr passend. Die Kritik an diesem Vergleich sehe ich aber jetzt schon voraus: bei einer Impfung wird kein Körperteil entfernt. Das macht zwar vom (Grund-)Gesetz her keinen Unterschied, es ermöglicht aber den massiven Einsatz von Kampfbegriffen wie “Verstümmelung” und “Amputation”.

    Ich denke, man kann eine noch sehr viel passendere Analogie konstruieren – und zwar über den Bauchnabel. Jedem ist doch schon mal der Unterschied zwischen nach innen und nach aussen gestülpten Bauchnabeln begegnet. Ohne die Details zu kennen, vermute ich, dass bei einer dieser Varianten wohl etwas mehr Haut abgeschnitten wird. Allem in allem, völlig analog zur Beschneidung – und trotzdem hat noch kein Deutsches Gericht eine Art der Durchtrennung der Nabelschnur de facto verboten.

  147. #149 SethSteiner
    21. Juli 2012

    Nö, es geht hier nicht um Religion sondern um Beschneidung. Wenn du über Impfungen diskutieren willst, warte doch auf ein Impf-Thema.

    Bei den vorgenommenen Beschneidungen würde es mich übrigens auch interessieren, wieviele der Beschneidungen eigentlich wirklich durchgeführt werden müssen, denn im Falle der Phimose gibt es ja schließlich auch alternative Methoden, die ohne Schnippelei auskommen.

    Ach ja: Monogamie ist keine Alterantive, sondern religiös motivierter Bullshit.

  148. #150 Stefan W.
    21. Juli 2012

    Oh – die Nabelschnur, das ist ein ganz vorzügliches Beispiel – wie konnten wir das so lange übersehen?

    Auch wird ja vielerorts das Hirn amputiert, und durch einen formschönen MP3-Player ersetzt, ohne dass es den Nichteingeweihten auffällt. Alleine in diesem Thread kenne ich mindestens eine Person, bei der das, ohne ihr im geringsten zu schaden, durchgeführt wurde.

  149. #151 Physiker
    21. Juli 2012

    @SethSteiner:

    Ach ja: Monogamie ist keine Alterantive, sondern religiös motivierter Bullshit.

    Ja wunderbar. Dann ist ja der einzige Review mit gegenteiliger Ansicht, der mir inzwischen unter die Augen gekommen ist, auch vom Tisch:
    https://www.publichealthinafrica.org/index.php/jphia/article/view/jphia.2011.e4/pdf_22

  150. #152 s.s.t.
    21. Juli 2012

    @SethSteiner

    Ach ja: Monogamie ist keine Alterantive, sondern religiös motivierter Bullshit.

    Propargierst Du jetzt etwa die Polygamie? Du lässt es wohl gar nicht aus, Dich mit allen Religionen zu verderben?

    🙂

    Na ja, bei den Moslems könntest Du evtl. damit punkten, aber die Christen mochten das nie und die Juden haben das abgeschafft.

    Polygamie in Dt. zu gestatten, wäre eine nette neue Baustelle.

  151. #153 Schmidts Katze
    21. Juli 2012

    “Auch wird ja vielerorts das Hirn amputiert, und durch einen formschönen MP3-Player ersetzt, ohne dass es den Nichteingeweihten auffällt.”
    Und dann brauchst du nur den USB-Stick “Physiker” abziehen, und dafür “Belege” einstöpseln, und du hast den selben Scheiß wie vorher.

  152. #154 Physiker
    21. Juli 2012

    @Schmidts Katze:
    Wie kommen Sie zu der Unterscheidung zwischen medizinischen Eingriffen, bei denen etwas entfernt (“amputiert”) wird und solchen bei denen das nicht geschieht? Das Grundgesetz unterscheidet jedenfalls nicht zwischen solchen Eingriffen.

  153. #155 Belege
    22. Juli 2012

    @ “Physiker”

    Es hat doch keinen Sinn. Bevor “Schmidts Katze” die mittlere Reife nachholt, ist es zu viel von ihm verlangt, Texte zu lesen und verstehen, die über die Länge einer BILD-Zeitungs-Schlagzeile hinausgehen.

    “Steiner” ist einfach krank und sollte sich schnellstmöglich in psychiatrische Behandlung begeben. (Als Nicht-Mediziner verstoße ich gegen keine Richtlinien meines Berufsverbandes, wenn ich eine derartige Ferndiagnose stelle.)

    “Stefan W.” muss in die Trinkerheilanstalt. Und so weiter. Der einzige ernstzunehmende Beschneidungsgegner hier ist “Joseph Kuhn”.

    Schönstein ist ebenfalls nicht ernstzunehmen. Das sieht man schon an seiner grob unhöflichen Ansprache an Sie (“Danke fürs hartnäckige Nichtverstehenwollen”), die seine zahlreichen Gesinnungsgenossen noch mehr munitioniert.

    Auch hat Schönstein das Grundgesetz nicht gelesen oder nicht verstanden. Ich darf wohl noch ein weiteres Juristenblog zitieren:

    Das Grundgesetz und die Verfassungen der deutschen Länder gehen darüber hinaus, bloß die Religionsfreiheit unter Schutz zu stellen. Religion wird in der geltenden Verfassungsordnung nicht als eine Art Aberglaube behandelt, der großzügig, vielleicht auch etwas mitleidig, toleriert wird, wie so manches, das unter die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Art. 4 GG fällt. Die Verfassungsordnung ist vielmehr objektiv-rechtlich selbst religionsbejahend, wie etwa aus Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG klar wird (“Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.”;

    Die Verfassung kennt kein religiöses Abwehrrecht des jungen Kindes gegenüber seinen Eltern. Im Gegenteil, sie geht von dem “natürlichen Recht der Eltern” (Art. 6 Abs. 2 GG) aus, ihre Religion an die Kinder weiterzugeben (Art. 7 Abs. 2 GG: “Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.”; siehe auch Art. 2 MRK-ZP: “[…] das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.”). Das bedeutet natürlich nicht, daß die Religionsfreiheit den Eltern das Recht zu jeglichem körperlichen Zugriff auf ihre Kindern gäbe. Es bedeutet aber, daß im Rahmen der erforderlichen Abwägung der Gedanke eines “religiösen Freihaltebedürfnisses” unzulässig ist. Das religiös beeinflußte Kind als Opfer eines Eingriffs in seine negative Religionsfreiheit gibt es von Verfassungs wegen nicht.

    Quelle: https://blog.delegibus.com/2012/07/01/die-idee-mit-dem-beschneidungsverbot/

    Was Schönstein und seine gleichgesinnten Kulturkämpfer wollen, ist eine andere Verfassung und damit eine andere Republik. Das Recht, diese Veränderung anzustreben, haben sie. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Und darüber bin ich froh.

    Im übrigen bleibe ich überzeigt, dass ausschlaggebend für die weitere öffentliche Debatte über die Beschneidung nicht religiöse, sondern medizinische und gesundheitspolitische Aspekte sein werden — und dass in den kommenden Jahren mehr Eltern sich für Beschneidung aus prophylaktischen Gründen entscheiden werden. So hätte dann die aktuelle Debatte auch ihr Gutes gehabt.

  154. #156 JV
    22. Juli 2012

    Wurde dieser Kommentar aus der FAZ schon verlinkt? Gefällt mir sehr gut.

    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidungsdebatte-unsere-seltsame-tradition-11827726.html

  155. #157 SethSteiner
    22. Juli 2012

    Ich propagiere keine Polygamie, ich propagiere das Selbstbestimmungsrecht. Mir ist nicht klar wie irgendjemand jemals Polygamie hätte “abschaffen” können, es sei denn wir sprechen über die Vielehe und nicht nur über die sexuelle Beziehungen zu verschiedenen, wechselnden Partnern. Enthaltsamkeit und Kein Sex vor der Ehe zu propagieren ist eine klare Propaganda gegenüber dem Selbstbestimmunsrecht und die Betonung auf die Ehe ist natürlich klar religiös motiviert, schließlich heiraten Nicht-Religiöse Menschen normalerweise nicht sofort, sondern haben eine Beziehung.

    Und @Belege. Als Nicht-Mediziner Diagnosen stellen zu wollen, das ist nicht gerade gesund.

  156. #158 s.s.t.
    22. Juli 2012

    @SethSteiner

    Ich propagiere keine Polygamie, ich propagiere das Selbstbestimmungsrecht.

    Das war mir klar, ich konnte mir jedoch den kleinen Scherz nicht verkneifen.

    Denoch hat er einen kleinen ersten Kern: Es gibt genug Traditionen und Länder, in denen eine Vielehe erlaubt ist. Warum sollte man sie Leuten, die von dort kommen, hier nicht mit vergleichbaren Begründungen gestatten?

  157. #159 Stefan W.
    22. Juli 2012

    @SethSteiner
    Polygamie ist aber Vielehe. Was Du meinst ist Promiskuität

  158. #160 Thilo
    23. Juli 2012

    Es gibt genug Traditionen und Länder, in denen eine Vielehe erlaubt ist. Warum sollte man sie Leuten, die von dort kommen, hier nicht mit vergleichbaren Begründungen gestatten?

    Nur mal interessehalber: woher, aus welcher Tradition und aus welchem Land, kommen Deiner Meinung nach die in Deutschland lebenden Juden?

  159. #161 S.S.T.
    23. Juli 2012

    @Thilo

    Nur mal interessehalber, betrifft die Beschneidungs-Diskussion ausschließlich Juden?

  160. #162 Thilo
    25. Juli 2012

    Im Prinzip betrifft sie neben den in Deutschland lebenden Juden und Moslems tatsaechlich auch Leute, die aus anderen Laendern kommen, z.B. US-amerikanische Gastwissenschaftler. Es ist in der Tat merkwuerdig, dass das in der Diskussion bisher ueberhaupt keine Rolle gespielt hat.

  161. #163 Physiker
    25. Juli 2012

    @Belege:

    Im übrigen bleibe ich überzeigt, dass ausschlaggebend für die weitere öffentliche Debatte über die Beschneidung nicht religiöse, sondern medizinische und gesundheitspolitische Aspekte sein werden — und dass in den kommenden Jahren mehr Eltern sich für Beschneidung aus prophylaktischen Gründen entscheiden werden.

    Glaube ich nicht. Es ist gar nicht im Interesse der Journalisten, eine wunderbar auflagensteigernde Diskussion über Gott und die Welt und angeblich kollidierende Grundrechte auf eine nüchterne und fade wissenschaftliche Basis zu stellen. Dass Politiker uns etwas erzählen werden, was die Mehrheit der Bevölkerung nicht hören will, halte ich auch für unwahrscheinlich. Ausserdem geht der Trend sowieso in Richtung “Sanfte Medizin”, Impfmüdigkeit…
    Und ob sich mehr Eltern für oder gegen eine Beschneidung entscheiden werden/sollen, ist mir herzlich egal. Es bleibt eine Entscheidung der Eltern.

  162. #164 Jürgen Schönstein
    25. Juli 2012

    @Physiker
    Und damit kehren wir zum Ausgangspunkt zurück: An welchem Punkt überwiegt das Recht der Eltern, über ihre Kinder zu entscheiden, das Recht eben dieser Kinder, nicht ohne zwingenden Grund verstümmelt zu werden? Selbst wenn es Tausend Vorteile eines solchen Eingriffs gäbe – das ist nicht die entscheidende Frage. Entscheidend ist, welcher dringende Nachteil durch einem späteren Eingriff – später = wenn das Kind alt genug ist, diese Entscheidung selbst zu treffen – unausweichlich entstünde und daher sofortiges Handeln im Kindesalter erzwingt. Und dieser Nachteil muss einer sein, der nur durch diese Vorhautamputation vermieden werden kann.

  163. #165 Physiker
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:
    Ups, ich bezog mich mit meinem letzten Satz eigentlich auf den letzten zitierten Halbsatz von Belege und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich die vermutete Zunahme von Beschneidungen a) für unplausibel und b) unwichtig in dieser Diskussion halte.

    Selbst wenn es Tausend Vorteile eines solchen Eingriffs gäbe – das ist nicht die entscheidende Frage.

    Ähm, doch. Nach §1627 BGB steht das Wohl des Kindes im Vordergrund. Tausend Vorteile wären tausend Vorteile, die gegenüber den Nachteilen abgewogen werden müssten.

    Entscheidend ist, welcher dringende Nachteil durch einem späteren Eingriff – später = wenn das Kind alt genug ist, diese Entscheidung selbst zu treffen – unausweichlich entstünde und daher sofortiges Handeln im Kindesalter erzwingt.

    Nein, das steht nirgends.

    Und dieser Nachteil muss einer sein, der nur durch diese Vorhautamputation vermieden werden kann.

    Das steht auch in keinem Gesetz. Wie kommen Sie darauf?

  164. #166 Jürgen Schönstein
    26. Juli 2012

    Wo das steht? Im Grundgesetz – es ist eines der grundlegenden Menschrechte, nicht ohne Not an seinem Körper verletzt zu werden. Und außerdem verstößt es gegen die Grundregeln der Medizin, keine gesunden “Patienten” zu behandeln. Alles schon gesagt, alles schon geklärt (eben auch durch ein Gerichtsurteil) – alles schon von Ihnen ignoriert. Zwecklos.

  165. #167 Stefan W.
    26. Juli 2012

    Im Gegensatz zur häufig gelesenen Behauptung, dass die Beschneidung umso ungefährlicher sei, je früher sie stattfindet:

    Daneben erhöht die Beschneidung im Alter bis zu 3 Jahren das Risiko für eine Entzündung um das achtfache:

    https://cpj.sagepub.com/content/46/4/329.abstract

    und:

    Penis- und Zervixkarzinom haben ihre weltweit geringste Inzidenz in Finnland, wo nahezu kein Mann beschnitten ist. Alleine das lässt die Hypothese von der “schädlichen” Vorhaut in sich zusammenfallen

  166. #168 Physiker
    26. Juli 2012

    @Stefan W.:

    Daneben erhöht die Beschneidung im Alter bis zu 3 Jahren das Risiko für eine Entzündung um das achtfache:

    Diese Studie wird nur zweimal zitiert, einmal als Abschreckendes Beispiel für fehlende Confounder-Analyse und einmal als Aussreisser in einer Meta-Analyse (Abb.1). Das was Sie machen nennt sich Cherry-Picking: Sie greifen sich eine Aussenseitermeinung heraus und ignorieren die Mehrheit der Studien die zum gegenteiligen Ergebnis kommen.

    Penis- und Zervixkarzinom haben ihre weltweit geringste Inzidenz in Finnland, wo nahezu kein Mann beschnitten ist. Alleine das lässt die Hypothese von der “schädlichen” Vorhaut in sich zusammenfallen

    Nein. Erst saubere Studien die den Effekt von Confoundern berücksichtigen, lassen Schlüsse zu.

  167. #169 Physiker
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Wo das steht? Im Grundgesetz – es ist eines der grundlegenden Menschrechte, nicht ohne Not an seinem Körper verletzt zu werden.

    Das stimmt doch gar nicht*). Die körperliche Unversehrtheit ist ein disponibles Rechtsgut. Es steht explizit im GG Art. 2, dass aufgrund eines Gesetzes in die körperliche Unversehrtheit eingegriffen werden darf. Im Fall von Minderjährigen entscheiden/disponieren die Eltern über solche Eingriffe. Und diese Entscheidungsfreiheit wird nur durch §1627 BGB eingeschränkt. Nirgendwo ist etwas von “Not”, “dringenden Nachteilen” oder einer Einschränkung der Wahlfreiheit die Rede, wenn es mehrere Optionen gibt (“nur”).

    Und außerdem verstößt es gegen die Grundregeln der Medizin, keine gesunden “Patienten” zu behandeln.

    Das Argument ist neu. Nichtsdestotrotz ist es falsch: Es gibt viele prophylaktische Massnahmen/Eingriffe in der Medizin.

    *) sonst wären z.B. Boxkämpfe menschenrechtswidrig.

  168. #170 roel
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Und außerdem verstößt es gegen die Grundregeln der Medizin, keine gesunden “Patienten” zu behandeln.” Ich denke mal, du meinst das Gegenteil.

    Was ist mit Schönheits-OP’s.

  169. #171 Jürgen Schönstein
    26. Juli 2012

    @roel
    Richtig! Das “keine” ist zuviel. Das Thema Schönheitsoperationen und ärztliche Ethik füllt vermutlich mehrere Regale mit Fachliteratur, und sehr oft wird – um dieses Problem zu umgehen – ein psychischer Defekt indiziert, um die “Behandlung” zu rechtfertigen. Aber letztlich ist dies ein sekundäres Probem, so lange dies auf Wunsch und mit Einwilligung der Patienten geschieht. Diesen Aspekt ignoriert
    @Physiker
    hier ja auch hartnäckig. Boxkämpfe setzten auch die Zustimmung aller Beteiligten voraus; wenn nur einer den Kampf will, dann nennt man das auch weiterhin Körperverletzung.

