Und mit dieser Stellungnahme wird die Verschwörungstheorie nun zur (leicht verklausulierten, aber dennoch klar erkennbaren) offiziellen Lesart:
Im Windschatten dieses medial geschürten Konfliktes setzen die Gegner einer Urheberrechtsreform ein weiteres Mal sämtliche Hebel in Bewegung, um weiterhin für ihr veraltetes Auswertungsrecht zu werben und die sachliche Argumentation der Piratenpartei durch eine einseitige und emotional zugespitzte Debatte zu konterkarieren.
Aus humoristischer Sicht wäre es geradezu unverzeihlich, hier nicht auch noch das Statement zu erwähnen, das der Piratenvorsitzende Bernd Schlömer am Nachmittag des 19. September verbreiten ließ:
Die Diskussion um die Veröffentlichung des Buches “Klick mich” zeigt in eindrucksvoller Weise die Notwendigkeit auf, über neue Lösungen im Urheberrecht nachzudenken. Die hilflose Agieren des Verlages “Random House” bei der Begegnung von geleakten Versionen im Netz offenbart den Kontrollverlust, den Verlage und Verwerter angesichts der Realien des Informationszeitalters erleiden. Es ist jetzt an der Zeit, über Reformen des Urheberrechts zu diskutieren. Ein besseres Beispiel hätte uns Julia Schramm mit der Veröffentlichung ihres Werkes nicht liefern können.
Oder, in anderen Worten: Wir haben zwar ein Eigentor geschossen, aber wenigstens beweist das, dass wir nach Bällen treten können.
Aber zurück zur VT: Es könnte ja, allen Zweifeln zum Trotz, doch etwas dran sein. So ein Medienriese wie Bertelsmann ist doch bestimmt zu allem fähig, oder? Kommt erst mal drauf an, was man als “etwas” bezeichnen will. Dass sich im Laufe der Entwicklung einige der Bertelsmänner und -Frauen ins Fäustchen gelacht haben, will ich gerne glauben. Aber es ist eine Sache, etwas schadenfroh (oder, sagen wir mal, opportunistisch) mit anzusehen, eine andere, etwas vom Start weg zu planen. Und wenn dieses “etwas” bedeuten soll, dass Bertelsmann – vielleicht (um mal Öl in die Flammen zu gießen) in Komplizenschaft mit Springer, der WAZ-Gruppe und allen anderen großen deutschen Verlagen? – die Affäre geplant und eingefädelt hat, um damit die gefürchtete Piraten-Novelle des Urheberrechts zu stoppen, dann schließt das folgende Aussagen mit ein:
– Bertelsmann wusste bereits lange vor den Piraten selbst, wie sich die Parteikarriere von Julia Schramm entwickeln würde (ohne ihr führendes Parteiamt wäre der Plan nicht aufgegangen);
– Bertelsmann ist tatsächlich entweder ein einzelner Mann (der Name ließe sich ja so interpretieren oder?), der alle Entscheidungen alleine für sich trifft und für sich behalten kann, oder Random House (ca. fünfeinhalb Tausend MitarbeiterInnen) ist ein Kult, dessen Schweigegelübde unbedingt beachtet wird.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konzern solche politischen Pläne nebst der großzügigen Finanzierung derselben dem Mittelmanagement (das für Buchdeals auf dieser Ebene typischer Weise zuständig ist) frei überlässt, ist in einer Aktiengesellschaft praktisch Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine entsprechende Direktive vom Vorstand durch die diversen betroffenenen Organisationsschichten gehen kann, ohne dass davon etwas nach außen sickert (irgendwer hat immer sein Mütchen an irgendwem zu kühlen), ist ebenso sicher praktisch Null. Und das alles für eine Aktion, deren politischer wie wirtschaftlicher Nutzen nicht kalkulierbar ist?
Klar, das kann man glauben. Und der Beweis, dass etwas nicht so war wie behauptet, ist generell nur schwer zu führen. Doch den Plausibilitätstest sollte eine VT zumindest ansatzweise bestehen…
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