Die Nachrichten aus Libyen haben mir erstmal die Sprache verschlagen: Der amerikanische Botschafter in Libyen, Chris Stephens, und sein Pressesprecher Sean Smith, kamen bei einem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi ums Leben (die Namen zweier weiterer Todesopfer wurden bisher noch nicht bekannt gegeben). Dass Libyen, nach dem Umsturz des Ghaddafi-Regimes, immer noch ein gefährliches Pflaster ist, mag niemanden überraschen. Doch die Angriffe eines wütenden Mob haben eine ebenso einfache wie erschreckende Tatsache: sie waren der “Protest” gegen einen Videoclip, der auf YouTube verfügbar ist (direkt verlinken will ich den nicht, aber we ihn sehen will – bitteschön: https://www.youtube.com/watch?v=iC6yGzpSvjU) und der, um es mal ganz pauschal zu sagen, Moslems und den Islam in ein sehr schlechtes Licht stellt.
Ich werde, wie gesagt, diesen Clip hier nicht einbetten. Nur so viel: Als ich ihn angeschaut habe, dachte ich erst einmal, es müsse sich um eine Parodie nach Art von Monty Python handeln: allzu offensichtliches Makeup und falsche Bärte, und knallchargierende Darsteller. Doch der Plot ist gewiss provozierend: Der Clip beginnt mit Attacken auf ägyptische Christen und Sicherheitskräften, die den Mob gewähren lassen; danach folgen (immer noch lausig gespielt) offebnar willkürlich geschnittene Szenen aus dem Leben Mohammeds, die ihn als Bastard, Frauenheld etc. (weiter hab’ ich nicht geschaut) porträtieren. Einer von ich-weiß-nicht-wievielen Millionen schlecht gemachter Videoclips?
Leider nein. Offenbar will der “Filmemacher” Sam Bacile, der eigentlich – laut dem Wall Street Journal – ein 52-jähriger US-Immobilienunternehmer mit israelischen Wurzeln ist, mit diesem Clip für einen noch zu produzierenden Film werben, der den Titel “Innocence of Muslims” tragen soll und für den er bereits fünf Millioenn Dollar aufgetrieben haben will.
Aber das wäre vermutlich immer noch niemandem aufgefallen – auf YouTube gibt es so viel Dreck, da fällt so ein obskurer CLip nicht weiter ins Gewicht. Wäre da nicht der berüchtigte Pastor Terry Jones – und nein, das ist nicht der Terry Jones von Monty Pyton, falls jemand dies nach einer obigen Bemerkung über die Qualitat des CLips nun vermuten sollte – ins Spiel gekommen, der den 11. September als den “International Judge Muhammad Day” proklamiert hat und sich zu diesem Zweck (unter anderem auch auf der entsprechenden Facebook-Seite – bitte selber ergoogeln) auch dieses Clips bedient hat. Moment mal, war das nicht genau der Fanatiker, der im vergangenen Jahr mit seiner Androhung, den Koran zu verbrennen, bereits für schwere Unruhen, damals in Afghanistan, gesorgt hatte? Ja, genau der.
Über die paradoxe Frage, warum es in einer angeblich auf (Nächsten)Liebe fundierten Religion wie dem Christentum überhaupt Platz – und Anhänger – für solche Hassprediger wie Jones geben kann, ließe sich wohl lange diskutieren, was aber an der Tatsache, dass es sie gibt (und mehr als nur diesen einen), nichts ändern wird. Und dass diese Provokation ihr Ziel, Moslems als generell gewaltbereits und blutrünstig darzustellen, auf tragische Weise erreicht hat, ist ob der Vorhersagbarkeit einer solchen Reaktion leider auch nicht beruhigender. Aber davon, dass dies ja nur die radikalen Minderheiten seien, die von den wahren Werten ihrer jeweiligen Religionen nichts begriffen haben (was man nur als den “Kein-wahrer-Schotte“-Trugschluss bezeichnen kann), will ich heute, einen Tag nach dem 11. September, wirklich nichts mehr hören müssen. Fanatiker sind mir zum Kotzen, egal, was auf ihren Fahnen (oder sonstigen Symbolen) steht.
Nachtrag: Ein namentlich hier nicht nennenswürdiger Bewerber um das Weiße Haus hat versucht, aus dem Geschehen politisches Kapital zu schlagen. Ekelhaft …
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