    Nochmal: Das Recht der Eltern auf Erziehung iher Kinder stößt, und das ist gesetzlich verankert, dort an seine Grenzen, wo die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder beeinträchtigt ist. Und dieses Recht auf köperliche Unversehrtheit hat das Kölner Gericht nur bestätigt.

  170. #172 roel
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein Die Unversehrtheit ist so die Sache. Wie groß ist der Eingriff, ist er zumutbar etc.

    Auf der internationalen Aids Konferenz in Washington haben die USA Afrika 150.000.000 Dollar zugesagt, um Jungen und Männer zur Aids-Prävention beschneiden zu lassen. Natürlich auf freiwilliger Basis. Bei den Jungen entscheiden die Eltern, dass es freiwillig ist. Ich halte das ganze für eine gute Sache – aber es verstößt gegen das Recht auf Unversehrtheit. OK, es ist nicht Deutschland und es gelten vielleicht andere Gesetze. Trotzdem denke ich, dass es auch die Menschenrechte betrifft.

    Und genau das ist meine Zwickmühle und ich denke auch demnächst die der Gerichte. Kann man es auf der einen Seite gutheißen und auf der anderen Seite ablehnen?

    Die letzte Studie contra Beschneidung, die ich mir angesehen habe, war eine “riesige Meta-analysis study” (O-Tone Claudia bei CC) welche angeblich die Daten von 1200 Veröffentlichungen zusammenfasst. Beim näheren hinschauen steht da aber “From 73 retrieved studies, 8 randomized controlled trials were ultimately included for analysis.” Und so stellt sich die Lage immer wieder für mich dar. Negative Angaben werden aufgebauscht, positive nicht anerkannt und es werden gerne Videos von schreienden Kindern gezeigt, die später bestimmt traumatisiert sein werden. Und da denke ich, warum laufen diese ganzen Menschen nicht von den Schmerzen, die die ersten Zähne verursacht haben, traumatisiert durch die Welt? Ich will das nicht bagatellisieren, aber die stärksten frühen Schmerzen die ich kenne sind eben die kommenden Zähne (aus eigener Erfahrung und im Vergleich der verschiedenen Lärmpegel und Gesichtsverzerrungen betreffender Babys) und die können so einige schlaflose Nächte bereiten. Ich weiß auch, dass man Beschneidung nicht mit Zahnen vergleichen kann, denke aber, dass die Schmerzen verglichen werden können.

  171. #173 Jürgen Schönstein
    26. Juli 2012

    @roel
    Langsam wird’s wirklich ermüdend… Aber noch einmal: Selbst wenn Vorhautamputation gegen Aids nützlich sein sollte, kann sie diese Nützlichkeit erst dann entfalten, wenn die jungen Männer sexuell aktiv werden (gegen Aids-Infektion durch Blutübertragung, beispielsweise, hilft das nämlich nix, das ist doch wohl unstrittig). Aber dann sind sie auch alt genug, diese Entscheidung mit zu treffen. Nochmal: Es gibt vieles, was man tun könnte. Aber nicht alles davon ist etwas, was man tun muss. Und nichts davon muss man dem Säugling zumuten.

  172. #174 Physiker
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein:

    Boxkämpfe setzten auch die Zustimmung aller Beteiligten voraus;

    Richtig. Bei Kleinkindern zählt aber nur die Zustimmung der Eltern – weil die Kinder noch nicht einwilligungsfähig sind. Das ist die Rechtslage in Deutschland – ich verstehe nicht, was es da nicht zu verstehen gibt.

    wenn nur einer den Kampf will, dann nennt man das auch weiterhin Körperverletzung.

    Eben nicht. Vielleicht liegt hier das Missverständnis. Mir war das auch neu, bevor ich mir die juristische Argumentation vorgenommen habe: Eine Körperverletzung liegt immer vor (unabhängig von der Einwilligung) – die Frage ist nur, ob die Körperverletzung strafbar ist oder nicht. Und genau diese Frage klärt bei einem medizinischen Eingriff ein Gesetz und eben nicht das Grundgesetz.

    Das Recht der Eltern auf Erziehung iher Kinder stößt, und das ist gesetzlich verankert, dort an seine Grenzen, wo die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder beeinträchtigt ist.

    Das ist so pauschal falsch. Weil die körperliche Unversehrtheit ein disponibles Rechtsgut ist über das die Eltern bestimmen, solange die Kinder nichteinwilligungsfähig sind. Die Einwilligung der Eltern stösst nur dann auf Grenzen, wenn die Massnahme nicht dem Kindeswohl dient. Und das Kindeswohl ist nicht gleichbedeutend mit der körperlichen Unversehrtheit. Sie verwechseln diese Begriffe.

    Und dieses Recht auf köperliche Unversehrtheit hat das Kölner Gericht nur bestätigt.

    Das stimmt nicht und ist eine in den Medien weitverbreitete Missinterpretation. Lesen Sie mal die Urteilsbegründung. Das Kölner Gericht hat (in einem Anflug von Selbstüberschätzung – da für eine solche Einschätzung die Medizin zuständig ist) erklärt, dass die Beschneidung nicht dem Kindeswohl dient. Das Problem in dieser Diskussion ist wirklich die Gleichsetzung der Begriffe “Kindeswohl” und “körperliche Unversehrtheit”. Dabei gibt es alle 4 Fälle: dass etwas dem Kindeswohl nützt/schadet und die körperliche Unversehrtheit verletzt/unangetastet lässt. Das ist keine Haarspalterei, sondern ein ungeheuer wichtiger Unterschied für die Ärzte. Denn so wie Sie es formuliert haben, dürfen Ärzte Kinder überhaupt nicht behandeln, weil so gut wie jede Behandlung ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ist ein sehr schwaches Grundrecht – nur einwilligungsfähige Personen können darüber verfügen.

  173. #175 rolak
    26. Juli 2012

    ich verstehe nicht, was es da nicht zu verstehen gibt

    Scheint ein Verständnisproblem Deinerseits zu sein, Physiker – und das sollte Dir eigentlich auch klar sein. Denn mit demselben Kunstgriff über die Zustimmungshoheit der Eltern könntest Du auch die Strafbarkeit der körperlichen Züchtigung anzweifeln.

  174. #176 Thilo
    26. Juli 2012

    Warum lassen Eltern ihren Kleinkindern die Ohren anlegen, Hasenscharten operieren oder (was vereinzelt vorkommt) angeborene 6. Finger oder Zehen amputieren? Nicht aus gesundheitlichen Gruenden, sondern aus sozialen. Man verletzt also die koerperliche Unversehrtheit, dient aber (mindestens aus Sicht der Eltern) dem Kindeswohl, weil die Kinder in ihrem sozialen Umfeld sonst spaeter moeglicherweise weniger akzeptiert wuerden oder die Eltern das jedenfalls fuer moeglich halten.

    Nun kann man sicher darueber diskutieren, ob solche Amputationen oder Operationen aus rein sozialen Gruenden sinnvoll sind, ob man die Entscheidung nicht den Kindern im Erwachsenenalter ueberlassen koennte etc.pp. Aber jedenfalls (um das noch einmal zu sagen) wuerden sich in so einem Zusammenhang keine Gerichte, Parlamente und Feuilletonisten mit dem Thema befassen und es wuerde auch niemand Karikaturen von Priestern mit blutigen Messern zeichnen.

  175. #177 roel
    26. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Aber dann sind sie auch alt genug, diese Entscheidung mit zu treffen.” Wann mit 13? 14? 15? 16? 17? 18?, die eigentliche Reife, das zu entscheiden erreicht man weit später. In Deutschland ist es auch nicht das Problem, dank des Gebrauchs von Kondomen. Ich sehe das eher global.

    Und das: “Und nichts davon muss man dem Säugling zumuten.” stimmt auch. Aber hat jemand schon mal unvoreingenommen geklärt, wie genau diese Zumutung bei einer medizinischen Beschneidung mit Betäubung aussieht? Denn ich hoffe doch, dass, wenn eine Beschneidung zugelassen werden sollte, diese die medizinische sein wird, die dann aber für religiöse Zwecke angewendet werden darf.

    Aber, ich will dich nicht ermüden. Nur diese Diskussion kann man nicht in 2 Wochen abhaken, die wird länger geführt werden müssen.

  176. #178 MacMorro
    26. Juli 2012

    Das Kölner Gericht hat (in einem Anflug von Selbstüberschätzung – da für eine solche Einschätzung die Medizin zuständig ist) erklärt, dass die Beschneidung nicht dem Kindeswohl dient.

    Ähm, ist in diesem Urteil nicht folgendes zu lesen?
    Außerdem besteht – so der Sachverständige – jedenfalls in Mitteleuropa keine Notwendigkeit Beschneidungen vorbeugend zur Gesundheitsvorsorge vorzunehmen.
    War der Sachverständige wohl ein Pizzabäcker? Oder soll Deiner geschätzten Meinung nach der Richter erstmal ein Medizinstudium über sich ergehen lassen ehe er urteilt?

    Auch zum Kindeswohl ist da etwas zu lesen:
    Die aufgrund elterlicher Einwilligung aus religiösen Gründen von einem Arzt ordnungsgemäß durchgeführte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen Knaben ist nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten “Sozialadäquanz” vom Tatbestand ausgeschlossen. Die Entwicklung der gegenteiligen Auffassung durch Exner (Sozialadäquanz im Strafrecht – Zur Knabenbeschneidung, Berlin 2011, insbesondere Bl. 189 f.) überzeugt nicht. Die Eltern bzw. der Beschneider sollen demnach nicht über § 17 StGB entschuldigt sein. Der Veranlassung der Beschneidung durch die Eltern soll auch keine rechtfertigende Wirkung zukommen, da dem Recht der Eltern auf religiöse Kindererziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen sei.
    Quelle https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2012/151_Ns_169_11_Urteil_20120507.html

  177. #179 Physiker
    26. Juli 2012

    @rolak:

    Denn mit demselben Kunstgriff über die Zustimmungshoheit der Eltern könntest Du auch die Strafbarkeit der körperlichen Züchtigung anzweifeln.

    Kann man nicht, denn laut Konsensmeinung bringt die Züchtigung keine gesundheitlichen Vorteile für das Kind – kann also auch nicht dem Kindeswohl dienen.
    Wenn Sie meinen, dass ich einen “Kunstgriff” verwende, dann lesen Sie doch einfach das Kölner Urteil, irgendeinen juristischen Text zu dem Thema, den Artikel im Ärzteblatt
    https://m.aerzteblatt.de/print/61273.htm
    oder fragen den Arzt oder Juristen Ihrer Wahl. Egal zu welchem Ergebnis der Artikel/die Person kommt: die Argumentation ist immer gleich und läuft über das Kindeswohl und eine medizinische Abwägung der Vor-/Nachteile.

  178. #180 Made
    26. Juli 2012

    @Physiker

    @Jürgen Schönstein:

    Boxkämpfe setzten auch die Zustimmung aller Beteiligten voraus;

    Richtig. Bei Kleinkindern zählt aber nur die Zustimmung der Eltern – weil die Kinder noch nicht einwilligungsfähig sind. Das ist die Rechtslage in Deutschland – ich verstehe nicht, was es da nicht zu verstehen gibt

    Also ist es deiner Meinung legal, wenn Eltern ihre Kleinkinder zu Boxkämpfen anmelden und verprügeln lassen, da ja nur die Zustimmung der Eltern gilt? Die Körperverletzung wäre dann nicht strafbar? Interessante These.

    Dass man damit jegliche körperliche Züchtigung legalisieren würde, wurde ja auch schon von anderen erwähnt.

  179. #181 Physiker
    26. Juli 2012

    @MacMorro:
    Eben. Da steht doch klipp und klar, dass das Gericht einen Widerspruch zum Kindeswohl sieht. Und das, ohne die in der Fachliteratur allgegenwärtigen Argumente pro prophylaktische Beschneidung berücksichtigt zu haben. Eine Schuldzuweisung (Sachverständige, Richter, Schöffen,…) masse ich mir nicht an – letztlich bleibt aber das Landgericht Köln verantwortlich.

  180. #182 Physiker
    26. Juli 2012

    @Made:
    Gehen Sie mal einen Kommentar weiter zurück und lesen Sie nach worum es geht. Der Boxkampf war nur ein Gegenbeispiel zu Jürgens abenteuerliche Aussage, dass nur in Notsituationen die körperliche Unversehrtheit verletzt werden dürfe. Ich habe den Boxkampf nicht mit der Beschneidung verglichen. Was ist an diesem Gegenbeispiel verkehrt?

  181. #183 Made
    26. Juli 2012

    @Physiker:
    Sie haben hier die Boxkämpfe als Beispiel legaler Körperverletzung (ohne Notsituation) gebracht. Jürgen Schönstein erwirderte, das setzt aber das Eiverständnis der Beteiligten voraus, worauf du wieder sagtest, bei Kindern ersetzen die Eltern das Einverständnis. Bämm: legale Kleinkinderboxkämpfe.

    Oder meinst du, dass es da tatsächlich Dinge gibt, die die Eltern eben nicht entscheiden dürfen? Boah.

    Tja, und das Abschneiden von Körperteilen ohne medizinische Indikation fällt doch wohl auch darunter. Ich bin im Übrigen auch gegen Ohrlöcherstechen ohne den Wunsch des Kindes, wie es das schon bei Kleinkindern und Babies(!) ab und zu zu sehen gibt (gern bei den tollen Beauty Pageants in den USA, wie weit das in Deutschland verbreitet ist, weiß ich nicht).

    Mal ganz allgemein: Die medizinischen Gründe sind scheißegal, da es hier nicht um medizinische Beschneidungen geht sondern um rituelle, die explizit ein Opfer sind um Gott nahezukommen, weshalb auch ohne Betäubung (bzw. erst nachträgliche Betäubung) beschnitten wird, wenn man es “richtig” macht. Also die Beschneidung sollte auch dann durchgeführt werden, wenn es medizinischer Konsenz wäre, dass Beschneidungen das Herzinfarktrisiko verhunderfachen, oder was weiß ich. Und das kann ja wohl nicht sein.

    Fragen sie mal erwachsene unbeschnittene Männer, ob die sich beschneiden lassen würden. Ich denke die Quote ist gering. Eben drum macht mans bei denen, die sich noch nicht wehren können. Es soll ja auch nicht die Beschneidung verboten werden, sondern nur die (nicht indizierte) an Kleinkindern/Babies. Genauso wie Boxen erlaubt ist, aber Kleinkinderboxen nicht.

  182. #184 Jürgen Schönstein
    26. Juli 2012

    @Physiker

    ich verstehe nicht, was es da nicht zu verstehen gibt.

    Ja, das ist uns allen inzwischen klar geworden…

    @Thilo
    Abstehende Ohren “anzulegen” ist in der Tat eine fragliche Entscheidung, und wie der tägliche Alltag zeigt, gibt es viele Menschen (einige davon sogar ziemlich prominent und erfolgreich – guckste hier), die damit heute ziemlich unbehelligt herumlaufen. Das Reparieren einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist da schon wichtiger, da diese in der Tat mit gesundheitlichen Folgen einher kommt. Der Haken in Deinem Argument ist a) dass die vorhandene Vorhaut der biologische Normalfall ist (also jener Fall, der durch die anderen Operationen wieder hergestellt werden soll), und b) eine soziale Stigmatisierung durch eine vorandene oder fehlende Vorhaut bisher nicht wirklich belegt wurde. Das ist doch ein zirkuläres Argument: Wir schneiden allen Jungs die Vorhaut ab = verstümmelte Penisse sind dann der “Normalfall” = Penisverstümmelung ist notwendig, um diesen Normalfall “wieder”herzustellen. Ich will nur so viel sagen: In meinem ganzen Leben habe ich bisher nur sehr wenige männliche Geschlechtsteile ansehen müssen, und es war mir in all diesen Fällen ziemlich egal, wie sie aussahen. Öffentliche Nacktheit ist in unserer Gesellschaft ein relativ seltenes Phänomen, und schon gar keines, das typischer Weise ohne das Einverständnis der derart Entblößten auftritt.

    @roel
    Wann ist ein Kind alt genug, um über sich selbst zu entscheiden? Nun, da gibt es sogar gesetzlich festgelegte Altersgrenzen. In Deutschland gibt es beispielsweise die freie Religionswahl ab 14 Jahre – das wär’ doch genau das richtige Alter.

  183. #185 roel
    27. Juli 2012

    @Jürgen Schönstein “Nun, da gibt es sogar gesetzlich festgelegte Altersgrenzen. In Deutschland gibt es beispielsweise die freie Religionswahl ab 14 Jahre” Der Link passt nicht ganz, die Aussage schon, es ist ja schließlich ein Wahlrecht und keine Wahlpflicht. Danke für den Hinweis.

  184. #186 Physiker
    7. August 2012

    @Made:

    Bämm: legale Kleinkinderboxkämpfe.

    Von Kleinkinderboxkämpfen war nie die Rede. Kinderboxkämpfe gibt es aber durchaus – in den Vereinen organisiert ab 10 Jahren. Für Kleinkinder gibt es aber passendere Beispiele für legale Körperverletzung ohne Notsituation: Jeder ärztliche Eingriff erfüllt dieses Kriterium. Z.B. Impfungen, Blutabnahmen für Routineuntersuchungen, etc.

    Tja, und das Abschneiden von Körperteilen ohne medizinische Indikation fällt doch wohl auch darunter.

    Ich bin nicht damit vertraut, wie festgelegt wird, was medizinisch indiziert ist. Jedenfalls kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie sich so sicher sein können, dass eine prophylaktische Beschneidung dies nicht ist.

    Die medizinischen Gründe sind scheißegal, da es hier nicht um medizinische Beschneidungen geht sondern um rituelle

    Bei der Beurteilung der Frage, ob (rituelle) Beschneidung verboten werden sollte, geht es ausschliesslich um medizinische Gründe. Denn es geht einzig und alleine um das Wohl des Kindes. Wenn die Beschneidung dem Kindeswohl schadet, dann gehört sich die Beschneidung (egal ob aus ästhetischen, religiösen oder kulturellen Gründen) verboten. Und wenn die Beschneidung dem Kindeswohl dient, dann gibt es keinen Grund, die Beschneidung zu verbieten. Denn es kann doch wohl auch nicht sein, dass eine Massnahme nur deshalb verboten wird, weil sie aus religiösen Motiven erfolgt, obwohl sie erwiesenermassen die Gesundheit fördert.
    Deshalb sind medizinische Gründe allesentscheident – und jeder der versucht die Diskussion davon abzulenken, dem ist das Kindeswohl zweitrangig.

  185. #187 Suzie
    15. August 2012

    Gestern ging es in der Sendung “Menschen bei Maischberger”, auch um das Thema Beschneidung und ich fand die Diskussion wieder mal sehr aufschlussreich. 😉

    Sie zeigte mMn einmal mehr, dass Beschneidungsbefürworter – aus Mangel an vernünftigen Argumenten -, sich nicht scheuen, den größten Mist zu erzählen.

    Die Krönung war Dr. Isik:

    “Ich bitte alle Frauen unbeschnittener Männer: Bitte riechen Sie mal an dieser Gegend, ob nicht riechen nach Urin diese Männer!”

    und

    “Die Vorhaut ist eine Unterhosenfussel-Sammelquelle!”

    Wäre ich ein unbeschnittener Mann, wäre ich nun echt sauer!

    Er brachte auch noch den Vergleich zur Zahnspange. (Da ging es um körperliche Unversehrtheit)

    Ich kann nicht nachvollziehen, was eine Zahnspange, (Isik sprach von “Klammer”), die zur Korrektur der Zähne und somit dem Wohle des Kindes dient, (medizinische und/oder ästethische Gründe), und die später wieder entfernt wird, mit dem abschneiden einer Vorhaut zu tun hat? Ebenso fehlt mir der Zusammenhang mit einer Impfung. Seit wann wird bei Impfungen was amputiert?

    Graumann (ZdJ) forderte Toleranz…
    Ich “fordere” Anerkennung unseres GG !

  186. #188 Stefan W.
    16. August 2012

    Ich habe die Sendung auch gesehen, und fand sie gehörte zu den schwächeren zum Thema. Es gab aber ein paar bemerkenswerte Dinge Auffälligkeiten.

    Frau Kelec(?) erklärte zwar, dass die Verstümmelung von Mädchen dann auch zur Disposition stünde, wies aber nicht darauf hin, dass es auch vergleichbare, nicht ganz so drastische Beschneidungsrituale bei Frauen gibt. DIeses Argument habe ich vergeblich erwartet, wie auch nicht die Gleichberechtigung von Mann und Frau als juristische Basis dessen im GG betont wurde.

    Betrübt hat mich Hr. Graumann, auch wenn er das, was ich gerne sage, ausdrücklich bestätigte – doch dazu später. Erst zur Betrübnis.

    Einer seiner Argumentationsstränge ging so:
    a) “Alle Eltern lieben ihre Kinder.” Ok – wir wissen, dass das falsch ist, und der Allquantor sparsam verwendet werden sollte, aber man will nicht kleinlich sein – “Fast alle Eltern lieben ihre Kinder” lassen wir gelten.
    b) “Auch jüdische Eltern lieben ihre Kinder.” Wir sind begeistert. Vom allgemeinen zum Besonderen. Wenn jüdische Eltern Eltern sind, und die Ausnahmen uns keinen Schabernack spielen, dann müssen auch fast alle jüdischen Eltern ihre Kinder lieben – da wir keine Antisemiten sind können wir hier ohne zu zögern zustimmen – welch augenfällig gelungene Anwendung der Logik.
    c) “Daraus folgt: Wenn die Beschneidung schlecht wäre für die jüdischen Kinder, dann würden es die Juden doch nicht machen!” Trara – gegen die Wand geknallt mit offenen Augen.

    Es hatte so schön begonnen, und dann so ein peinlicher Unfall! Wie konnte es passieren? Eltern haben, jüdische, christlich, muslimisch und atheistisch jahrhundertelang die Kinder geprügelt – man erinnere sich an Woody Allens “Woody der Unglücksrabe”, wo Woodys Eltern (maskiert) auftreten und der Vater erklärt: “Wir haben versucht die Religion in das Kind hineinzuprügeln …” – sollte Herr Graumann Woody Allens Film nicht kennen? Dass die Eltern aus Unkenntnis das Falsche tun hält er für ausgeschlossen? Oder dass sie in der Bredouille sind, in einem Gewissenskonflikt zwischen Loyalität zu Gott, der ein schmerzliches Opfer will, nicht nur vom kleinen, wehrlosen Bündel, welches dem Opfer nicht zustimmen kann (wir erinnern uns: das Baby ist 8 Tage alt, wenn die Vorhaut bei orthodoxen Juden amputiert wird), so dass dies nicht als Einwilligung zu irgendwas gewertet werden könnte, sondern als Einwilligung der Eltern, die ja sehen wie das Kind leidet, und – da bin ich doch recht sicher – Mitleid empfinden. Aber eben auch Schuld, und aus dieser gemeinsamen Schuld erwächst – Mitglieder der Mafia und Camorra mögen mich korrigieren – eine der stärksten Bindungskräfte. Man teilt ein häßliches, kleines Geheimnis, und versichert, in dem man sich selbst schuldig macht den eigenen Eltern, dass diese richtig gehandelt haben.

    Aber kommen wir zu dem Punkt, wo er sagte, was er als religiöser Mensch m.E. sagen musste: Zur Frage, ob die Jungs nicht später beschnitten werden können, etwa wenn sie selbst darüber entscheiden können – m.E. mit 18 – bzw. ob eine vorläufig-symbolische Beschneidung in Betracht kommt lehnte er ab mit der religiösen Rolle rückwärts – raus aus dem rationalen Erklärungsgefasel, hin zur Idee der ewigen Wahrheit, der Offenbarung durch ein Wort eines Gottes. Undiskutierbar. Dogma. Egal jetzt, was das Kindeswohl wäre – Jahwe befahl es.

    Auf diesen Punkt wurde er nicht festgenagelt, obgleich gefragt wurde, wie die körperliche Züchtigung verboten sein kann, die auch traditionell war. Da wurde recht gut nachgehakt und es gab keine geschickte Ausflucht dazu.

    Was ich gerne als Trainer vor der Sendung den Verstümmelungskritikern beibringen würde, was zu selten vorkommt, ist, dass, sobald eine der Befürworterinnen sagt “Religionsfreiheit” dass man einwirft “… der Eltern, und Ausüben ihrer Religionsfreiheit”, um erstens auf die Differenzierung zwischen Wahl der Religion hier, und Praktizieren dort hinzuweisen, und darauf, dass die Kinder womöglich später ihrer Religion verlustig gehen, und dann einer Vorhaut nachtrauern könnten. Wenn man annimmt, dass 100% der Nachkommen sich mit 18 dann doch beschneiden lassen, dann könnte man die Freiheit sich dagegen zu entscheiden zu einer akademischen Freiheit erklären.

    Und dazu kommt mir, wo ich es jetzt schreibe, eine Frage: Graumann behauptete, dass die Nachkommen von Juden, die selbst nicht religiös wären, dennoch an dem Ritus der Beschneidung festhalten.

    Das wäre doppelt bemerkenswert. Es will mir nicht ins Hirn, wieso man, wenn man Jahwe keine Vorhaut zum Beweis schuldet, an dieser Barbarei festhalten sollte. Gut – hier greifen die Nebelkerzen, Nichtwissen und Macht der Tradition: Man glaubt es sei hygienischer, gesünder und/oder Masturbationsprophylaxe. Man glaubt, Babies seien nicht schmerzempflindlich, nicht Traumafähig. Dass es lediglich ein Stück Haut, wie Ohrlochstechen oder Impfung ist. Man will ein Fest feiern, und sich seiner Geschichte nicht entfremden. Was man bis zum Abwinken jetzt gehört hat.
    Aber die Crux ist, dass der gute Mann ein klassisches Eigentor geschossen hat. Wenn es eine Tradition ist, die losgelöst von der Religion ist, dann taugt es nicht, sich auf die Ausübung der Religion zu berufen.

    Ich würde aber auf dem Eigentor nicht rumreiten wollen. Die Körperverletzung kann nicht geduldet werden, wenn es auch nur einen Juden gibt, der mit 18 sagen würde, dass er nicht beschnitten werden will – ob er nun sich dennoch als Jude verstehen will oder ob er sich als Atheist versteht.

    Von Männern, die wesentlich später, aus medizinischen Gründen beschnitten wurden kann man erfahren, ob diese etwas vermissen, und ich habe im Zuge der Diskussion unterschiedliches gehört – von “bedaure den Verlust der Vorhaut sehr” bis “kaum ein Unterschied”. Aber interessant ist natürlich, dass alle ordentlich beschnittenen Juden nichts aus eigener Erfahrung dazu sagen können, ob ihnen etwas fehlt.

    Der unbeschnittene Wasauchimmer dagegen kann immerhin erfühlen was es mit den X-tausend Nervenenden auf sich hat, die darin zu verorten sind. Was der Verlust wäre kann man sich aber nur einbilden. Was der Verlust wäre, wenn man nicht weiss wessen man verlustig gegangen ist, weil es mit 8 Tagen geschah, das kann derjenige dann auch wieder sagen.

    An dieser Stelle kommt aber Dr. Isik ins Spiel, mit einer Glanzleistung an unfreiwilliger Offenheit. Im Eifer des Gefechts, gefragt, wieso man nicht wartet, bis die Jungs erwachsen sind, um sie dann selbst zu fragen warf er sich empört in die Brust, und meinte, es sei doch klar, dass dann 90% nicht beschnitten werden wollten, wenn sie frei entscheiden könnten!

    Danke, Euer Ehren, wir haben keine weiteren Fragen.

  187. #189 Stefan W.
    16. August 2012

    @Suzie:

    “Die Vorhaut ist eine Unterhosenfussel-Sammelquelle!”

    Als geübter Vorhautträger empfehle ich fusselfreie Unterhosen. Ich denke beim beschnittenen Mann haften vielleicht Fusseln an der Eichel – bei mir schützt eigentlich die Vorhaut vor nämlichen Fusseln.

    In diesem Argumentationsstrang verkündete der Herr Isik auch, dass durch Versuche mit versteckter Kamera bekannt sei, dass 90% der Männer beim Besuch der Toilette in einem Restaurant/Cafe sich nach der Klobenutzung nicht die Hände waschen.

    Leider fuhr ihm niemand in die Parade mit der Idee, die Hände besser auch mit zu amputieren.

    Etwas weniger bissig wäre die Feststellung gewesen, dass man, sofern nicht volltrunken, nicht auf die Hand pinkelt. Wenn ich mir mit der Hand die Haut am Arm anfasse, dann wasche ich danach auch nicht die Finger. Ich wasche sie aus Gewohnheit nach dem Klo, und mehrfach am Tag ganz allgemein die Hände zu waschen, ist sicher eine gute Idee.

    Die Ängste über Keime an Armaturen und Türgriffen in Klos sind aber bekannt. Ich bin sicher kein Vorbild an Hygiene, sondern einfach nur so konditioniert worden, mir immer nach dem Klo (statt davor) die Hände zu waschen, und andererseits habe ich keine übertriebene Angst vor Armaturen und Türgriffen in Klos, sondern kenne die Mär, dass man sich dort die Syphillis holt. Darmbakterien kann man sich da wohl holen, aber die wäscht man sich ja gleich ab, wenn man wäscht, und den Türgriff hat man, ob man nun wäscht oder nicht.

    Was ich sagen will, ist, dass die Männer, die sich die Hände nicht waschen, übertriebene Bakterien- und Virenangst haben, und sich wohl zu Hause zum Großteil sehr wohl die Hände waschen, wenn sie vom Klo kommen. Herr Isik hatte aber vermutet, dies sei eine generelle, männliche Hygieneferne, die man hernehmen könne, um eine Praxis zu legitimieren, die man aus ganz anderen Gründen übt, die aber schwerer vermittelbar sind.

    Das schöne an der öffentlichen Diskussion ist, dass jeder sieht, wie da geheuchelt wird.

  188. #190 Stefan W.
    16. August 2012

    @Physiker:

    Bei der Beurteilung der Frage, ob (rituelle) Beschneidung verboten werden sollte, geht es ausschliesslich um medizinische Gründe.

    … – und jeder der versucht die Diskussion davon abzulenken, dem ist das Kindeswohl zweitrangig.

    Dem will ich mehrfach widersprechen. Lust an sexueller Stimulation ist für mich kein medizinisches Phänomen. Ob ich das habe oder nicht gehört mit in die Waagschale. Das ist das erste.

    Das zweite ist, dass es einerseits Schmerzen bei der Operation und bis zur Wundheilung gibt, dass es möglicherweise Traumata gibt, dass es Komplikationen und evtl. Anästhesierisiken gibt. Und dass es statistische Vorteile gibt, die sich also nicht so leicht aufsummieren lassen, und die im Einzelfall, auch wenn eine Massnahme im Schnitt mehr nützt als schadet – was Todesfälle betrifft lässt sich das zumindest theoretisch ermitteln – der eine eben nur leidet, und nicht persönlich profitiert.

    Zu Peniskrebs sagte der zweite Doktor in der Sendung, der nur bei medizinischer Indikation operiert, dass es 0,9 Fälle auf 100.000 Männer pro Jahr gibt, die von einer Amputation der Vorhaut profitieren würden. Das sieht m.E. nicht nach vernünftiger Prophylaxe aus.

    Man kann ja mal schauen, wieviele Männer mit 18 aus eigenem Antrieb solch eine Prophylaxe vornehmen lassen.

    Zu Aids ist ja vielleicht inzwischen hinreichend oft erklärt worden, dass es sicher keine Notwendigkeit im Alter von 0 Jahren gibt, dass Kondome besser schützen, dass die WHO das lediglich für einige afrikanische Staaten südlich der Sahara empfiehlt, wo das Ansteckungsrisiko sehr hoch ist.

    Die Vorhautverengung kann meist ohne Operation behandelt werden. Sie wächst sich in den meisten Fällen von selbst aus. Nur einige Folgen wie schmerzhafte Vorhautverengung werden überhaupt behandelt. Der operative Eingriff ist zudem meist milder als die rituelle Beschneidung.

    Gebärmuttererkrankungen bei Frauen durch Verstümmelung männlicher Kinder vorzubeugen verbietet sich ganz. Auch hier kann man ja mal ganz unverbindlich fragen, welcher Nichtreligiöse das im Erwachsenenalter aus eigenem Antrieb freiwillig an sich machen lässt.

    Dass man das Kindeswohl nicht im Auge haben kann, wenn man von medizinischen Fragen abkommt ist schon deswegen falsch, weil es ein Wohl jenseits des Nicht-Krankseins gibt, etwa durch ein ungetrübtes, sexuelles Lustempfinden.

    Es geht aber natürlich wie in jeder Diskussion auch darum, der Gegenseite Taschenspielertricks nachzuweisen, und darüber aufzuklären, was bloss vorgeschobene Argumente sind.

    Und daher frage ich: Wenn die Argumentation eine medizinische ist – wieso steht es nicht so in der Bibel? Wieso steht da nicht, dass soundsoviel Peniskrebse vermieden werden können, wenn der Junge nur beschnitten wird? Lt. Doktor (…) ist die Peniskrebsrate in weniger entwickelten Staaten, soweit ich mich erinnere 3 oder 4x so hoch. Wie hoch war die Rate etwa 600 v.u.Z. als das Gebot aufgeschrieben wurde?

    Ich glaube nicht, dass hier eine Priestertrugstheorie greift, nach der eine eilitäre Kaste einen statistischen Zusammenhang erkannte – wo kam der überhaupt her? Dazu müsste man ja bereits eine Gruppe Probanden haben, nicht? Man müsste also eine Kausalbeziehung vermutet haben, aber wie kam man darauf? Und diese Priester halten dann das Volk für zu doof zu kapieren, was sie kapiert haben, und verbrämen es als Gebot Gottes, weil das immer so gut klappt?

    In unserer Gesellschaft sind nicht Priester – Rabbiner – Imame – Medizinmänner zuständig für Gesundheit, sondern Ärzte, Krankenhäuser, Wissenschaftler.

    Die Medizin steht aber jedermann offen, unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit. Die Medizin aber als Vehikel des Betrugs zu missbrauchen ist schändlich. Wer religiöses im Schilde führt soll wenigstens dazu stehen, wie Herr Graumann, als sich die Diskussion zuspitzte. Ihn interessiert es in Wahrheit einen feuchten Kehrricht, ob das Kind profitiert oder leidet – es ist Gottes Gesetz, und der Mensch darf es nicht ändern.

    Aber das Grundgesetz sollen wir ändern. Nicht mit mir!

    Je intensiver man die medizinische Argumentation auf den Prüfstand stellt, umso grotesker wird sie.

  189. #191 Physiker
    17. August 2012

    @Stefan W.:
    Keines Ihrer Argumente ist neu – ich habe bereits alle weiter oben beantwortet. Nachdem es aber unzumutbar ist, alle Beiträge durchzugehen, extra nochmal für Sie:

    Lust an sexueller Stimulation ist für mich kein medizinisches Phänomen. Ob ich das habe oder nicht gehört mit in die Waagschale. Das ist das erste.

    Ihre Meinung, was ein medizinisches Phänomen sein soll in allen Ehren, die publizierenden Forscher sehen das anders: Selbstverständlich ist verminderte sexuelle Stimulation/Libidoverlust ein medizinisch relevantes Phänomen. Selbstverständlich gibt es dazu medizinische Studien und selbstverständlich werden die Ergebnisse bei einer medizinischen Abwägung auch berücksichtigt. Siehe z.B. diesen bereits häufig ztierten Review. Ihr erster Einwand ist also falsch/bereits berücksichtigt.

    Das zweite ist, dass es einerseits Schmerzen bei der Operation und bis zur Wundheilung gibt, dass es möglicherweise Traumata gibt, dass es Komplikationen und evtl. Anästhesierisiken gibt.

    Auch das wird im zitierten Review berücksichtigt und ist ein originär medizinisches Thema.

    Und dass es statistische Vorteile gibt, die sich also nicht so leicht aufsummieren lassen, und die im Einzelfall, auch wenn eine Massnahme im Schnitt mehr nützt als schadet – was Todesfälle betrifft lässt sich das zumindest theoretisch ermitteln – der eine eben nur leidet, und nicht persönlich profitiert.

    Wenn ich sie richtig verstanden haben, wollen Sie einwenden, dass eine Beschneidung nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nützt, d.h. im Einzefall auch nur schaden kann. Das haben Sie bei einer Impfung auch. Wenn sie sich die Wahrscheinlichkeiten ansehen, die in Tabelle 1 des Reviews aufgelistet sind, dann stellen sie fest, dass es so gut wie keine Impfung gibt die so hochwirksam ist, wie die Beschneidung gegen die aufgelisteten Krankheiten. Auch der Schaden ist durchaus vergleichbar mit Impfnebenwirkungen.

    Zu Peniskrebs sagte der zweite Doktor in der Sendung, der nur bei medizinischer Indikation operiert, dass es 0,9 Fälle auf 100.000 Männer pro Jahr gibt, die von einer Amputation der Vorhaut profitieren würden. Das sieht m.E. nicht nach vernünftiger Prophylaxe aus.

    Wenn man diese Zahl von einem Jahr auf das gesamte Leben umrechnet, dann kommt man genau auf die im Review angegebenen 1000 Männer die von der Beschneidung (während ihres Lebens) profitieren. Das sind deutlich mehr Personen als in Deutschland von einer Tetanus-Impfung profitieren. Ihre Laien-Einschätzung ist also falsch. Abgesehen davon ist die Beschneidung für die anderen aufgelisten Krankheiten z.T. mehr als hundert mal effektiver.

    Man kann ja mal schauen, wieviele Männer mit 18 aus eigenem Antrieb solch eine Prophylaxe vornehmen lassen.

    Warum soll das relevant sein? Mit 18 lässt sich auch niemand mehr eine Zahnspange einsetzen, und trotzdem sind Zahnspangen im Kindesalter sinnvoll. Es spielt für die Argumentation keine Rolle, ob sich Erwachsene verfünftig verhalten oder nicht.

    Zu Aids ist ja vielleicht inzwischen hinreichend oft erklärt worden, dass es sicher keine Notwendigkeit im Alter von 0 Jahren gibt, dass Kondome besser schützen, dass die WHO das lediglich für einige afrikanische Staaten südlich der Sahara empfiehlt, wo das Ansteckungsrisiko sehr hoch ist.

    Und hinreichend oft ist darauf schon unwidersprochen geantwortet worden, dass das Kindeswohl auch dessen zukünftiges Wohl einschliesst, eine Beschneidung von Neugeborenen wesentlich nebenwirkungsärmer ist als im fortgeschrittenerem Alter, dass Doppelter Schutz besser ist als einfacher, dass Kondome (ca. 80% Schutz) nur etwas besser schützen als Beschneidung (ca 60%-70%), dass die WHO Empfehlungen nicht an einige Staaten gerichtet sind (sondern sondern sich an der HIV-Inzidenz orientieren), dass bei Massnahmen die die WHO empfiehlt bereits der Nutzen soweit überwiegt dass auch davon auszugehen ist dass der Vorteil auch ausserhalb der Risikogebiete überwiegen sollte.

    Nur einige Folgen wie schmerzhafte Vorhautverengung werden überhaupt behandelt.

    Vorhautverengungen sind so gut wie immer schmerzhaft. Trivialerweise wird bei einer Beschneidung dieser Schmerz verhindert. Das dient eindeutig dem Wohl des Kindes.

    Der operative Eingriff ist zudem meist milder als die rituelle Beschneidung.

    Rituelle Beschneidungen sind medizinische Eingriffe und werden auch in Deutschland von einem Arzt vorgenommen (siehe auch Kölner Fall – alles andere wäre sowieso auch schon bisher strafbar gewesen). Dass drum herum noch ein religiöses Brimborium gemacht wird, ist für die Bezeichnung des medizinischen Eingriffs nicht relevant.

    Gebärmuttererkrankungen bei Frauen durch Verstümmelung männlicher Kinder vorzubeugen verbietet sich ganz.

    Indirekt dient das Wohl der evtl. zukünftigen Frau auch der beschnittenen Person.

    Und daher frage ich: Wenn die Argumentation eine medizinische ist – wieso steht es nicht so in der Bibel?

    Das ist doch nicht Ihr Ernst oder? Nur weil ein blindes Huhn auch mal ein Korn findet muss man das doch nicht gleich dem Huhn zum Vorwurf machen.

    In unserer Gesellschaft sind nicht […] zuständig für Gesundheit, sondern […] Wissenschaftler.

    Na dann werfen Sie doch mal einen Blick in die zahlreich verlinkte Fachliteratur.

    Ihn [Anm.: Vorsitzende des Zentralrates der Juden] interessiert es in Wahrheit einen feuchten Kehrricht, ob das Kind profitiert oder leidet

    Das ist eine bösartige Unterstellung – gerade weil er das auch explizit dementiert hat.

    Aber das Grundgesetz sollen wir ändern. Nicht mit mir!

    Das Grundgesetz soll auch gar nicht geändert werden. Weil es sich um keinen Grundrechtskonflik handelt – auch wenn das von allen behauptet wird. Ich empfehle Ihnen dringendst einen Blick in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

    Je intensiver man die medizinische Argumentation auf den Prüfstand stellt, umso grotesker wird sie.

    Grotesk ist es, wissenschaftliche Ergebnisse zu leugnen/wegzudiskutieren.

  190. #192 Stefan W.
    17. August 2012

    Ja, Physiker, dann wollen wir nochmal 🙂

    Punkt 1, da habe ich mich offenbar schlecht ausgedrückt. Es geht mir darum, dass ich bei Vorhaut nicht an Ärzte und Krankenhäuser sondern an Frauen und Sex denke. Das war nicht optimal ausgedrückt. Natürlich ist es Medizinern auch erlaubt reduziertes Lustempfinden zu bedauern und die Amputation eines wichtigen Sexualorgans aus religiösen Gründen abzuweisen, die eben nicht medizinisch sind.

    Punkt 2 – Schmerzen, Risiken und fehlendes Organ ist natürlich medizinisch interessant. Aber wo Sie es sagen: Je säkularer die Welt wird, um so mehr spielt auch Schmerzbehandlung eine neue Rolle im gesellschaftlichen Diskurs und auch bei Ärzten. Dass es das Kreuz ist, was jeder auf sich nehmen soll, eine Prüfung Gottes, wenn man leidet, darf heute glauben wer will – und wer nicht will eben nicht.

    Die Werte der Gesellschaft ändern sich, und die moralische Nachhut, die religiösen Trägheiten folgen mit Abstand hinterher.

    Was den Grund zu posten überhaupt betrifft, so ging es mir darum darzustellen, auf welchem Stand der Diskussion sich die Talkgäste präsentierten. Es ist ja nicht verboten sich auf so eine Sendung vorzubereiten, und dann Argumente stecken zu lassen, die längst geklärt sind. Die Pro-Beschneidungstante wußte nichtmals, dass jede Operation eine Körperverletzung ist – Einwilligung hin oder her.

    Auch der Schaden ist durchaus vergleichbar mit Impfnebenwirkungen.

    Ich bin mehrfach geimpft, und habe gegen keine der Impfungen nachträglich etwas einzuwenden. Dass der Schaden, der ja bei jeder Beschneidung sicher eintritt – der ja gewollt ist, sonst wäre es ja kein Opfer, auch da fällt die medizinische Argumentation auf die Nase – mit einer Impfung vergleichbar ist, ist einfach lächerlich. Hast Du keine Vorhaut, und erinnerst Dich nicht an sie, um sowas zu behaupten?

    Auch wenn das für Dich stimmen sollte – für mich stimmt es nicht. Ich würde eher den 2. kleinsten Zeh des linken Fußes opfern als die Vorhaut!

    Wenn man diese Zahl von einem Jahr auf das gesamte Leben umrechnet, dann kommt man genau auf die im Review angegebenen 1000 Männer die von der Beschneidung (während ihres Lebens) profitieren.

    Schau, was wahnsinnig nervt, ist, wenn Diskussionsteilnehmer immer auf den Stand der Diskussion zurückfallen den sie vor der Diskussion hatten, und so demonstrieren, dass sie nicht zuhören, nicht begreifen und sich nichts merken können.

    Niemand weit und breit ist generell gegen Beschneidungen Dritter. Ich würde mich nicht beschneiden, aber verboten soll es nur werden an Minderjährigen ohne Indikation. Oder bist Du so unredlich nur so zu tun als wärst Du ein wenig geistig schläfrig?

    Mit 18 soll sich jeder von mir aus den ganzen Penis abschneiden lassen oder sich kastrieren. Du darfst die Zahlen nicht mit 100 multiplizieren, sondern nur mit 18. Dann kommst Du auf 180 Leute die davon profitieren, dass 100000 Leute beschnitten werden, vorrausgesetzt das Erkrankungsalter ist gleichverteilt über alle Altersgruppen, was es ja eher nicht ist. Im Gegenteil, tritt die Erkrankung wenn, dann ab einem Alter von 50 auf.

    Für einen Pieks mit einem geringen Infektionsrisiko mag das tolerierbar sein – für Amputationen aber sicher nicht.

    Warum soll das relevant sein? Mit 18 lässt sich auch niemand mehr eine Zahnspange einsetzen, und trotzdem sind Zahnspangen im Kindesalter sinnvoll.

    Ist das jetzt Satire? Die Zähne und der Kiefer sind eben in der Kindheit formbar – mit 18 ist es zu spät da noch korrigieren zu wollen.

    Im Gegensatz dazu beginnt die sexuell aktive Phase aber erst mit der späten Jugend.

    Und hinreichend oft ist darauf schon unwidersprochen geantwortet worden, … eine Beschneidung von Neugeborenen wesentlich nebenwirkungsärmer ist als im fortgeschrittenerem Alter,

    Hier vielleicht, und das wäre schade.

    Wie gesagt sind Phimosen bei Babies und Kleinkindern nicht selten aber wachsen sich von selbst aus. Und sie sind nicht immer schmerzvoll. Bei der Geburt ist die Vorhaut auch noch oft derart mit der Eichel verwachsen, dass sie bei der Beschneidung erst schmerzhaft abgerissen werden muss.

    Dann wird sporadisch gefordert, man müsse die Kinder narkotisieren. Dies ist m.W. wesentlich riskanter bei kleinen Kindern. Was Infektionen und die Abwehrkräfte des Körpers betrifft bin ich dann aber überfragt.

    Diese Argumentation, das kleine Kind vertrage die Operation besser habe ich insbesondere im Zusammenhang mit der Aussage gehört, Babies würden noch gar keine Schmerzen empfinden, Trauma wären so ausgeschlossen, die Kinder würden sich auch an nichts erinnern und für ähnlich seriös halte ich sie.

    Die AIDS-Argumentation kommentiere ich nur soweit, dass die WHO nicht die Amputation der Vorhaut bei nicht zustimmungsfähigen Kindern empfiehlt.

    Rituelle Beschneidungen sind medizinische Eingriffe und werden auch in Deutschland von einem Arzt vorgenommen (siehe auch Kölner Fall – alles andere wäre sowieso auch schon bisher strafbar gewesen).

    Das ist doppelt falsch. Ein medizinischer Eingriff setzt immer eine Indikation vorraus. Medizinische Eingriffe zahlt auch die Kasse. Rituelle Beschneidungen sind chirurgische Eingriffe, aber eben nicht medizinisch.

    Zweitens wird ein solcher Eingriff nicht – zumindest nicht zwingend – von einem Arzt vorgenommen. Bei den Juden macht es ein Mohel, bei den Moslems der Sünnetci. Der Mohel kann zwar auch Arzt sein, ist es aber selten, und wenn dann handelt er nicht als Arzt, sondern ganz im Gegenteil.

    Als solcher hat er nämlich das Standesrecht zu beachten, und nur tätig zu werden zum heilen, Schmerz zu lindern, Schaden abzuwenden. Verstümmlungen, auch wenn die Eltern sie wünschen, sind dem Arzt nicht gestattet.

    Und strafbar war es so oder so bisher – es hat nur niemand gemerkt. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die Frage, ob es ein Arzt macht, die Frage der Strafbarkeit berühren sollte, wäre auch noch zu erklären.

    Umgekehrt kann ich erklären, wieso es das nicht ist. Wenn ein Arzt singt ist das auch kein medizinischer Eingriff, blos weil es ein Arzt tut. Wenn er einen Arm einer Person vergipst, die im Film eine Person mit Gipsarm spielt, ist es auch kein medizinischer Eingriff. Oder ein Arzt tätowiert sein Kind – alles keine medizinischen Eingriffe.

    Höchstens dass zum Ziel des Abrechnungsbetrugs die religiöse Praxis als medizinisch ausgegeben wird. Wegen der Einbettung in rituelles Geschehen – teils lutscht der Medizinmann am Penis – kommt ein medizinisches Setting oft gar nicht in Frage. Auch wenn der Zentralratsvorsitzende Graumann gegenteiliges behauptet variieren die jüdischen Rituale hier aber wohl von Gemeinde zu Gemeinde.

    Bei Muslimen wird i.d.R. später beschnitten – bis zum 13. Lebensjahr – und es gibt offenbar Wildwuchs, was die Frage betrifft, ob betäubt werden darf oder soll – teils wird das Leiden als Kern des Rituals begriffen: der Junge soll sich wie ein Mann verhalten, und den Schmerz aushalten, und ergo erstmal verspüren.

    Das ist weit, weit von ärztlichem Ethos entfernt. Es ist grausam. Es gehört abgeschafft. Sollen sich die Medizinmänner den ganzen Penis abschneiden! Die Jungen werden ja gewaltsam festgehalten, damit sie nicht ausbüxen, aber dann bekommen sie eine Krone aufgesetzt, und werden gefeiert. Wie im Karneval – nur nicht so komisch.

    Indirekt dient das Wohl der evtl. zukünftigen Frau auch der beschnittenen Person.

    Und wenn der Junge homosexuell wird, oder sexuell abstinent ist er selbst schuld! Die Eltern können dem Wohl des Kindes wegen in eine Operation einwilligen – nicht aber wegen des Wohl eines potentiellen Dritten das Kind entstellen.

    Das ist ja schon eine zynische Argumentation, und wieder: das kann man als Erwachsener früh genug selbst entscheiden; man kann andere Methoden verwenden, und die Zahlen sind lächerlich klein.

    Und daher frage ich: Wenn die Argumentation eine medizinische ist – wieso steht es nicht so in der Bibel?

    Das ist doch nicht Ihr Ernst oder? Nur weil ein blindes Huhn auch mal ein Korn findet muss man das doch nicht gleich dem Huhn zum Vorwurf machen.

    Wieso soll das nicht mein Ernst sein?

    1 Mose 9 ff.
    Und Gott sprach zu Abraham: So haltet nun meinen Bund, du und deine Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht. Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Desgleichen auch alles, was an Gesinde im Hause geboren oder was gekauft ist von irgendwelchen Fremden, die nicht aus eurem Geschlecht sind. Beschnitten soll werden alles Gesinde, was dir im Hause geboren oder was gekauft ist. Und so soll mein Bund an eurem Fleisch zu einem ewigen Bund werden. Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.

    Wo siehst Du hier eine medizinische Begründung? Ich sehe keine. Ein Bund soll besiegelt werden, es ist ein chauvinistisches Ritual.

    Das ist eine bösartige Unterstellung – gerade weil er das auch explizit dementiert hat.

    Er hat explizit gesagt, im Zusammenhang mit der Frage, ob man die Beschneidung verschieben könne bis das Kind erwachsen ist, dass göttliche Gebote keine Steuergesetze sind, die man ändern kann – dabei geschickt die Steuer wählend, die nicht zur Disposition steht, statt des Grundgesetzes, welches für zivilisierte Menschen in Deutschland die ultima ratio definiert.

    Und es ist womöglich kein Grundrechtekonflikt, weil ja das Recht auf körperliche Unversehrtheit zweifelsfrei betroffen ist – dagegen wird zu Unrecht die Religionsfreiheit ins Felde geführt, aber niemand wird das Recht auf Wahl der Religion genommen. Das Ausüben der Religion wird den Eltern eingeschränkt, aber diese sind ja nicht die Verletzten, und daher dürfen sie nicht zum Schaden des Kindes dessen Entstellung befehlen.

    Der Hr. Graumann ging aber ja soweit zu behaupten, dass selbst Juden die nicht gläubig sind an dem Ritus festhalten. Wenn es aber gar kein religiöses Ritual ist, sondern halt ein allgemeines, dann kann es schlecht den Grundrechtsschutz der Religion für sich proklamieren. Das war ja ein entscheidendes Eigentor, das er in Bedrängnis sich selbst hineinstolperte. Das war sein Versuch das ganze als so irrsinnig wichtig für Juden zu unterstreichen. 🙂

    Der zweite Grundrechtskonflikt der lauert ist natürlich die Gleichbehandlung von Mann und Frau, wenn man nicht weniger rabiate Beschneidungen von Frauen weiterhin sanktionieren will.

    Grotesk ist es, wissenschaftliche Ergebnisse zu leugnen/wegzudiskutieren.

    In der Tat.

    Ich kann übrigens auch diese, anfangs v.a. juristische Diskussion empfehlen: https://blog.beck.de/2012/07/15/zirkumzision-wie-soll-das-gesetz-aussehen-mit-update-2007

  191. #193 Physiker
    17. August 2012

    @Stefan W.:
    Nicht dass ich damit gerechnet hätte, dass zur Abwechlung mal jemand auf meine Argumente eingeht – aber ein derartiges rumgeiere hätte ich von Ihnen nicht erwartet:

    Punkt 1, da habe ich mich offenbar schlecht ausgedrückt. Es geht mir darum, dass ich bei Vorhaut nicht an Ärzte und Krankenhäuser sondern an Frauen und Sex denke. […]

    Und was soll das bitteschön mit Ihrem Widerspruch zu meinem vorausgehenden Beitrag zu tun haben? Denken Sie was Sie wollen, wenn Sie mir in einer sinnvollen Diskussion widersprechen wollen, dann sollten aber schon Argumente dahinter stecken und nicht irgendwelche wirren Assoziationen.

    Das war nicht optimal ausgedrückt. Natürlich ist es Medizinern auch erlaubt reduziertes Lustempfinden zu bedauern und die Amputation eines wichtigen Sexualorgans aus religiösen Gründen abzuweisen, die eben nicht medizinisch sind.

    Auch hier nochmal: wo ist der Zusammenhang? Lesen Sie bitte nochmal meinen vorausgehenden Beitrag – und wenn Sie Ihre Kritik daran zurückziehen wollen, dann schreiben Sie das auch bitte so, oder formulieren Sie wenigstens einen neuen Kritikpunkt.

    Punkt 2 – Schmerzen, Risiken und fehlendes Organ ist natürlich medizinisch interessant. Aber wo Sie es sagen: Je säkularer die Welt wird, […]

    Was soll dieses Rumgeschwafle? Mit wirren Assoziationsketten gewinnen Sie in einer Diskussion keinen Blumentopf. Kommen Sie auf den Punkt und kritisieren Sie meine Aussagen – ansonsten lassen Sie’s bleiben. Dieses Blah blah ist unerträglich.

    Was den Grund zu posten überhaupt betrifft, so ging es mir darum darzustellen, auf welchem Stand der Diskussion sich die Talkgäste präsentierten.

    So ein Unsinn. Sie haben einen sehr langen Beitrag zum Maischberger-Talk geschrieben, dem ich fast uneingeschränkt zustimme (sogar mit darüber hinausgehender Kritik – das ist aber ein anderes Thema). Und sie haben mir in einem anderen Beitrag ziemlich heftig widersprochen und dabei bezogen Sie sich – deutlich erkennbar durch die zitierten Stellen – nicht auf die Maischberger-Sendung sondern auf meinen Kommentar. Sorry, aber so funktionniert keine Diskussion.

  192. #194 Stefan W.
    18. August 2012

    @Physiker

    Ich kritisierte die Aussage: “Bei der Beurteilung der Frage, ob (rituelle) Beschneidung verboten werden sollte, geht es ausschliesslich um medizinische Gründe.”

    Die Medizin beschäftigt sich in erster Linie mit Defiziten. Ob jemand krank oder verletzt ist. Nicht mit dem Wohlbefinden beim Sex. Es ist allerdings auch nicht verboten, dass sich Mediziner damit befassen, vielleicht unter dem Aspekt Depressionen aufgrund mangelnder sexueller Befriedigung.

    Mir ging es in erster Linie darum zu bestreiten, dass man Risiken durch die Beschneidung mit Risiken ohne Beschneidung aufrechnet.

    Wenn man das tut, dann ist jedenfalls das Alter dessen, der sich beschneiden lässt oder dazu gezwungen wird zu berücksichtigen. Es sind psychische Folgen zu berücksichtigen, und vermindertes sexualerleben als Malus zu berechnen.

    Ich bestreite aber mehr noch die Zulässigkeit solcher medizinischer Erwägungen, weil sie vorgeschoben sind. Die Religionsvertreter berufen sich nur darauf um Werbung in rationalen Kreisen für die Beschneidung zu machen. Wie Herr Graumann aber aufrichtig zugab geht es ihm gar nicht um medizinisches. Solange er es so aussieht, als könnte man da einen Stich machen wird die Gesundheitskarte gespielt, aber in Wahrheit muss gemäß der Religion beschnitten werden, behautet er, medizinischer Vorteil hin oder her.

    Es ist ja auch so, dass eine rein medizinisch vorgenommene Beschneidung nicht zählt – die Zeremonie muss nach religiösen Regeln vorgenommen werden, und zumindest muss nochmal Blut fließen.

    Die Befürworter der Beschneidung sollten schon wissen, auf welche Gründe sie sich berufen. Wenn sie sich auf medizinische berufen, dann können sie schlecht die Religionsfreiheit für sich geltend machen.

    Und wenn gesagt wird, dass Gott keine Kompromisse hinsichtlich Alter und Narkose akzeptiert, dann ist das deren Glauben, den ich respektieren kann, aber die Ausübung der Verstümmelung kann ich nicht tolerieren, denn das Kind ist eben zu jung, um eine Entscheidung dieser Tragweite zu treffen – auch mit 13.

    Man kann nicht Ohrfeigen im Namen Gottes verurteilen, und Verstümmelungen gutheißen. Wer meint er müsse dann auswandern wird sich wundern, wie in wenigen Jahren überall die Beschneidung verfolgt wird – außer in Staaten, wo das Individuum per se nichts zu melden hatten.

  193. #195 Physiker
    18. August 2012

    @Stefan W. (2.Teil):

    Dass der Schaden, der ja bei jeder Beschneidung sicher eintritt – […] – mit einer Impfung vergleichbar ist, ist einfach lächerlich.

    Der Schaden wird direkt unter Tabelle 1 aufgelistet und der besteht hauptsächlich in kleinen blauen Flecken, verursacht duch die Betäubungsspritze. Ich denke, bei einer Impfung wird es auch zu solchen “Schäden” kommen – alle anderen Schäden sind wesentlich seltener als die bei Impfungen doch recht häufig vorkommenden Impfreaktionen (Abgeschlagenheit, Fieber, etc.). Der Schaden im juristischen Sinne, von dem Sie sprechen: nämlich die Entfernung der Haut, kann für sich alleine genommen nicht als gesundheitlicher Schaden gewertet werden. Der Grund ist simpel: dieser Schaden ist nicht quantifizierbar. Und sofern das entfernte Stück Haut keine Funktion hat oder sonst irgendeinen medizinisch/psychologischen Nachteil darstellt, ist es irrelevant. Und wenn durch die Entfernung irgendein konkreter Nachteil/Schaden entsteht (Libidoverlust oder sonstiger medizinisch/psychologische Beeinträchtigung), muss er ja sowieso berücksichtigt werden. Schäden dürfen nicht doppelt gezählt werden.

    Wenn man diese Zahl von einem Jahr auf das gesamte Leben umrechnet, dann kommt man genau auf die im Review angegebenen 1000 Männer die von der Beschneidung (während ihres Lebens) profitieren.

    Schau, was wahnsinnig nervt, ist, wenn Diskussionsteilnehmer immer auf den Stand der Diskussion zurückfallen den sie vor der Diskussion hatten, und so demonstrieren, dass sie nicht zuhören, nicht begreifen und sich nichts merken können.

    Und mich nerven fehlende Bezüge. Mein Zahlenvergleich zwischen der Talkshow und der Publikation ist zwangsweise neu, da meine älteren Beiträge zeitlich vor der Talkshow geschrieben wurden. Wie kann man also durch einen Vergleich mit aktuellen Aussagen “hinter den Stand der Diskussion zurückfallen”? Das ist doch gaga.

    Ich würde mich nicht beschneiden, aber verboten soll es nur werden an Minderjährigen ohne Indikation.

    Bitte aufwachen: ich argumentiere ja gerade dass eine Indikation grundsätzlich immer besteht – wie Sie auch im verlinkten Review hätten nachlesen können.

    Du darfst die Zahlen nicht mit 100 multiplizieren, sondern nur mit 18.

    Dass ist Unsinn. Niemand interpretiert das Kindeswohl wortwörtlich, d.h. so dass es mit 18 endet. In welchem Interesse soll es denn sein, eine zeitliche Nähe zwischen ärztlichem Eingriff und entfalteter positiver Wirkung zu fordern? Mit dem Kindeswohl ist das Wohl der Person gemeint, die in dem Moment noch ein Kind ist. Warum soll die Person nach 18 plötzlich nicht mehr profitieren dürfen?

    Dann kommst Du auf 180 Leute die davon profitieren, dass 100000 Leute beschnitten werden,

    Dann würden ja fast doppelt so viele davon profitieren wie im Review behauptet. Rechnen Sie lieber nochmal nach – oder lassen Sie ihre Buchstabengetreue Interpretation fallen.

    Die Zähne und der Kiefer sind eben in der Kindheit formbar – mit 18 ist es zu spät da noch korrigieren zu wollen.

    Abgesehen davon, dass Ihre Behauptung falsch ist (“Eine Behandlung ist entgegen früheren Meinungen in jedem Alter möglich.“), kratzt das nicht im mindesten an meiner Kritik, dass Erwachsene Menschen sich nicht zwangsweise rational verhalten.

  194. #196 Physiker
    18. August 2012

    @Stefan W. (Teil 3):

    […] Dann wird sporadisch gefordert, man müsse die Kinder narkotisieren. Dies ist m.W. wesentlich riskanter bei kleinen Kindern. Was Infektionen und die Abwehrkräfte des Körpers betrifft bin ich dann aber überfragt. […]

    Mich überrascht immer wieder die medizinische Expertise, die sich Beschneidungsgegner zuschreiben und wie souverän ihre Meinung darüber entscheidet was seriös ist und was nicht. Sie sollten wiss. Publikationen zum Thema auf jeden Fall meiden, sonst würde ihnen noch auffallen wie irrelevant ihre Vermutungen sind.

    Die AIDS-Argumentation kommentiere ich nur soweit, dass die WHO nicht die Amputation der Vorhaut bei nicht zustimmungsfähigen Kindern empfiehlt.

    Hallo? Es wurde inzwischen aber wirklich oft genug der Link inklusive das Zitat gepost, dass das genaue Gegenteil behauptet:
    “Since neonate circumcision is a less complicated and risky procedure than circumcision performed in young boys, adolescents or adults, such countries should consider how to promote neonate circumcision in a safe, culturally acceptable
    and sustainable manner.”

    So, und den Rest Ihres Beitrags spare ich mir. Denn wenn Sie Ihren eigen Vorschlag beherzigen (und nicht hinter den aktuellen Stand der Diskussion zurückfallen), dann werden Sie selbst feststellen, dass jede einzelne Ihrer nachfolgenden Aussage genauso falsch ist wie alle vorausgehenden.

  195. #197 Physiker
    18. August 2012

    @Stefan W.· 18.08.12 · 02:04 Uhr:

    Die Medizin beschäftigt sich in erster Linie mit Defiziten. Ob jemand krank oder verletzt ist. Nicht mit dem Wohlbefinden beim Sex.

    Was meinen Sie, warum weibliche Genitalverstümmelung geächtet ist. Und meinen Sie nicht, dass ein nicht vorhandenes Wohlbefinden ein Defizit darstellt?
    Wie dem auch sei – schauen Sie doch endlich in die Fachliteratur und überzeugen Sie sich selbst, dass Sie hier nur Unsinn schreiben.

    Wenn man das tut, dann ist jedenfalls das Alter dessen, der sich beschneiden lässt oder dazu gezwungen wird zu berücksichtigen. Es sind psychische Folgen zu berücksichtigen, und vermindertes sexualerleben als Malus zu berechnen.

    Zum X-ten Mal: das wird doch berücksichtigt – ich zitiere den Review nicht nochmal. Nicht umsonst zählen psychische Probleme auch zu gesundheitlichen Problemen.

    Ich bestreite aber mehr noch die Zulässigkeit solcher medizinischer Erwägungen, weil sie vorgeschoben sind.

    Na toll, was soll man denn bitteschön gegen so einen rhetorischen Bullshit einwenden? Ich bestreite auch die Zulässigkeit Ihrer Argumente, weil sie vorgeschoben sind. Punkt. Diskussion zu Ende.

    Die Religionsvertreter berufen sich nur darauf um […]

    Ja und? Der Blödsinn den die Religionsvertreter erzählen hindert uns doch nicht dran, ihn zu ignorieren und stattdessen über relevante Argumente zu Diskutieren. Es kann doch nicht sein, dass dogmatischer Käse aus dem Mund von Religionsvertretern darüber entscheidet, welche medizinischen Eingriffe bei Kindern erlaubt sein sollen.
    Also – move on.

    Es ist ja auch so, dass eine rein medizinisch vorgenommene Beschneidung nicht zählt – die Zeremonie muss nach religiösen Regeln vorgenommen werden, und zumindest muss nochmal Blut fließen.

    Es geht um einen Tropfen. Bei jeder Blutabnahme fliesst mehr Blut. Bluttests mit oder ohne irgendwelchen medizinischem Nutzen werden jedem Neugeborenem zugemutet. Sie konstruieren unüberwindbare Hürden, wo gar keine sind. Selbstverständlich lässt sich eine lege artis durchgeführte Beschneidung so mit religiösem Brimborium ummanteln, dass sie auch von den Mainstream-Juden als religiöse Beschneidung akzeptiert wird. Riten ultraorthodoxer Splittergruppen intressieren hier erstmal nicht.

    Die Befürworter der Beschneidung sollten schon wissen, auf welche Gründe sie sich berufen. Wenn sie sich auf medizinische berufen, dann können sie schlecht die Religionsfreiheit für sich geltend machen.

    Ganz sicher, denn es steht ja im Grundgesetz, dass man sich nicht auf zwei Grundrechte gleichzeitig berufen kann.

  196. #198 rolak
    18. August 2012

    Es ist schon erstaunlich, bei welchem Ausmaß der kognitiven Dissonanz mansche Menschen noch meinen, sinnvolle, konsistente Texte abzusondern: So werden zB (nicht nur) dort Aussagen mit einem durch ‘such countries’ doch eindeutig beschränkten Geltungsbereich und durch ‘should consider how to promote..in culturally acceptable manner’ nach unten nur durch <nichts> beschränkten Aktionsrahmen fröhlich fremdverwertet – anscheinend in der Hoffnung, dies würde keinem auffallen. Die für das hieisige Thema und DLand geltende Relevanz dieser Zitatverwurstung beachtend, hat auch ein noch so oft gejammertes, gräßlich fehlschließendes

    Es wurde inzwischen aber wirklich oft genug der Link inklusive das Zitat gepost, dass[!] das genaue Gegenteil behauptet

    nur dieselbe Aussagekraft wie ein

    jetzt habe ich schon derart oft Null addiert und ihr behauptet weiterhin frech, der Wert der Summe habe sich immer noch nicht geändert.

    Jecken^^

  197. #199 Stefan W.
    18. August 2012

    Du darfst die Zahlen nicht mit 100 multiplizieren, sondern nur mit 18.

    Dass ist Unsinn. Niemand interpretiert das Kindeswohl wortwörtlich, d.h. so dass es mit 18 endet. In welchem Interesse soll es denn sein, eine zeitliche Nähe zwischen ärztlichem Eingriff und entfalteter positiver Wirkung zu fordern? Mit dem Kindeswohl ist das Wohl der Person gemeint, die in dem Moment noch ein Kind ist. Warum soll die Person nach 18 plötzlich nicht mehr profitieren dürfen?

    Ich argumentiere auch nicht damit, dass die Wirkung der Operation mit 18 endet, sondern damit, dass jedermann sich mit 18 freiwillig zu der Operation entscheiden kann, der noch nicht beschnitten ist.

    Dass Du trotz ausdrücklichem Hinweis da nicht selbst drauf kommst legt den Verdacht nahe, dass Du weiterhin glauben willst, die Kritiker wollten die Beschneidung verbieten. Nein – wollen wir nicht. Wir wollen, dass sich junge Männer mit 18 und später selbst dafür entscheiden können, wenn sie wollen.

    Aber für Dich ist es ja auch bla, bla, wenn es eine ärztliche Standespflicht ist nur heilen, helfen, Schmerzen zu lindern wollen. Für Ärzte zum Glück nicht immer.

    Es kann doch nicht sein, dass dogmatischer Käse aus dem Mund von Religionsvertretern darüber entscheidet, welche medizinischen Eingriffe bei Kindern erlaubt sein sollen.

    Medizinische Eingriffe, also solche, die medizinisch geboten sind, stehen gar nicht zur Diskussion – das begreifen Sie nur nicht. Sie haben sich auf das medizinische Abstellgleis leiten lassen.

    So eine Indikation besteht bestreitet niemand. Das kranke Kind soll operiert werden soll. Dafür benötigt man kein Gesetz – das ist nach heutiger Rechtsprechung, weil es im Interesse des Kindes erfolgt, legal. Wie Impfen und Zahnspange.

    Es geht um die medizinisch nicht gebotene sondern religiös motivierte Beschneidung, die etwa mit Deinem hohlen Argument gestützt wird, das Peniskrebs, der üblicherweise jenseits der 50 eintritt, zu legitimieren – da reicht ja wohl eine Beschneidung mit 20, 30, 40.

    Außerdem wird die medizinische Beschneidung von den Religionsvertretern nur als Entschuldigung vorgebracht – da sie den Erfordernissen der Riten nicht genügt genügt eine medizinische Beschneidung denen gar nicht.

    Der Schaden im juristischen Sinne, von dem Sie sprechen: nämlich die Entfernung der Haut, kann für sich alleine genommen nicht als gesundheitlicher Schaden gewertet werden. Der Grund ist simpel: dieser Schaden ist nicht quantifizierbar. Und sofern das entfernte Stück Haut keine Funktion hat oder sonst irgendeinen medizinisch/psychologischen Nachteil darstellt, ist es irrelevant. Und wenn durch die Entfernung irgendein konkreter Nachteil/Schaden entsteht (Libidoverlust oder sonstiger medizinisch/psychologische Beeinträchtigung), muss er ja sowieso berücksichtigt werden. Schäden dürfen nicht doppelt gezählt werden.

    Ein Glück dass noch nicht Winter ist, sonst würde ich hier meine Handschuhe aufessen!

    Es kann nicht als Schaden gewertet werden, weil es ein unquantifizierbares Stück Haut ist?

    Unquantifizierbar ist, wieviel % am Fehlen dieses Hautstücks sterben werden – wollen Sie das sagen? Zu der Zahl der Nervenenden in dem Hautstück und zu den Quadratzentimetern die es groß ist wurde ja schon einiges gesagt. Damit sind wir jetzt wieder zurück auf dem Stand, wo ich sagte, ich will nicht die Diskussion auf diese medizinischen Zahlen beschränken, und Sie dann erwidern, dass entgangener Lustgewinn ein medizinischer Sachverhalt wäre. Aber eben ein schlecht quantifizierbarer.

    Dann sagen Sie aber, man dürfe es nicht doppelt zählen – also einmal kann man es doch zählen, dann ist es wieder quantifizierbar? Bisschen wirr und unentschlossen kommt mir das vor.

    Der Schaden im juristischen Sinne, von dem Sie sprechen: nämlich die Entfernung der Haut, kann für sich alleine genommen nicht als gesundheitlicher Schaden gewertet werden. Der Grund ist simpel: dieser Schaden ist nicht quantifizierbar. Und sofern das entfernte Stück Haut keine Funktion hat oder sonst irgendeinen medizinisch/psychologischen Nachteil darstellt, ist es irrelevant. Und wenn durch die Entfernung irgendein konkreter Nachteil/Schaden entsteht (Libidoverlust oder sonstiger medizinisch/psychologische Beeinträchtigung), muss er ja sowieso berücksichtigt werden. Schäden dürfen nicht doppelt gezählt werden.

    Sie werden im Review erwähnt? Muss ich übersehen haben. Rolak hat ansonsten gesagt, was zu dem Review zu sagen ist.

    Mich überrascht immer wieder die medizinische Expertise, die sich Beschneidungsgegner zuschreiben und wie souverän ihre Meinung darüber entscheidet was seriös ist und was nicht. Sie sollten wiss. Publikationen zum Thema auf jeden Fall meiden, sonst würde ihnen noch auffallen wie irrelevant ihre Vermutungen sind.

    Ahja – die medizinische Expertise von Beschneidungsbefürwortern, das entnehme ich Ihren Äußerungen, ist schon allein deswegen überlegen, weil es Befürworter sind? Das erklärt manches.

    Ja, ich bin kein Mediziner, aber ich kann zuhören wenn Mediziner sprechen und lesen, was sie schreiben. Und Ihre Studien sind eben diskutiert worden, und wenn nach monatelanger Diskussion die AIDS-Prävention wieder rausgekramt wird, als bezöge sich die Empfehlung nicht auf ‘such countries’ mit erstens hoher AIDS-Rate, und zweitens schlechter Verfügbarkeit von Condomen, und auf Männer die zumindest die Geschlechtsreife erreicht haben, und es wird Peniskrebs hervorheholt, der auch bei kl. Kindern nicht vorkommt – das ist ein Fehler, den man als unkritischer Leser der nicht vom Fach ist schon mal machen kann – aber nicht, nachdem man drauf hingewiesen wurde.

  198. #200 Physiker
    18. August 2012

    @rolak:
    Wenn ich Stefan W. in einer spezifischen Aussage klar und eindeutig widerlege, dann bedeutet das noch lange nicht, dass meine gesamte Argumentation zu diesem komplizierten Thema in diesem Einzelargument wiederzufinden ist.

    Niemand bestreitet, dass die WHO-Empfehlung Rahmenbedingungen enthält, die gerade ich in früheren Beiträgen ausführlich diskutiert habe. Diese sind unter anderem:
    a) eine HIV Epidemie unter Heterosexuellen
    b) hohe HIV-Prävalenz
    c) niedrige Beschneidungsrate
    d) ausführliche Information der Eltern
    e) Zustimmung der Eltern
    Trotzdem bleibt Stefans Aussage “dass die WHO nicht die Amputation der Vorhaut bei nicht zustimmungsfähigen Kindern empfiehlt” falsch, wie das Zitat belegt. Denn erstens empfiehlt die WHO die Beschneidung (unter obigen Rahmenbedingungen – die durchaus auch in entwickelten Ländern bzw. lokal begrenzt zutreffen können) und zweitens spielt die Zustimmungsfähigkeit der Kinder keine Rolle. Das ist alles dem Zitat von UNAIDS/WHO und der WHO-Webseite zu entnehmen.

  199. #201 Physiker
    18. August 2012

    @ Stefan W.· 18.08.12 · 06:25 Uhr:

    Ich argumentiere auch nicht damit, dass die Wirkung der Operation mit 18 endet

    Was soll dieser Strohmann? Diese absurde Interpretation ist meiner Aussage jedenfalls nicht zu entnehmen. Bitte lesen Sie nochmal meine Begründung – es hat mir viel Zeit gekostet, meinen Einwand verständlich zu formulieren – und ich denke das ist mir sehr gut gelungen:

    Niemand interpretiert das Kindeswohl wortwörtlich, d.h. so dass es mit 18 endet. In welchem Interesse soll es denn sein, eine zeitliche Nähe zwischen ärztlichem Eingriff und entfalteter positiver Wirkung zu fordern? Mit dem Kindeswohl ist das Wohl der Person gemeint, die in dem Moment noch ein Kind ist.

    Als Beispiel dafür, dass meine Interpretation des Wohl des Kindes als Wohl der Person (die in dem Moment noch ein Kind ist) gesehen wird, nannte ich bereits die Zahnspange. Zahnspangen verursachen bei Kindern nur Schmerzen. Vom kosmetischen(!) Vorteil profitiert das Kind überwiegend später, d.h. als Erwachsener. Wie Sie meinem Zitat entnehmen konnten, ist es sehrwohl möglich dem Kind die Schmerzen der Zahnspange zu ersparen und mit der Entscheidung über diesen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu warten bis das Kind Erwachsen bzw. mündig ist. Und trotzdem ist die Verordnung der Zahnspange an nicht zustimmungsfähigen Kindern nicht vom Gesetzgeber verboten. Der Grund ist einfach: Zahnspangen dienen dem Wohl des Kindes. D.h. sie sind zum Wohl der Person (die zum Zeitpunkt des Eingriffs noch ein Kind ist). Und das Wohl der Person schliesst selbstverständlich das ganze spätere Leben mit ein.

    Deshalb ist Ihre Argumentation für einen Aufschub eines medizinischen Eingriffes nicht stichhaltig. Eltern dürfen (auch unumkehrbare) Massnahmen zum Wohl des Kindes durchsetzen, auch wenn das Kind erst im späteren Leben davon profitiert. Das ist die momentane Rechtslage und das ist auch vernünftig so.

  200. #202 Physiker
    18. August 2012

    @Stefan W.· 18.08.12 · 06:25 Uhr (Teil 2):

    Außerdem wird die medizinische Beschneidung von den Religionsvertretern nur als Entschuldigung vorgebracht – da sie den Erfordernissen der Riten nicht genügt genügt eine medizinische Beschneidung denen gar nicht.

    Belegen Sie das bitte. Im Kölner Urteil hat das Gericht jedenfalls explizit festgestellt, dass die Beschneidung lege artis durchgeführt wurde. Ihre unbelegte Behauptung ist also nicht einmal in diesem Präzedenzfall zutreffend.

    Es kann nicht als Schaden gewertet werden, weil es ein unquantifizierbares Stück Haut ist?

    Nein. Ich habe ihren Einwand so verstanden, dass bereits das Entfernen der Vorhaut an und für sich einen (nicht wieder gutzumachenden) Schaden darstellt, der zusätzlich zu den Schmerzen/Komplikationsschäden beim Eingriff, den späteren dadurch verursachten psychischen Folgeschäden und der evtuellen Funktionsstörung zur berücksichtigen ist. Das ist aber falsch. Beispiel Blutentnahme: auch hier wird unwiederbringlich ein Stück Körper (d.h. Blut) entfernt. Der (medizinische) Schaden besteht aber nicht darin, dass Blut entfernt wird, sondern in dem Unwohlsein/niedrigem Blutdruck/der verminderten Leistungsbereitschaft/etc. danach. Wie sollte sonst der Schaden quantifiziert werden? Oder kennen Sie irgendeine Tabelle, derzufolge die Entfernung von Nachwachsenden Zellen (wie z.B. Blut) keinen Schaden darstellt, die Entfernung 1cm^2 Hauts soviel wert ist wie das Entfernen eines Weissheitszahns oder 1cm^3 Rachenmandel 2cm^3 Nasenpolypen entsprechen? Ich hoffe auf Ihre Einsicht dass ein solches Aufrechnen unsinnig ist. Die Nachteile eines Eingriffs werden an den Konsequenzen bemessen und nicht daran wieviel von welchem Gewebetyp entfernt wird – und Nervenenden bilden da keine Ausnahme.

    […] dass entgangener Lustgewinn ein medizinischer Sachverhalt wäre. Aber eben ein schlecht quantifizierbarer.

    Selbstverständlich ist entgangener Lustgewinn ein quantifizierbarer Sachverhalt. Ich kann ihnen dutzende Studien dazu zitieren. Und wenn Beschneidung wirklich den Lustgewinn mindert, dann sollten Beschneidungen überhaupt nicht mehr durchgeführt werden (egal ob religiös motiviert oder medizinisch indiziert).

    Rolak hat ansonsten gesagt, was zu dem Review zu sagen ist.

    Na dann nehmen Sie halt irgendeinen anderen Review, der eine solche Abwägung/Gegenüberstellung vornimmt – oder haben Sie das nicht nötig?

    Ja, ich bin kein Mediziner, aber ich kann zuhören wenn Mediziner sprechen und lesen, was sie schreiben.

    Na also, dann tun Sie das doch und zitieren Sie einen alternativen Review.

    Und Ihre Studien sind eben diskutiert worden,

    So ein Unsinn. Eine Schmähkritik ist keine Diskussion.

    und wenn nach monatelanger Diskussion die AIDS-Prävention wieder rausgekramt wird

    Wie oft muss ich denn noch erwähnen, dass AIDS-Prävention und Peniskrebs in Deutschland der mit Abstand unwichtigste Grund ist, sich für eine Beschneidung zu entscheiden. Das können sie in jeder wissenschaftlichen Publikation direkt/indirekt nachlesen. Aber ignorieren Sie das ruhig weiter – Sie sind in guter Gesellschaft.

    als bezöge sich die Empfehlung […] auf Männer die zumindest die Geschlechtsreife erreicht haben

    Können Sie nicht lesen, oder muss ich Ihnen die Worte “promote neonate circumcision” wirklich übersetzen? Die Penetranz mit der Sie Zitate ignorieren ist ja wirklich ungeheuerlich.

  201. #203 Stefan W.
    19. August 2012

    @Physiker:

    Die Beharrlichkeit mit der Sie wieder und wieder auf AIDS und Peniskrebs hinweisen steht in eklatantem Widerspruch zu Ihrem Lippenbekenntnis, dies sei Ihnen unwichtig. Dann lassen Sie das Argument doch einfach stecken!

    Zur Zahnspangenrechnung: Das ist Ihr Strohmann, nicht meiner.

    Man muss mir nicht sagen, dass ein Vorteil, der sich erst beim Erwachsenen realisiert, im Sinne des Kindes ist, auch wenn es sich nicht in dessen Kindheit realisiert – so blöd ist hier ja nun niemand.

    Der Punkt ist, dass mit meiner Vorstellung von Rechten des Individuums jedermann sich selbstbestimmt mit 18 selbst beschneiden darf, oder selbst beschneiden lassen darf.

    Du darfst also, wenn Du berechnest wievielen potentiell Peniskrebskranken eine Operation zu gute kommt nur diejenigen zählen, die erkrankt sind, weil sie erst mit 18 beschnitten werden.

    Ich bin kein Fachmann für Peniskrebs, und habe das so verstanden, dass man keinen Peniskrebs bekommt, wenn man die Vorhaut amputiert; nicht, dass man die Vorhaut zu spät, mit 18, amputiert, und dann doch mit 40 Peniskrebs bekommt, ihn aber vielleicht vermieden hätte, wenn man schon mit 10 oder 0 Jahren amputiert hätte.

    So oder so will ich niemandem verbieten sich mit 18 beschneiden zu lassen, also darf man nur die zählen, die mit krank wurden, weil sie mit 18 noch unbeschnitten waren, aber nicht krank geworden wären, wenn sie früher beschnitten worden wären.

    Wenn jemand sich mit 18 nicht beschneiden lässt, erkrankt, und dies wäre vermeidbar gewesen durch eine, Sie erraten es, Beschneidung, dann ist das das Risiko dass er selbst eingegangen ist.

    Bei Zahnspangen liegt m.W. immer eine konkrete Indikation vor, nicht ein geringes Risiko. Es wird auch nicht am Sexualorgan rumgeschnippelt und dieses verletzt, sondern das Gebiss gerichtet, also in Ordnung gebracht.

    Bei religiös motivierter Beschneidung wird gar nicht beachtet ob jemand krank ist oder ein erhöhtes Krankheitsrisiko hat – der gesunde Körper wird als kranker behandelt, das ist die Perversion des Eingriffs.

  202. #204 Physiker
    20. August 2012

    @Stefan W.· 19.08.12 · 01:41 Uhr

    Die Beharrlichkeit mit der Sie wieder und wieder auf AIDS und Peniskrebs hinweisen steht in eklatantem Widerspruch zu Ihrem Lippenbekenntnis, dies sei Ihnen unwichtig. Dann lassen Sie das Argument doch einfach stecken!

    Ich haben in diesem Thread genau zweimal das Wort Peniskrebs erwähnt und habe jedes Mal ausführlichst auf die Irrelevanz hingewiesen. Dahingegen enthält bereits jeder zweite Satz Ihres Kommentars dieses Wort. Die Beharrlichkeit liegt also ganz auf Ihrer Seite. Und was HIV betrifft: Wenn Sie eine falsche Behauptung aufstellen, müssen Sie mit Widerspruch rechnen.

    Zur Zahnspangenrechnung: Das ist Ihr Strohmann, nicht meiner.

    a) ich habe keine Rechnung zu Zahnspangen gemacht – die Zahnspange war nur Beispiel, das mein Argument gestützt hat.
    b) wie ein Beispiel ein Strohmann sein kann, das müssen Sie schon genauer erklären.

    Man muss mir nicht sagen, dass ein Vorteil, der sich erst beim Erwachsenen realisiert, im Sinne des Kindes ist, auch wenn es sich nicht in dessen Kindheit realisiert – so blöd ist hier ja nun niemand.

    Schön, dann ist Ihre Argumentation, zugunsten des Aufschiebens der Beschneidung bis die Person selbst entscheiden kann, hinfällig. Denn wenn die Beschneidung zum Wohl des Kindes ist, dann können laut Gesetzeslage die Eltern frei darüber entscheiden.

    Der Punkt ist, dass mit meiner Vorstellung von Rechten des Individuums jedermann sich selbstbestimmt mit 18 selbst beschneiden darf, oder selbst beschneiden lassen darf.

    Das ist trivial und steht nicht zur Debatte.

    Du darfst also, wenn Du berechnest wievielen potentiell Peniskrebskranken eine Operation zu gute kommt nur diejenigen zählen, die erkrankt sind, weil sie erst mit 18 beschnitten werden.

    Warum? Jetzt setzen Sie ja doch wieder voraus, dass nur akute Behandlungen erfolgen sollen und alles was aufgeschoben werden kann, aufgeschoben werden sollte. Am Beispiel der Zahnspange habe ich Ihnen demonstriert, dass das nicht zutrifft.

    So oder so will ich niemandem verbieten sich mit 18 beschneiden zu lassen, also darf man nur die zählen, die mit krank wurden, weil sie mit 18 noch unbeschnitten waren, aber nicht krank geworden wären, wenn sie früher beschnitten worden wären.

    Nochmal: Das setzt voraus, dass keine prophylaktischen Eingriffe durchgeführt werden dürfen/sollten, die sich erst nach 18 positiv auswirken. Das ist aber nicht unsere Rechtslage.

    Wenn jemand sich mit 18 nicht beschneiden lässt, erkrankt, und dies wäre vermeidbar gewesen durch eine, Sie erraten es, Beschneidung, dann ist das das Risiko dass er selbst eingegangen ist.

    Und inwiefern soll das jetzt damit zu tun haben, dass mit der Beschneidung bis zur Einwilligungsfähigkeit gewartet werden muss?

    Bei Zahnspangen liegt m.W. immer eine konkrete Indikation vor, nicht ein geringes Risiko.

    Können Sie das ausführlicher sagen. Der Satz ist unverständlich.

    Es wird auch nicht am Sexualorgan rumgeschnippelt und dieses verletzt, sondern das Gebiss gerichtet, also in Ordnung gebracht.

    Wenn durch das Herumschnippeln am Sexualorgan keine gravierenden Beeinträchtigungen entstehen; und wenn 4 Beschneidungen einen Fall von Harnwegsinfektion, 10 Beschneidungen einen Fall von Candidiasis, 6 Beschneidungen einen Fall von Prostatakrebs, 10 Beschneidungen einen Fall von Balanitis, 10 Beschneidungen einen Fall von Phimose, 2 Beschneidungen einen Fall von hoch-risiko HPV und 5 Beschneidungen einen Fall von Genitalherpes verhindern, dann wird doch auch etwas in Ordnung gebracht.

    Bei religiös motivierter Beschneidung wird gar nicht beachtet ob jemand krank ist oder ein erhöhtes Krankheitsrisiko hat

    Für das Judentum ist das jedenfalls nicht wahr. Hier wird bei Krankheit explizit eine Ausnahme gemacht.

    der gesunde Körper wird als kranker behandelt, das ist die Perversion des Eingriffs.

    Das nennt sich Prophylaxe und ist nur dann pervers, wenn die Nutzen-/Risiko-Abwägung negativ ausfällt.

  203. #205 Stefan W.
    20. August 2012

    @Physiker: Wenn die Horrorzahlen stimmen würden, und Beschneidung in jedem Fall das Mittel der Wahl wäre, die Erkrankung zu verhindern, dann würde man jeden Mann beschneiden.

    Das glauben Sie doch selbst nicht!

    Wenn durch das Herumschnippeln am Sexualorgan keine gravierenden Beeinträchtigungen entstehen;

    Es entstehen aber gravierende Beeinträchtigungen, und zwar mit Sicherheit, und unumkehrbar.

    Bei der Zahnspange ist keine unumkehrbare Nebenwirkung zu beklagen, oder?

    Bei Zahnspangen liegt m.W. immer eine konkrete Indikation vor, nicht ein geringes Risiko. Können Sie das ausführlicher sagen. Der Satz ist unverständlich.

    Können Sie das ausführlicher sagen. Der Satz ist unverständlich.

    Ja. Zahnspangen werden nicht auf Verdacht unter’s Volk gebracht, weil die Zähne eventuell schief wachsen könnten. Eine Frage wäre, ob es eine nennenswerte Anzahl an Ex-Spangenträgern gibt, die sich wünschen nicht als Kind eine Spange bekommen zu haben, sondern erst als Erwachsene gefragt zu werden.

    Was Sie da gezeigt haben wollen ist mir unklar: Während des Wachstums der Zähne müssen diese doch gerichtet werden, und je früher desto besser. Sicher könnte man die Spange mit 18 einrichten – nur würde das ebenso gut wirken? M.W. nicht.

  204. #206 roel
    20. August 2012

    @Stefan W. “Es entstehen aber gravierende Beeinträchtigungen, und zwar mit Sicherheit, und unumkehrbar.” Gibt es dazu Studien welche gravierenden Beeinträchtigungen es bei Türken und Juden sind?

    ist etwas OT, aber vielleicht auch interessant. Im Sport gab es die Ü 18 Spangenträger, wenn mit Wachstumshormonen gedoped wurde.

  205. #207 Physiker
    20. August 2012

    @Stefan W.· 20.08.12 · 04:54 Uhr:

    Wenn die Horrorzahlen stimmen würden, und Beschneidung in jedem Fall das Mittel der Wahl wäre, die Erkrankung zu verhindern, dann würde man jeden Mann beschneiden.

    Das ist haarstäubender Unsinn. Es gibt viele prophylaktische medizinische Massnahmen, aber keine davon sind Zwangsmassnahmen. Die letzte prophylaktische Zwangsmassnahme endete 1976 (die Pockenimpfung). Seitdem greift der Staat nicht mehr in die Entscheidung der Bürger/Eltern ein – und aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das zu begrüssen.

    Bei der Zahnspange ist keine unumkehrbare Nebenwirkung zu beklagen, oder?

    Jeder medizinische Eingriff ist strenggenommen “unumkehrbar”. Deshalb kann die Unumkehrbarkeit auch kein Argument sein. Die gebildeten Gedächtniszellen nach einer Impfung werden Sie auch nicht so schnell wieder los; das Ziehen von Weisheitszähnen/eine Polypen-OP/Mandel-OP lässt sich auch nicht wieder rückgängig machen. Genauso unmöglich ist es natürlich den Originalzustand nach einer korrigierten Zahnfehlstellung wieder herzustellen. In den meissten Fällen ist nur eine ungefähre Rekonstruktion möglich. Genauso lässt sich natürlich mit Hilfe der plastischen Chirurgie vieles wieder annähernd zurückverändern – aber im strengen Sinne Umkehrbar ist nichts.

    Bei Zahnspangen liegt m.W. immer eine konkrete Indikation vor, nicht ein geringes Risiko. […] Zahnspangen werden nicht auf Verdacht unter’s Volk gebracht, weil die Zähne eventuell schief wachsen könnten.

    Ich bin mir immer noch nicht sicher, was Sie damit sagen wollen. Meinen Sie: Zahnspangen sind keine prophylaktische Massnahme? Das stimmt. Aber das war ja auch nicht der Aspekt, der für meinen Vergleich relevant war. Wenn Sie ein Beispiel für eine prophylaktische Massnahme suchen, die ebenfalls erst mit zeitlicher Verzögerung ihre Wirkung entfaltet, nehmen Sie die HPV-Impfung, die bereits ab 12 Jahren empfohlen wird.

    Eine Frage wäre, ob es eine nennenswerte Anzahl an Ex-Spangenträgern gibt, die sich wünschen nicht als Kind eine Spange bekommen zu haben, sondern erst als Erwachsene gefragt zu werden.

    Und wie wollen Sie mit dieser Information argumentieren? Würden Sie Ihre Meinung zur Beschneidung wirklich ändern, wenn es eine nennenswerte Anzahl (was ist nennenswert?) von Beschnittenen Erwachsenen Juden/Muslime gäbe, die sich gewünscht hätten, als Kinder nicht beschnitten worden zu sein? Und wenn Ihnen dieser Punkt wichtig ist, warum legen Sie dann Ihre Meinung fest, bevor Sie die Zahlen kennen?

    Was Sie da gezeigt haben wollen ist mir unklar: Während des Wachstums der Zähne müssen diese doch gerichtet werden, und je früher desto besser. Sicher könnte man die Spange mit 18 einrichten – nur würde das ebenso gut wirken? M.W. nicht.

    Laut dem bereits zitierten Link in Wikipedia ” lassen sich selbst extreme Zahnfehlstellungen bei älteren Patienten heute gut korrigieren”. Wenn man also soviel Wert auf die Zustimmungsfähigkeit der Patienten setzt, dann muss man konsequenterweise auch Zahnspangen mindestens während des ersten Wachstumsschubs von Kindern ablehnen. Schliesslich können sie ja später auch noch entscheiden, ob sie sie sich den Eingriff antun. Was die Wirksamkeit betrifft: Eine analoge Situation gibt es doch auch bei der Beschneidung: Diese ist laut zitierter Literatur ca. 15 Mal Nebenwirkungsärmer, wenn sie gleich nach der Geburt ausgeführt wird. Und das wird nicht einmal in der beschneidungskritischen Literatur qualitativ bestritten.

    P.S.: Die in Ihren Beiträgen immer wiederkehrende Zahl 18 ist falsch. Laut Gesetz ist die Einwilligungsfähigkeit (und nicht die Volljährigkeit) des Patienten entscheidend, die typischerweise mit 14 erreicht wird (die Grenze ist aber nicht scharf definiert).

  206. #208 Schmidts Katze
    20. August 2012

    Was ich in den Diskussionen um die Beschneidung feststelle, ist eine sehr starke Emotionalität, und ich selbst wäre auch nicht bereit, mir die Vorhaut abschneiden zu lassen.

    Mir scheint die Entscheidung pro Beschneidung deshalb; unabhängig davon, ob sie medizinisch indiziert ist oder nicht, was ich bezweifele; notwendig mit dem Einverständnis des Betroffenen verbunden.

    Es gibt keinen Grund, eine Beschneidung vor dem 18. Lebensjahr vorzunehmen, und die Wahlfreiheit damit vom Betroffenen auf seine Eltern zu übertragen.

  207. #209 Physiker
    20. August 2012

    @Stefan W.· 20.08.12 · 04:54 Uhr
    Nachtrag:

    Es entstehen aber gravierende Beeinträchtigungen [Anm.: durch Beschneidung], und zwar mit Sicherheit, und unumkehrbar.

    Ich bin vorausgehenden Beitrag auf die “Unumkehrbarkeit” eingegangen, hier noch etwas zur “gravierenden Beeinträchtigung”:
    Wie bereits mehrfach erwähnt ist die Studienlage momentan so, dass keine funktionellen und psychischen Beeinträchtigungen von einer Beschneidung ausgehen. Siehe Abschnitt 3.9. des zitierten Reviews. Wenn ich mich nicht verzählt habe, werden hier 27 Studien diskutiert – darunter auch mehrere RCTs. Nur eine Minderheit von umstrittenen Studien sehen Beeinträchtigungen. Die überwiegende Mehrheit sieht keine Beeinträchtigung bzw. sogar Vorteile.
    Also frage ich Sie nochmal: Wie kommen Sie dazu, sich die Expertise anzumassen, diesen originär medizinisch/psychologischen Sachverhalt besser beurteilen zu köennen als die Fachliteratur?

    Und als Anmerkung nur nochmal zur Plausibilität Ihrer Einschätzung: wenn die Beschneidung gravierende Beeinträchtigungen verursachen würde, dann würde doch kein Arzt mehr eine medizinisch indizierte Beschneidung durchführen.

  208. #210 Schmidts Katze
    20. August 2012

    “Wenn die Beschneidung gravierende Beeinträchtigungen verursachen würde, dann würde doch kein Arzt mehr eine medizinisch indizierte Beschneidung durchführen.”

    Wenn sie wirklich medizinisch indiziert ist, warum nicht?
    Aber das ist wohl eher selten der Fall, gewöhnlich wird eine medizinische Indikation nur vorgeschoben, damit die Krankenkasse zahlt.

    Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. lehnt auf jeden Fall die Beschneidung von Kindern ab:
    https://dakj.de/media/stellungnahmen/ethische-fragen/2012_Stellungnahme_Beschneidung.pdf

    Dazu könnte sich der “Physiker” auch mal äussern, aber von dem gibt es ja nur Links, die seiner Meinung entsprechen.

  209. #211 Physiker
    20. August 2012

    @Schmidts Katze:

    Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. lehnt auf jeden Fall die Beschneidung von Kindern ab:
    https://dakj.de/media/stellungnahmen/ethische-fragen/2012_Stellungnahme_Beschneidung.pdf

    Gerne äussere ich mich auch zu dieser Stellungnahme. Ich finde bereits den ersten Satz erschreckend demagogisch:

    Rechtlich ist eine Beschneidung von nicht selbst einwilligungsfähigen Personen ohne medizinische Indikation, d.h. weder als anerkannt prophylaktische noch als therapeutische Maßnahme, eine Körperverletzung (§ 223 StGB), […]

    Denn hier wird fälschlicherweise suggeriert, dass es zur Wertung als Körperverletzung relevant ist, ob eine Massnahme a) bei (nicht-)einwilligungsfähigen Personen, b) ohne/mit medizinischer Indikation oder c) aus prophylaktischen/therapeutischen Gründen durchgeführt wird. Das ist aber schlichtweg falsch. Jeder ärztliche Eingriff ist eine Körperverletzung – und das sollten die Vertreter des DAKJ eigentlich wissen. Ich zitiere dazu Ärztekollegen aus dem Deutschen Ärzteblatt:

    Ausgehend von der Auffassung des Reichsgerichtshofs aus dem Jahre 1894 (RGSt 25, 375) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 35, 246) stellt jeder ärztliche Heileingriff tatbestandlich eine Körperverletzung dar im Sinne der §§ 223 ff. StGB; 823 I BGB (Tabelle 1).

    Abgesehen davon lautet mein Vorwurf an die Stellungnahme des DAKJ, dass sich diese nicht auf die Fachliteratur stützt, sondern nur ausgewählte andere Verbände zitiert. Damit verbunden ist eine Kompetenzüberschreitung. Denn in der Evidenzbasierten Medizin, zählen Fachpublikationen und nicht Stellungnahmen von Vereinen und Verbänden. Aber was soll man auch anderes erwarten: wenn alternativmedizinischer Humbug derart verbreitet unter dem Angebot deutscher Ärzte ist – dann kann das evidenzbasierte Argumentieren schon mal ins Hintertreffen geraten…

    Dazu könnte sich der “Physiker” auch mal äussern, aber von dem gibt es ja nur Links, die seiner Meinung entsprechen.

    Abgesehen davon das das nicht stimmt – wie Sie im Parallelthread durch Verlinkung des van Howe-Reviews mitbekommen haben – ist das eine sehr seltsame Argumentation: Haben Sie schon Links gepost, die Ihrer eigenen Meinung widersprechen?

  210. #212 Stefan W.
    20. August 2012

    @Physiker:

    1.: Sicher, wenn ich mir einen Schalke-04-Schal umlege, dann ist das insofern unumkehrbar, als ich nicht in die Vergangenheit reisen kann, um das ungeschehen zu machen. Wenn jmd. vom Vorgang ein Photo gefertigt hat, und es wurde gedruckt und an 40 000 Mitglieder des Vereins verschickt, dann bekomme ich es wohl kaum wieder aus der Welt.

    Ich kann aber den Schal ablegen, und einen anderen anziehen.

    Ebenso ist die Spange entfernbar. Die Vorhaut kommt aber nicht wieder. Einen toten Stück Hautlappen kann man wohl dahintransplantieren, aber eben keinen empfindungsfähigen.

    Woher sie die plötzliche Entdeckung “strikter” Unumkehrbarkeit haben, das sollten Sie mal untersuchen.

    2.: Wenn man eine medizinisch indizierte Operation vornimmt, dann wägt man Risiken und möglichen Gewinn gegeneinander auf. Man amputiert nicht die linke Hand wenn man glaubt, das Kind könne damit in Brennnesseln geraten, und sich wehtun.

    Soweit ich das sehe kann man die Vorhaut beschneiden um eine Phimose zu behandeln wenn die Phimose auftritt und Schmerzen verursacht – man muss nicht prophylaktisch tätig werden.

    Diese Zahlen dürfen Sie also nicht ins Spiel bringen, um für eine prophylaktische Beschneidung zu werben.

    Insgesamt sind Ihre Zahlen so groß, dass auf jeden beschnittenen Mann mehr als 1.4 Erkrankungen kommen, die er vermeidet. Wenn das so wäre, dann hätte ich schon viel häufiger von diesen gehört – auch wenn der betroffene Bereich durch Tabus umstellt ist; dafür brauche ich dann keine Studien zu lesen.

    Und wie wollen Sie mit dieser Information argumentieren? Würden Sie Ihre Meinung zur Beschneidung wirklich ändern, wenn es eine nennenswerte Anzahl (was ist nennenswert?) von Beschnittenen Erwachsenen Juden/Muslime [sic] gäbe, die sich gewünscht hätten, als Kinder nicht beschnitten worden zu sein?

    Nennenswert ist jeder. Es gibt eine nennenswerte Anzahl, und weil ich das nicht erst jetzt merke bin ich bereits der Ansicht, dass man diesen die Vorhaut nicht amputieren darf. Ich ändere also meine Meinung nicht, sondern das macht ja meine Meinung aus.

    Ich hatte auch bereits Kontakt mit jemandem, der erst mit 17 beschnitten wurde. Im Gegensatz zu all den beschnittenen Juden, die nur 8 Tage eine Vorhaut hatten, und sich nicht daran erinnern können, denen also der subjektive Vergleich fehlt, und den ganzen unbeschnittenen Männern, die nicht im Dienste der Erkenntnis sich die Vorhaut amputieren lassen wollen um zu wissen wie das wäre, kennt dieser beide Seiten der Medaille. Das ist natürlich nur ein einziger Fall und repräsentiert gar nichts – er könnte allenfalls als Gegenbeweis dienen für eine Aussage der Art “niemand vermisst seine Vorhaut”, wenn man ihm glaubt – was ja schwierig ist, wenn man ihn nicht kennt und nichts von ihm weiß.

    Aber genau das erste ist ja der Fall: Es muss nur gezeigt werden, dass nicht jeder an der Vorhaut sowenig hängt wie an zu lang gewordenen Teilen der Fingernägel.

    Er hält den Verlust der Vorhaut für verschmerzbar, aber hätte sie, könnte er wählen, lieber zurück.

    Ich verstehe, dass Du das nicht glauben musst wenn Du nicht willst, aber wenn Du glaubst dass es das gibt, dann stellt sich eben die Frage, ob die Eltern dem Kind die Vorhaut abschnippeln lassen dürfen, und zu welchem Zweck.

    Und alle Zwecke die Zeit haben, bis derjenige 18 ist, und selbst entscheiden kann, können aufgeschoben werden. Wenn jemand keine schmerzhafte Vorhautverengung hat, die eine Beschneidung heilen würde, dann zählt keine Häufigkeit, mit der solche Verengungen auftreten, wenn er sie nicht selbst hat, und kein Risiko mit 50 was zu kriegen, wenn er mit 18 immer noch prophylaktisch selbst tätig werden kann.

    Das ist haarstäubender Unsinn. Es gibt viele prophylaktische medizinische Massnahmen, aber keine davon sind Zwangsmassnahmen.

    Es ging mir auch nicht darum zu behaupten, dass der Staat eine solche Maßnahme durchsetzen würde, aber Ärzte würden die Maßnahme an die Bevölkerung herantragen.

    Mir hat noch nie ein Arzt empfohlen mich beschneiden zu lassen. Ich kenne auch niemanden, dem dies prophylaktisch empfohlen wurde, oder bei dem dies prophylaktisch gemacht wurde.

    Ich schätze, dass wenn es solche Fälle gibt, dass es dann Fälle von Abrechnungsbetrug sind, und wenn es sie nicht gibt, dann weil Ärzte nicht das religiöse Ritual zelebrieren, welches das Motiv darstellt.

    Was die Wirksamkeit betrifft: Eine analoge Situation gibt es doch auch bei der Beschneidung: Diese ist laut zitierter Literatur ca. 15 Mal Nebenwirkungsärmer, wenn sie gleich nach der Geburt ausgeführt wird.

    Was hat Nebenwirkungsarmut mit Wirksamkeit zu tun?

    Was ist mit der Narkose, die für Babies viel gefährlicher ist, die aber von vielen Orthodoxen abgelehnt wird? Herr Graumann verbat sich ausdrücklich die Einmischung in die Religion und lehnt Reformationen pauschal ab.

    Schmidts Katze· 20.08.12 · 14:07 Uhr
    Es gibt keinen Grund, eine Beschneidung vor dem 18. Lebensjahr vorzunehmen, und die Wahlfreiheit damit vom Betroffenen auf seine Eltern zu übertragen.

    Ja doch, es gibt eine, und die lautet: Weil Gott es so will.

    Das ist der einzige Grund, und dieser entzieht sich einer rationalen Argumentation unter vernünftigen Leuten.

    Der Versuch Ärzte, WHO und ähnliches zu missbrauchen, um rationale Gründe für die Beschneidung anzuführen, ist ein reines Täuschungsmanöver. Es ist der Zentralrat der Juden und die Vertreter der Muslime, die pro Beschneidung von Kindern eintreten – religiös neutrale Ärzte und Gesundheitsvertreter habe ich bisher nicht gesehen.

  211. #213 Physiker
    22. August 2012

    @Stefan W.:

    Ebenso ist die Spange entfernbar. Die Vorhaut kommt aber nicht wieder. Einen toten Stück Hautlappen kann man wohl dahintransplantieren, aber eben keinen empfindungsfähigen.

    Wenn man eine Spange entfernt, kehrt sich doch nicht die Wirkung um. Eine Beschneidung ist durch Wiederherstellung der Vorhaut (siehe Wikipedia) jedenfalls besser (und z.T. auch empfindungsfähig) rückgängig zu machen als das Ziehen eines Weisheitszahns/eine Mandel-OP/Polypen-OP. Warum soll also eine Beschneidung anders beurteilt werden als ein solcher Eingriff? Abgesehen davon sind Sie immer noch nicht auf mein Argument eingegangen, dass die “Unumkehrbarkeit” laut unserer Rechtslage keine Rolle spielt.

    Soweit ich das sehe kann man die Vorhaut beschneiden um eine Phimose zu behandeln wenn die Phimose auftritt und Schmerzen verursacht – man muss nicht prophylaktisch tätig werden.

    Richtig. Aber wenn ein Vorteil alleine nicht ausreicht um eine Massnahme zu begründen, dann darf man ihn doch nicht bei der Abwägung ausklammern, so wie Sie das fordern (“Diese Zahlen dürfen Sie also nicht ins Spiel bringen”).

    Insgesamt sind Ihre Zahlen so groß, dass auf jeden beschnittenen Mann mehr als 1.4 Erkrankungen kommen, die er vermeidet.

    Das gilt nur falls die aufgelisteten Krankheiten voneinander unabhängig sind – offensichtlich ist das aber nicht der Fall, denn laut Publikation profitiert “nur” jeder zweite von einer Beschneidung. (Ausserdem wurde höchstwahrscheinlich aus naheliegenden Gründen HPV ausgeklammert.)

    Wenn das so wäre, dann hätte ich schon viel häufiger von diesen gehört – auch wenn der betroffene Bereich durch Tabus umstellt ist; dafür brauche ich dann keine Studien zu lesen.

    Das ist genau die Argumentation pro alternativmedizinischem Humbug. Haben Sie keine besseren Argumente als Anekdoten?

    Nennenswert ist jeder.

    Na dann gehört sich auch die Zahnspange für Kinder verboten, denn ich habe hier eine Person gefunden, die ihre Zahnspange bereut. Ich halte eine derartige Argumentation deshalb für absurd.

    Es gibt eine nennenswerte Anzahl, und weil ich das nicht erst jetzt merke bin ich bereits der Ansicht, dass man diesen die Vorhaut nicht amputieren darf.

    Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass man durch das Auffinden von Personen, die eine medizinische Massnahme aus ihrer Kindheit (prophylaktisch oder auch nicht) bereuen, eben diese Massnahme für Kinder verbieten kann. Es finden sich sicherlich tausende von Impfskeptikern die ihre Impfungen während ihrer Kindheit bereuen – die Schlussfolgerung daraus kann doch nicht sein, keine Kinder mehr zu Impfen. Oder nehmen wir Zeugen-Jehovas, die es bereuen, in ihrer Kindheit eine Blut-Transfusion erhalten zu haben. Nein. Es kann keine Rolle bei der Beurteilung einer Massnahme spielen ob diese von einer Minderheit bereut wird oder nicht.

    Aber genau das erste ist ja der Fall: Es muss nur gezeigt werden, dass nicht jeder an der Vorhaut sowenig hängt wie an zu lang gewordenen Teilen der Fingernägel.

    Und warum spielt dann dieses Argument bei einer prophylaktischen Weisheitszahnentfernung/Mandel-OP/Polypen-OP/Nasenscheidewand-OP/etc. keine Rolle? Sie messen hier zwangsweise mit zweierlei Mass – ansonsten wäre keine einzige prophylaktische Massnahme in der Kindheit mehr erlaubt.

    Und alle Zwecke die Zeit haben, bis derjenige 18 ist, und selbst entscheiden kann, können aufgeschoben werden.

    Die Massnahmen können, müssen aber nicht aufgeschoben werden. Das liegt nämlich laut unserem Grundgesetz (und weiteren oben zitierten Gesetzen) im Entscheidungspielraum der Eltern. Und würde der Staat den Eltern diese Entscheidung abnehmen, dann wäre dies ein eindeutiger Verstoss gegen Grundgesetz Art. 6.

    Mir hat noch nie ein Arzt empfohlen mich beschneiden zu lassen.

    Und mir empfehlen Ärzte (und Apotheker) ständig Homöopathie/Akkupunktur/Bioresonanztherapie und sonstigen pseudowissenschaftlichen Humbug. Na, dann werden sie’s ja wohl wissen…

    Ich kenne auch niemanden, dem dies prophylaktisch empfohlen wurde, oder bei dem dies prophylaktisch gemacht wurde.

    Dann kennen Sie also niemanden aus den USA, denn dort wird das genau aus prophylaktischen Gründen gemacht – und auch wenn die Zahlen rückläufig sind, sind dort weit mehr als 50% der Bevölkerung genau aus den prophylaktischen Gründen beschnitten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie dort auch Ärzte finden werden, die genau so argumentieren.

    Was hat Nebenwirkungsarmut mit Wirksamkeit zu tun?

    Sie haben doch selbst bestätigt, dass die Nebenwirkungen gegen die Vorteile abgewogen werden müssen. Warum wollen Sie jetzt plötzlich also zwischen verminderten Nebenwirkungen und einer verbesserten Wirksamkeit unterscheiden? Erklären Sie das bitte.

    Was ist mit der Narkose, die für Babies viel gefährlicher ist, die aber von vielen Orthodoxen abgelehnt wird?

    Eine Narkose lehen auch alle Publikationen einheitlich ab. Die Literatur spricht sich stattdessen für eine Lokalanästhesie aus. Falls Sie den Unterschied nicht kennen (was ich aus Ihren vorausgehenden Beiträgen schliesse) – informieren Sie sich bitte.

    Herr Graumann verbat sich ausdrücklich die Einmischung in die Religion und lehnt Reformationen pauschal ab.

    Wenn sich niemand dafür interessieren würde, was Religionsvertreter sagen und wenn man stattdessen die medizinischen Fakten sprechen lassen würde, dann würde man tatsächlich zum Wohl des Kindes entscheiden.

    […] rationale Gründe für die Beschneidung anzuführen, ist ein reines Täuschungsmanöver.

    Lassen Sie sich’s mal auf der Zunge zergehen, was Sie hier schreiben… Wenn Sie rationale Gründe nicht zulassen wollen (egal aus welchen Gründen), dann ist die Diskussion zu Ende.

    religiös neutrale Ärzte und Gesundheitsvertreter habe ich bisher nicht gesehen.

    Dass nehme ich auch den Medien übel, dass bisher kein solcher Vertreter zu Wort gekommen ist. Und wenn wirklich noch kein deutscher Forscher zu dem Thema publiziert hat (was mich bei den tausenden von Publikationen echt wundern sollte), dann läd man halt einen Engländer/Amerikaner ein.

  212. #214 Suzie
    24. August 2012

    Seit 3 Tagen gibt es eine Petition an den Deutschen Bundestag:

    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_06/_27/Petition_25502.$$$.a.u.html

    Text der Petition
    Mit der Petition wird gefordert, dass Beschneidungen bei Minderjährigen grundsätzlich verboten werden und eine Missachtung dieses Verbots mit einer angemessenen Strafe geahndet wird.

    Begründung
    Der Bundestag möge bitte medizinisch notwendige Eingriffe – zum Beispiel bei Vorhautverengung – als Ausnahme zulassen. Des weiteren möge sich der Bundestag für Der Bundestag möge bitte medizinisch notwendige Eingriffe – zum Beispiel bei Vorhautverengung – als Ausnahme zulassen. Des weiteren möge sich der Bundestag für ein europaweites Genitalverstümmelungsverbot einsetzen und auch unfreiwillige im Ausland durchgeführte Beschneidungen verbieten.

    Die Verstümmelung des weiblichen Geschlechts ist weitgehend geächtet und wird als Körperverletzung geahndet, die Genetalverstümmelung bei Männern leider nicht. Aus oft religiösen Gründen werden männliche Kinder in Deutschland. Diese Beschneidung von Jungen stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte des Kindes dar. So werden die Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die persönliche Religionsfreiheit verletzt, denn dieser Eingriff bedeutet einen nicht mehr rückgängig machbaren Verletzung des menschlichen Körpers. Da die Beschneidung des Jungen in einem sehr jungen Alter erfolgt, kann ein Kind nicht frei über seine Beschneidung entscheiden. Weder kann ein Kind die langfristigen körperlichen ästhetischen Folgen erkennen, noch kann es sich aus freien Stücken für eine Beschneidung entscheiden, weil es die Bedeutung des Eingriffs nicht erkennt.
    Wenn der Junge volljährig ist und sich aus freien Stücken für eine Beschneidung entscheidet, dann kann er sich dieser Prozedur gerne unterziehen.
    Um einen Beschneidungstourismus zu vermeiden, muss für sich ein europaweites Verstümmelungsverbot eingesetzt werden.

    Das die Würde und die individuellen Rechte des Einzelnen höher zu bewerten sind als die freiheit der Religionen, muss ein Verbot schnellstmöglich erfolgen.

    Das Kölner Landgericht hat zurecht die Genetalverstümmelung aus religiösem Anlass als Körperverletzung betrachtet. Der Deutsche Bundestag muss nun endgültig Rechtssicherheit schaffen.

    Diese Petition ist ausdrücklich nicht antireligiösem Ursprungs. Ziel ist es nicht Religionen und Angehörige bestimmter Religionen zu kriminalisieren, sondern die Freiheit und Grundrechte jedes einzelnen Jungen zu schützen.”

  213. #215 Thilo
    https://scienceblogs.de/mathlog
    24. Januar 2020
  214. #216 rolak
    24. Januar 2020

    Kreis München verbietet Demo gegen Beschneidung

    Das ist eine ein wenig irreführende ‘Überschrift’, Thilo – das KVR hat ausschließlich den gewählten Ort für unangemessen erklärt und den Antrag für die dort stattfindenden sollende Veranstaltung den Veranstaltern zur Verlegung zurückgegeben. Daraufhin wurde dann vom Veranstalter komplett abgesagt.

    Die adäquate Adresse für eine Demo gegen Beschneidung im Allgemeinen (ein an sich eindeutig befürwortbares Ziel) wäre eh die Legislative gewesen. Der abrupte Rückzug der Pegidisten offenbart, daß dies eben nicht die Intention für den Aufmarsch gewesen ist, sondern eher eines der Leitmotive ihres großen Vorbildes: “So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich den Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.”